4. Zusammenfassung Unter Verwendung geeigneter Schutzgruppen in Kombination mit Lewissäuren zur Schutzgruppenabspaltung bzw. finalen Deblockierung, konnte eine neue Strategie für die Festphasensynthese thioxylierter Oligopeptide entwickelt werden. Diese neue Strategie ermöglicht die Festphasensynthese von Peptiden, ohne die gewöhnlich zur Abspaltung der temporären Nα-Aminoschutzgruppe bzw. finalen Deblockierung des Peptids benötigten basischen bzw. sauren Bedingungen. Sie könnte daher nicht nur für die Synthese thioxylierter Oligopeptide geeignet sein, sondern auch die Synthese von Peptiden ermöglichen, die auf Grund Säure- oder Base-empfindlicher Modifikationen mit Hilfe herkömmlicher Synthesestrategien nicht zugänglich sind. Die Synthese thioxylierter Derivate des S-Peptids ermöglichten Untersuchungen zum Einfluss der Thioxoamidsubstitution auf die enzymatische Aktivität und Stabilität der RNase S. Bei Aminosäuren, die sich im Bereich der Proteinoberfläche befinden (Lys1, Glu2, Ala4, Ala5, Ala6, Asp14 und Ser15), führt die Thioxoamidsubstitution zu keiner signifikanten Änderung der enzymkinetischen Konstanten. Ursache für die beobachteten Änderungen der katalytischen Konstanten bei Thioxylierung einzelner Aminosäuren, die sich im Inneren der RNase S (daher im Bereich großer Packungsdichte von Atomen) befinden (z.B. His12, Phe8, Nle13), könnten Strukturveränderungen infolge des größeren Van-der-Waals Radius des Schwefelatoms und der größeren C=S-Bindungslänge sein. Die Veränderungen der katalytischen Konstanten, die bei Thioxylierung der Aminosäure Thr3 oder Lys7 beobachtet wurden, sind vermutlich auf Strukturänderungen im S-Peptid infolge veränderter Wasserstoffbrückenbindungen (Geometrie, Bindungslänge) zurück zuführen. Das Carbonylsauerstoffatom dieser Aminosäuren ist in der RNase S Akzeptor einer Wasserstoffbrückenbindung, deren Donor die α-NH-Gruppe von Aminosäuren ist, die wichtig für die Substratbindung oder Katalyse sind. Untersuchungen zum Einfluss der Thioxoamidsubstitution auf die Stabilität der RNase S erfolgten durch Charakterisierung der S-Peptid/S-Protein-Interaktion mittels isothermer Titrationskalorimetrie. Auf Grund der größeren Länge der Thiocarbonylbindung und des größeren Van-der-Waals Radius des Schwefelatoms führt der Austausch des Sauerstoffatoms der Peptidbindung gegen ein Schwefelatom zu einer deutlichen Abnahme der Stabilität der RNase S, wenn sich die entsprechende Aminosäure im Inneren der RNase S und damit im Bereich einer höheren Packungsdichte von Atomen befindet, bzw., wenn die φ- und ψ- 113 Winkel der entsprechenden oder benachbarten Aminosäure ungünstig für die Thioxoamidsubstitution sind. Im Gegensatz dazu bewirkte der Austausch des Carbonylsauerstoffatoms des Alanins4 gegen ein Schwefelatom eine leichte Erhöhung der Stabilität der RNase S. Diese Aminosäure befindet sich an der Oberfläche der RNase S und ist als Akzeptor einer Wasserstoffbrückenbindung Bestandteil der α-Helix des S-Peptids der RNase S. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass der Austausch des Sauerstoffatoms einer Peptidbindung, welcher als Akzeptor im Ensamble der Wasserstoffbrückenbindungen einer α-Helix fungiert, gegen ein Schwefelatom, im Gegensatz zu den theoretischen Berechnungen, real zu einer Erhöhung der Stabilität einer α-Helix führen kann. Der Bereich des 1nS-3π*-Übergangs der Thioxopeptidbindung des [ThioxoAla4]-S-Peptids eignet sich als CD-spektroskopische Sonde um die Rekombination zwischen S-Peptid und SProtein bzw. die Dissoziation des Komplexes zu untersuchen. Die Substitution des Alanin4Sauerstoffatoms des S-Peptids gegen ein Schwefelatom eröffnet daher die Möglichkeit, diese Prozesse anhand der Änderung der CD-spektroskopischen Eigenschaften einer einzelnen Bindung (Thioxopeptidbindung) zu charakterisieren. Die Bestrahlung des [ThioxoAla4]-S-Peptids mit UV-Licht (260 nm) führte zu einer photoinduzierten Verschiebung des cis/trans-Konformerengleichgewichts der Thioxopeptidbindung zu Gunsten des cis-Konformeren. Die Dunkelreaktion konnte anschließend unter Ausnutzung der besonderen UV- und CD-spektroskopischen Eigenschaften der Thioxopeptidbindung kinetisch charakterisiert werden. Dabei beträgt die Geschwindigkeitskonstante 1. Ordnung kc/t, die für die Wiedereinstellung des cis/trans-Konformerengleichgewichts in der Dunkelreaktion beobachtet wurde 5,7 * 10-3 s-1 bei 10 °C. Durch Messung der Temparaturabhängikeit von kc/t wurde für die Rotationsbarriere der cis/trans-Isomerisierung dieser Thioxopeptidbindung ein Wert von 78,9 kJ/mol ermittelt. Ergebnisse zum Einfluss der photoinduzierten cis/trans-Isomerisierung der Thioxopeptidbindung des [ThioxoAla4]-SPeptids auf die Aktivität der RNase S lassen die Schlussfolgerung zu, dass der cis-Gehalt im photostationären Zustand, unter den verwendeten experimentellen Bedingungen, mindestens 15 % betragen muss. Die Bedeutung von Einzelbindungs-Konformationsänderungen für die Steuerung wichtiger Lebensfunktionen in der Zelle, wurde mit Hilfe spezifischer Inhibitoren der Peptidyl-Prolylcis/trans-Isomerase Pin1 untersucht. Durch Screening einer Bibliothek Cellulose-gebundener Phosphopeptide konnte ein hochaffiner Pin1-Inhibitor gefunden werden, der eine Hemmung 114 der PPIase-Aktivität des Pin1 mit Ki-Werten im unteren nanomolaren Bereich bewirkte, ohne die biologische Funktion der WW-Domäne des Enzyms zu beeinflussen. Auf Grund seiner hohen Stabilität in zytosolischen Extrakten, konnte dieser Inhibitor für in vivo Experimente verwendet werden. Die Mikroinjektion in Embryonen des Krallenfroschs Xenopus laevis bewirkte, in Abhängigkeit von der applizierten Menge des Pin1-Inhibitors, eine Hemmung der Zellteilung im Bereich der Injektionstelle. Die daraus resultierende Störung der Embryonalentwicklung führte letztlich zum Absterben der Embryonen. Dieser Effekt konnte durch Coexpression des hPin1 deutlich vermindert werden. Dabei ist die Fähigkeit des hPin1, die biologische Wirkung des Pin1-Inhibitors während der Embryonalentwicklung von X. laevis zu unterdrücken, an dessen PPIase-Aktivität geknüpft. In Zusammenhang mit Experimenten die zeigen, dass dieser Pin1-Inhibitor keine Auswirkungen auf die Aktivität verschiedener Proteinphophatasen bzw. auf die Aktivität von Vertretern aus anderen Familien der PPIasen ausübt und eine Hemmung der PPIase-Aktivität zu keiner Veränderung im Verteilungsmuster des XlPin1 in der Zelle führt, darf vermutet werden, dass die beobachteten biologischen Effekte einer Mikroinjektion dieses Pin1-Inhibitors die Folge einer spezifischen Hemmung der PPIase-Aktivität des XlPin1 sind. 115