So kann Deutschland von Trumps Protektionismus profitieren

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WIRTSCHAFT
BAUSATZ-LÖSUNG DER AUTOFIRMEN
So kann Deutschland von Trumps
Protektionismus profitieren
Von Nikolaus Doll, Philipp Vetter | 22.01.2017
Macht Donald Trump seine Zoll-Drohung wahr, brauchen die deutschen
Autobauer schnell eine neue US-Strategie. Ein Ausweg zeichnet sich bereits
ab. Im Vorteil wären die großen Mutterwerke in Deutschland.
Donald Trump hatte seinen Amtseid kaum zu Ende gesprochen, da veröffentlichte
sein Stab die „America First Foreign Policy“ des neuen Präsidenten auf der
Internetseite des Weißen Hauses.
Das Motto „Amerika zuerst“ sagt klar, welche Regeln künftig für die Wirtschaftspolitik
der Vereinigten Staaten gelten. Es wird ungemütlicher für die Handelspartner – zum
Beispiel für Deutschland und seine exportorientierte deutsche Automobilindustrie.
Die Geschwindigkeit, mit der das Team Trump den neuen Handelskurs benennt,
zeigt, dass der Präsident keineswegs beabsichtigt, sich von den Drohungen vor dem
Amtsantritt zu distanzieren. „Präsident Trump ist fest entschlossen, Nafta neu zu
verhandeln“, heißt es auf der Internetseite.
Nafta heißt das Freihandelsabkommen der USA mit Mexiko, das bislang hohe
Strafzölle auf Importe aus dem mittelamerikanischen Land ausschließt. Doch genau
die hat Trump immer wieder angekündigt.
Vereinbarungen werden Trump nicht hindern
Ob per Tweet oder Interview mit der „Bild“-Zeitung, der neue US-Präsident forderte
Autobauer wie BMW mehrfach auf, ihre Fahrzeuge nicht in Mexiko, sondern in den
USA zu produzieren. Andernfalls, so drohte Trump, werde er eine Einfuhrabgabe von
35 Prozent verhängen.
BMW will ein Werk in Mexiko bauen, Mercedes tut es gerade mit dem Partner
Nissan, VW und Audi produzieren dort schon längst. Das Gros der in Mexiko
gebauten Autos soll in die USA gehen, aber mit den angedrohten Strafzöllen wären
sie dort nicht mehr bezahlbar – also praktisch unverkäuflich.
In seinem nun veröffentlichten Strategiepapier macht Trump klar, dass ihn auch
bereits geschlossene internationale Vereinbarungen wie Nafta nicht daran hindern
werden. „Wenn unsere Partner eine Nachverhandlung ablehnen, die amerikanischen
Arbeitern einen fairen Deal verschaffen, wird der Präsident sie darüber informieren,
dass die Vereinigten Staaten beabsichtigen, sich aus Nafta zurückzuziehen.“
„Der Mann ist kein Papiertiger“
Die USA können das theoretisch, eine Freihandelszone kann aufgekündigt werden.
Das müsste in Verhandlungen geklärt werden. Weitere Handelshürden müssten mit
der WTO diskutiert werden. Auch dabei könnten die Vereinigten Staaten ihren
Standpunkt nach Verhandlungen mindestens in Teilen durchsetzen.
Das dauert, ist aber möglich. Den Autobauern, um eine Branche zu nennen, bleibt
also eine Galgenfrist. Und die sollten sie nutzen. „Man muss Donald Trump ernst
nehmen, sehr ernst“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Der Mann ist kein
Papiertiger“
Bislang reagieren die deutschen Autobauer gar nicht oder trotzig auf den TwitterTsunami Trumps und seine Zolldrohungen. Anders als die US-Autobauer oder die
asiatischen Hersteller, die umgehend große Investitions- und Jobaufbau-Programme
für die USA angekündigt hatten.
VW, Audi oder Mercedes wollen sich gar nicht zu den Trump-Plänen äußern, bei
BMW heißt es, man halte an den Mexikoplänen fest.
Bausätze könnten die Lösung sein
Doch wenn die Zollmauer kommt, braucht die Branche einen Plan B, denn die
Autoproduktion ist in den USA einfach zu teuer. Mexikanische Bandarbeiter
bekommen sogar deutlich geringere Löhne als ihre Kollegen in China.
Gerade die deutschen Hersteller müssen ihre an sich schon hohen Kostenstrukturen
durch eine kostengünstige Produktion in Mexiko kompensieren. Geht das nicht, wäre
die realistischste Alternative, für den US-Markt auf Autobausätze zurückzugreifen,
eine sogenannte CKD-Produktion in den USA.
CKD bedeutet „Completely Knocked Down“, dabei werden Autos für bestimmte
Märkte als vorgefertigte Bausätze angeliefert und im Bestimmungsland nur noch
montiert.
Das Verfahren gibt es seit vielen Jahren, die Autobauer greifen darauf zurück, wenn
sich auf einem Markt eine eigene Produktion nicht lohnt, wenn die Verhältnisse
instabil sind und man Flexibilität will. Oder um hohen Einfuhrzöllen zu begegnen.
Denn bei CKD-Autos werden nur die Zölle auf Teile fällig, nicht aufs ganze Auto.
Chance für die großen Mutterwerke
Bei CKD-Fertigungen kommen die Hersteller schnell auf die gewünschten
Stückzahlen, wobei sich die Investitionen in Grenzen halten. Sie müssen vor Ort
keinen Karosseriebau oder Lackierstraßen aufbauen, können sich also die beiden
größten Kostentreiber sparen. Und auch neues Personal müssen sie nur in sehr
begrenztem Umfang aufbauen.
Dafür profitieren die Standorte, an denen die großen Mutterwerke stehen, in diesem
Fall also die Regionen in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, also dort,
wo Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes maßgeblich entwickeln und produzieren.
Dort würden die CKD-Autos für den US-Markt voraussichtlich zu einem großen Teil
vormontiert. Das heißt, bestehende Werke würden noch besser ausgelastet, neue
Kapazitäten müssten geschaffen werden, auch die Zulieferer würden dort profitieren.
Damit hätte der Standort Deutschland am Ende einen spürbaren Vorteil von Trumps
Antifreihandelspolitik. Und die USA hätten das Nachsehen. Das befohlene
Jobwunder würde ausbleiben – und Trump könnte mit keinem Gesetz etwas
dagegen tun. Für die deutsche Autoindustrie wäre das ein Paradigmenwechsel.
„Verpackungsstation“ im Duisburger Hafen
Seit Jahren stockt sie nämlich die komplette Produktion von Autos im Ausland auf.
Inzwischen werden nur noch etwa 5,5 Millionen Autos von insgesamt rund 13,5
Millionen pro Jahr hierzulande gefertigt, also 40 Prozent. Tendenz weiter
schrumpfend.
Seit der Jahrtausendwende hat sich die Auslandsfertigung der deutschen
Autohersteller fast verdoppelt. Und seit der Eröffnung des BMW-Werks Leipzig 2005
wurde in Deutschland keine einzige neue Produktionsstätte für Automobile mehr in
Betrieb genommen. Für eine CKD-Fertigung im Ausland hatte aber zuletzt auch Audi
investiert.
Die Ingolstädter hatten im Duisburger Hafen eine „Verpackungsstation“ für Autoteile
eingerichtet, die dann per Schiff und Container nach China und Indien gehen. Das
heißt auch Nordrhein-Westfalen könnte von der Trump-Politik profitieren.
Ein Strafzoll hätte gravierende Folgen
Reagieren müssen die deutschen Hersteller auf Trumps Drohungen in jedem Fall.
Denn sie sind in den USA längst nicht so erfolgreich, wie es scheint. Die
Auswirkungen eines möglichen Strafzolls wären gravierend. „Die bereits seit drei
Jahren rückläufigen Marktanteile der deutschen Autobauer würden in eine Talfahrt
treten“, prognostiziert Dudenhöffer.
Ohnehin verlieren die deutschen Hersteller in den USA laut Rechnungen des CAR
Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen an Boden. Der
Marktanteil habe 2016 nur noch bei 7,3 Prozent gelegen, noch 2011 waren es 8,6
Prozent.
Dudenhöffer sieht eine CKD-Fertigung als einzigen Ausweg aus dem TrumpDilemma. „Es werden einige Arbeitsplätze im Verkaufsland geschaffen, das ist eine
politische Botschaft“, sagt Dudenhöffer. „Es bleiben aber gleichzeitig
Kostenstrukturen überschaubar.“
Auch BMW plant ein Werk in Mexiko
Verlierer dieser Strategie wäre natürlich Mexiko, wo dann deutlich weniger Autos
gebaut würden. Denn die meisten Autos, die in Mexiko gefertigt werden, verkaufen
die Hersteller in die USA. Lediglich sieben Prozent der Fahrzeuge werden von
Mexiko aus nach Europa, Asien, Afrika oder Australien geliefert, rechnet CAR vor.
2016 wurden in Mexiko demnach insgesamt mehr als 3,45 Millionen Autos
produziert, doch nur gut 1,6 Millionen wurden auch im Land verkauft. 93 Prozent des
Produktionsüberschusses von 1,85 Millionen Fahrzeugen wird laut CAR in die USA
exportiert und würde dann mit den Strafzöllen belegt.
Am stärksten betroffen wäre Nissan, dessen Produktionsüberschuss bei fast 445.000
Autos lag, Volkswagen und Audi produzieren in Mexiko über 174.000 Autos mehr,
als sie im Land verkaufen. BMW produziert bislang nicht in Mexiko plant dort aber ein
Werk, in dem ab 2019 3er-Modelle gefertigt werden sollen.
Transportkosten machen die Autos teurer
Doch auch die amerikanischen Autobauer stellen in Mexiko zum Teil deutlich mehr
Fahrzeuge her, als sie dort verkaufen. Bei General Motors beträgt der Überschuss
mehr als 385.000 Autos, bei FiatChrysler sind es über 367.000 und bei Ford mehr als
288.000.
Einen Nachteil hätte die CKD-Fertigung natürlich: Durch die Transportkosten würden
die deutschen Fahrzeuge in den USA etwas teurer. „Aber das verkraften die
Amerikaner“, schließlich würden durch Trumps protektionistische Autopolitik
insgesamt auch neue Jobs in den USA entstehen.
Die deutschen Hersteller drängt Dudenhöffer zur Eile: „Wer zu spät mit seiner
Planung für CKD-Montagen in USA beginnt, verliert weiter Marktanteile. Trump ist ein
Mann, der schnelle Deals liebt“
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