kunst am Bildschirm - Plastverarbeiter.de

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Museum und Denkmalschutz
Kriminalistik
Kunst am Bildschirm
abgleichen. Man schoss auf Messen
Fotos von Gegenständen, die man in
der Kartei vermutete, kehrte zurück
und verglich das Foto mit der Karteiablage, was viel Zeit kostete.
Eine Datenbank hilft bei der Suche
nach gestohlenen Kunstobjekten
W&S: Wann ist die Datenbank entwickelt worden?
Im März diesen Jahres ist in der Kunsthalle Mannheim ein wertvolles Spitzweg-Gemälde entwendet worden und bislang nicht
wieder aufgetaucht. Durchschnittlich werden in Deutschland sieben Kunstobjekte pro Tag gestohlen. Dabei dominieren allerdings
nicht Museen und Galerien, sondern die meisten Diebstähle ereignen sich in Privatwohnungen. Da entwendete Objekte häufig
wieder zum Verkauf angeboten werden, hat das Landeskriminalamt Stuttgart in Baden-Württemberg eine Datenbank für gestohlene Kunstgegenstände aller Art entwickelt. W&S sprach mit
Axel Buch, zuständig für Ermittlungen im Sachgebiet Kunst- und
Antiquitäten.
Axel Buch: In den Siebziger Jahren kam
es in Baden-Württemberg vermehrt zu
Diebstählen sakraler Kunst aus Kirchenhäusern. Daraufhin beschloss man,
keine reine Auswertung mehr vorzunehmen, sondern mit Schwerpunkt sakraler Kunst auch selbst zu ermitteln.
Da weiterhin der Wunsch nach einer
mobilen Datenbank bestand, stellte im
Jahr 2000 das Innenministerium BadenWürttemberg Sondermittel zum Aufbau
einer solchen zur Verfügung. Im Dezember 2000 wurde begonnen, die etwa
30 000 Objekte in eine neu entwickelte
Bilddatenbank zu übertragen, wobei
am Ende schließlich noch 12 000 übrig blieben. Aufgrund von zahlreichen
Neuzugängen sind wir inzwischen wieder bei einem Bestand von 21 000 angelangt. Grund für die Reduzierung ist
die Aufnahme zahlreicher Gegenstände
ohne Individualmerkmale seinerzeit in
die Karteiablage. Diese Objekte lassen
sich nicht eindeutig zuordnen und sind
deshalb nicht in die neue Datenbank
überführt worden.
W&S: Wie funktioniert die Software?
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg
W&S: Was ist die Aufgabe Ihres
Sachgebietes?
Axel Buch: Das LKA Stuttgart beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem
Raub von Kunst und Antiquitäten. Das
Sachgebiet besteht derzeit aus fünf Beamten mit drei an die Datenbank angeschlossenen Rechnern. In den Anfängen
hat man sich hier zunächst nur mit der
Auswertung von Diebstählen beschäftigt. Bundeslandweite Meldungen über
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Straftaten, bei denen Kunstgegenstände
gestohlen worden sind, haben Mitarbeiter mit Hilfe eines Karteikartensystems
katalogisiert. Im Laufe der Jahre haben
sich so etwa 30 000 Gegenstände angehäuft, die mit Beschreibung und Foto
erfasst worden sind. Die Probleme
einer solch konventionellen Ablage
sind offensichtlich: Sie nimmt ernormen Raum ein, ist nicht transportabel und Objekte lassen sich nur schwer
Axel Buch: Beim Aufbau der Bilddatenbank und Festlegung der Funktionsweise stellte sich eine fundamentale
Frage: Wie bringe ich einer Rechenmaschine Kunst bei? Ich muss also meine Kunstbegriffe so umsetzen, dass der
Computer mich versteht. Dies kann nur
gelingen, wenn eine rein deskriptive
und objektive „Sprache“ zur Beschreibung eines Gegenstandes verwendet
wird, der Rechner ist zu Interpretationen nicht in der Lage.
Der Nutzer sieht ein Bild eines Gegenstandes in einem Katalog oder als Bild
im Internet. Der Sinn der Datenbank
ist es, möglichst rasch festzustellen,
ob dieser Gegenstand sich in ihr befindet und damit als gestohlen gemeldet
ist. Der Computer beziehungsweise
die Software kann keinen optischen
Abgleich leisten. Der Anwender muss
daher dem Computer mitteilen, was er
sieht.
W&S • Museum und Denkmalschutz • 12/2006
→ Autor
Axel Buch leitet das Sachgebiet Ermittlungen Kunst
und Antiquitäten bei dem
Landeskriminalamt BadenWürttemberg, Stuttgart.
Tel:. 0711/5401-2411
E-Mail:
[email protected]
Die Bildschirmansicht der Datenbank mehrere Tausend Merkmale und Eigenbesteht aus zwei Teilen: Der eine um- schaften, die ausgewählt werden könfasst den Verwaltungsbereich, in dem nen, in der Datenbank enthalten.
der Nutzer Angaben zu jedem Objekt Nach der Einteilung in die verschieüber Tatzeit und -ort, die sachbearbei- denen Formen und Arten der Kunsttende Dienststelle und Ähnliches mehr objekte folgt die rein deskriptive seiner Details runtergebrochen, bis geeintragen kann. Generell werden in die Beschreibung. Um ein Objekt in der Da- rade so viele Merkmale zur eindeutigen
Datenbank alle Objekte aus dem Raum tenbank möglichst rasch aufzufinden, Bestimmung wie unbedingt notwendig
Baden-Württemberg
aufgenommen, muss auch die Beschreibung so exakt übrig sind.
unabhängig vom Wert, solange sie ein und ausführlich sein wie möglich und
Individualmerkmal besitzen. Ebenso sinnvoll.
W&S: Wie stellen Sie die Qualität
der Kriterien und der Beschreibungen
enthalten sind alle vom BKA und von
Interpool gesuchten Kunstgegenstände.
W&S: Wie lässt sich nun zuverlässicher?
Der zweite Teil des Bildschirms nimmt sig ein Objekt finden?
Axel Buch: Die Datenbank muss auch
das Bild des gesuchten beziehungs- Axel Buch: Zur Recherche betrachtet kontinuierlich gepflegt werden. Denn es
weise gefundenen Gegenstandes ein.
der Anwender das Bild des Objektes gibt genaue Vorgaben, mit welchen BeDie Datenbank arbeitet mit einer Kom- und gibt in der Suchmaske der Software griffen die Anwender arbeiten dürfen.
bination aus Klassifikation und Be- die entsprechenden Daten ein (Bild 2): Werden bei der Aufnahme eines Objektes
schreibung. Bei der Klassifiziein der Beschreibung nicht die in der
rung unterscheidet die Datenbank
Dokumentation vorgegebenen Aus„Wie bringe ich einer
nach Art des Objekts. Handelt es
drücke verwendet, so könnte bei
Rechenmaschine Kunst bei?“ der Recherche dieser Gegenstand
sich bei dem gesuchten um ein
Gemälde, eine Plastik, einen Kupdurchs Raster fallen. Daher recherferstich oder einen Messingleuchchiere ich auch zur Kontrolle, ob
ter? Alle in der Datenbank enthaltenen als Erstes wird festgelegt, ob es sich alles auch so mit Worten belegt ist wie
Objekte sind so entsprechend klassifi- um ein Gemälde oder eine Plastik han- vorgegeben.
ziert. Ein große Rolle spielt auch, ob delt. Dann folgt, ob es ein sakraler oder
das Objekt der sakralen Kunst zuzuord- nicht sakraler Gegenstand ist. SchließW&S: Welche Erfolge konnten Sie
nen ist oder nicht. Ist der Gegenstand lich trägt der Anwender mit wenigen mit Hilfe der Datenbank erzielen?
einer Gruppe zu geordnet, lässt er sich Begriffen ein, was er sieht: Sind bei- Axel Buch: Gemessen an den Möglichdurch weitere Kriterien und Merkmale spielsweise bei einem Gemälde Men- keiten, gestohlene Kunst anzubieten
schen, Landschaften oder Tiere – auf Märkten, in Katalogen oder im
oder eine Kombination aus diesen Internet, ist es sehr schwer, alles abzuElementen zu sehen? Ferner decken. Seit Bestehen der Datenbank
spielen eindeutige Handlungen, haben wir durchaus einige ErmittlungsBlickrichtungen,
Körperhal- erfolge zu verzeichnen. Neben Badentungen und Anzahl der Figuren Württemberg haben auf Länderebene
eine Rolle, ebenso spezielle Ge- auch Hessen und Bayern speziell ausgenstände auf dem Bild oder gebildete Ermittler für Kunst- und AnLandschaftsmerkmale. So lässt tiquitätenraub. Das Bundeskriminalsich ein Gemälde mit etwa drei amt verfügt ebenfalls über eine eigene
bis vier Begriffen in der Such- Datenbank, in der auch internationale
maske in der Datenbank finden. Diebstähle verzeichnet sind. Das BKA
Dieser Recherchevorgang ist für unternimmt allerdings ausschließlich
alle Objekte gleich. Zuerst die Auswertungsarbeit, keine Ermittlungsc
grobe Klassifikation, anschlie- tätigkeiten.
Bild 2: Auf dem linken Bildschirm ist die Datenbank, auf dem rechten ein Foto eines gesuchten
ßend wird das Objekt anhand
Interview: Hendrick Lehmann
Objektes zu sehen.
genauer eingrenzen. Bei Gemälden ist
es etwa wichtig zu wissen, auf was für
einem Untergrund sie gemalt worden
sind. Welche Farbe, Öl oder Acryl, der
Leinwanduntergrund, Art der Malerei –
all diese Informationen sind für ein fehlerfreies Recherchieren in der Datenbank notwendig. Daher ist es wichtig,
dass so viele Merkmale wie möglich
präzise erfasst sind. Alles in allem sind
W&S • Museum und Denkmalschutz • 12/2006
↓ Statistik
Nach den Unterlagen des Art LossRegister in London stammen von Kunstdiebstählen 54 Prozent aus Privathäusern, jeweils zwölf Prozent aus Museen
und Galerien, zehn Prozent aus Kirchen und der Rest verteilt sich auf öffentliche Institutionen, Geschäftsräume oder Lagerhäuser. Bei der Identifizierung
gestohlener Objekte sind mit etwa 51 Prozent die Kataloge der Auktionshäuser
die wichtigste Quelle. Bei den wiederbeschafften Gegenständen stehen die
Chancen am besten für Gemälde: 51 Prozent fallen auf sie, während es etwa
bei Skulpturen gerade mal acht Prozent sind.
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