Verbieten oder Widerlegen? - Konrad-Adenauer

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KOLUMNE
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
PROF. DR. BERNHARD VOGEL
VORSITZENDER DER KONRADMINISTERPRÄSIDENT A.D.
VERBIETEN ODER WIDERLEGEN?
April 2008
Die heftige öffentliche Debatte um die Posi-
Buchstaben unseres Grundgesetzes und un-
tionierung der SPD gegenüber der jetzt
serer freiheitlichen Ordnung widersprechen,
auch in westdeutsche Parlamente eingezo-
in deutschen Parlamenten nichts zu suchen
genen Linken, die Auseinandersetzung um
haben und dass ihnen keine öffentlichen Fi-
Äußerungen von Kurt Beck und Andrea
nanzmittel zufließen dürfen. So sehr darf
Ypsilanti hat die Debatte um die Bekämp-
uns die Frage nicht unberührt lassen, was
fung rechtsradikaler Parteien vorüberge-
tatsächlich durch einen Richterspruch er-
hend in den Hintergrund treten lassen. Alles
reicht werden kann? Schon vorher sind ext-
spricht von künftigen Fünf-Parteien-
remistische Parteien in der alten Bundesre-
Landesparlamenten. Dass zum Beispiel dem
publik verboten worden: so 1956 die Kom-
Sächsischen Landtag seit Jahren sechs Par-
munistische Partei. Was war die Folge?
teien angehören, haben viele Kommentato-
1968 gründeten frühere KPD-Funktionäre
ren darüber vergessen.
die „Deutsche Kommunistische Partei“, die
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am Marxismus-Leninismus festhält und sich
Gleichwohl ist in den letzten Tagen erneut
zur revolutionären Überwindung der beste-
ein Verbot der rechtsextremen, nationalisti-
henden Gesellschaftsordnung in Deutsch-
schen NPD durch das Bundesverfassungsge-
land bekennt.
richt gefordert worden. Man wollte einen
zweiten Anlauf unternehmen. Ein erster An-
Ich plädiere jetzt umso mehr dafür, keiner-
trag der früheren rot-grünen Bundesregie-
lei Indifferenz walten zu lassen und Radikale
rung sowie des Bundesrates und des Bun-
in offener Feldschlacht zu stellen. Sie durch
destages war im Jahre 2003 gescheitert. Es
Argumente zu widerlegen, nicht durch Rich-
hatte sich herausgestellt, dass ein Großteil
terspruch. Der alte, 1946 geprägte Satz
des belastenden Materials von sogenannten
„Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“ hat
V-Leuten, das heißt von Personen stammte,
auch heute Gültigkeit. Demokraten müssen
die der Verfassungsschutz in die Führungs-
den Mut haben hinzuschauen, nicht wegzu-
gremien eingeschleust hatte. Das Bundes-
blicken. Verfassungsfeinde, verfassungs-
verfassungsgericht war nicht bereit, solche
feindliche Parolen dürfen keinen Platz in ei-
Belastungszeugen anzuerkennen. Jetzt soll-
ner freiheitlichen Demokratie haben. Alle
ten die Länder bis zum 31. März dem Bun-
demokratischen Parteien müssen gemein-
desinnenministerium Materialien zu einem
sam gegen sie auftreten, müssen sich zur
erneuten NPD-Verbotsverfahren vorlegen.
Wehr setzen, müssen ihnen den Boden ent-
Fast alle Länder, ob CDU-, CSU- oder SPD-
ziehen und ihre Wähler wieder für unsere
regiert, haben die Frist verstreichen lassen.
Ordnung zurückgewinnen. Die Politik, die
Nur Mecklenburg-Vorpommern hat Unterla-
Politiker sind gefragt, selbstverständlich.
gen vorgelegt. Lediglich Mecklenburg-
Aber nicht nur sie! „Notwendigkeit ist die
Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind offen
Sorge aller für die Freiheit“, sagt der Philo-
für ein neuerliches Verbotsverfahren einge-
soph Karl Jaspers. Die Schulen sind gefragt,
treten. Ein solches Verfahren wird es aller
das Elternhaus, die Medien, die Kirchen und
Voraussicht nach vorerst also nicht geben.
selbstverständlich die Einrichtungen der Politischen Bildung. Es muss aufgeklärt wer-
Muss man das bedauern? Ist das ein Zei-
den, es muss ein entsprechendes Bewusst-
chen von Indifferenz gegenüber Verfas-
sein geschaffen werden.
sungsfeinden? So sehr ich überzeugt bin,
dass Parteien, die offensichtlich Geist und
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
Die Weimarer Republik ist letztlich daran
gescheitert, dass es an Demokraten fehlte,
PROF. DR. BERNHARD VOGEL
dass Radikale von Rechts und von Links
VORSITZENDER DER KONRAD-
häufig gemeinsame Sache machten und
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dass die NSDAP schließlich die Oberhand
MINISTERPRÄSIDENT A.D.
gewann.
Verbieten ist einfacher, widerlegen ist
April 2008
schwieriger und anstrengender, erfordert
Mut und Überzeugung. Aber widerlegen ist
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mit Sicherheit langfristig erfolgreicher.
Einmal im Monat schreibt Prof. Dr. Bernhard
Vogel die Kolumne „Aus der Vogelperspektive“ für die Südthüringer Zeitung.
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