Grippemedikament oder Grippe-Impfstoff Klassenstufe: 10 – 12 Schwerpunkt: Genetik, Immunsystem Voraussetzungen: Verlauf einer Virusinfektion Hinweise Mit der Zusatzaufgabe lassen sich im Kurs „Genetik“ die unterschiedlichen Virustypen verknüpfen, die ein von der doppelsträngigen DNA abweichendes Genom besitzen. Zwanglos lässt sich damit die höhere Wahrscheinlichkeit für Mutationen bei dieser Art der Informationsweitergabe erarbeiten. Ein ähnliches Phänomen tritt auch bei den Retroviren (z.B. HIV) auf. Lösungen zum Arbeitsblatt 1. Die Oberflächeneiweiße verändern sich ständig, sodass das Immunsystem die Varianten nicht mehr erkennt und bekämpft. Eine derartige Änderung ist möglich, weil die Eiweiße trotzdem ihre Funktionen noch erfüllen können. 2. Das Enzym Neuraminidase verhilft normalerweise dem Viruspartikel, sich von verklebenden Sialinsäuremolekülen zu befreien. Wird das Enzym gehemmt, bleiben die Partikel verklumpt und können von Makrophagen gefressen werden. Wesentlich ist der schnelle Einsatz der Medikamente zu einem Zeitpunkt, an dem sich eine Grippe nur wenig von einer banalen Erkältung unterscheidet. Gegen deren Erreger sind die neuen Medikamente aber nicht wirksam. 3. Aktive Impfstoffe wirken bereits vor der Infektion (im Bild vor 1). Sie erzeugen eine „kleine Krankheit“ und ein immunologisches Gedächtnis, sodass beim Auftreten der eigentlichen Infektion sofort passende Abwehrzellen und Antikörper bereitstehen. Die neuen Medikamente wirken, wenn die Virusvermehrung bereits in Gang ist (in Bild 3). Damit wird der Abwehrkampf beschleunigt, sodass die Genesung schneller eintritt. Sollte es nicht möglich sein, gegen den konstanten M2-Anteil wirksam vorzugehen, könnten in Zukunft entweder die beiden Methoden kombiniert werden, oder falls ein Schnelltest zur Verfügung steht, der die Grippeerreger eindeutig identifizieren kann, wäre auch nur noch der Einsatz der Neuraminidase-Hemmstoffe denkbar. Antigendrift kleine Antigenveränderungen (von engl. drift = treiben) z. B. geringfügige Änderungen an der Struktur einzelner Eiweißmoleküle Antigenshift größere sprunghafte Veränderungen (von engl. shift = Wechsel), sodass z. B. große Eiweißmoleküle verschwinden oder sich in wichtigen Regionen verändern durch den „Enbloc“-Austausch eines RNA-Segments K lett ken würden. Bei der Antigenshift werden wichtige Oberflächenantigene vollständig verändert. Sind in einem Organismus mehrere Virusvarianten aktiv, können genetische Informationen ausgetauscht werden und somit zu einem völlig neuen Virentyp führen. Ein Beispiel wäre hier: Der eine Influenzatyp stammt aus einer Geflügel-spezifischen Familie, der andere aus einer humanspezifischen Linie und das Hausschwein ist für beide Typen in gleicherweise empfindlich und kann daher als Schnittstelle dienen, d. h. den Informationsaustausch zwischen beiden Influenzatypen ermöglichen. „ Zusatzinformation Influenzaviren Influenzaviren gehören zu den Myxoviren mit segmentiertem Genom. Dies besteht aus 8 verschiedenen, einzelsträngigen RNAs. Sie dienen einerseits als Matrize zur Synthese der m-RNA mithilfe einer viralen RNA-Polymerase. Von der m-RNA werden die virusspezifischen Polypeptide abgelesen. Andererseits werden sie auch zur Herstellung von copy-RNA verwendet, die als Vorlage für die neuen Genom-RNA-Moleküle dient. Influenzaviren werden aufgrund ihrer Antigene in A-, B- und CStämme eingeteilt, von denen es weitere Subtypen gibt. Der erste menschliche Influenzavirus wurde schon 1933 isoliert. „ Literatur CAMPBELL, N. A.: Biologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1997 FELDMEIER, H.: Ein todbringender Verwandlungskünstler; Medizin-Serie (Frankfurter Rundschau 23.10.1999) LODISH, H. Et.al.: Molekulare Zellbiologie. Walter de Gruyter, Berlin 1996 Zusatzaufgabe und Lösung Auch die Grippeviren können äußerst aggressive Mutanten hervorbringen. Im Wesentlichen tragen dazu die Antigendrift und die Antigenshift bei. Erläutern Sie die beiden Begriffe in diesem Zusammenhang und begründen Sie, warum gerade Influenzaviren ihre Oberflächenstrukturen permanent ändern können. Beachten Sie: Das Genom der Influenzaviren besteht aus 8 RNA-Einzelsträngen, die in m-RNA umgeschrieben werden. – Als Antigendrift wird die schrittweise Änderung der Schlüsselmoleküle bezeichnet. Ein Beispiel dafür wäre, dass Personen, die 1968 an der gefährlichen Hongkong-Grippe erkrankten und die Infektion überlebten heute bei einem erneuten Kontakt mit dem Virus wieder erkran- © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2000. Als Kopiervorlage freigegeben. Aus Klettbuch 3-12-043491-4 (Natura aktuell, Heft 4). Grippemedikament oder Grippe-Impfstoff? Winterzeit heißt Grippezeit! Verursacht wird die regelmäßige Grippewelle durch verschiedene Stämme der Influenzaviren. Diese unterscheiden sich durch den Aufbau ihrer Oberflächeneiweiße, die außerordentlich vielgestaltig sein können und sich jährlich ändern. Virushülle Hülle des Innenkörpers Erbsubstanz Neuraminidase M2 100 nm Hämagglutinin Abb. 1 Aufbau der Grippeviren Schlüsselmolekül für die Impfstoffentdecku ng Die beiden großen Eiw eißmoleküle sind Häma gglutinin und Neuraminidase, das kle inere heißt vorläufig M2 . Mit dem Hämagglutinin heften sic h die Viren an Rezeptor en ihrer Wirtszellen, sodass sie anschl ießend ihr Erbgut einsch leusen können. Die Hämagglutinine hab en aber in einzelnen Absch zwar eine einheitliche Funktion, sind nitten unterschiedlich aufgebaut. Gleiches gilt für die Neura minidasen. Quellen die Viruspartike l nach ihrer Vermehrung zelle heraus, reißen sie aus der Wirtsimmer wieder sogenannt Moleküle von deren Ob e Sialinsäureerfläche mit. Die Neura minidase spaltet sie sogleich wieder ab, sodass die Viruspartike l nicht verklumpen und damit von den Immunzellen vernichte t werden können. Zwei neu entwickelte Me dikamente blockieren die dase, müssen aber 24 bis 30 Stunden nach den Neuraminiheitszeichen genomme ersten Krankn werden und wirken nic ht gegen Erreger, die nur eine banale Erkältung auslösen. Die neu entdeckten kle inen M2-Eiweißmolekül e sind im Gegensatz zu den bereits bek annten Hämagglutininund Neuraminidase-Molekülen bei allen Typ-A-Viren konsta nt. Sie ragen aber nur mit 24 Amino säuren aus der Virush ülle her wenig Bausteine erzeug en aber bei einer Impfun aus. Derar t kungsvollen Antikörpe g keine wirr. Sie könnten gentechni sch mit anderen Eiweißen kombinier t we rden, wären dann abe r nur gegen TypA-Viren wirksam. verschiedene Krankheitssymptome Tröpfcheninfektion Abwehr vernichtet die Erreger bald 4 Genesung Viren dringen in die Körperzellen ein Abwehrkampf des Immunsystems 1 3 Einige Erreger überleben 2 5 Verschleppung Inkubationszeit (1-3 Tage) Abwehrsystem unterliegt Virusvermehrung und Befall weiterer Zellen Abb. 2 6 Tod Stadien einer Infektionskrankheit Aufgaben 1. Begründen Sie, warum die jährlich wiederkehrenden Grippewellen immer wieder einen neuen Impfstoff erfordern? 2. Erläuteren Sie den Wirkungsmechanismus der neuen Medikamente und ihre Anwendungsprobleme. 3. Abbildung 2 zeigt die Stadien einer Infektionskrankheit. Analysieren Sie die Ansatzpunkte des Grippe-Impfstoffes und der neuen Medikamente. Welche kombinierten Maßnahmen sind denkbar? © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2000. Als Kopiervorlage freigegeben. Aus Klettbuch 3-12-043491-4 (Natura aktuell, Heft 4). Immunbiologie K lett