Rehwild in der Kulturlandschaft - Biologie, Lebensraum, Hege, Bejagung Parasiten des Rehwildes M. VODNANSKY Parasiten sind Lebewesen, die entweder dauernd oder zeitweise (während eines bestimmten Entwicklungsstadiums) auf Kosten ihres Wirtes leben, indem sie ihm lebenswichtige Stoffe entziehen. Ein Parasitenbefall bedeutet nicht automatisch eine Erkrankung. In Wirklichkeit gibt es unter natürlichen Bedingungen kaum ein Tier, das keine Parasiten hat. Dabei besteht eine enge Wechselbeziehung. Einerseits leben die Parasiten auf Kosten des Wirtes, wodurch dieser auf verschiedene Weise beeinträchtigt wird. Andererseits werden in einem gesunden Wirtsorganismus beim Parasitenbefall spezifische Abwehrkräfte mobilisiert, die dem schädigenden Einfluss der Parasiten und einer weiteren Ansteckung entgegenwirken. Im Normalfall besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Wirten und den Parasiten. Nur wenn das Gleichgewicht in dieser Wechselbeziehung gestört wird, kommt es zu einer Erkrankung, die schwerwiegende und im Extremfall sogar tödliche Folgen für den Wirt haben kann. Die Verbreitung der Parasiten und deren Auswirkungen auf ihre Wirte werden in erster Linie durch folgende Faktoren beeinflusst: 1. Widerstandsfähigkeit des Wirtsorganismus Bei Schwächung des Wirtstieres, vor allem durch bestimmte Krankheiten, Nahrungsmangel, ungünstige klimatische Bedingungen und eine anhaltende starke Stressbelastung verringert sich die Widerstandsfähigkeit seines Organismus, was zur Begünstigung der Parasiten führt. So können sich diese im Wirt leichter ansiedeln. Gleichzeitig ist ihre Wirkung auf den Organismus des befallenen Wirtes stärker. 2. Übertragungsmöglichkeiten der Parasiten Bei einer viel zu hohen Dichte von potenziellen Wirten kommt es zur Anreicherung von Parasiteneiern oder -larven in der Umwelt, was ihre Übertragung wesentlich erleichtert. So bedeutet ein überhöhter Wildbestand eine eindeutige Begünstigung der Parasiten, die sich dann insbesondere bei einem geschwächten Wild sehr leicht verbreiten können. Beim Rehwild sind insbesondere folgende Parasiten bedeutsam: Magen-Darm-Parasiten: Der Labmagen und Darmtrakt des Rehwildes werden von einer Vielzahl von Parasitenarten befallen. Ein geringes Vorkommen von Magen-Darm-Parasiten verläuft meist ohne sichtbare Erscheinungen. Bei stärkerem Parasitenbefall tritt hingegen ein stets mehr oder weniger starker Durchfall auf, wobei Spiegel und Hinterläufe oft mit Losung verunreinigt sind. Der Haarwechsel ist meistens verzögert, das Haarkleid erscheint glanzlos und struppig. In besonders schweren Fällen bilden sich Schwellungen am Haupt, im Drosselbereich und an der Unterbrust. Die erkrankten Rehe sind oft abgemagert und deutlich schwach im Wildbret. Sie machen einen müden Eindruck, stehen oft mit gekrümmten Rücken und zeigen einen schwankenden Gang. Ein länger andauernder starker Befall führt sehr oft zum Verenden des erkrankten Tieres durch Erschöpfung. Entwicklungszyklus: Die Vermehrung und Übertragung der Magen-Darm-Parasiten von einem Reh auf das andere erfolgt über die Eier und die in der Außenwelt sich entwickelnden Larven. Die im Verdauungstrakt des angesteckten Rehes lebenden Parasitenweibchen legen eine große Menge Eier ab, die mit der Losung ins Freie ausgeschieden wird. Während einer kurzen Zeit schlüpfen aus den Eiern die anfangs nur etwa 0,3 mm langen Larven (Erstlarven). Diese verbleiben während ihrer weiteren Entwicklung zu Ansteckungslarven in der Losung, wo sie vor dem Austrocknen besser geschützt sind und eine ausreichende Nahrung in Form von dort in großer Menge vorhandenen Bakterien (Kleinstlebewesen) zur Verfügung haben. Erst nach zweimaliger Häutung verlassen die je nach Art etwa 0,6 bis 1 mm langen Ansteckungslarven (Drittlarven) die Losung und breiten sich in der Umgebung aus. Dabei gelangen die ansteckungsfähigen Larven auf die Pflanzen, mit denen sie vom Rehwild beim Äsen aufgenommen werden. Die Entwicklungsdauer der Parasiten vom Ei bis zur Infektionslarve kann je nach Art und Umweltbedingungen sehr unterschiedlich sein. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei ausreichende Wärme und Feuchtigkeit. Bei Lufttemperaturen über 20 °C können sich die Ansteckungslarven einiger Parasitenarten in weniger als einer Woche entwickeln. Bei niedrigeren Temperaturen dauert ihre Entwicklung jedoch oft mehrere Wochen bis Monate. Wenn die Umgebungstemperaturen niedriger als etwa 7 °C sind, können sich die Parasitenlarven nicht weiter entwickeln. Die Larven der ersten und zweiten Entwicklungsphase (bis zur zweiten Häutung) sind sehr empfindlich gegenüber Austrocknen. Die Ansteckungslarven (Drittlarven) sind hingegen recht widerstandsfähig und überleben auf den Äsungsflächen auch bei trockener Witterung oft Wochen bis Monate. Nachdem die Ansteckungslarven mit der Äsung vom Wild aufgenommen worden sind, bohren sie sich in die Labmagen- oder Darmwand ein und vollenden dort ihre Entwicklung zu den geschlechtsreifen Parasiten. Es dauert oft nur zwei bis vier Wochen, bis die angesteckten Rehe mit der Losung Parasiteneier ausscheiden. Bei im Herbst angestecktem Rehwild wird jedoch die Entwicklung vieler Parasitenlarven zu den geschlechtsreifen Parasiten vorübergehend unterbrochen und erst im Frühjahr vollendet. Im Winter befinden sich die meisten im Körper der Rehe befindlichen Parasiten in einer Ruhephase (Hypobiose), in der Autor: Dr. Miroslav VODNANSKY, Mitteleuropäisches Institut für Wildtierökologie,Wien-Brno-Nitra, A-1220 WIEN 11. Österreichische Jägertagung, 15. und 16. Februar 2005 Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, A-8952 Irdning 15 M. VODNANSKY ihre Stoffwechselaktivität stark herabgesetzt ist. In dieser Zeit werden nur wenige Eier mit der Losung ausgeschieden. Erst im Frühjahr kommt es zu einem starken Anstieg der Ausscheidung der Parasiteneier. In dieser Jahreszeit bestehen durch die steigenden Lufttemperaturen und ausreichende Feuchtigkeit besonders günstige Bedingungen für die Entwicklung der Parasitenlarven zu den infektionsfähigen Formen. Die Vermehrung und Übertragung der Parasiten wird im Frühjahr auch dadurch wesentlich erleichtert, dass das Rehwild nach dem Winter oft geschwächt und somit ansteckungsanfälliger ist. Befall und Krankheitsbild: Magen-Darm-Parasiten haben auf das Rehwild folgende schädigende Wirkungen: – Reizung und Verletzung der Labmagen- und Darmschleimhaut, – Blut- und Nahrungsentzug, – Ausscheidung giftig wirkender Stoffwechselprodukte. Durch die anhaltende Reizung der Schleimhäute werden im Verdauungstrakt entzündliche Prozesse hervorgerufen, die Verschlechterung der Verdaulichkeit von Nährstoffen, Mineralstoffen und Vitamine zur Folge haben. Außerdem sind die verletzten oder entzündeten Stellen oft eine Eintrittspforte für zusätzliche Infektionen mit verschiedenen krankheitserregenden Keimen (Bakterien und Viren). Manche Parasitenarten ernähren sich vom Blut ihres Wirtstieres. Bei einem stärkeren Befall kann der Blutentzug durch die Parasiten recht beträchtlich sein. Ein Exemplar der im Labmagen des Rehwildes schmarotzenden Rundwurmart „Haemonchus contortus“ (gedrehter Magenwurm) kann bis zu 0,05 ml Blut täglich aufnehmen. Bei einer Befallsintensität von 200 Stück dieser Parasitenart bedeutet dies für das Wirtstier einen täglichen Blutentzug von etwa 10 ml. Darüber hinaus kommt es bei einem Parasitenbefall zu Blutverlusten, die durch die Verletzungen der Schleimhäute entstehen und in Form von Sickerblutungen im Labmagen oder Darm auftreten. Diese indirekten Blutverluste haben für das Wirtstier oft sogar noch schwerwiegendere Folgen als direkte 16 Blutaufnahmen durch die blutsaugenden Parasitenarten. Ein starker Parasitenbefall führt zur Blutarmut des Wirtstieres, was durch eine Abnahme der roten Blutkörperchen in der Blutflüssigkeit (Plasma) gekennzeichnet ist. Dadurch wird die Versorgung der lebenswichtigen Organe mit Sauerstoff verschlechtert, was ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt. Ein Befall mit Magen-Darm-Parasiten hat für das Wirtstier starke Eiweißverluste zur Folge. Durch die geschädigte Labmagen- und Darmschleimhaut geht eine große Menge an dem in Blutflüssigkeit enthaltenen Eiweiß (Plasmaeiweiß) verloren. Zur Deckung dieser Verluste muss das Plasmaeiweiß im erhöhten Maß im Körper gebildet werden. Da die dazu notwendigen Baustoffe hauptsächlich von den mit Nahrung aufgenommenen Nährstoffen herangezogen werden müssen, ist deren Verfügbarkeit für andere Zwecke, wie z.B. Wachstum, Milchbildung, Haarwechsel und Geweihbildung, stark herabgesetzt. Zudem ist die Zufuhr der Nährstoffe mit der Nahrung bei einem Parasitenbefall aufgrund der geringeren Nahrungsaufnahme und einer verschlechterten Verdaulichkeit wesentlich verringert. Deshalb muss der erhöhte Nährstoffbedarf für die verstärkte Bildung vom Plasmaeiweiß zusätzlich durch einen Abbau der Körpermuskulatur gedeckt werden. Die Folgen sind die neben dem Durchfall weiteren typischen Erscheinungen eines Parasitenbefalles, wie das Kümmern der Kitze, der verzögerte Haarwechsel, die verschlechterte Kondition, das geringere Körpergewicht und die gestörte Geweihbildung (Korkenzieher- bzw. Widdergeweihe). Für die Auslösung der Schadwirkungen der Parasiten auf das Wirtstier ist es sehr wichtig, welche Parasitenart sich in welcher Anzahl in seinem Körper ansiedelt. So ist z.B. von den im Labmagen des Rehwildes vorkommenden Rundwurmarten der blutsaugende Haemonchus contortus (gedrehter Magenwurm) für das Wild auch bei einer relativ kleinen Befallsintensität wesentlich schädlicher als ein stärkerer Befall von jenen Parasitenarten, die kein Blut aufnehmen. Eine sehr große Bedeutung hat auch die individuelle Anfälligkeit jedes einzelnen Tieres gegenüber den Parasiten. Diese beruht in der Fähigkeit, die Widerstandskräfte des Organismus gegen die Parasiten und deren Schadwirkungen zu mobilisieren. Eine wichtige Bedeutung kommt dabei dem Ernährungs- und Gesundheitszustand zu. Allgemein haben gut ernährte Tiere mehr Widerstandskraft, und sie ertragen auch besser einen stärkeren Parasitenbefall, als wenn sie durch schlechte Ernährung, hohe Stressbelastung oder nasskalte Witterung geschwächt sind. Nicht jede Ansteckung des Wildes mit Parasiten hat automatisch eine parasitäre Erkrankung zur Folge. Unter normalen Bedingungen besteht in der Natur meist ein biologisches Gleichgewicht zwischen den Parasiten und ihren Wirten. Die Aufrechterhaltung des ausgewogenen Parasit-Wirt-Verhältnisses wird durch bestimmte Schutzmechanismen ermöglicht. Bei einer Infektion mit Parasiten wird im Körper des Wirtstieres die Bildung spezieller Abwehrsysteme angeregt, auf deren Basis ein bestimmter Schutz (Immunität) gegen die jeweilige Parasitenart entsteht. Obwohl diese Abwehrsysteme keinen sicheren Schutz vor einer neuen Ansteckung mit Parasiten gewähren, können sie jedoch oft den Parasitenbefall und dessen Schadwirkungen auf den Organismus des Wirtstieres deutlich abschwächen. Aus diesem Grund sind ältere Rehe, die während ihres Lebens einen ständigen Kontakt mit den Parasiten hatten, gegenüber deren Einwirkungen meistens wesentlich weniger empfindlich als die erstmals angesteckten Jungtiere. So sind beim Rehwild vor allem Kitze durch die Parasiten wesentlich gefährdeter als die älteren Stücke. Lungenwürmer: Lungenwürmer gehören beim Rehwild sowie auch bei anderen Schalenwildarten zu den am meisten verbreiteten und gleichzeitig gefährlichsten Parasiten. Sie werden nach Größe, dem Entwicklungszyklus und der Schadwirkung im Wirtstierorganismus in zwei Gruppen eingeteilt - Große Lungenwürmer und Kleine Lungenwürmer. A) Große Lungenwürmer: Zu den großen Lungenwürmern zählen Rundwurmarten, deren Vermehrung 11. Österreichische Jägertagung 2005 Parasiten des Rehwildes über Larven direkt ohne Einschaltung von Zwischenwirten abläuft. Es sind weißlich verfärbte, fadenähnliche Würmer mit einer Länge von etwa 4 - 6 cm bei Männchen und 6 - 9 cm bei Weibchen. Ihre Wirtstiere sind Nutztier- und Wildwiederkäuer. Beim Schalenwild parasitieren zwei Arten von Großen Lungenwürmern. Das Reh-, Rot- und Damwild wird von Dictyocaulus viviparus befallen. Beim Muffel-, Stein- und Gamswild tritt Dictyocaulus filaria auf. Beide Lungenwurmarten siedeln sich bei ihren Wirtstieren in der Luftröhre und deren Ästen sowie in größeren und mittleren Bronchien an. Entwicklungszyklus: Die großen Lungenwürmer haben einen direkten Entwicklungszyklus. Die geschlechtsreifen Weibchen legen nach der Kopulation mit den Männchen in der Luftröhre und in den Bronchien des Wirtstieres Eier ab, in denen sich bereits entwickelte Larven befinden. Diese befreien sich noch im Wirtstier aus den Eierhüllen, so dass in die Außenwelt bereits geschlüpfte Larven (Erstlarven) ausgeschieden werden. Mit Hilfe der Wimpernströmung in den Bronchien und der Luftröhre werden die abgelegten Eier und die schlüpfenden Larven durch die Luftwege aufwärts bis in den NasenRachen-Raum befördert. Von dort werden einige von ihnen mit Bronchialschleim ausgehustet. Die meisten werden jedoch abgeschluckt und mit der Losung ausgeschieden. Während der weiteren Entwicklung verbleiben die Larven zuerst in der Losung, wo sie ausreichende Nahrung in Form von dort in großer Menge vorhandenen Mikroorganismen (Kleinstlebewesen) und gleichzeitig einen guten Schutz vor direkter Sonnenbestrahlung und dem Austrocknen haben. Erst nach zweimaliger Häutung verlassen die etwa 0,5-1 mm langen Drittlarven (Ansteckungslarven) die Losung und gelangen auf die umliegenden Pflanzen, mit denen sie vom Wild beim Äsen aufgenommen werden. Die Ausbreitung der Larven wird beim Regen, wenn sie aus der Losung ausgeschwemmt werden, wesentlich erleichtert. In der nassen Vegetation gleiten sie durch aktive Bewegungen in der dünnen 11. Österreichische Jägertagung 2005 Wasserschicht auf den Blättern und Halmen empor. Damit sie sich auch beim trockenen Wetter etwas weiter von der Losung entfernen, wenden die Lungenwurmlarven eine besondere Methode an. Sie lassen sich von den auf der Losung wachsenden, schimmelartigen Pilzen (Pilobolus) gemeinsam mit ihren Fruchtträgern (Sporangien) auf die umliegenden Gräser schleudern. Die Pilze bilden ihre Fruchtträger mit Samen etwa zur gleichen Zeit, in der auch die Entwicklung der Larven in der Losung abgeschlossen ist. Diese Fruchtträger werden vom Pilz, wenn die Samen reif sind, regelrecht abgeschossen. Die ansteckungsfähigen Lungenwurmlarven dringen noch vorher in die Fruchtträger ein und werden vom Pilz weggeschleudert. Auf diese Weise können sie über die Entfernung mehrerer Dezimeter von der Losung auf die umliegende Vegetation gelangen, auf der sie dann haften bleiben. Die in der Losung verlaufende Entwicklungsphase der Lungenwürmer von der Erstlarve bis hin zur Drittlarve (Ansteckungslarve) verläuft bei günstigen klimatischen Bedingungen mit Lufttemperaturen über 20 °C innerhalb kurzer Zeit von nur drei bis sieben Tagen. Bei einer kühleren Witterung kann dies jedoch länger, oft mehr als zwei Wochen dauern. Bei sehr niedrigen Umgebungstemperaturen, etwa unterhalb von 5 °C, wird die Larvenentwicklung gänzlich gestoppt. Die Larven sind gegenüber Sonnenbestrahlung und Trockenheit sehr empfindlich. Deshalb ist ihre Lebensdauer bei warmem und trockenem Wetter relativ kurz. Im Sommer stirbt ein Großteil der Larven meistens innerhalb von ein bis zwei Wochen ab. Bei kühlerem, feuchtem Wetter im Frühjahr und im Herbst können sie mehrere Wochen bis Monate überleben. Sogar eine Überwinterung der im Spätherbst ausgeschiedenen Lungenwurmlarven auf den Äsungsflächen ist möglich, sofern sie unter dem Schnee vor tiefen Frosttemperaturen geschützt sind. Nach der Aufnahme durch das äsende Wild gelangen die Larven aus dem Dünndarm in die Darmlymphknoten. Danach wandern sie über die Lymphund Blutbahn in die Lunge ein, wo ihre Entwicklung zu geschlechtsreifen Lungenwürmern vollendet wird. Bereits etwa drei bis vier Wochen nach der Aufnahme der Lungenwurmlarven scheidet das angesteckte Wirtstier mit der Losung neue Larven aus. Die Lebensdauer der geschlechtsreifen Würmer ist meistens nur auf einige wenige Monate beschränkt. Die maximale Ausscheidung der Larven findet etwa zwischen Mai und August statt. In dieser Zeit ist die Ansteckungsgefahr für das Wild auf den Äsungsflächen besonders hoch. Auch während der Herbstmonate besteht eine sehr große Ansteckungsgefahr, da in dieser Zeit die Larven in der Umwelt relativ lang überleben. Im Spätherbst können die niedrigen Temperaturen die Larven derart beeinflussen, dass ihre Entwicklung im Wirt zu geschlechtsreifen Würmern gehemmt und erst im Frühjahr abgeschlossen wird. Im Winter findet hingegen kaum eine neue Ansteckung des Wildes mit Lungenwürmern statt. Dies hängt damit zusammen, dass die im Körper des Wirtstieres befindlichen Lungenwürmer sich in dieser Zeit in einer Ruhephase (Hypobiose) befinden, wodurch die Ausscheidung von Larven sehr stark herabgesetzt ist. Zudem wird die Entwicklung der Larven durch die niedrigen winterlichen Temperaturen meistens verhindert. Befall und Krankheitsbild: Der Befall mit den großen Lungenwürmern führt beim betroffenen Wirtstier zu ausgeprägten Entzündungen der Schleimhaut in den Atemwegen. Bei einer stärkeren Befallsintensität sind die feineren Bronchien durch die Würmer und den vermehrt abgesonderten Schleim oft derart verstopft, dass sie kaum mehr Luft führen können. Das erkrankte Wild zeigt eine erschwerte Atmung und je nach der Befallsintensität einen mehr oder weniger heftigen Husten. Vor allem jede größere Körperanstrengung, wie z. B. intensivere Bewegungsaktivität, hat starke Hustenanfälle zur Folge, die häufig von Atemnoterscheinungen begleitet werden. Die erschwerte Atmung ist mit einem erhöhten Energieaufwand verbunden. Dadurch und durch die verschlechterte Sauerstoffzufuhr wird die Leistungsfähigkeit des Organismus stark beeinträchtigt. Zudem scheiden die Lungenwürmer in der Lunge giftig wirkende Stoffwechselprodukte ab, die eine weitere zusätzliche Schad- 17 M. VODNANSKY wirkung auf das Wirtstier haben. Darüber hinaus stellen die entzündeten Schleimhäute eine Eintrittspforte für zahlreiche Krankheitserreger, etwa Bakterien und Viren, dar. Der geschwächte Organismus ist wesentlich anfälliger auch gegenüber anderen Parasiten. Da aus diesem Grund die großen Lungenwürmer meistens gemeinsam mit Magen-Darm-Würmern vorkommen, ist beim befallenen Wild oft schwierig zu entscheiden, welche Parasiten die beobachteten allgemeinen Erkrankungserscheinungen, wie raues glanzloses Haarkleid, verzögertes Verfärben, Durchfall, Kümmern, fortschreitende Abmagerung, Blutarmut sowie mangelhafte Trophäenbildung, primär verursacht haben. Beim erlegten oder verendeten Wild lassen sich die Großen Lungenwürmer in der eröffneten Luftröhre bzw. den Bronchien relativ leicht feststellen. Die Folgen der Ansteckung mit Großen Lungenwürmern hängen vielfach davon ab, wie sich der Organismus eines Wirtstieres gegenüber den Parasiten und deren Schadwirkung wehren kann. Generell ist ein starkes, gut konditioniertes Wild wesentlich widerstandsfähiger als geschwächtes. Eine wichtige Rolle spielt die Bildung spezieller Abwehrsysteme im Organismus nach der Ansteckung mit Lungenwürmern, auf deren Basis ein gewisser Schutz (Immunität) mit befristeter Wirkung gegenüber dieser Parasitenart entsteht. Die Funktionsweise dieser Abwehrsysteme liegt darin, dass bei einer erneuten Ansteckung die Entwicklung der aufgenommenen Parasitenlarven im Körper durch körpereigene Abwehrstoffe gehemmt wird und die geschlechtsreifen Würmer in der Lunge eine wesentlich kürzere Lebensdauer haben. Obwohl diese Abwehrsysteme keinen absoluten Schutz vor einer erneuten Ansteckung mit Parasiten gewähren, können sie jedoch die Befallsintensität und die Schadwirkungen auf den Wirtstierorganismus sowie auch die Ausscheidung der Larven in die Außenwelt deutlich verringern. Deshalb sind ältere Stücke, die während ihres Lebens einen ständigen Kontakt mit den Lungenwürmern hatten, gegenüber deren Einwirkungen wesentlich weniger empfindlich als die erstmals angesteckten Jungtiere. So sind Rehkitze durch Lungenwürmer viel stärker gefährdet als die älteren Stü- 18 cke. Ihre Anfälligkeit steigt vor allem bei einer Schwächung des Organismus an. Auch bei älteren Rehen werden die Widerstandskräfte gegenüber Lungenwürmern durch Nahrungsmangel, zu hohe Stressbelastung sowie Krankheit und Befall mit anderen Parasiten stark herabgesetzt. Übertragungsmöglichkeit auf andere Wiederkäuerarten: Der beim Reh- und Rotwild parasitierende Große Lungenwurm Dictyocaulus viviparus ist die einzige Lungenwurmart, die auch beim Rind vorkommen kann. Es wurde deshalb die Möglichkeit einer Übertragung dieser Parasitenart zwischen beiden Schalenwildarten und weidenden Rindern vielfach in Betracht gezogen. Experimentell ließen sich zwar Rinder mit aus Rotwildlosung gewonnenen Larven anstecken, doch war die folgende Ausscheidung der Larven nur sehr gering. Umgekehrt war es nicht möglich, das Rotwild mit von Rindern stammenden Lungenwurmlarven anzustecken. Ähnlich negative Ergebnisse wurden auch in Übertragungsversuchen mit Lungenwürmern zwischen Rindern und Rehen gewonnen. Eine gegenseitige Ansteckung mit Großen Lungenwürmern zwischen Reh- bzw. Rotwild und Schafen ist ebenfalls nicht möglich, weil der beim Schaf schmarotzende Große Lungenwurm Dictyocaulus filaria auf das Rehund Rotwild nicht übertragbar ist. B) Kleine Lungenwürmer: Zu den Kleinen Lungenwürmern gehören zahlreiche Parasitenarten, die immer nur auf bestimmte Wirte spezialisiert sind. So wird das Rehwild ausschließlich von Varestrongylus capreoli und das Rotwild bzw. Damwild nur von Varestrongylus sagittatus befallen. Während die Großen Lungenwürmer vorwiegend in der Luftröhre und größeren Bronchien auftreten, kommen die mehrere Zentimeter langen, fadendünnen Kleinen Lungenwürmer vorwiegend in den feineren Bronchien und dem umliegenden Lungengewebe vor. Dort bilden sie unterschiedlich große, knotenund herdartige Veränderungen, die sogenannten Wurmknoten. Entwicklungszyklus: Die Kleinen Lungenwürmer haben einen indirekten Entwicklungszyklus, bei dem für ihre weitere Entwicklung die Einschaltung der Zwischenwirte notwendig ist. Dies sind bei den Kleinen Lungenwürmern der Wildwiederkäuer verschiedene Arten der Nackt- und Gehäuseschnecken. Die in den feinen Bronchien lebenden Lungenwurmweibchen legen Eier ab, in denen bereits entwickelte Larven vorhanden sind. Die Larven (Erstlarven) schlüpfen binnen kurzer Zeit und gelangen mit Hilfe der Wimpernströmung in den Bronchien und der Luftröhre in den Kehlkopf. Danach werden sie abgeschluckt und mit der Losung ausgeschieden. Kommen die Erstlarven in der Außenwelt mit geeigneten Zwischenwirten in Kontakt, so dringen sie in diese ein. Bei den Schnecken bohren sich die Larven innerhalb weniger Minuten in den Schneckenfuß ein. Im Körper der Zwischenwirte machen die Larven zwei Häutungen durch und wachsen zu ansteckungsfähigen Drittlarven heran. Während dieser Entwicklung, die etwa zwei Wochen bis einige Monate dauert, erhöhen die Larven ihre Größe ungefähr auf das Doppelte und erreichen eine Länge von etwa 0,5 - 0,8 mm. Die Lebensfähigkeit der Zwischenwirte wird durch die in ihrem Körper angesiedelten Larven meistens kaum beeinträchtigt. So können die Ansteckungslarven in ihren Zwischenwirten viele Monate überleben. Zur Ansteckung des Wirtstieres kommt es beim Äsen durch die Aufnahme der Larven entweder mitsamt den Zwischenwirten oder nach ihrem Freiwerden aus abgestorbenen Schnecken. Die weitere Entwicklung der verzehrten Larven im Wirtstierorganismus verläuft ähnlich wie bei den Großen Lungenwürmern. Sie gelangen aus dem Darmtrakt über Lymphe und Blut in die Lunge, wo sie sich zu geschlechtsreifen Würmern weiterentwickeln. Die Zeitspanne zwischen der Ansteckung und dem Beginn der Ausscheidung der neuen Larven in der Losung liegt meistens bei 3 bis 6 Wochen. Die Lebensdauer der erwachsenen Würmer in der Lunge beträgt oft einige Jahre. Anders als die Großen Lungenwürmer haben die Kleinen Lungenwürmer im Winter keine Ruhephase. Im Gegenteil: Nach einigen Untersuchungen ist die Intensität der Ausscheidung der Larven in der Losung der Wirtstiere während der Herbst- und Winterzeit am höchsten. Die 11. Österreichische Jägertagung 2005 Parasiten des Rehwildes Larven sind gegenüber Kälte sehr widerstandsfähig und vertragen für eine kürzere Zeit auch tiefe Frosttemperaturen. So können die im Spätherbst und im Winter ausgeschiedenen Larven auf den verseuchten Flächen in der Losung einen milderen Winter relativ gut überleben. Im Frühjahr dann, wenn die Zwischenwirte wieder aktiv werden, setzt sich die Larvenentwicklung zu ansteckungsfähigen Stadien fort. Befall und Krankheitsbild: Ein leichter Befall mit Kleinen Lungenwürmern verläuft meistens ohne deutliche Krankheitserscheinungen. Ein starker Befall führt hingegen beim betroffenen Wild zu Atembeschwerden, stärkerem Husten, dünnschleimigem Nasenausfluss, fortschreitender Abmagerung und bei den jungen Tieren zu Entwicklungsstörungen. Zu den besonders auffälligen Erscheinungen gehören auch verspätetes Verfärben und bei den Rehböcken gestörte Geweihbildung (Korkenzieher- bzw. Widdergeweihe). Bei zusätzlichen Infektionen mit Bakterien und Viren kann es zu schwerwiegenden Lungenentzündungen kommen, die das Verenden des erkrankten Tieres häufig zur Folge haben. Während das Rot- und Damwild gegenüber kleinen Lungenwürmern und deren Schadwirkung anscheinend nicht sehr anfällig sind, kann bei den Rehen und Gams ein starker Befall zu häufigeren Ausfällen führen. Dies betrifft vor allem das Jungwild der beiden Wildarten. Am erlegten oder verendeten Tier ist der Befall mit Kleinen Lungenwürmern durch das Vorhandensein der typischen Wurmknoten im Lungengewebe leicht erkennbar. Die Wurmknoten wölben sich meistens über die Lungenoberfläche aus, sind von derber Konsistenz und können je nach der Parasitenart und dem Befallsumfang stecknadelkopf- bis walnussgroß sein. Rachenbremsen: Der Befall mit Larven der Rachenbremsen stellt beim Rehwild eine der häufigsten parasitären Erkrankungen dar. Die Rachenbremsen (Rachendasselfliegen) sind hummelähnliche, etwa 1 bis 1,5 cm große Fliegen, deren Larven sich im Nasen- und Rachenraum des wiederkäu- 11. Österreichische Jägertagung 2005 enden Schalenwildes entwickeln und dort schmarotzen. Unser heimisches Schalenwild wird von drei Arten der Rachenbremsen befallen. Die sogenannte Rehbremse „Cephenemyia stimulator“ greift fast ausschließlich das Rehwild an. Eine andere Bremsenart „Cephenemyia auribarbis“ befällt das Rotwild und gelegentlich auch das Damwild. Nur die Bremsenart „Pharingomyia picta“ ist nicht auf einen bestimmten Wirt spezialisiert, sondern befällt das Reh-, Rot- und Damwild sowie auch das Mufflon. Entwicklungszyklus: Die erwachsenen Rachenbremsen schwärmen in den Sommermonaten von Juni bis August aus. Sie halten sich vor allem im Bereich der mit Unterwuchs und Sträuchern bedeckten Waldränder, Remisen und Gebüsche auf. Während ihres kurzen, nur etwa zwei bis vier Wochen langen Lebens nehmen sie keine Nahrung auf, ihre einzige Aufgabe ist die Vermehrung. An warmen, sonnigen Tagen versammeln sich die geschlechtsreifen Bremsen an markanten Geländepunkten, wie z.B. Hügeln, Felsen und einzeln stehenden Strauch- oder Baumgruppen, um sich dort zu paaren. Nach der Begattung tritt bei den Weibchen eine etwa 1 bis 2 Wochen dauernde Ruheperiode ein, während der sich in ihren Geschlechtsorganen Junglarven entwickeln. Im Unterschied zu vielen anderen Insekten legen die Rachenbremsen in die Außenwelt keine Eier ab, sondern scheiden bereits lebensfähige Larven aus. In jedem Weibchen entwickeln sich etwa 500 bis 600 Larven. Nach der Ruheperiode schwärmen die „gebärreifen“ weiblichen Bremsen aus und suchen in einem langsamen Flug das Gelände nach geeigneten Wirtstieren ab. Sie umfliegen das Haupt des ausgewählten Wirtstieres und versuchen die Larven mit etwas Flüssigkeit in seinen Windfang zu spritzen. Diese Larvenablage erfolgt durch ein rasches Ausstülpen der Scheide, wobei aus ihr ein Flüssigkeitstropfen, in dem etwa 10 bis 20 Larven enthalten sind, kräftig herausgeschleudert wird. Die Bremsenweibchen führen diesen Vorgang mit großer Hartnäckigkeit in mehreren Etappen bei verschiedenen Wirtstieren solange durch, bis sie alle Larven abgelegt haben. Die am Windfang des Wirtstieres abgelegten, etwa 1 mm großen Larven (Erstlarven) dringen durch eine aktive Bewegung in die Nasenhöhle ein. Dort verbleiben sie bis in die ersten Wintermonate. Eine sichere Befestigung der Larven in der Nasenhöhle wird dadurch erreicht, dass sie sich mit zwei nach hinten gerichteten Mundhaken und nach vorne gerichteten Schwanzhaken in der Schleimhaut fest verankern, wobei ihnen die von ihrem Körper nach hinten auslaufenden Dorne gleichzeitig Rückhalt bieten. Dadurch wird verhindert, dass sie zurückgleiten oder ausgeniest werden. Die Larven ernähren sich vom Sekret, das von der durch die Haken und Dorne gereizten Nasenschleimhaut in verstärktem Maß abgesondert wird. Während der Herbst- und Wintermonate wachsen die Larven kaum. In dieser Zeit stellen sie auch für das Wirtstier meistens noch keine zu große Belastung dar. Erst ab März tritt bei ihnen ein intensives Wachstum ein, und ihre Größe nimmt innerhalb einer kurzen Zeit mehrfach zu. Nach der erfolgten Häutung dringen die bereits 3 bis 14 mm langen Larven (zweites Larvenstadium) noch weiter bis in den hinteren Teil der Nasenhöhle und in den Rachenraum vor, wo sie eine erhebliche Reizung der Schleimhaut verursachen. Die Folge sind ein starker (oft eitriger oder blutiger) Nasenausfluss und erhöhter Tränenfluss. Das Anschwellen der gereizten Schleimhaut führt zu erschwertem Atmen. Bei einem sehr starken Befall können die oberen Atemwege des Wirtstieres durch die angeschwollene Schleimhaut und die vorhandenen Larven sogar weitgehend verstopft werden, was zu Erstickungszuständen führen kann. Gelegentlich gelangen die Larven entlang der Atemwege bis in die Lunge, wo sie lebensbedrohende Entzündungsprozesse hervorrufen. In seltenen Fällen können sie sogar zum Gehirn vordringen und eine Hirnhautentzündung verursachen, was zu zentralnervösen Störungen mit Muskelkrämpfen und Zwangsbewegungen, wie z. B. periodisches Herumdrehen mit hochgehaltenem Haupt (falsche Drehkrankheit), führen kann. Die in den Nasenhöhlen und dem Rachenraum schnell wachsenden Larven kommen etwa ab April nach der zweiten 19 M. VODNANSKY Häutung in das dritte Entwicklungsstadium. Während dieser Phase stellen sie aufgrund ihrer Größe für das Tier eine besonders starke Belastung dar. Ihr spindelförmiger Körper erreicht in dieser Zeit eine Länge von 2 bis 3,5 cm und eine Breite von 0,7 bis 1 cm. Von Mai bis Juli lassen sich die bereits vollentwickelten Larven ausniesen oder aushusten. Auf dem Boden verkriechen sie sich schnell unter der Vegetation und dringen in die oberen Erdschichten ein. Dort erfolgt innerhalb weniger Stunden die Verpuppung. Nach 3 bis 6 Wochen schlüpfen aus den Puppen ausgewachsene Fliegen. Diese sind bereits vollständig entwickelt und sofort paarungsfähig. Befall und Krankheitsbild: Ein deutlicher Hinweis auf einen Befall des Wildes mit Larven der Rachenbremsen sind die von März bis Juli auftretenden krampfhaften Hustenanfälle, die hin und wieder von schnarchenden und röchelnden Geräuschen begleitet werden. Das erkrankte Wild zeigt neben den deutlichen Schluck- und Atembeschwerden eine ständige Unruhe und typische Abwehrbewegungen. Es senkt dabei sein Haupt, wirft es hin und her, beginnt zu niesen und schlägt mit den Hinterläufen nach dem Windfang. Durch die oft heftigen schleudernden und nickenden Bewegungen des Hauptes versucht das Tier die Larven loszuwerden. Aufgrund deren festen Verankerung an den Schleimhäuten gelingt das jedoch meistens erst, nachdem ihre Entwicklung zu der verpuppungsreifen Form vollständig abgeschlossen ist. Ein leichter Befall mit Rachenbremsen hat bei einem erwachsenen Stück Wild keine gravierenden Schäden zur Folge, sofern die Larven nicht in die Lunge oder in das Gehirn eindringen. Beim jungen Rehwild bis zum Alter von einem Jahr kann jedoch bereits die Anwesenheit von nur wenigen Larven eine deutliche Verzögerung der körperlichen Entwicklung verursachen. Eine stärkere Befallsintensität führt hingegen auch beim erwachsenen Rehwild oft zu einer erheblichen Verschlechterung der Kondition. Das hat nicht nur geringere Wildbretgewichte, sondern häufig auch schlechtere Trophäen bei den Böcken zur Folge. Darüber hinaus sind die geschwächten Stücke 20 anfälliger gegenüber anderen Parasiten und Infektionskrankheiten. Bei den trächtigen bzw. führenden Geißen beeinträchtigt die verschlechterte Kondition die Entwicklung der Kitze. Die anderen Schalenwildarten, wie das Rot-, Damund Muffelwild, sind gegenüber Rachenbremsen weniger empfindlich als das Rehwild. Trotzdem kann ein sehr starker Befall auch bei ihnen die gleichen Erscheinungen zur Folge haben. Hautdasseln: Die Larven der Hautdasselfliegen schmarotzen hauptsächlich beim Rehund Rotwild. Gelegentlich kommen sie auch bei Gams-, Dam- und Muffelwild vor. In manchen Gebieten tritt der Befall besonders stark und häufig auf. Hautdasselfliegen sind etwa 1 bis 1,5 cm lange, hummelähnliche Insekten, deren Larven sich im Unterhautbindegewebe der Wild- und Hauswiederkäuer entwickeln. Es gibt viele Arten von Dasselfliegen, die alle in ihrer Wirtswahl mehr oder weniger spezialisiert sind. Zwei davon schmarotzen bei unserem heimischen Schalenwild. Die Rehdasselfliege Hypoderma diana befällt hauptsächlich das Rehwild, manchmal das Rotwild und gelegentlich auch das Gams-, Muffelsowie Damwild. Die Hautdasselart Hypoderma actaeon greift hingegen nur das Rotwild an. Entwicklungszyklus: Die Hautdasseln sind insbesondere beim Rehwild viel verbreitet. Die erwachsenen Hautdasselfliegen schwärmen in den Sommermonaten von Ende Mai bis August aus. Ihre Lebensdauer beträgt nur wenige Tage. Während dieser Zeit nehmen sie keine Nahrung auf und leben von ihren Energiereserven. An warmen, sonnigen Tagen versammeln sich die Hautdasselfliegen an bestimmten Standorten zur Paarung. Meistens sind dies windgeschützte, sonnige Lagen, wie z.B. Schlagflächen, Lichtungen oder Wiesen und Weiden, die sich in unmittelbarer Nähe eines Waldes oder Remisen befinden. Besonders bevorzugte Paarungsplätze, an denen übrigens die Dasselfliegen am leichtesten beobachtet werden können, sind die an Baum- und Strauchbewuchs angrenzenden Wege. Im Gegenteil zu den verwandten Rachenbremsen, die lebende Larven gebären, vermehren sich die Hautdasseln über Eier. Jedes Weibchen kann etwa 400 bis 800 Eier ablegen. Kurze Zeit nach der Begattung schwärmen die weiblichen Dasselfliegen aus und suchen in einem langsamen Flug das Gelände nach geeigneten Wirtstieren ab. Sie umfliegen diese und versuchen bei ihnen an den Haaren der Hinterläufe, der Flanken und des Rückens die klebrigen, etwa 1mm großen Eier abzulegen. Das angeflogene Wild reagiert oft mit heftigen Abwehrbewegungen. Es wirft das Haupt zur Seite, schlägt mit Hinterläufen und versucht mit kurzen Fluchten, die Eierablage zu verhindern. Aus den abgelegten Eiern schlüpfen bereits nach einigen Tagen kleine Larven (Erstlarven), die sich rasch durch die Decke des Wirtstieres in die Unterhaut durchbohren. Die Larven der Rehdasselfliege Hypoderma diana wandern langsam unter der Decke aufwärts bis in die Rücken- und Lendengegend, in der sie sich ab November bis Jänner im Unterhautbindegewebe ansiedeln. Die Larven der Rotwild angreifenden Hautdasselart Hypoderma actaeon wandern vermutlich (dies ist noch nicht eindeutig geklärt) entlang der Nervenstränge in den Wirbelkanal, dort gelangen sie erst nach einigen Monaten in das Unterhautbindegewebe des Rücken- und Lendenbereiches. Weiter verläuft die Entwicklung der beiden Dasselarten auf gleiche Weise. Nach der festen Ansiedlung bohren sich die Larven durch die Decke von innen nach außen eine Atemöffnung. Sie ernähren sich von den Entzündungssekreten, die im stark gereizten Unterhautbindegewebe vermehrt abgesondert werden. Während des intensiven Wachstums im Laufe der Wintermonate häuten sich die Larven zweimal in einem Zeitabstand von etwa zwei Monaten. Dadurch entstehen sogenannte Zweit- und Drittlarven, die sich vor allem durch ihre Größe unterscheiden. Im Februar erreichen sie bereits die Länge von 1,5 bis 2 cm und die Breite von mehr als 0,5 cm. Mit ihrer zunehmenden Größe wird das betroffene Unterhautbindegewebe immer mehr gereizt. Als Folge davon bilden sich unter der Rückendecke beulenartige etwa haselnuss- bis walnussgroße Schwellun- 11. Österreichische Jägertagung 2005 Parasiten des Rehwildes gen, die sogenannten Dasselbeulen. In ihnen sind die schnell wachsenden Larven umgeben von blutig-sulzigen bis eitrigen Entzündungsprodukten des Unterhautbindegewebes. In den Frühlingsmonaten März - April, wenn die Larven bereits etwa 2 bis 3 cm lang und 1 bis 1,5 cm breit sind, wird ihre Entwicklung vollendet. Die verpuppungsreifen Larven schlüpfen durch die vergrößerten Atmungsöffnungen und fallen zum Boden. Dort verkriechen sie sich rasch unter das Gras oder dem Laub in die obere Humusschicht, in der sie sich innerhalb kurzer Zeit verpuppen. Etwa 3 bis 5 Wochen später schlüpfen aus den Puppen die geschlechtsreifen Hautdasselfliegen. Befall und Krankheitsbild: Ein leichter Befall von nur wenigen Hautdassellarven hat auf erwachsenes Wild in der Regel keine gravierenden Auswirkungen. Beim jungen Reh- oder Rotwild kann jedoch auch eine schwache Befallsintensität eine Verzögerung der körperlichen Entwicklung zur Folge haben. Allerdings werden Rehkitze und Rotwildkälber nicht so häufig von Hautdasseln befallen wie ältere Stücke. Der Grund dafür ist, dass die meisten Jungtiere erst nach der Hauptschwärmzeit der Hautdasselfliegen gesetzt werden. Ein starker Befall (es können mehrere Dutzend bis Hunderte Larven an einem Tier auftreten) führt auch beim erwachsenen Wild zur Störung des Allgemeinbefindens und einer erheblichen Verschlechterung der Kondition. Das hat nicht nur deutlich verringerte Wildbretgewichte, sondern auch schlechtere Trophäen bei den männlichen Stücken zur Folge. Die geschwächten Stücke sind zudem wesentlich anfälliger gegenüber anderen Parasiten oder Infektionskrankheiten. Darüber hinaus kann die Schwächung der Kondition bei trächtigen Rehgeißen 11. Österreichische Jägertagung 2005 und Rotwildtieren nachträglich eine negative Auswirkung auf die Entwicklung der Kitze oder Kälber haben. Ein weiterer Schaden für die Jagdwirtschaft besteht in der Wertminderung bzw. Unbrauchbarkeit der Decken des erlegten Wildes. Das Narbengewebe, das sich in den Atmungslöchern nach dem Verlassen der Larven ausbildet, fällt beim Gerben heraus. Diese Decken sind vorwiegend im Rücken- und Lendenbereich je nach Befallsintensität unterschiedlich stark durchlöchert. Das Wildbret ist nach Entfernung der veränderten Teile des Unterhautgewebes genusstauglich, sofern keine allzu starke Abmagerung des Körpers vorliegt. Am lebenden Wild lässt sich ein leichter Befall optisch kaum feststellen. Stark befallene Stücke zeigen häufig allgemeine Erkrankungssymptome. Sie haben eine verschlechterte Kondition, verfärben spät, sind matt und stehen oft mit gekrümmten Rücken. Die Dasselbeulen sind unter dem Winterhaar trotz ihrer oft beträchtlichen Größe (manchmal bis zu 4 cm Durchmesser) meistens nicht zu sehen. Bei einem im Winter verendeten (oder krankheitsbedingt erlegten) Stück Wild können jedoch die Dasselbeulen durch Abtasten der Rückengegend und die Larven nach Abziehen der Decke leicht gefunden werden. Bei den während der regulären Schusszeit erlegten Stücken sind hingegen meistens nur noch die vernarbten Löcher in der Decke und eventuell einige in der Entwicklung verspätete oder vorzeitig abgestorbene, im Entzündungsgewebe eingekapselte Larven zu finden. Bekämpfungsmaßnahmen Da der Einsatz von Medikamenten in freier Wildbahn in Österreich nicht mehr erlaubt ist, sind für eine nachhaltig wirksame Bekämpfung der Parasiten vorbeu- gende Maßnahmen zur Verringerung von Übertragungsmöglichkeiten sowie die gleichzeitige Stärkung der Widerstandskräfte aufgrund der verbesserten Kondition des Wildes von entscheidender Bedeutung. • Unerlässlich ist vor allem ein rigoroser Abschuss der sichtbar erkrankten Rehe und eine rechtzeitige Entfernung der schwachen Individuen aus dem Bestand. • Eine weitere Maßnahme zur Verringerung der Parasitenübertragung ist die Vermeidung der zu hohen Wildkonzentrationen auf den Äsungsflächen und in den Einständen. • Die Fütterungsstandorte, auf denen zwangsweise unnatürlich hohe Wildkonzentrationen während des Winters entstehen, müssen nach dem Ende der Fütterungsperiode im Frühjahr gründlich gereinigt und mit ungelöschtem Kalk desinfiziert werden. Die Verringerung der Parasitenübertragung kann vor allem durch eine möglichst gleichmäßige räumliche Verteilung des Wildes und eine an den Lebensraum angepasste Wilddichte erreicht werden. Dabei ist zu beachten, dass vor allem eine flächendeckende Verbesserung des Äsungs- sowie Deckungsangebotes und die Vermeidung der Beunruhigung im Revier zu gleichmäßigerer Verteilung des Wildes sowie zur Anhebung der Lebensraumkapazität wesentlich beitragen können. Dies ermöglicht auch, die Kondition des Wildes zu verbessern und somit seine Widerstandskraft gegenüber den Parasiten nachhaltig zu stärken. Durch die Erhöhung des natürlichen Äsungsangebotes sowie fachgerechte Fütterung im Winter wird die Kondition und damit auch die Widerstandskraft der Rehe verbessert. 21 M. VODNANSKY 22 11. Österreichische Jägertagung 2005