Kapitel 3 Kontinuumsphysik ausgewählter elektrodynamischer Probleme 3.1 Ziele Eine große Klasse von Materialien ist nicht nur Träger von Masse, sondern auch von elektrischer Ladung. Die hierdurch erzeugten Phänomene sind Gegenstand der Elektrodynamik. Ältere Anwendungen der Elektrodynamik sind • Konstruktion von Elektromotoren und die Erzeugung hochfrequenter Wellen für die Nachrichtenübertragung • Konstruktion von Halbleiterschaltkreisen Besonders wichtig in neuerer Zeit sind Anwendungen in den Bereichen • Herstellung von Solarsilizium. Hier werden sehr heiße Siliziumschmelzen durch wandernde Magnetfelder homogenisiert. • Herstellung von Brennstoffzellen und von Lithium-Ionen- Batterien. Dieses Kapitel ist eine Einführung in die elektrodynamische Theorie. Deren Basis sind die MAXWELLschen Gleichungen, die analog zu den Bilanzgleichungen für Masse, Impuls und Energie von universell gültiger Natur sind. Aber auch die MAXWELLschen Gleichungen müssen durch Materialgleichungen ergänzt werden, was wir hier im Kontext der genannten modernen Anwendungen tun. 63 3.2 Die MAXWELLschen Gleichungen Grundsätzliches und Historisches. Entdeckt wurden elektrodynamische Kräfte durch Experimente mit kleinen elektrisch geladenen Teilchen. Deren Ladung induziert zwei unterschiedliche Felder, die sich durch Kraftwirkungen zwischen geladenen Teilchen bemerkbar machen. Die beiden Felder werden durch Funktionen von Zeit und Raum modelliert und heißen elektrische Feldstärke und magnetische Induktion. Allerdings wurde zunächst nicht gesehen, dass elektrisch geladene Teilchen auch ein magnetisches Feld erzeugen. In dieser Periode der elektrodynamischen Theorie gab es zwei getrennte Bereiche: Elektrisch geladenen Teilchen und magnetisch geladener Materie. Die jeweiligen Kräfte zwischen elektrischen Teilchen bzw. zwischen Magneten wurden getrennt untersucht. Nach Etablierung des Atoms mit innerer Struktur als Grundbaustein der makroskopischen Materie, und insbesondere nach Aufstellung der speziellen Relativitätstheorie ist klar, dass magnetisches und elektrisches Feld eine Einheit im elektromagnetischen Feld bilden. Es gibt keine magnetische Materie. Es gibt ausschließlich elektrische Ladungen. Die Relativgeschwindigkeit zwischen Beobachter und Ladung entscheidet, ob ein elektromagnetisches Feld als elektrisch oder als magnetisch interpretiert wird oder ob beide Anteile vorhanden sind. Die Vermessung der Kräfte durch die resultierenden Bewegungungen von geladenen Teilchen in elektromagnetischen Feldern führte schließlich zur Aufstellung der elektrodynamischen Theorie. MAXWELL schuf die vier Gleichungen, die seinen Namen tragen, mittels aberwitzigster Motivationen. Insbesondere führte er einen mechanistischen Äther mit Wirbeln und Rädern ein, der seit 110 Jahren wieder abgeschaft ist. Überraschender Weise aber konstituieren die MAXWELLschen Gleichungen die am besten bestätigte Theorie der Physik . Die Grundgleichungen der Elektrodynamik sind die MAXWELLschen Gleichungen. Es wurde schnell erkannt, dass diese Gleichungen, die durch das Studium von diskreten geladenen Teichen gewonnen wurden, auch die elektromagnetischen Vorgängen in kontinuierlichen Materialien beschreiben. Dieser Bereich wird im Folgenden im Vordergrund stehen. Die elektrische Ladung. Das Studium von Experimenten mit gewissen Materialien hat die Existenz von elektrischer Ladung aufgezeigt. Obwohl elektrische Ladungen besonders einfache Eigenschaften haben, ergab sich zur Zeit ihrer Entdeckung noch ein verwirrendes Bild. Hauptsächlich, weil der Aufbau der Materie aus Atomen noch nicht bekannt war. Heutzutage ist das Schema der Natur in diesem Kontext aber sehr einfach. Atome als Teilchen betrachtet sind elektrisch neutral, sie bestehen aber aus positiv geladenen Kernen und einer gleich großen aber negativ geladenen Ladungsmenge. Die Träger der negativen Ladungen sind die Elektronen, 64 welche die Hülle des Atomkerns bilden. Das einzelne Elektron ist Träger der Elementarladung −e0 . Elektronen können weder erzeugt noch vernichtet werden. Atome können sich zu Molekülen oder direkt zu makroskopischen Materialien verbinden. Global gesehen sind die makroskopischen Körper ungeladen. Jedoch können die in den Körpern enthaltenen positiven und negativen Ladungsbestandteile getrennt werden, so dass lokal eine der beiden Ladungssorten überwiegt. Auf der makroskopischen Skala gibt es im wesentlichen drei Methoden der Ladungstrennung: 1. Durch Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes. 2. Durch Zerfall eines Körpers in elektrisch geladene Teilkörper, was beispielsweise in einer wässrigen Lösung passieren kann. 3. Durch mechanische Reibung. Hierdurch lassen sich nämlich aus manchen Materialien die Elektronen der äußeren Atomhülle sehr einfach entfernen und werden dabei auf den reibenden Körper übertragen. Übung 3.1 Konsultiere ein Buch zur experimentellen Bestimmung der elektrischen Ladung. a.) Erläutere die historischen Meßverfahren zur Quantifizierung der Ladung eines Körpers. Beachte hierbei, dass die Ladung zunächst über eine Kraftmessung und später über eine Strommessung bestimmt wurde. b.) Erläutere das historische Umfeld der Dimension der elektrischen Ladung. Beschreibe insbesondere den Unterschied zwischen der elektrostatischen und der elektrodynamischen Ladungseinheit, und stelle einen Zusammenhang zu der heutigen Ladungseinheit COULOMB her. Dies alles fassen wir noch einmal zusammen. 65 Die Eigenschaften der elektrischen Ladung: 1. Ein Körper kann neben seiner Masse eine elektrische Ladung besitzen. 2. Es gibt zwei unterschiedliche Sorten von elektrischer Ladung. 3. Die elektrische Ladung ist charakterisiert durch einen Betrag und ein Vorzeichen. Wir sprechen deshalb von positiver und negativer elektrischer Ladung. 4. Der Betrag einer elektrische Ladung ist immer ein ganzzahliges Vielfaches einer Grundladung, die wir Elementarladung nennen. In modernen Einheiten hat die Elementarladung den Wert e0 = 1.602 10−19 COULOMB (C), (3.1) wobei ein COULOMB gleich einer AMPERE×Sekunde ist, also 1 C=1 As. 5. Ein ungeladener Körper hat gleiche Mengen an positiven und negativen Ladungen. 6. Die elektrische Ladung eines Körpers ist eine additive Größe. 7. Die Ladung eines abgeschlossenen Körpers ist eine Erhaltungsgröße. Sie kann weder erzeugt noch vernichtet werden, sondern kann nur von einem Ort zu einem anderen Ort fließen. Die elektromagnetische Kraft. Ein elektrisch geladenes Teilchen erfährt eine elektromagnetische Kraft K, welche durch andere Teilchen erzeugt wird. Das Teilchen selbst ist aber auch Erzeuger einer solchen Kraft. Zur Vermessung der Kraft ist es nützlich die beiden Phänomene zu trennen. Zu diesem Zweck wird ein sogenanntes Probeteilchen eingeführt. Hierunter verstehen wir ein kleines Teilchen, d.h. ein Massepunkt, mit Masse m und Ladung ze0 , dessen erzeugtes Kraftfeld vernachlässigt werden kann. Die Vermessung der Kraft geschieht über die Vermessung der Bewegung x(t) des Probeteilchens in einem elektromagnetischen Feld. Für kleine Geschwindigkeiten des Probeteilchens relativ zum felderzeugenden Körper gilt die NEWTONsche Bewegungsgleichung m d2 x = K. dt2 66 (3.2) Durch experimentelle Auswertung der linken Seite dieser Gleichung läßt sich dann eine Darstellung der elektromagnetischen Kraft gewinnen. Es hat sich herausgestellt, dass das Kraftfeld aus zwei Anteilen von unterschiedlicher Struktur besteht: K = ze0 (E(t, x) + dx × B(t, x)). dt (3.3) Diese Kraft heißt LORENTZ Kraft und die hier auftretenden neuen Größen haben die Namen • E - elektrische Feldstärke • B - magnetische Flussdichte oder magnetische Induktion Aufgrund der bereits vorhandenen Einheiten von Kraft und Ladung, NEWTON (N) bzw. COULOMB (C), liegen die Einheiten der elektromagnetischen Felder fest: [E] = V N = C m und [B] = N Vs = 2, Cm/s m Hendrik Antoon Lorentz besaß bereits vor Einstein die formale Struktur der speziellen Relativitätstheorie. Fast alle seine Resultate aber interpretierte er falsch . (3.4) wobei meistens die Einheit VOLT (V) anstelle von Nm/C genommen wird. Der Betrag der Geschwindigkeit des Probeteilchens wird ausschließlich von der elektrischen Feldstärke geändert. Über das Magnetfeld kann nur die Richtung der Geschwindigkeit geändert werden kann. Durch skalare Multiplikation der Bewegungsgleichung mit der Geschwindigkeit folgt nämlich m d dx 2 dx ( ) = ze0 · E. 2 dt dt dt (3.5) Als nächstes betrachten wir den Spezialfall wo das felderzeugende Teilchen mit der Ladung z1 e0 die gleiche Größenordnung wie das Probeteilchen hat. Falls außerdem kein Magnetfeld vorliegt, dann zeigen Messungen bei kleinen Relativgeschwindigkeiten der beiden Teilchen das einfache Gesetz K=f ze0 z1 e0 r, r3 also E = f z1 e0 r. r3 (3.6) Hier ist r der Abstandsvektor der beiden Teilchen. Die Größe f stellt sich als eine Naturkonstante heraus. Im hier verwendeten Einheitensystem gilt f = 9 109 Vm/C. Die Kraft (3.6)1 heißt COULOMB Kraft. 67 Charles Augustin de Coulomb war ein unglaublich vielseitiger Forscher, wie er heute nicht mehr angetroffen wird . Zur Illustration der möglichen Bahnkurven eines geladenen Probeteilchens in vorgegebenen elektromagnetischen Feldern, betrachten wir zwei Beispiele. Übung 3.2 Ein Probeteilchen mit Masse m und elektrischer Ladung e bewegt sich in einem konstanten homogenen Magnetfeld B = (0, 0, B). Zerlege die Geschwindigkeit des Teilchens in Komponenten parallel und senkrecht zu B, d.h. υ = υ || + υ ⊥ . a.) Zeige, dass gilt υ || = konstant und |υ ⊥ | = konstant. (3.7) b.) Leite eine Beziehung her zwischen dem Krümmungsradius der Bahnkurve und |υ ⊥ |. Diskutiere die Bewegung. Übung 3.3 Ein Probeteilchen mit Masse m und elektrischer Ladung e bewegt sich in einem konstanten homogenen elektromagnetischen Feld (E, B). a.) Betrachte zunächst nur eine Komponente E || parallel zu B und gib die Bahnkurve an. b.) Nimm an E · B = 0. Zeige, dass sich das Problem über den Ansatz υ = υE + υ1 mit υ E = E×B B2 (3.8) reduzieren läßt auf das Problem mυ̇ 1 = eυ 1 × B. (3.9) c.) Berechne die Bahnkurve und erläutere das Resultat. Phänomenologische Beschreibung der elektrischen Ladung von kontinuierlichen Körpern. In dieser Vorlesung über Kontinuumsphysik haben wir bisher nur 1-Stoff-Systeme behandelt. Kontinuierliche Körper mit elektrischen Ladungen sind aber grundsätzlich Mehr-Stoff-Systeme. Zur Illustration betrachten wir drei Beispiele. 68 Ein Kuperdraht besteht aus einem festen Kristallgitter, welches von positiv geladenen Kupferionen (Cu+ ) gebildet wird. In dieser Umgebung gibt es die leicht beweglichen (Leitungs-) Elektronen (e− ). Kupfer ist also ein 2Stoff-System. Eine metallische Siliziumschmelze (Si) besteht aus positiv geladenen Siliziumatomen Si+ und Elektronen e− . Auch hier haben wir es mit einem 2-Stoff-System zu tun. Wenn wir Kochsalz (NaCl) in Wasser (H2 O) geben, zerfällt das Salz in seine geladenen Bestandteile Na+ und Cl− . Grob gesehen besteht der Gesamtkörper also aus drei Komponenten: Ungeladenes Wasser, positiv geladene Natriumionen und negativ geladene Clorionen. Dieser Körper heißt Elektrolyt und ist ein 3-Stoff-System. Allerdings zeigt eine genauere Untersuchung, dass auch ein kleiner Teil der Wassermoleküle in Ionen zerfallen, nämlich in positive H+ Ionen und negative OH− Ionen. Es liegt also eigentlich ein 5-Stoff-System vor. Die Ladungen der drei Beispiele werden wir in Zukunft freie Ladungen (F) nennen. Es gibt aber noch einen weiteren Ladungstyp. Dieser ist fest an die neutralen Atome bzw. neutralen Moleküle gebunden und heißt Polarisationsladung (P). Beispielsweise kann es passieren, dass sich der Atomkern aufgrund eines äußeren elektrischen Feldes gegen seine Hülle verschiebt. Dadurch gibt es im Atom zwei getrennte Ladungszentren mit unterschiedlichem Vorzeichen. Es ist ein Dipol entstanden. Auf der Längenskala der Atome gibt es also neue Ladungen, die makroskopisch als sogenannte Polarisationsladung in Erscheinung treten. Im gleichen Kontext gibt es ein weiteres Phänomen, welches wir Magnetisierung nennen. Zustandsbeschreibung einer Mischung unter dem Einfluss eines elektromagnetischen Feldes. Als nächstes widmen wir uns der mathematischen Beschreibung von Ladungen in einem kontinuierlichen Körper. Hierzu betrachten wir ein Gebiet Ω ⊂ 3 mit einer Mischung von N eventuell geladenen Komponenten A1 ,A2 ,...,AN . Die Komponenten indizieren wir durch griechische Buchstaben α, β, ... ∈ {1, 2, ..., N }. Die kleinsten Teilchen der Komponenten haben Massen mα und Ladungen zα e0 mit zα ∈ {... − 2, −1, 0, 1, 2, 3...}. Es kann NR chemische Reaktionen geben, die wir durch i ∈ {1, 2, ..., NR } kennzeichnen. Die Chemie charakterisiert chemische Reaktionen durch die Schemata ai1 A1 + ai2 A2 + ... + aiN AN ⇄ bi1 A1 + bi2 A2 + ... + biN AN . (3.10) Im allgemeinen laufen gleichzeitig eine Vorwärtsreaktion und eine Rück69 wärtsreaktion ab, was durch die beiden Pfeile gekennzeichnet wird. Die Konstanten (aiα )α=1,2,...,N and (biα )α=1,2,...,N sind positive ganze Zahlen und die Größen γαi = biα − aiα bezeichnen die stöchiometrischen Koeffizienten der Reaktion i. Jede chemische Reaktion erhält die gesamte Masse und die gesammte Ladung der beteiligten Komponenten. Also haben wir N X mα γαi = 0 und α=1 N X zα e0 γαi = 0. (3.11) α=1 Auf der Skala der Kontinuumsphysik wird der Zustand der Komponenten Aα charakterisiert durch Teilchenzahldichten nα , Geschwindigkeiten υ α und eine gemeinsame Temperatur T . Diese Grundgrößen sollen Felder sein, d.h. sie sind gegeben durch Funktionen von Zeit und Raum: und nα : t ∈ [0, ∞) × x ∈ Ω → + , υ α : t ∈ [0, ∞) × x ∈ Ω → T : t ∈ [0, ∞) × x ∈ Ω → + . Aus den Grundgrößen bilden wir die Massen- und freie Ladungsdichten der Komponenten, (3.12) ρα = mα nα und nFα = e0 zα nα . Die entsprechenden Massenstromdichten und freie elektrischen Stromdichten sind j α = mα nα υ α und j F α = e0 zα nα υ α . (3.13) Massendichte und freie Ladungsdichte der Mischung werden definiert durch ρ= N X ρα F und n = α=1 N X nFα . (3.14) α=1 Die zugehörige Massenstromdichte und die freie Ladungsdichte der Mischung sind N N X X F j= j α und j = j Fα (3.15) α=1 α=1 Ferner definieren wir die baryzentrische Geschwindigkeit der Mischung, sowie die Diffusionsflüsse der Komponenten durch ρυ = N X α=1 ρα υ α und J α = ρα (υ α − υ) 70 ⇒ N X α=1 J α = 0. (3.16) Die Stromdichten (3.18) können wir also auch schreiben als j = ρυ F F und j = n υ + N X zα e0 α=1 mα J α. (3.17) Somit ist der nichtkonvektive Anteil der freien elektrischen Stromdichte bereits durch die Diffusionsflüsse bestimmt. Die oben beschriebene Polarisationsladung wird ebenfalls durch eine Ladungsdichte und eine Stromdichte beschrieben. Für diese Dichten führen wir zunächst nur neue Symbole ein, nämlich nP für die Dichte der Polarisationsladung und j P für die Polarisationsstromdichte. Später werden wir die hinter diesen Symbolen liegende Struktur genauer untersuchen. Die gesamte Ladungsdichte ne und die gesamte Stromdichte sind dann gegeben durch (3.18) ne = nF + nP und j e = j F + j P . Basisvariable einer Mischung unter dem Einfluss eines elektromagnetischen Feldes. Wir betrachten als Basisvariable die N Teilchendichten (nα )α=1,2,...,N der Komponenten, die Geschwindigkeit v und die temperature T der Mischung sowie das elektromagnetische Feld (E, B). Alle anderen Größen aus dem letzten Abschnitt, die sich nicht auf die Basisvariablen zurückführen lassen werden in einem späteren Abschnit durch Materialgleichungen gegeben. Gibt es singuläre Flächen, entweder am Rand der Mischung oder im Inneren, kommen eventuell weitere Variable hinzu. Diese beschreiben die Fläche und weitere Größen die hierauf leben. Auf diesen Aspekt kommen wir noch einmal zurück. Bilanzgleichungen für reguläre Punkte in EULER Koordinaten. Die Gleichungen zur Bestimmung der Basisvariablen basieren auf den lokalen Bilanzgleichungen für Masse, Impuls und innere Energie. Die Massenbilanzen für die Komponenten lauten in regulären Punkten ∂mα nα + div(mα nα υ α ) = rα . ∂t (3.19) Die Masse der Komponente Aα muss natürlich nicht erhalten sein, denn sie kann sich aufgrund einer chemischen Reaktion verändern. Dies wird beschrieben durch die Massenproduktionsdichte rα , welche die Einheit kg/m3 /s hat. Die Geschwindigkeit mit der dies passiert wird durch die Reaktionsraten angegeben. Für eine Reaktion i vom Typ (3.10) gibt es zwei Reakti71 onsraten, nämlich Rfi für die Vorwärtsreaktion und Rbi für die Rückwärtsreaktion. Offensichtlich gilt R rα = N X i=1 woraus mit (3.11)1 folgt mα γαi (Rfi − Rbi ), N X (3.20) (3.21) rα = 0. α=1 D. h. die Gesamtmasse der Mischung kann weder produziert noch vernichtet werden. Sie ist eine Erhaltungsgröße. Wenn wir also in (3.19) mα nα υ α = mα nα υ + J α einsetzen und über alle Komponenten summieren folgt mit (3.14)1 und (3.16)2 die Massenbilanz der Mischung in der bekannten Form ∂ρ + div(ρυ) = 0. (3.22) ∂t Zur Herleitung der Impuls- und Energiebilanz verweisen wir auf Abschnitt I.3.4. Allerdings ergänzen wir diese Bilanzen um die elektromagnetische Kraftdichte, k, und die Energiezufuhr durch elektromagnetische Wärme, π. Beide Größen werden wir im übernächsten Paragraphen identifizieren. Reguläre Bilanzgleichungen für Materie in EULER Koordinaten. Massenbilanz: ∂mα nα + div(mα nα υ + J α ) = rα . ∂t (3.23) ∂ρυ + div(ρυ ⊗ υ − σ) = ρg + k . ∂t (3.24) Impulsbilanz: Bilanz der inneren Energie: ρ ∂ ρ (ρu + υ 2 ) + div((ρu + υ 2 )υ − υ · σ) = ρg · υ + π . ∂t 2 2 (3.25) Bilanzgleichungen für die Partialmassen der Mischung. Wir betrachen ein Volumen Ω, dessen Oberfläche ∂Ω sich mit der Geschwindigkeit w bewegt. Für eine in Ω glatte Massendichte mα nα lautet die Bilanzgleichung I Z Z d mα nα dx = − mα nα (v α − w) · nda + rα dx. (3.26) dt Ω Ω ∂Ω 72 Die anschauliche Bedeutung der hier durchgeführten Bilanzierung ist offensichtlich: (i) Durch eine Fläche mit Flächennormale n und Geschwindigkeit w, treten Teilchen der Komponente α mit der Relativgeschwindigkeit (v α − w) · n. (ii) Das Volumenintgral auf der rechten Seite von (3.26) beschreibt die Produktion von Masse der Komponente α durch chemische Reaktionen in Ω. Die Größe rα heißt Massenproduktionsdichte mit der Einheit kg/s m3 . Das Gebiet Ω wird jetzt durch eine singuläre Fläche I mit Eigenleben in zwei Teile Ω+ und Ω− zerlegt. Hierbei wird auf ∂Ω eine Linie ∂I generiert. Die entsprechende Bilanzgleichung für die Masse der Komponente α lautet dann Z Z Z Z d ( mα nα dx + mα nI,α da) = rα dx + rI,α da + dt Ω I Ω I I I mα nα (v α − w) · nda − mα nI,α (v I,α − w) · eda. (3.27) − ∂Ω ∂I Hier bezeichnen: nI,α - Flächenmassendichte, rI,α - Flächenproduktionsdichte, v I,α - tangentiale Geschwindigkeit. Das Linienintegral repräsentiert den Massenfluß tangential zur Fläche I und normal zum Rand ∂I. Entsprechend ist e ein Tangentialvektor welcher Normal auf ∂I steht. Für die Details der geometrischen Verhältnisse konsultiere die Abbildungen I-3.5, I-3.6 und I-2.6. Herkunft der elektromagnetischen Gleichungen. In den nächsten Paragraphen werden wir das System der Gleichungen für das elektromagnetische Feld (E, B) aufstellen. Dieses System basiert auf zwei Erhaltungssätzen: • Erhaltung der elektrischen Ladung • Erhaltung des magnetischen Flusses Die Bilanzgleichung der elektrischen Ladung. Die Gesamtladung unserer Mischung ist eine Erhaltungsgröße. Sie kann im Gebiet Ω kann weder erzeugt noch vernichtet werden. Für eine im ganzen Gebiet Ω glatte Ladungsdichte ne läßt sich der Erhaltungssatz der elektrischen Ladung deshalb schreiben: I Z d e n (t, x)dx = − (j e − ne w) · nda. (3.28) dt Ω ∂Ω 73 Falls das Gebiet Ω durch eine singuläre Fläche I in zwei Teile Ω+ und Ω− zerlegt wird, und falls es auf I eine elektrische Flächenladungsdichte neI : t ∈ [0, ∞) × x ∈ I → + nebst zugehöriger Flächenstromdichte jIe gibt, dann lautet der Erhaltungssatz der elektrischen Ladung Z Z d e ( n (t, x)dx + neI (t, x)da) = dt Ω I I Ω − (j e − ne w) · nda − (jIe − neI w) · eda. (3.29) ∂Ω ∂I Wir sind nun natürlich auch an den lokalen Versionen der Bilanzgleichung für die elektrische Ladung interessiert. Zunächst betrachten wir aber nur eine singuläre Fläche ohne Eigenleben. Dann folgt mittels der Transporttheoreme für Volumina und Flächen aus Teil I dieser Vorlesung, sowie der dort ausführlich behandelten Argumente die Lokale Darstellung der Ladungserhaltung: ∂ne + div(j e) = 0 in Ω, ∂t (3.30) Auf einer Fläche I ohne Eigenleben mit Normalgeschwindikkeit wν haben wir (3.31) −wν [[ne ]] + [[j e]] · ν = 0. Separate Bilanzgleichungen für freie Ladungen und die Polarisationsladung. Die freie elektrische Ladung und die Polarisationsladung erfüllen zwei individuelle Bilanzgleichungen. Die Bilanzgleichungen für die Massen der N Komponenten der Mischung implizieren nämlich bereits einen Erhaltungssatz für die freie elektrische Ladung. Hierzu multiplizieren wir die Massenbilanzen (3.25) mit zα e0 /mα und summieren über alle Komponenten. Es folgt NR X N N X X zα e 0 ∂nF F J α) = zα e0 γαi . + div(n υ + ∂t mα α=1 i=1 α=1 (3.32) Hier verschwindet die rechte Seite, denn nach (3.11)2 ist die elektrische Ladung in jeder Reaktion erhalten. Außerdem ist der Term unter der Divergenz nach (3.17) die freie elektrische Stromdichte j F . Ziehen wir diese Gleichung von der Bilanzgleichung (3.30) ab, so entsteht ein Erhaltungssatz für die Polarisationsladung. Zusammenfassend haben wir also in regulären Punkten 74 Separate Erhaltungsgleichungen: ∂nF + div(j F ) = 0, ∂t ∂nP + div(j P ) = 0 in Ω. ∂t (3.33) Den Fall, dass es eine singuläre Fläche gibt, behandeln wir zur Zeit noch nicht. Die Erhaltung des magnetischen Flusses. Dieses Phänomen folgt aus einem bemerkenswert einfachen Experiment. Abbildung 3.1: FARADAYs Experiment: Eine Drahtschleife bewegt sich in einem magnetischen Feld. Wird eine geschlossene Drahtschleife in einem gegebenen Magnetfeld B mit der Geschwindigkeit W bewegt, so entsteht während der Bewegung im Draht ein elektrisches Feld E, welches einen Strom elektrisch geladener Ladungsträger (Elektronen) erzeugt. Das in diesem Experiment gefundene Gesetz heißt FARADAYsches Induktionsgesetz (Experimentelle Version): Z I d B · nda = − (E + W × B) · τ ds. (3.34) dt A(t) ∂A(t) Bemerkung zur Historie: Nach 9 Jahren vergeblicher Suche fand FARADAY dieses Gesetz im Jahr 1831. Die experimentelle Realisierung des FARADAYschen Induktionsgesetzes ist allerdings kombiniert mit dem sogenannten OHMsche Materialgesetz: Damit in einem elektrischen Leiter ein Strom I fließt, muss eine Spannung U anliegen. Nach OHM gilt U = RI, wo R eine Materialkonstante für den verwendeten Leiter ist. In seiner Urform wurde deshalb das FARADAYsche Induktionsgesetz als materialabhängiges 75 Gesetz geschrieben: d RI = − dt Z B · nda. (3.35) A(t) Erst nach einiger Zeit wurde klar, dass der elektrische Leiter aus Abbildung 3.1 zur Gültigkeit von (3.34) nicht notwendig ist. Aber wegen seiner Bedeutung im Zusammenhang mit bewegten elektrischen Leitern hat das Linienintegral in (3.34) einen eigenen Namen bekommen und heißt Elektromotorische Kraft: I (E + W × B) · τ ds. E= (3.36) ∂A(t) Übrigens: Die Geschwindigkeit W ist die Geschwindigkeit des Leiters bezogen auf den felderzeugenden Magnet. Auf die hiermit zusammenhängende Problematik kommen wir noch ausführlich zurück. Übung 3.5 Ein quadratischer Rahmen aus Kupfer mit der Kantenlänge l = 1m und dem Kupferquerschnitt A = 10−5 m2 wird mit der Geschwindigkeit W = 10m/s unter einem rechten Winkel in ein konstantes Magnetfeld B = 1Vs/m2 hineingeschoben. Für Kupfer gilt das OHMsche Materialgesetz zwischen Spannung und Strom U = RI und die Leistung ist L = U I. R = A/(4lσ) heißt Widerstand, und σ ist die spezifische Leitfähigkeit von Kupfer. Berechne die entstehende Spannung sowie die notwendige Kraft, die benötigt wird, den Rahmen in das Magnetfeld zu schieben. Als nächstes betrachten wir strömende Materie mit dem Geschwindigkeitsfeld υ(t, x). Wir übertragen das FARADAYsche Induktionsgesetz per Postulat auf eine materielle Fläche in dieser Strömung. Die Fläche A(t) mit Normalenvektor n soll offen sein und hat den Rand ∂A(t). Diesem ist ein Tangentenvektor τ zugeordnet. 76 Abbildung 3.2: Materielle Fläche zur Formulierung des Induktionsgesetzes FARADAYsches Induktionsgesetz (Postulat): I Z d B · nda = − (E + υ × B) · τ ds, dt A(t) (3.37) ∂A(t) woraus für eine geschlossene Fläche folgt I d B · nda = 0. dt (3.38) A(t) Ein Magnetfeld läßt sich abschalten, und darum folgt aus (3.38) I B · nda = 0. (3.39) A(t) Wir können das FARADAYsche Induktionsgesetz als Bilanzgleichung interpretieren. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die bereits behandelten Bilanzgleichungen die Größen Masse, Impuls, Energie und elektrische Ladung an einem gegebenen Volumen bilanzieren. Dagegen wird im FARADAYsche Induktionsgesetz eine Größe auf einer gegebenen Fläche bilanziert. Wir sagen: Der Fluß Z B · nda (3.40) Φ= A(t) des magnetischen Feldes durch eine beliebige offene Fläche A(t) kann nicht durch Quellen auf A(t) verändert werden, sondern nur durch einen Randfluß auf ∂A(t). 77 Transporttheoreme für Flächenintegrale. Zur Aufstellung der lokalen Versionen der magnetischen Flußerhaltung benötigen wir ein Transporttheorem für Flächen. Im Teil 1 dieser Vorlesung haben wir bereits Transportheoreme für Volumina kennengelernt. Auch ein Transportheorem für Flächen kennen wir aus Teil 1. Aber nur für Funktionen, die ausschließlich auf der Fläche leben. Die hier vorliegende Situation ist anders, denn das Magnetfeld ist im ganzen Raum 3 definiert, und nicht nur auf der Fläche A(t) ⊂ 3 . Wir betrachten ein Feld B : t ∈ [0, ∞) × x ∈ 3 → 3 und das Integral (3.40) über eine Fläche A(t), die sich mit der Geschwindigkeit W durch den 3 bewegt. Siehe hierzu die Abbildung 3.2. Es gilt dann das Transporttheorem für Flächenintegrale: Z Z I ∂B d B ·nda = ( (B ×W )·τ ds. (3.41) +W div(B))·nda+ dt ∂t A(t) A(t) ∂A(t) Für materielle Flächenhaben wir W = υ. Hier können wir den Beweis mittels der Umrechnung von EULER- auf LAGRANGE- Koordinaten durchführen. Mit Hilfe des Deformationsgradienten F und der bekannten Formel −1 dai = J Fji dAj wird zunächst das zeitabhängige aktuelle Flächenelement auf ein Flächenelement in der Referenzkonfiguration zurückgeführt. Außerdem wird der Integrand mit Bezug auf diese Referenzkonfiguration angegeben. Nach dieser Aktion ziehen wir die Zeitableitung unter das Integral und rechnen das Resultat (3.41) nach bekannten Regeln formal aus. Für nichtmaterielle Flächen ist der Beweis schwieriger. Manche Größen, wie beispielsweise die Flächengeschwingigkeit W , sind dann nämlich nur auf der Fläche definiert und müssen geeignet in den einbettenden Raum fortgesetzt werden. Die hiermit zusammenhängende Problematik ignorieren wir in dieser Vorlesung. Übung 3.6 Beweise das Transportheorem (3.37) für materielle Flächen und orientiere dich an den entsprechenden Aufgaben aus Teil I dieser Vorlesung. Etwas komplizierter wird es, falls A(t) durch eine singuläre Fläche I(t) in zwei Teile gemäß A = A+ ∪ A− aufgeteilt wird. Die singuläre Fläche I(t) hat die Flächennormale ν und bewegt sich mit der Geschwindigkeit w durch den Raum. Hierbei wird auf A(t) eine singuläre Linie L(t) mit 78 Tangente t und Geschwindigkeit w generiert. Wie üblich vereinbaren wir, dass A+ auf der Seite liegt, wo ν hinzeigt. Abbildung 3.3: Eine singuläre Fläche I teilt eine materielle Fläche A durch Generierung einer singulären Linie L in zwei Teile. Für diese Situation gibt es ein Transportheorem für Flächen bei Vorhandensein einer singulären Linie: d dt Z A+ (t)∪A− (t) B · nda = ∂B + W div(B)) · nda + (3.42) ∂t A+ ∪A− I I (B × W ) · τ ds − ([[B]] × w) · tds Z ( ∂A+ \L∪∂A− \L L Lokale Version der magnetischen Flußerhaltung. Mit Hilfe der beiden Transporttheoreme (3.41) und (3.42) ist es eine leichte Aufgabe, die Aussagen (3.37) und (3.39) des globalen FARADAYschen Induktionsgesetzes, in die entsprechenden lokalen Formen zu bringen. Wir betrachten zunächst den Fall ohne singuläre Linie, und eliminieren die Zeitableitung in (3.37) über das Transportheorem (3.41). Auf das Linienintegral wenden wir den Satz von STOKES an, siehe (I-2.11), so dass wir mit einem Flächenintegral über eine beliebige Fläche enden, welches Null ist. Es folgt, dass dann auch der Integrand null sein muss. Die Ausage (3.39) formen wir mit dem Satz von GAUSS um, siehe (I-2.6), und schließen analog. Es folgt das 79 Lokale FARADAYsche Induktionsgesetz in regulären Punkten: ∂B + rot(E) = 0 und div(B) = 0. ∂t (3.43) Als nächstes geben wir die entsprechenden Gesetze in singulären Punkten an. Die singuläre Version von (3.43)1 beschreibt den Übergang an einer singulären Linie, die eine Fläche in zwei Teile teilt, wie in Abbildung 3.3 illustriert. Dagegen ist die globale Form des Gesetzes (3.43)2 über den Satz von GAUSS durch Volumenintegral darstellbar. Folglich beschreibt dessen singuläre Version den Übergang an einer Fläche, welche ein Volumen in zwei Teile teilt. Es gilt das Lokale FARADAYsche Induktionsgesetz in singulären Punkten: sowie −wν [[B]] + ν × [[E]] = 0 für x ∈ L(t). (3.44) [[B]] · ν = 0 für x ∈ I(t). (3.45) Der Beweis bringt keine neuen Einsichten, und deshalb wird er hier unterdrückt. Der Leser sollte trotzdem versuchen, die entsprechenden Schritte in Analogie zu den bereits mehrfach in dieser Vorlesungen aufgeführten Argumenten aufzuschreiben. Zwischenzusammenfassung. Wir haben bisher zwei Erhaltungssätze kennengelernt: Den Satz von der Erhaltung der elektrischen Ladung und den aus zwei Teilen bestehenden Satz von der Erhaltung des magnetischen Flusses. Beispielsweise haben wir also in regulären Punkten ∂ne + div(j e) = 0 und ∂t ∂B + rot(E) = 0, ∂t div(B) = 0. (3.46) Weitere Erhaltungsgleichungen, die unabhängig sind von (3.46)-(??) und deren singulären Versionen, kennt die Elektrodynamik nicht. Wir haben somit unser Ziel, die Berechnung des elektromagnetischen Feldes (E, B) aus vorgegebenen Ladungs- und Stromverteilungen, noch nicht erreicht. Denn offensichtlich benötigen wir hierzu noch Materialgleichungen, welche die in (3.46) auftretenden Felder verknüpfen. Deren Formulierung basiert auf einem bedeutsamen Zwischenschritt, der jetzt folgt. Ladungspotential und Strompotential. Aus der Erhaltungsgleichung (3.46) für die elektrische Ladung können wir eine weitere Flächenbilanz 80 herleiten. Die Gleichung (3.46) kann nämlich durch Einführung von zwei neuen Größen identisch erfüllt werden. Darstellung von Ladung und Strom durch Potentiale in regulären Punkten: ne = div(D) und j e = − ∂D + rot(H). ∂t (3.47) Die Funktion D : t ∈ [0, ∞) × x ∈ 3 → 3 heißt Ladungspotential, und H : t ∈ [0, ∞) × x ∈ 3 → 3 ist das Strompotential. Die Behauptung folgt unmittelbar durch Einsetzen von (3.51) in die lokale Ladungserhaltung (3.46). Wir erkennen durch Vergleich mit der Argumentation zum FARADAYschen Induktionsgesetz, dass die Darstellungen (3.51) die lokalen Versionen von globalen Bilanzgleichungen in regulären Punkten sind. Aus diesen globalen Bilanzgleichungen, die wir hier aber nicht weiter besprechen, folgt die Darstellung von Ladung und Strom durch Potentiale in singulären Punkten: sowie +wν [[D]] + ν × [[D]] = j eI [[D]] · ν = neI für x ∈ L(t). für x ∈ I(t). (3.48) (3.49) Wir haben diese Zusammenhänge hier nur der Vollständigkeit wegen angegeben. Benutzen werden wir sie in dieser Vorlesung nicht, und darum verzichten auf den Beweis. Einige Bemerkungen zum Schluß dieses Abschnittes. Die Gleichungen für die Felder D und H wurden historisch mittels vollkommen anderer Argumentationsketten gefunden als soeben beschrieben. Deshalb heißen D und H historisch auch nicht Ladungs- und Strompotential, sondern stattdessen • D - elektrische Induktionsdichte • H - magnetische Feldstärke Aus den Gleichungen (3.48) und (3.49) lesen wir als Einheiten für D und H ab: A C [D] = 2 und [H] = . (3.50) m m 81 Durch Vergleich mit den entsprechenden Einheiten der magnetischen Induktionsdichte, [B]=Vs/m2 und für die elektrische Feldstärke, [E]=V/m, wird natürlich die historische Namensgebung klar. Ladungspotential und Strompotential für Polarisationsladungen. Wir erinnern daran, dass nach (3.33) die Bilanzgleichung für die elektrische Ladung in zwei Teilbilanzen für die freie Ladung und die Polarisationsladung zerfällt. Entsprechend gibt es also auch für den Erhaltungssatz der Polarisationsladung eine formale Lösung. Die Gleichung (3.33)2 wird nämlich analog zu (3.46) erfüllt mittels zwei neuer Vektoren: P - Polarisation und m - Magnetisierung. Dies sind die physikalisch motivierten Bezeichnungen. Im hiesigen Kontext aber können wir diese Größen auch Ladungsund Strompotential der Polarisationsladung nennen. Darstellung von Ladung und Strom der Polarisationsladung durch Potentiale in regulären Punkten: nP = −div(P ) und j P = ∂P + rot(m). ∂t (3.51) Die Funktion P : t ∈ [0, ∞) × x ∈ 3 → 3 heißt Ladungspotential der Polarisationsladung, und m : t ∈ [0, ∞) × x ∈ 3 → 3 ist das Strompotential der Polarisationsladung. Den Fall der singulären Fläche behandeln wir zur Zeit noch nicht. MAXWELLsche Gleichungen und MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen. Wir beschränken die nun zu führende Diskussion auf die lokalen Gleichungen in regulären Punkten. Das folgende System von vier Gleichungen heißt MAXWELLsche Gleichungen: ∂B + rot(E) = 0 ∂t ∂D + rot(H) = j e − ∂t div(B) = 0 div(D) = ne (3.52) (3.53) Es ist offensichtlich: Dieses System reicht nicht aus zur Berechnung der elektromagnetischen Felder aus vorgegenen Ladungs- und Stromverteilungen. Zu diesem Zweck müssen die MAXWELLschen Gleichungen durch weitere Gleichungen ergänzt werden, die eine Verbindung herstellen zwischen den Paaren (E, B) und (D, H). Interessanter Weise sind die folgenden durch Messungen gefundenen Glei82 chungen sehr einfach und universeller Natur, d.h. sie sind materialunabhängig. MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen: D = ε0 E H= 1 B µ0 mit ε0 = 1 c2 µ (3.54) 0 Es treten drei Konstanten auf. Die Lichtgeschwindigkeit c = 299.792.458 m/s, die magnetische Permeabiltät µ0 = 4π10−7 Vs/Am und die dielektrische Konstante ε0 , welche aus den beiden anderen Konstanten berechnet werden kann. Der Zahlenwert der Lichtgeschwindigkeit wurde früher unabhängig von der MAXWELLschen Theorie gemessen. Er ist seit einiger Zeit per Gesetz auf den angegebenen Wert festgesetzt, wodurch die Längeneinheit Meter als Grundeinheit abgeschafft ist und durch eine genauere Zeitmessung ersetzt wird. Der Zahlenwert der Permeabilität entspringt der Definition der Einheit AMPERE (A) für die Stromstärke. Bevor wir uns mit den Bedingungen für die Gültigkeit der MAXWELLLORENTZ Ätherrelationen beschäftigen, werden wir die Kopplung der MAXWELL Gleichungen mit den Materiegleichungen studieren. Energie und Impuls des elektromagnetischen Feldes. Aus den Gleichungen der Elektrodynamik lassen sich zwei weitere Bilanzgleichungen herleiten, welche die Kopplung an die Thermodynamik herstellen. Elektromagnetische Spannungstensor mei = (D × B)i Impulsdichte und elektromagnetischer 1 σije = − (D · E + H · B)δij + Di Ej + Hi Bj (3.55) 2 Bilanzgleichung des elektromagnetischen Impulses ∂me + div(−σ e) = −(ne E + j e × B) ∂t (3.56) Diese Bilanzgleichung ist eine Folge der MAXWELLschen Gleichungen. Für den Beweis gehen wir in ein Beobachtersystem, wo die MAXWELLLORENTZ Ätherrelationen die einfache Form (3.79) haben. Nach Einsetzen dieser Relationen in die Gleichungen (3.53) für das Ladungs-Strom Potential multiplizieren wir (3.53)1 mit E. Außerdem bilden wir das Kreuzprodukt von (3.53)2 mit B. Die Addition beider Gleichungen und anchlie83 ßende Umformungen, in welche der Erhaltungssatz des magnetischen Flußes (3.52) einfließt, liefern dann (3.56). Elektromagnetische Energiefluß Energiedichte und elektromagnetischer 1 ee = (D · E + H · B) qie = (E × H)i 2 (3.57) Bilanzgleichung der elektromagnetischen Energie ∂ee + div(q e) = −j e · E ∂t (3.58) Die Bilanzgleichung für die elektromagnetische Energie ist ebenfalls eine Folge der MAXWELLschen Gleichungen. Zum Beweis bilden wir das Skalarprodukt von (3.52)1 mit B sowie von (3.53)1 mit E. Die Behauptung (3.58) folgt nach Addition der resultierenden Gleichungen und einigen einfachen Umformungen. Die Literatur kennt für den elektromagnetische Spannungstensor und den Energieflußvektor weitere Bezeichnungen. Diese Größen werden auch MAXWELL-Spannung und POINTING-Vektor genannt. Die ohne weitere Annahmen aus den beiden elektromagnetischen Erhaltungssätzen resultierenden Bilanzgleichungen für den elektromagnetischen Impuls und die elektromagnetische Energie haben auf ihren rechten Seiten zwei Quellterme. In der Impulsbilanz steht hier die bereits eingeführte LORENTZ Kraftdichte ne (E + υ × B) mit negativem Vorzeichen, und der Quellterm der elektromagnetischen Energie ist bis aufs Vorzeichen die sogenannnte JOULEsche Wärme j e · E. Durch diese beiden Quellterme koppeln die elektromagnetischen Bilanzgleichungen für Impuls und ENERGIE an die entsprechenden Bilanzgleichungen für Materie (3.6) und (3.137). Die Addition dieser Bilanzgleichungen mit den entsprechenden elektromagnetischen Bilanzgleichungen liefert die Bilanzgleichungen für die Dichten des Gesamtimpulses ρυ + D × B (3.59) ρ 1 ρe + υ 2 + (D · E + H · B). 2 2 (3.60) und der Gesamtenergie Explizit folgt ohne Scwerkraft: 84 Impuls- und Energiebilanz für Materie und elektromagnetisches Feld in EULER Koordinaten. Impulsbilanz: ∂ρυ + me + div(ρυ ⊗ υ − σ − σ e ) = k − (ne E + j e × B) . ∂t (3.61) Bilanz der inneren Energie: ρ ρ ∂ (ρu+ υ 2 +ee )+div((ρu+ υ 2 )υ +q +q e −υ ·σ) = π −j e ·E . (3.62) ∂t 2 2 Wir postulieren nun, dass der Gesamtimpuls und die Gesamtenergie erhalten sind. Dann müssen natürlich die rechten Seiten von (3.61) und (3.62) verschwinden und wir können die LORENTZ Kraftdichte und die JOULE Wärme identifizieren: k = ne E + j e × B, (3.63) π = j e · E. Die Abhängigkeit der MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen vom Beobachter. Diese Untersuchung führt uns auf ein äußerst subtiles Gebiet. Außerdem hängt diese Frage eng mit einer anderen Frage zusammen: Für welchen Beobachter gelten eigentlich die MAXWELLschen Gleichungen? In diesem Zusammenhang läßt sich eine merkwürkwürdige Beobachtung machen. Wenn wir die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen in die MAXWELLschen Gleichungen einsetzen, entstehen hyperbolische Gleichungen 2. Ordnung, welche die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen mit der soeben eingeführten Geschwindigkeit c beschreiben. Für den ladungsund stromfreien Raum, d.h. ne = 0, j e = 0 ist dies einfach zu sehen. Wir differenzieren (3.52)1 nach der Zeit. Dann ersetzen wir unter der Rotation die Zeitableitung des elektrischen Feldes mittels (3.53)1 wo wir aber vorher die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen eingesetzt haben. Es ensteht eine Wellengleichung für B. Durch entsprechende Behandlung von (3.53)1 entsteht eine Wellengleichung für E. Wir erhalten also ∂ 2B = c2 ∆B ∂t2 und ∂ 2E = c2 ∆E ∂t2 mit c2 = 1 . ǫ0 µ 0 (3.64) Ein Studium dieser Gleichungen und insbesondere die Vermessung von elektromagnetischen Wellen liefern das zunächst paradox anmutetende Resultat: Elektromagnetische Wellen breiten sich unabhängig vom Bewegungszustand der Quelle und unabhängig vom Bewegungszustand des messenden 85 Beobachters mit der Geschwindigkeit c aus. Dies ist in der Tat merkwürdig, denn die Gleichungen (3.64) sind zunächst in vollkommener Analogie zu der Wellengleichung für die Ausbreitung von Schallwellen in Luft. Diese Wellengleichung folgt aus einer Kombination von Massen- und Impulsbilanz und lautet für Dichtestörungen ρ ∂2ρ 5 kT = c2 ∆ρ mit c2 = , 2 ∂t 3m (3.65) wo T die Temperatur der ungestörten Luft ist. Im Folgenden werden wir mittels einer einfachen Methode die Unterschiede zwischen Schallwellen und elektromagnetischen Wellen aufzeigen. Elastische versus elektromagnetische Wellen. In einer Schallwelle werden die Moleküle der Luft in Schwingungen versetzt, und diese Störung p breitet sich mit der Geschwindigkeit c = 5/3kT /m aus. Diese Geschwindigkeit gilt für einen Beobachter, welcher relativ zum Medium Luft ruht. Ein entsprechendes Medium für eine elektromagnetische Welle wurde Äther genannt. Aber trotz intensiver Suche wurde der Äther nicht gefunden. Wir wollen zunächst die Schallwelle genauer untersuchen. Hierzu betrachten wir einen endlichen Wellenzug, der sich nach rechts bewegt. Der Wellenszug besteht aus N Perioden mit Frequenz ν, Wellenlänge λ und Phasengeschwindigkeit c. Diese Größen werden in in einem System S mit Koordinaten (t, x) gemessen, in welchem das ungestörte Medium M ruht. Es gilt λν = c. Die folgende Skizze zeigt einen Wellenzug mit N = 5 Perioden, dessen Front zur Zeit t0 den Ort x0 erreicht und dessen Ende zur Zeit t1 den Ort x1 passiert. Aus der Skizze lesen wir ab c(t1 − t0 ) = x1 − x0 + N λ. Abbildung 3.4: Ein endlicher Wellenzug bewegt sich nach rechts. Nun betrachten wir den gleichen Vorgang in einem System S∗ , welches sich mit der konstanten Geschwindigkeit W gegen S bewegt und durch die Koordinaten x∗ = x − W t (3.66) t∗ = t, 86 beschrieben wird. Der Übergang von S nach S ∗ heißt GALILEI Transformation. Es ist klar, dass der Wellenzug in beiden Systemen N = 5 Perioden Abbildung 3.5: GALILEI Transformation. hat. Wir nennen die Größe N deshalb eine Invariante. Es gilt somit N= 1 1 (c(t1 − t0 ) − (x1 − x0 )) = ∗ (c∗ (t∗1 − t∗0 ) − (x∗1 − x∗0 )), λ λ (3.67) bzw.nach Einsetzen von (3.66) folgt ( 1 1 c∗ c W )(x − − x ) = ( − + ∗ )(t1 − t0 ). 1 0 ∗ ∗ λ λ λ λ λ (3.68) Da (t0 , x0 ) als auch (t1 , x1 ) beliebig sind, folgen die Zusammenhänge λ∗ = λ, c∗ = c − W, ν∗ = c∗ W = ν(1 − ). ∗ λ c (3.69) Dies sind die Formeln des klassischen DOPPLER Effektes: Ein gegen das Medium der Welle bewegter Beobachter beobachtet die gleiche Wellenlänge wie ein im Medium ruhender Beobachter. Außerdem konstatiert der mit der Welle gleichsinnig bewegte Beobacher eine kleinere Phasengeschwindigkeit und eine kleinere Frequenz. Bewegt sich der Beobachter gegen die Ausbreitungsrichtung der Welle, d.h. W < 0, dann folgen für ihn eine höhere Phasengeschwindigkeit und eine höhere Frequenz. Als nächstes verändern wir das Szenarium. Wir betrachet jetzt eine Schallquelle Q, welche in ihrem Ruhesystem die Frequenz νQ generiert und sich mit der Geschwindigkeit vQ gegen das Medium bewegt. Auch dieser Fall ist natürlich durch die DOPPLER Formeln (3.69) abgedeckt. Mit ν ∗ = νQ und W = vQ folgt νQ = ν(1 − vQ /c). Ein gegen das Medium ruhender Beobachter sieht also eine größere Frequenz, als von der Quelle abgestrahlt: ν= νQ v . 1 − cQ (3.70) Es ist also nicht egal, ob sich die Quelle oder der Beobachter gegen das Medium bewegen. 87 Hendrik Antoon Lorentz besaß bereits vor Einstein die formale Struktur der speziellen Relativitätstheorie. Fast alle seine Resultate aber interpretierte er falsch . Schließlich betrachten wir die Situation, dass, wie vorher, die Quelle die Frequenz νQ generiert und sich mit vQ gegen das Medium bewegt. Darüberhinaus soll sich nun der Beobachter ebenfalls gegen das Medium bewegen, nämlich mit der Geschwindikeit W . Hierzu ersetzen wir in der letzten Formel νQ durch νQ (1 − W/c) und erhalten ν = νQ 1 − Wc v . 1 − cQ (3.71) Hier sehen wir noch einmal deutlich, dass nicht die Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter die bestimmende Größe ist, sondern die Relativgeschwindigkeiten von Quelle und Beobachter gegen das Medium. Messungen mit elektromagnetischen Wellen zeigen etwas ganz Anderes: • Unabhängig vom Bewegungszustand der Quelle und des Beobachters gilt c∗ = c, • die Frequenz und(!) die Wellenlänge sind ausschließlich durch die Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter bestimmt. Eine Bewegung gegen das Medium, hier Äther genannt, ist nicht detektierbar. Würden wir annehmen, dass die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen auch im bewegten System in der Form (3.79) gelten, dann könnten wir natürlich die erste Aussage sofort erklären. Die durchgeführte GALILEI Transformation müsste deshalb liefern D ∗ = ε0 E ∗ H∗ = 1 ∗ B µ0 mit ε0 = 1 c2 µ . (3.72) 0 Um die Gültigkeit von (3.72) beurteilen zu können, müssen wir also zunächst lernen, wie sich das elektromagnetische Feld bei einem Wechsel des Beobachters verhält. Die vierdimensionale Formulierung der MAXWELLschen Gleichungen. Hierzu ist eine Vorbereitung notwendig, die zunächst sehr formal aussieht, aber zu Aussagen von großer Tragweite führt. Wir fassen die Zeitkoordinate t und den Ortsvektor x = (x1 , x2 , x3 ) zu einem vierdimensionalen Gebilde zusammen, welches wir die Koordinaten eines Raumzeitpunktes nennen. Die Menge aller Raumzeitpunkte ist die Raumzeit: (3.73) (xA )A=0,1,2,3 = (t, x1 , x2 , x3 ). 88 Ein weiteres vierdimensionales Gebilde erzeugen wir durch Zusammenfassung von elektrischer Ladungsdichte ne und Stromdichte j e = (j1e , j2e , j3e ) gemäß (3.74) (j A )A=0,1,2,3 = (ne , j1e , j2e , j3e ). Wir nennen die Kombination j A die Komponenten des Ladungs-Strom Vektors. Durch die Einführung dieses Vektors im 4 können wir den Erhaltungssatz der elektrischen Ladung (3.46) sehr kompakt als Aussage über eine vierdimensionale Divergenz schreiben: ∂j A = 0. ∂xA (3.75) Eine ähnliches Programm läßt sich auch für die MAXWELLschen Gleichungen (3.52) und (3.53) durchführen. Zu diesem Zweck kombinieren wir die Paare (E, B) und (D, H) zu vierdimensionalen Matrizen ¶ ¶ µ µ 0 −Ei 0 Di AB (η )A,B=0,1,2,3 = . (ϕAB )A,B=0,1,2,3 = Ei ǫijk Bk −Di ǫijk Hk (3.76) Vollständig ausgeschrieben haben wir 0 −E1 −E2 −E3 0 D1 D2 D3 E1 0 B3 −B2 0 H3 −H2 η AB = −D1 . ϕAB = E2 −B3 −D2 −H3 0 B1 0 H1 E3 B2 −B1 0 −D3 H2 −H1 0 (3.77) Die hier neu eingeführten antisymmetrischen Matrizen heißen • ϕ - FARADAY Tensor • η - Ladungs-Strom Potential Wie wir demnächst sehen werden, steckt hinter der unterschiedlichen Stellung der Indizes in den Definitonsgleichungen für ϕ und η ein tieferer Sinn. Zunächst aber führen wir in Analogie zu (I-1.63) das vollständig antisymmetrische Symbol im 4 ein: falls ABCD eine gerade Permutation von 0123, 1 ABCD −1 falls ABCD eine ungerade Permutation von 0123, ε = 0 falls zwei Indizes gleich sind. (3.78) 89 Mit diesen Hilfsmitteln können wir (3.52) und (3.53) umschreiben in die Vierdimensionale Form der MAXWELLschen Gleichungen: εABCD ∂ϕCD = 0 und ∂xB ∂η AB = j A. ∂xB (3.79) In Worten: Im hiesigen Kontext macht das FARADAYsche Induktiongesetz eine Aussage über eine vierdimensionale Rotation, wogegen sich die Gleichungen (3.53) für das Ladungs-Strom Potential durch eine vierdimensionale Divergenz darstellen läßt. Wegen der Antsymmetrie von η, d.h. η AB = −η BA folgt aus (3.79)2 durch Divergenzbildung natürlich die Erhaltung der elektrischen Ladung (3.84). Aber auch die formale Lösung (3.51) des Erhaltungssatzes der Polarisationsladung läßt sich in die vierdimensionale Form bringen. Hierzu definieren wir den Ladungs-Stromvektor der Polarisationsladung und das zugehörige Ladungs-Strompotential µ ¶ 0 −Pi P,A P P P P AB . (j )A=0,1,2,3 = (n , j1 , j2 , j3 ), (M )A,B=0,1,2,3 = Pi ǫijk mk (3.80) Hiermit folgt aus der Darstellung (3.51) die Vierdimensionale Form der Erhaltungsgleichung der Polarisationsladung und ihre formale Lösung: ∂j P,A = 0, ∂xA ∂MAB = j P,A . B ∂x (3.81) Transformationsverhalten der elektromagnetischen Felder. Wir stellen einen Punkt der Raumzeit durch zwei verschiedene Komponentensätze dar, die durch eine eineindeutige sonst aber beliebige Transformation verküpft sein sollen: A xA = x̂ (t, x1 , x2 , x3 ) ⇔ xA = x̂A (t, x1 , x2 , x3 ). (3.82) Wie sich die dreidimensionalen Versionen von Divergenz und Rotation transformieren, haben wir ausführlich in Teil I dieser Vorlesung im Abschnitt I-1.4 analysiert. Es ist offensichtlich, dass eine Erhöhung der Dimensionszahl an den dort gefundenen Eigenschaften nichts ändert. Jetzt setzen wir das Transformationsverhalten der elektrodynamischen Felder unter der Transformatiom (3.82) so fest, dass die MAXWELLschen 90 Gleichungen (3.79) für jedes System von Koordinaten gleich aussehen. Mit anderen Worten, wir verlangen, dass für jedes Koordinatensystem der Raumzeit gilt ∂ η̄ AB ∂ ϕ̄CD = 0 und = j̄ A . (3.83) ε̄ABCD ∂ x̄B ∂ x̄B Diese Forderung erreichen wir durch das folgende Transformationsverhalten der elektromagnetischen Felder j̄ A = | ∂x ∂ x̄A B | j ∂ x̄ ∂xB ϕ̄AB = ∂xA ∂xB ϕCD ∂ x̄C ∂ x̄D η̄ AB = | ∂x ∂ x̄A ∂ x̄B CD | η ∂ x̄ ∂xC ∂xD (3.84) Der Beweis dieser Behauptung ist einfach aber lang. Die behaupteten Transformationsformeln werden in die MAXWELLschen Gleichungen eingesetzt, die Ableitungen werden mit der Kettenregel umgerechnet und nach Einführung des Transformationsgesetzes für das ε -Symbol, welches analog zu (I-1.67) gebildet wird, folgt die behauptete Invarianz der MAXWELLschen Gleichungen unter der Transformation (3.82). Entsprechend lautet das Transformationsverhalten der Polarisationsladung und ihrer Potentiale: j̄ P,A ∂x ∂ x̄A P,B = | | Bj ∂ x̄ ∂x AB M̄ ∂x ∂ x̄A ∂ x̄B CD = | | C DM . ∂ x̄ ∂x ∂x (3.85) Aufgrund ihrer essentiellen Bedeutung fassen wir die wesentlichen Annahmen noch einmal zusammen. • Die MAXWELLschen Gleichungen sind invariant bezüglich beliebiger Raumzeit Transformationen, wenn sie in den Feldern (E, B) und (D, H) angegeben werden. • Die Komponenten des Ladung-Strom-Vektors sind als kontravariante Vektordichte definiert. • Die Matrix (3.77)1 soll ein kovarianter absoluter antisymmetrischer Tensor zweiter Stufe sein. • Die Matrizen (3.77)2 und (3.80)2 sind als kontravariante antisymmetrische Tensordichten zweiter Stufe definiert. 91 Beachte: Die Einführung von Vektor- bzw. antisymmetrischen Tensordichten impliziert, dass partielle Ableitungen nicht zu kovarianten Ableitungen werden, sondern partielle Ableitungen bleiben. Dies garantiert, dass Erhaltungsätze für jeden Beobachter Erhaltungssätze bleiben. Beim FARADAYschen Induktionsgesetz (3.79)1 wird dies auch mit einem absoluten antisymmetrischen Tensor erreicht. Der Beweis dieser wichtigen Aussagen sind Gegenstand der Übungen 3.7 und 3. 8. Es empfielt sich aber, diese Übungen erst nach Einführung der Raumzeit-Metrik zu erledigen. Übung 3.7 Beweise die soeben gemachten Behauptungen. Übung 3.8 a.) Erläutere an einem Beispiel welche mathematische Struktur ein Erhaltungssatz haben muss. b.) Zeige ebenfalls an einem Beispiel, dass eine kovariante Ableitung, die durch eine Zeit-RaumTransfomation generiert wird, nicht in einem Erhaltungssatz auftreten darf. c.) Warum treten bei der Bildung einer Rotation nur partielle Ableitungen auf? Übung 3.9 Wende die Transformationsformeln der elektromagnetischen Felder auf die spezielle GALILEI Transformation an, die wir zur Diskussion des DOPPLER Effektes verwendet haben: t̄ = t x̄i = xi − Wi t, (3.86) allerdings hier mit der konstanten Geschwindigkeit W = (W1 , W2 , W3 ) in 3 Raumrichtungen. a.) Berechne das Transformationsverhalten von E, B, D und H. Zeige, dass gilt B̄i = Bi (3.87) Ēi = Ei + (W × B)i , H̄i = Hi − (W × D)i (3.88) D̄i = Di , b.) Erläutere das Ergebnis ausführlich im Kontext unserer Diskussion des DOPPLER Effektes. 92 Vierdimensionale Form der MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen. Als nächstes versuchen wir die Relationen D = 1/(µ0 c2 )E und H = 1/µ0 B in eine vierdimensionale Form zu bringen. Nach einigem Probieren stellen wir fest, dass dies keine Beziehung zwischen η AB und ϕAB sein kann. Unsere Erfahrungen aus Teil I dieser Vorlesung legen aber die Vermutung nah, dass wir für eine vierdimensionale Formulierung der MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen die kontravarianten Komponenten von ϕAB benötigen. Hätten wir eine vierdimensionale Metrik gAB zur Verfügung, so könnten wir dies sofort überprüfen, denn aus der Inversen g AB folgt natürlich ϕAB = g AC g BD ϕCD . (3.89) Wie aber sieht die Metrik gAB aus? Auch dieses Problem können wir durch Probieren lösen, und zwar so: Wir versuchen eine Metrik derart zu bestimmen, dass die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen (3.79) herauskommen. Hierzu setzen wir η AB = a g AC g BD ϕCD , (3.90) wo a und die Metrik geeignet zu wählen sind. Zunächst stellen wir fest, dass die Metrik diagonal sein muß, mit Diagonaltermen g 00 = 1/c2 , g 11 = g 22 = g 33 = −1, und dann müssen wir a = 1/µ0 wählen, damit die Formeln (3.79) reproduziert werden. Allerdings gibt es noch einen Schönheitsfehler. Die Formel (3.90) verknüpft nämlich immer noch Tensoren verschiedener Art. Schließlich ist η eine Tensordichte, während ϕ ein absoluter Tensor ist. Wir definieren g = − det(gAB ) und beheben das Problem, indem wir einfach an Stelle von √ a = 1/µ0 die Wahl a = g/(µ0 c) treffen, was in dem Beobachersystem wo (3.79) gilt denselben Zahlenwert liefert. Vierdimensionale Form der MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen. In einem Beobachtersystem mit den Raumzeitkoordinaten xA , wo gilt 2 c 0 0 0 √ 0 −1 0 g AB 0 AB (3.91) folgt η = ϕ . gAB = 0 0 −1 0 µ0 c 0 0 0 −1 Wir haben somit folgendes erreicht. Zunächst ist die Gleichung (3.91)2 zumindest in einem Beobachtersystem richtig, nämlich dort wo D = 1/(µ0 c2 )E 93 und H = 1/µ0 B gelten. Da aber die Gleichung (3.91)2 eine Tensorgleichung ist, muss sie in jedem Beobachtersystem gelten. Diese Strategie zur Konstruktion von physikalischen Gleichungen ist sehr mächtig und heißt Prinzip der allgemeinen Kovarianz. Abhängigkeit der gemessenen MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen vom Beoabachter. Auf den Grundlagen der letzten Paragraphen wollen wir jetzt die anfänglich gestellte Frage beantworten: Welcher Beobachter stellt die Richtigkeit der Gleichungen D = ε0 E H= 1 B µ0 mit ε0 = 1 c2 µ , (3.92) 0 d.h. der MAXWELL-LORENTZ Ätherelationen, fest? Die historische Antwort klingt zunächst einfach. Die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen wurden auf der Erde vermessen. Was zunächst banal klingt, ist doch im Hinblick auf die Erfahrungen aus Übung 3.9 überaschend. Beipielsweise bewegt sich die Erde mit etwa 40 km/s um die Sonne und ist deshalb sicher kein ausgezeichnetes Bezugssystem. Als nächstes fragen wir deshalb, was mit den MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen bei einer GALILEI Transformation passiert. Mit anderen Worten: Wenn ein Beobachter die Richtigkeit der MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen bestätigt hat, zu welchem Ergebnis kommt dann ein anderer Beobachter, welcher sich mit seinem Labor gegen den ersten Beobachter mit der konstanten Geschwingkeit W bewegt? Mit den Ergebnissen der Übung 3.9 können wir für diesen Beobachter die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen leicht berechnen. Es folgt D̄i = ǫ0 Ēi − ǫ0 (W × B̄)i , 1 1 H̄i = (B̄ + 2 W × (W × B̄))i − ǫ0 (W × Ē)i . µ0 c (3.93) (3.94) Aus zwei Gründen ist dies ein absurdes Result: (i) Es soll also höchstens einen(!) GALILEI Beobachter mit den einfachen MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen (3.92) geben? (ii) Die Gleichungen (3.93) und (3.94) widersprechen dem experimentellen Befund, wonach auch ein mit konstanter Geschwindigkeit W bewegter Beobachter die MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen (3.92) konstatieren muss. Aus diesem Dilemma kommen wir nur heraus, wenn wir annehmen, dass zwei Beobachter mit konstanter Relativgeschwindigkeit W nicht über die GALILEI Transformation t̄ = t, x̄i = xi − Wi t miteinander verknüpft sind. 94 Wir fragen deshalb: Durch welche Raumzeit Transformation muss die GALILEI Transformation ersetzen werden, damit im neuen Bezugssystem, welches sich mit der Geschwindigkeit W bewegt, wieder die MAXWELLLORENTZ Ätherrelationen ind der alten Form (3.92) herauskommen? Die LORENTZ Transformation. Aufgrund unseres Resultates (3.91) wird diese Frage gelöst durch die Aufgabe: Bestimme eine Transformation x̄A = x̄ˆA (x0 , x1 , x2 , x3 ) so dass gilt −2 0 0 0 c 0 −1 0 0 0 0 −1 0 0 0 0 −1 xA = x̂A (x̄0 , x̄1 , x̄2 , x̄3 ), ⇔ AB (3.95) CD 0 0 c−2 0 ˆA ˆB 0 = ∂ x̄ ∂ x̄ 0 −1 0 . 0 −1 0 ∂xC ∂xD 0 0 0 0 −1 (3.96) Die gesuchte Transformation ist die berühmte LORENTZ Transformation. Der Einfachheit wegen betrachten wir einen Beobacher S̄, der sich gegen den Beobachter S mit der Geschwindigkeit W = (W, 0, 0) bewegt. In diesem Fall lautet die LORENTZ Transformation t− W x1 c2 t̄ = q , 2 1 − Wc2 x1 − W t x̄1 = q , 2 1 − Wc2 x1 t̄ + W c2 q , t= 2 1 − Wc2 x̄1 + W t q x = , 2 1 − Wc2 x̄2 = x2 , x̄3 = x3 . (3.97) Die inversen Transformation folgt durch Umstellen oder, was das dasselbe ist, durch Vertauschen von x̄A mit xA bei gleichzeitiger Ersetzung W → −W : 1 x2 = x̄2 , x3 = x̄3 . (3.98) Vor dem Beweis der Behauptung vergleichen wir die LORENTZ Transformation mit der entsprechenden GALILEI Transformation t̄ = t, x̄1 = x1 − W t, x̄2 = x2 , x̄3 = x3 . (3.99) Erninnere zunächst, dass die GALILEI Transformation auf höchst intuitiver Argumentation basiert. Trotzdem ist sie offensichtlich nicht der Lage, 95 das Verhalten elektromagnetischer Wellen für bewegte Beobachter richtig vorherzusagen. Dagegen beruht die LORENTZ Transformation nicht auf intuitiven Vorstellungen, sondern einzig auf der experimentell festgestellten Unabhängigkeit der Geschwindigkeitkeit elektromagnetischer Wellen von der Quelle und vom Beobachter. Trotzdem sind die Konsequenzen, die aus der Gültigkeit der LORENTZ Transformation gezogen werden können, überraschend und sehr gewöhnungsbedürftig. Beispielsweise sagt die LORENTZ Transformation voraus, dass zwei identische Uhren nicht mehr synkron laufen, falls eine der Uhren sich mit der Geschwindigkeit W gegen die andere Uhr bewegt. Dies folgt offensichtlich aus der Gleichung(3.97)1 . Später kommen wir hierauf und auf weitere Konsequenzen der neuen Raumzeit Transformation zurück. Jetzt aber beweisen wir die Behauptungen (3.97), (3.98) und zeigen zunächst, dass die Bedingung (3.96) eine lineare Transformation erzwingt. Hierzu differenzieren wir (3.96) nach der Koordinate xE und erhalten 0=( ∂ x̄ˆA ∂ 2 x̄ˆB ∂ 2 x̄ˆA ∂ x̄ˆB + )g CD . ∂xE ∂xC ∂xD ∂xC ∂xE ∂xD (3.100) Hieraus gewinnen wir eine weitere Gleichung durch Vertauschung von E und C. Diese addieren wir zu (3.100). Ausserdem bilden wir aus (3.100) eine neue Gleichung durch Vertauschung von E und D und Addition zu (3.100). Schließlich subtrahieren wir die beiden neuen Gleichungen. Wir erhalten ∂ 2 x̄ˆA ∂ x̄ˆB CD (3.101) 0 = 2 E C Dg . ∂x ∂x ∂x Der Faktor der zweiten Ableitungen bildet wegen (3.95) und der Definition der Metrik eine nichtsinguläre Matrix. Deshalb folgt ∂ 2 x̄ˆA = 0. ∂xE ∂xC (3.102) Eine Transformation, die (3.96) erfüllt, ist somit linear. Wir machen also den Ansatz x̄A = LAB xB + aA . (3.103) Wir wählen die Transformation so, dass aus xA = 0 auch x̄A = 0 folgt und können deshalb aA = 0 setzen. Wir erhalten somit x̄A = LA0 x0 + LA1 x1 + LA2 x2 + LA3 x3 . (3.104) Die 16 konstanten Koeffizienten LAB bestimmen wir jetzt aus Symmetrieüberlegungen und den 10 Gleichungen (3.96). 96 Da wir nur eine Bewegung längs der parallelen Achsen x̄1 und x1 betrachten, muss natürlich gelten x̄ˆ0 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ0 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ1 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ1 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ2 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ3 (x0 , x1 , x2 , x3 ) x̄ˆ0 (x0 , x1 , −x2 , x3 ), x̄ˆ0 (x0 , x1 , x2 , −x3 ), x̄ˆ1 (x0 , x1 , −x2 , x3 ), x̄ˆ1 (x0 , x1 , x2 , −x3 ), x̄ˆ2 (x0 , x1 , x2 , −x3 ), x̄ˆ2 (x0 , x1 , −x2 , x3 ). = = = = = = (3.105) Hieraus folgt mit (3.103) L02 = 0, L03 = 0, L12 = 0, L13 = 0, L23 = 0, L32 = 0. (3.106) Ferner muss eine Vertauschung von x2 und x3 eine Vertauschung von x̄2 und x̄3 zur Folge haben. Mit anderen Worten, x̄2 = L20 t + L21 x1 + L22 x2 , x̄3 = L30 t + L31 x1 + L33 x3 (3.107) x̄2 = L30 t + L31 x1 + L33 x2 . (3.108) impliziert x̄3 = L20 t + L21 x1 + L22 x3 , Dies liefert L22 = L33 =: L2 , L21 = L31 =: L1 , L20 = L30 =: L0 . (3.109) Diese Symmetrieüberlegungen haben die Bestimmung von 16 Koeffizienten auf 7 Koeffizienten reduziert. Ausgeschrieben lautet dieses Zwischenresultat t̄ = L00 t + L01 x1 , x̄1 = L10 t + L11 x1 , (3.110) x̄3 = L0 t + L1 x1 + L2 x3 . (3.111) sowie x̄2 = L0 t + L1 x1 + L2 x2 , Diese Resultate setzten wir nun in die Gleichungen (3.96) ein und erhalten zwei Blöcke unabhängiger Gleichungen. Die Komponenten 00, 11 und 01 von (3.96) liefern 1 1 = 2 L00 L00 − L01 L01 , 2 c c 1 −1 = 2 L10 L10 − L11 L11 , c 1 0 = 2 L00 L10 − L01 L11 . c 97 (3.112) (3.113) (3.114) Der andere Block der Gleichungen (3.96) betrifft die Komponenten 22, 02, 12 und 23, 1 (L0 )2 − (L1 )2 − (L2 )2 , 2 c 1 0 = 2 L00 L0 − L01 L1 , c 1 0 = 2 L10 L0 − L11 L1 , c 1 0 = 2 (L0 )2 − (L1 )2 . c (3.115) −1 = (3.116) (3.117) (3.118) Das System (3.112)-(3.114) liefert für vier Unbekannte drei Gleichungen und definiert somit eine 1-parametrige Schar von Lösungen. Als Parameter wählen wir die Beobachtergeschwindigkeit W und setzen L10 = −W L11 . (3.119) Dies setzen wir ein in (3.113) und berechnen L11 . Anschließend gehen wir hiermit in (3.117) und erhalten eine Beziehung zwischen L01 und L00 . Schließlich folgt dann aus (3.115) L00 : (L11 )2 = (1 − W 2 −1 ) , c2 L01 = − W 0 L , c2 0 (L00 )2 = (1 − W 2 −1 ) . (3.120) c2 Als nächstes betrachten wir die Gleichungen (3.115) – (3.118). Die Gleichungen (3.116) und (3.117) sind homogene Gleichungen für L0 , L1 mit nicht verschwindender Determinante. Folglich gilt L0 = 0, L1 = 0 und mit (3.115): L22 = 1. (3.121) Zum Schluss des Beweises müssen wir noch eine Aussage über die beiden möglichen Lösungen von (3.120) treffen. Wir entscheiden uns für die positiven Lösungen damit im Grenzfall W/c → 0 die GALILEI Transformation (3.99) herauskommt. Damit ist die spezielle LORENTZ Transformation (3.100) bewiesen. Der Doppler Effekt bei LORENTZ Transformation. Wir betrachten noch einmal die in den Abbildungen 3.4 und 3.5 dargestellten Situationen: Ein endlicher Wellenzug bewegt sich nach rechts, wobei die Charakteristika des Wellenzuges, N - Periodenzahl, λ - Wellenlänge, ν - Frequenz und c Phasengeschwindigkeit, von zwei Beobachtern S und S̄ detektiert werden. Die Relativgeschwindigkeit zwischen S und S̄ längs des Wellenzuges ist 98 W . Wie vorher nehmen wir an, dass beide Beobachter die gleiche Zahl von Perioden feststellen, d.h. es gilt wieder (3.67), nämlich N= 1 1 (c(t1 − t0 ) − (x1 − x0 )) = (c̄(t̄1 − t̄0 ) − (x̄1 − x̄0 )). λ λ̄ (3.122) Diese Invariante haben wir oben für die GALILEI Transformation ausgewertet und tun dies jetzt für die LORENTZ Transformation. Wir wissen bereits dass c̄ = c gilt, und dann folgt 1 + W/c 1 (c(t1 − t0 ) − (x1 − x0 )). (3.123) (c(t1 − t0 ) − (x1 − x0 )) = p λ λ̄ 1 − W 2 /c2 Hieraus erhalten wir eine Aussage über das Verhalten der Wellenlänge und der Frequenz, wofür wir noch die Beziehungen λ ν = c = λ̄ ν̄ verwenden: s s 1 + W/c 1 − W/c λ̄ = λ , ν̄ = ν . (3.124) 1 − W/c 1 + W/c Im Gegensatz zu Dopplerformeln (3.69) - (3.71) bei GALILEI Transformation fehlt jetzt jeglicher Bezug auf die Geschwindigkeiten von Quelle bzw. Beobachter gegen ein Medium, in welchem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten. Ladungs- und Stromdichte bei LORENTZ Transformation. Die Transformationsformeln (3.84)1 für den Ladungs-Stromvektor j A = (ne , j1e , j2e , j3e ) liefern bei LORENTZ Transformation ne − W/c2 j1e n̄e = p , 1 − W 2 /c2 j e − W ne j̄1e = p 1 , 1 − W 2 /c2 j̄2e = j2e , j̄3e = j3e . (3.125) Bei GALILEI Transformation lauten die entsprechenden Gleichungen n̄e = ne , j̄1e = j1e − W ne , j̄2e = j2e , j̄3e = j3e . (3.126) Während also die elektrische Ladungsdichte bei GALILEI Transformation ein objektiver Skalar ist, folgt bei LORENTZ Transformation ein erheblich komplizierteres Verhalten. Ein gegen eine ruhende Ladungsverteilung bewegter Beobachter sieht einen elektrischen Strom, was intuitive klar ist. Dieser Strom aber erhöht die Ladungsdichte! Elektromagnetische Felder bei LORENTZ Transformation. Als nächstes bestimmen wir das Verhalten der Felder E und B unter LORENTZ Transformation. Das entsprechende Verhalten der Felder D und H 99 folgt dann aus den MAXWELL-LORENTZ Ätherrelationen. Wir setzen die LORENTZ Transformation (3.100) in die Transformationsformeln (3.84)2 ein und erhalten E2 − W B3 , Ē2 = q W2 1 − c2 Ē1 = E1 , B̄1 = B1 , B̄2 = E3 + W B2 Ē3 = q , W2 1 − c2 B2 + W/c2 E3 q , 2 1 − Wc2 B̄3 = (3.127) E3 − W/c2 E2 q . (3.128) 2 1 − Wc2 Übung 3.10 Erläutere und interpretiere die Unterschiede zu den entsprechenden Gleichungen, die wir für die GALILEI Transformation erhalten haben. Schließlich geben noch die Transformationsformeln für Polarisation und Magnetisierung an. Wir starten mit den allgemeinen Transformationen (3.85)2 und setzten dort die LORENTZ Transformation ein. Es folgt P̄1 = P1 , m̄1 = m1 , P̄2 = P2 + W/c2 m3 q , W2 1 − c2 m2 − W P3 m̄2 = q , 2 1 − Wc2 100 P̄3 = P3 − W/c2 m2 q , (3.129) W2 1 − c2 m3 − W P2 m̄3 = q . 2 1 − Wc2 (3.130)