148 4 Die Energiebilanz 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie Die Energie tritt in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Wir beschränken uns hier auf die mechanischen, die thermischen und die chemischen Energieformen, betrachten also nicht z.B. elektrische, bei Kernumwandlungen auftretende oder andere der vielen sonstigen bekannten Formen. 4.1.1 Mechanische Energieformen Aus der Mechanik sind einige Energieformen bekannt. So wird z.B. einem Körper der Masse m, der sich mit der Geschwindigkeit c bewegt, die kinetische Energie Ekin = 1 2 mc 2 (4.1) zugeordnet. Ein ruhender Körper der Masse m in einer Höhe h im Schwerefeld der Erde hat die potenzielle Energie Epot = mgh , (4.2) wobei g = 9,81 m/s2 die so genannte Erdbeschleunigung ist. Beide dieser mechanischen Energieformen haben die Einheit kg m2 /s2 = Nm = J, wobei J” das Kurzzeichen für die Einheit Joule ist. Zahlenmäßig können sie nur ” als Differenz zu einem Bezugswert angegeben werden, vgl. Abb. 4.1. Für die kinetische Energie des Wagens mit der Geschwindigkeit c ist der Ruhezustand der natürliche Bezugszustand mit der kinetischen Energie Null. Für die potenzielle Energie ist die Lage des Systems auf dem Umgebungsniveau der natürliche Bezugszustand mit der potenziellen Energie Null. Beide Bezugszustände sind aber prinzipiell willkürlich. Für den Fall der kinetischen Energie wird dies klar, wenn man sich die Bewegung einer kleinen Kugel mit der Geschwindigkeit c′ in einem rollenden Wagen mit der Geschwindigkeit c vorstellt. Die kinetische Energie der Kugel wird von einem in dem Wagen sitzenden Beobachter als niedriger empfunden als von einem Beobachter außerhalb des Wagens. Entsprechendes gilt für die potenzielle Energie eines Körpers auf der Höhe h′ in einem Flugzeug, das in der Höhe h in Bezug auf das Umgebungsniveau fliegt. Um einen Körper der Masse m vom Erdboden (h = 0) auf eine Höhe h zu heben, muss man ihm Energie zuführen, und zwar die mechanische Arbeit W0h = Zh F · dr . (4.3) 0 Die mechanische Arbeit ist allgemein definiert als das Produkt aus einer Kraft und der Verschiebung des Kraftangriffspunktes in Richtung der Kraft. 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie 149 c c ' a ) Ä u ß e r e B e z u g s k o o r d in a te n z u r D e fin itio n d e r k in e tis c h e n E n e r g ie y h ' h b ) x Ä u ß e r e B e z u g s k o o r d in a te n z u r D e fin itio n d e r p o te n z ie lle n E n e r g ie Abb. 4.1. Zum Bezugspunkt für die kinetische und potenzielle Energie Wenn eine Abhängigkeit der Kraft von der Verschiebung berücksichtigt werden soll, dann ergibt sich die mechanische Arbeit somit als das Integral des an dem Körper angreifenden Kraftvektors F über den zurückgelegten Weg des Kraftangriffspunktes in Richtung der Kraft. Der Punkt in (4.3) bezeichnet demnach das Skalarprodukt zwischen F und r. Zugeführte Energien haben vereinbarungsgemäß ein positives Vorzeichen, abgeführte ein negatives. Im betrachteten Fall, in dem eine Masse gehoben werden soll, zeigen der Vektor der Kraft und der Vektor der Verschiebung in die gleiche Richtung. Die mechanische Arbeit nach (4.3) ist daher positiv, in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass sie zugeführt wird. Auch sie hat die Einheit J”. Während ” die potenzielle und kinetische Energie Eigenschaften der Masse m in ihrem speziellen Zustand sind, d.h. Zustandsgrößen, ist die mechanische Arbeit nur für einen bestimmten Prozess definiert. Sie ist daher eine Prozessgröße. Zur Berechnung der mechanischen Arbeit nach (4.3) benötigt man die Funktion F (r). Im Allgemeinen hängt daher der Wert des Integrals von dem speziellen Prozessverlauf ab. Im hier betrachteten Fall ist die Auswertung allerdings einfach und wegunabhängig, da die zum Heben des Körpers erforderliche Kraft F der Schwerkraft betragsmäßig gleich, aber entgegen gerichtet ist, d.h. F = −mg , mit g als dem Vektor der Erdbeschleunigung, der zum Erdmittelpunkt zeigt. Mit einer als unabhängig von der Höhe angenommenen Erdbeschleunigung wird 150 4 Die Energiebilanz W0h = mgh = Epot . Diese Gleichung beschreibt einen besonders einfachen Fall von Energieumwandlung. Durch Aufwänden einer mechanischen Arbeit W0h wird der Masse m eine potenzielle Energie Epot erteilt. Die aufgewändete Arbeit findet sich als potenzielle Energie der Masse wieder, die Energie bleibt also erhalten. Als etwas komplizierteren Fall einer Umwandlung der mechanischen Energieformen ineinander betrachten wir in Abb. 4.2 die Bewegung eines Massenpunktes unter der Wirkung einer Kraft F entlang einer Bahnkurve. Das Sys- p ,c 2 F r 1 Abb. 4.2. Bewegung eines Massenpunktes unter Wirkung der Kraft F tem ist der Massenpunkt selbst. Es hat die Zustandsgrößen r und c, also Ort und Geschwindigkeit. Der Ortsvektor des Massenpunktes ist eine Funktion der Zeit τ . Die Geschwindigkeit des Massenpunktes ist dr . dτ Für den Impuls p des Massenpunktes gilt daher c= p = mc = m dr . dτ Nach dem zweiten Newtonschen Grundgesetz ist die zeitliche Änderung des Impulses gleich der an dem Massenpunkt angreifenden Kraft. Es gilt also d dp = (mc) = F . dτ dτ (4.4) Mit (4.4) haben wir ein Axiom eingeführt, d.h. einen aus der Erfahrung stammenden Lehrsatz, der nicht mathematisch beweisbar ist. Multiplizieren wir (4.4) skalar mit c, so erhalten wir 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie c· 151 dr dp =F · . dτ dτ Multiplikation mit dem Zeitelement und Integration zwischen den Orten 1 und 2 führt auf Z2 c · dp = 1 Z2 F · dr . 1 Das Integral über den Impuls des Massenpunktes kann man leicht auswerten, und man erhält mit dp = mdc m 2 c2 − c21 = 2 Z2 F · dr . 1 Mit der Definition der kinetischen Energie nach (4.1) 1 2 mc = Ekin 2 erhält das zweite Newtonsche Grundgesetz dann die Form Ekin,2 − Ekin,1 = Z2 F · dr = W12 . (4.5) 1 Das Integral auf der rechten Seite ist die Arbeit W12 der Kraft F zwischen den Zuständen 1 und 2. Insgesamt steht daher auf der rechten Seite die Arbeit, welche die Kraft F am Massenpunkt während dessen Bewegung auf der Bahnkurve zwischen 1 und 2 verrichtet. Die Gleichung (4.5) drückt die Energieerhaltung bei der Bewegung des Massenpunktes aus. Die zugeführte Arbeit findet sich in der Erhöhung der kinetischen Energie des Massenpunktes wieder. Eine besonders prägnante Form für die mechanische Energiebilanz (4.5) erhalten wir, wenn wir ein so genanntes konservatives Kraftfeld voraussetzen. Dann lässt sich die Kraft F auf den Massenpunkt als Gradient eines Potenzials, der potenziellen Energie, ausdrücken, nach F =− dEpot . dr (4.6) Ein Beispiel für die Gültigkeit von (4.6) sind reibungsfreie Bewegungen im Schwerefeld der Erde, mit F =− d(mgh) d(mg · r) = = mg dr dr 152 4 Die Energiebilanz als der dem Vektor r entgegen gerichteten Schwerkraft. In dem durch (4.6) definierten Sonderfall ist das Arbeitsintegral wegunabhängig, und man erhält Z2 1 F · dr = − Z2 1 dEpot · dr = − dr Z2 dEpot = −Epot,2 + Epot,1 . (4.7) 1 Bei der Bewegung eines Massenpunktes in einem konservativen Kraftfeld ist die Arbeit somit als Differenz zwischen zwei potenziellen Energien gegeben, also als Differenz einer Zustandsgröße in zwei verschiedenen Zuständen. Man findet dann für die mechanische Energiebilanz [Epot + Ekin ]1 = [Epot + Ekin ]2 . (4.8) Die Summe der kinetischen und der potenziellen Energie bei der Bewegung eines Massenpunktes im konservativen Kraftfeld ist konstant, unabhängig von der Gestalt der Bahnkurve und anderen Einzelheiten der Bewegung. Mit E = Ekin + Epot als der Gesamtenergie des Systems Massenpunkt schreiben wir E = const. Wieder sind wir somit auf einen Erhaltungssatz für die Größenart Energie geführt worden, in dem nun die Erscheinungsformen kinetische Energie und potenzielle Energie auftreten. Der einfache mechanische Energieerhaltungssatz (4.8) hat nur einen sehr eingeschränkten Gültigkeitsbereich. Das erfährt z.B. bereits ein Radfahrer, der von einer Anhöhe ins Tal herabrollt und nicht ohne Treten auf die gleiche Anhöhe der anderen Talseite gelangt, wie es nach (4.8) eigentlich sein sollte. Offenbar wird die ursprünglich vorhandene potenzielle Energie als solche nicht vollständig zurückgewonnen, sondern teilweise in andere Energieformen umgewandelt. Die hierfür verantwortlichen Reibungseffekte wie der Luft- und Rollwiderstand sowie die Lagerreibung, die in (4.8) nicht berücksichtigt werden, machen sich in allen praktischen Fällen bemerkbar. Dies gilt auch für das System Massenpunkt, wenn wir dabei an einen fallenden Stein im Schwerefeld der Erde denken. Dann ist die aus der potenziellen Energie abzuleitende nur ein Teil der auf den Massenpunkt einwirkenden Kraft. Zusätzlich wirkt noch als Reibungskraft der Luftwiderstand. Die Summe aus kinetischer und potenzieller Energie ist dann nicht mehr konstant. Unter der Annahme, dass keine nicht-mechanischen Energieformen an der Gesamtenergie des Steins beteiligt sind, gilt für den Prozess aber immer noch der Energieerhaltungssatz in der Form (4.5). Hiernach wird die Änderung der kinetischen Energie durch die Arbeit aller äußeren Kräfte, also sowohl der aus einem Potenzial abzuleitenden als auch der Reibungskraft des Luftwiderstands, hervorgerufen. Mit (W12 )Rbg als der Arbeit der Reibungskraft lautet also der Energieerhaltungssatz in diesem Fall Ekin,1 + Epot,1 + (W12 )Rbg = Ekin,2 + Epot,2 . Hier ist die Arbeit der Reibungskraft als vom Stein an die Umgebung abgegebene Energie eine negative Größe, mit der Folge, dass die Summe aus kinetischer und potenzieller Energie im Zustand 2 um die Reibungsarbeit kleiner ist als die Summe dieser Energien im Anfangszustand. Praktisch treten unter Einfluss von Reibung stets auch nicht - mechanische Energieformen auf, die hier zunächst vernachlässigt wurden. Hierauf gehen wir in späteren Abschnitten ein, vgl. Abschn. 4.1.2. 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie 153 In den thermodynamischen Anwendungen spielen bestimmte Formen von mechanischer Arbeit eine besondere Rolle. Dabei handelt es sich nur selten um die Arbeit jener Kräfte, die die Bewegung oder Lage des Systems als Ganzes beeinflussen. Vielmehr geht es um solche Formen von mechanischer Arbeit, die zu Änderungen im inneren Zustand des Systems führen, z.B. zur Änderung des Volumens bei der Kompression eines Gases. Wir unterscheiden dabei die Kolbenarbeit (W12 )K und die Wellenarbeit (W12 )W . Die Kolbenarbeit tritt in der Technik vorzugsweise bei speziellen Kraftund Arbeitsmaschinen auf, z.B. bei Kompressions- und Expansionsprozessen in Kolbenpumpen, Kolbenkompressoren oder Kolbenmotoren. Die Kolbenarbeit knüpft direkt an die Arbeitsdefinition der Mechanik an, vgl. Abb. 4.3. Wenn als System das gesamte Kolben-/Zylinder-System, einschließlich Gas und festen Wänden, betrachtet wird, dann ergibt sich die Kolbenarbeit zu (W12 )K = Z2 F a · dr = − Z2 pa Adx = − pa dV . (4.9) 1 1 1 Z2 Hier ist F a die Kraft , die von außen an dem Kolben angreift, pa entspre- A p (W F p a F 1 2 ) K a d x Abb. 4.3. Zur Kolbenarbeit chend der äußere Druck auf den Kolben und A die Kolbenfläche. Das negative Vorzeichen sorgt für die Einhaltung der Vorzeichenvereinbarung für zu- und abgeführte Energieströme. So wird bei einer Kompression das Volumen verkleinert, d.h. dV < 0, und die Arbeit ergibt sich als zugeführte Arbeit positiv. Das System reagiert auf den Transfer von Kolbenarbeit mit einer Änderung seines Zustands. Insbesondere ändert sich grundsätzlich eine bestimmte Zustandsgröße des Systems, nämlich das Volumen. Das Volumen ist daher die mit dem Transfer von Kolbenarbeit einschlägig verknüpfte Zustandsgröße des Systems. Der Druck pa ist bei Arbeitstransfer nicht identisch mit dem Druck p des Fluids im Zylinder, denn die treibende Kraft ist ja ein Druckunterschied. So sorgen z.B. Reibungseffekte zwischen Kolben und Zylinder dafür, dass bei einer Kompression der Druck pa größer als der Druck im Fluid ist, während bei einer Expansion der Druck im Fluid den Außendruck übersteigt. 154 4 Die Energiebilanz Die Situation gleichen Druckes hat den Charakter eines theoretischen Grenzfalls7 . Beispiel 4.1 Ein horizontal angeordneter, mit einem Kolben verschlossener Zylinder von V1 = 8 · 10−3 m3 enthält ein Gas bei T = 300 K und p1 = 10 bar. Der äußere Umgebungsdruck beträgt pu = 1 bar. Man berechne die vom Gas geleistete Kolbenarbeit bei einer Expansion auf V2 = 80 · 10−3 m3 . Lösung Die bei der Expansion geleistete Kolbenarbeit beträgt nach (4.9) (W12 )K = − Z2 pu dV = −pu (V2 − V1 ) 1 = −105 N · 72 · 10−3 m3 = −7200 Nm . m2 Man beachte, dass für die Kolbenarbeit die Kenntnis des inneren Zustands des Gases belanglos ist. Entscheidend sind der äußere Druck und die Volumenänderung. Beispiel 4.2 Ein Wasserstrom von ṁ = 1 kg/s soll mit einer Kolbenpumpe isotherm bei 30◦ C von p1 = 1 bar auf p3 = 46 bar gefördert werden, vgl. Abb. B 4.2.1. Der Prozess besteht aus drei ablaufenden Teilprozessen, 1→2: 2→3: 3→4: Ansaugen bei p1 = 1 bar Komprimieren auf p3 = 46 bar Ausschieben bei p3 = 46 bar . Man berechne die zuzuführende Pumpenleistung für den Grenzfall pa = p. Lösung Die Pumpenarbeit ergibt sich als die Summe der Kolbenarbeiten für die drei Zustandsänderungen, d.h. WK = (W12 )K + (W23 )K + (W34 )K . Wir betrachten den Grenzfall pa = p. Da hierbei Reibungseffekte ausgeschlossen werden, erhält man für pa = p die Mindestkolbenarbeit. In diesem Fall findet man für die spezifische Kolbenarbeit der Zustandsänderung i → k (wik )K,min = − Zk pdυ . i Die gesamte Mindestpumpenarbeit ergibt sich damit zu 7 Wenn die Kolbenbewegung in Richtung der Erdbeschleunigung oder ihr entgegengesetzt erfolgt, gilt p = pa + mK g/A, mit mK als der Masse des Kolbens und A als seiner Fläche. In diesem Fall gilt stets p > pa , ohne dass dies auf Reibungseffekte zurückzuführen wäre. 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie . m = 1 k g /s ; p = 4 6 b a r 3 p = p m 155 . V = V 1 a A V 4 Fa = p a A 2 = 1 k g /s ; p = 1 b a r 1 Abb. B 4.2.1. Kolbenpumpe WK,min = − Z2 pdV − 1 Z3 pdV − 2 Z4 pdV . 3 Zur Auswertung nutzen wir, dass die Zustandsänderungen von 1 nach 2 und von 3 nach 4 isobar sind und erhalten Z3 WK,min = − p1 (V2 − V1 ) + pdV + p3 (V4 − V3 ) . 2 Hier kann ohne Einschränkung der Allgemeinheit das Totpunktvolumen V1 = 0 gesetzt werden. Es gilt im Übrigen V4 = V1 , sowie die Umformung Z3 2 pdV = Z3 2 d(pV ) − Z3 V dp . 2 Es folgt also mit p1 = p2 WK,min = − p1 V2 + p3 V3 − p2 V2 − Z3 2 V dp − p3 V3 = Z3 V dp . 2 Für Wasser benutzen wir das Stoffmodell Ideale Flüssigkeit”, d.h. wir führen das ” konstante spezifische Volumen υ if ein. Damit gilt WK,min = mυ if(p3 − p2 ) . Wasser bei 30◦ C hat nach der Wasserdampftafel ein spezifisches Volumen von υ if ≈ 0,001 m3 /kg. Im stationären Fall finden wir schließlich für die mindestens zuzuführende Pumpenleistung PK,min = 1 m3 N kg · 0, 001 · 45 · 105 2 = 4, 5 kW . s kg m 156 4 Die Energiebilanz Die der Pumpe tatsächlich zuzuführende Arbeit ist auf Grund der Reibungseffekte größer. Da der Kolben einer Kolbenmaschine stets vom Umgebungsdruck beaufschlagt wird, ergibt sich der äußere Druck als Summe des Umgebungsdruckes und des mit dem Nutzeffekt verbundenen Druckes pa,n . Wenn z.B. der Kolben eine Wassersäule der Dichte ρ und der Höhe h gegen die Wirkung der Schwerkraft nach oben fördern soll, so beträgt bei Vernachlässigung der Kolbenmasse der äußere Druck pa = pu + ρgh = pu + pa,n . Man bezeichnet als Kolben-Nutzarbeit die Kolbenarbeit, die für den eigentlichen technischen Vorgang aufgewändet bzw. durch ihn geliefert wird, also (W12 )nK =− Z2 pa,n dV = 1 Z2 (pa − pu )dV = − 1 Z2 pa dV + pu (V2 − V1 ) . (4.10) 1 Bei Expansion ist die gewonnene Kolben-Nutzarbeit, also die von der Kolbenstange auf ein anderes System übertragbare Arbeit, um die zur Verschiebung der Umgebung aufzuwändende Arbeit kleiner als die tatsächlich übertragene und nach (4.9) berechnete Kolbenarbeit. Analog ist bei der Kompression die zuzuführende Kolben-Nutzarbeit um den durch den Umgebungsdruck beigesteuerten Beitrag kleiner als die nach (4.9) berechnete und tatsächlich übertragene Kolbenarbeit. Neben der Kolbenarbeit begegnet uns in der Technik oft die Wellenarbeit, z.B. an den sich drehenden Wellen von Strömungsmaschinen. Zur Reduktion der Wellenarbeit auf die mechanische Arbeitsdefinition bilden wir aus den an der Welle angreifenden Kräften das Moment Md = 2(F · d/2) und betrachten die Verschiebung des Kraftangriffspunktes um den Winkel α, vgl. Abb. 4.4. W e lle T u r b in e W a W F F F F d Abb. 4.4. Zur Wellenarbeit Die Arbeit der drehenden Welle ist dann d (W )W = 2(F α) = Md α , 2 und die Leistung wird (4.11) 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie PW = Md α̇ = 2πnd Md , 157 (4.12) wobei nd = α̇/2π die Drehzahl mit α̇ als der Winkelgeschwindigkeit ist. Kolbenarbeit und Wellenarbeit beziehen sich auf Systemgrenzen, die nicht nur das Fluid, sondern auch die festen Berandungen, insbesondere den Kolben bzw. die Welle, umschließen. Die in thermodynamischen Rechnungen betrachteten Systeme sind demgegenüber in der Regel Fluide, z.B. das Gas im Zylinder eines Verbrennungsmotors bzw. der Dampf in einer Dampfturbine. Die der Kolbenarbeit entsprechende, über die Systemgrenze des Fluids in einer Kolbenmaschine übertragene Arbeit bezeichnet man als Volumenänderungsarbeit WV . Sie unterscheidet sich im Allgemeinen von der Kolbenarbeit durch Energieeffekte bei der Reibung zwischen Kolben und Zylinderwand. Die der Wellenarbeit entsprechende, über die Systemgrenze des Fluids in einer Strömungsmaschine transferierte Arbeit bezeichnet man als technische Arbeit Wt . Auch sie unterscheidet sich im Allgemeinen von der Wellenarbeit auf Grund von Reibungseffekten zwischen den festen Bauteilen der Maschine. Während Kolbenarbeit und Wellenarbeit aus Kräften bzw. Drücken berechnet werden, die nicht direkt auf das Fluid wirken, hängen Volumenänderungsarbeit und technische Arbeit ausschließlich von der Zustandsänderung des Fluids ab. In der Volumenänderungsarbeit tritt daher der Druck des Fluids auf, nicht der äußere Druck pa . Die technische Arbeit wird nicht durch das an der Welle angreifende Drehmoment Md , sondern durch Zustandsgrößen des Fluids bestimmt, die noch zu definieren sein werden. Im Folgenden werden wir entsprechend der in der Thermodynamik üblichen Systemdefinition in der Regel die Volumenänderungsarbeit und die technische Arbeit benutzen. 4.1.2 Innere Energie und Enthalpie Die Energiebilanz der mechanischen Energieformen ist im allgemeinen Fall unvollständig. So wird z.B. ein im Schwerefeld der Erde herabfallender Körper unter Einfluss der Luftreibung heiß. Man denke etwa an einen Meteoriten, der aus dem All in die Erdatmosphäre eintritt und auf dem Weg zur Erdoberfläche verglüht. Auch die Lagerreibung im Fahrrad führt bekanntlich zur Erhitzung des Lagers, die Rollreibung entsprechend zur Erhitzung der Räder. Die damit zusammenhängenden Energieumwandlungen lassen sich offenbar nicht allein mit den mechanischen Energieformen beschreiben. Es treten zusätzliche Energieformen auf. Überhaupt spielen die mechanischen Energieformen bei technischen Energieumwandlungen, wie sie in der Thermodynamik betrachtet werden, in der Regel nur bei der Energiezufuhr oder -abfuhr eine Rolle. Die bei diesen Prozessen interessierenden Systeme sind in der Regel fluide Phasen, vgl. Abschn. 1.2. Sie nehmen Energie auf, z.B. das Wasser in einem Dampferzeuger, oder geben Energie ab, z.B. der Wasserdampf bei der Entspannung in einer Turbine. Die dabei in Erscheinung tretende Energieform speichert die 158 4 Die Energiebilanz in einem Dampferzeuger an das Wasser übertragene Energie bzw. speist die Arbeitsleistung eines Dampfes bei Entspannung in einer Turbine. Sie wird als innere Energie bezeichnet. Die innere Energie ist auch die Energieform, in der sich die Erwärmung des herabstürzenden Meteoriten oder allgemein aller durch Reibung beanspruchter Maschinenteile zeigt. Auch die in Brennstoffen enthaltende Energie ist eine Form von innerer Energie. So kann bekanntlich die im Benzin bei Umgebungstemperatur und Umgebungsdruck chemisch gespeicherte Energie in einem Motor in die mechanische Arbeit einer drehenden Welle umgewandelt werden. Insgesamt ist innere Energie der Energieinhalt einer Materiemenge, der über ihre kinetische und potenzielle Energie hinausgeht. Sie ist eine an die Materie eines Systems gebundene Eigenschaft und damit eine Zustandsgröße, ähnlich wie die kinetische Energie und potenzielle Energie eines Massenpunktes, und für jeden Zustand des Systems angebbar. Im Gegensatz zur kinetischen Energie und potenziellen Energie ist die innere Energie aber nicht durch äußere Koordinaten bestimmt, also solche wie die Geschwindigkeit und die Lage, die durch Bezug auf ein Koordinatensystem in der Umgebung definiert werden. Sie ergibt sich vielmehr ausschließlich aus inneren Eigenschaften des Systems, ohne Bezug auf die Umgebung. Hieraus resultiert die Bezeichnung innere Energie. Auf Grund ihres thermischen bzw. chemischen Ursprungs gehört die innere Energie zu den thermochemischen Energieformen. Die innere Energie ist wie alle typisch thermodynamischen Konzepte nur aus der Betrachtung der molekularen Bestandteile einer Materiemenge zu verstehen. Insbesondere für das atomistische Fluidmodell nach Kapitel 2, nach dem die Eigenschaften eines Fluids aus den Bewegungen kleiner Billardkugeln abgeleitet werden, resultiert die innere Energie aus der chaotischen, also inkohärenten Bewegung der Billardkugeln, vgl. Teil a) von Abb. 4.5. Die dieser Bewegung zugeordnete kinetische Energie und damit innere Energie dieses Modellsystems ist U= 1 N mhc2 i = N hEkin i , 2 (4.13) mit N als der Molekülzahl, m der Masse eines Moleküls und hc2 i als dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat, wobei c = {u, υ, w} der Geschwindigkeitsvektor eines Moleküls ist, vgl. Abschnitte 2.1.3 und 2.1.4. Diese inkohärenten Molekülbewegungen treten nicht als eine gerichtete, makroskopische Bewegung in Erscheinung. Das Fluid ruht, seine makroskopische kinetische Energie ist Null. Nach (4.13) ist die innere Energie eine extensive Zustandsgröße, d.h. eine Zustandsgröße, deren Wert der Materiemenge des Systems proportional ist. Dies folgt unmittelbar aus ihrer Abhängigkeit von der Molekülzahl. Haben im Gegensatz zu Abb. 4.5 a) alle Teilchen eine ausgerichtete, kohärente Geschwindigkeit, vgl. Abb. 4.5 b), so handelt es sich um ein strömendes Fluid mit einer äußeren kinetischen Energie. Die in Abb. 4.5 b) gezeigte Situation ist durch Abwesenheit einer chaotischen Molekülbewegung und damit durch die innere Energie Null gekennzeichnet. Nach der atomistischen Temperaturinterpretation (2.18) hat dieses System die Temperatur 0 K. In realen strömenden Fluiden sind die äußere makroskopische Bewegung und die chaotische Molekülbewegung einander überlagert. Mit Hilfe von (2.18) lässt sich ableiten, dass für das einfache Molekülmodell nach (4.13) die molare innere Energie mit NA = N durch 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie 159 a ) R u h e n d e s F lu id C h a o tis c h e , in k o h ä r e n te B e w e g u n g d e r B illa r d k u g e ln : In n e r e E n e r g ie ( th e r m is c h e r A n te il) b ) S tr ö m e n d e s F lu id G e o r d n e te , k o h ä r e n te B e w e g u n g d e r B illa r d k u g e ln : Ä u ß e r e E n e r g ie ( k in e tis c h e r A n te il) Abb. 4.5. Innere und äußere Energie u= 3 RT 2 (4.14) gegeben ist. Dieser Zusammenhang gilt nicht allgemein, ist aber korrekt für Gase aus einatomigen Molekülen. Er lässt sich auch schreiben als u − u(T = 0K) = 3 R(T − 0) 2 oder allgemein u − u0 = cB (T − T 0 ) mit cB = 3/2 R als so genannter isochorer Wärmekapazität des Modellgases. Für Flüssigkeiten, z.B. Wasser, benutzt man für die Differenz der inneren Energie zwischen zwei Temperaturen t1 und t2 die formal analoge Beziehung u2 − u1 = cw (t1 − t2 ) (4.15) mit cw = 4,18 J/kg K als der so gennanten spezifischen Wärmekapazität von Wasser, vgl. Abschn. 4.3, wo auch weitere Stoffmodelle für die innere Energie vorgestellt werden. Allgemein lässt sich die innere Energie einer Materiemenge in einen physikalischen und in einen chemischen Anteil aufspalten. In einem Fluid bezeichnet man den physikalischen Anteil der inneren Energie auch als ihren thermischen Anteil. Für das in Abb. 4.5 a) gezeigte einfache Molekülmodell ist der thermische 160 4 Die Energiebilanz Anteil der inneren Energie identisch mit der kinetischen Energie der inkohärent fliegenden Billardkugeln. In einem realen Fluid kommen gegenüber dem einfachen Molekülmodell noch weitere Beiträge hinzu. Die realen Moleküle bestehen in der Regel aus mehreren Atomen, sodass neben der kinetischen Energie des Molekülfluges auch die kinetische Energie der Molekülrotation um Achsen durch den Molekülschwerpunkt einen Beitrag zur thermischen inneren Energie des Fluids leistet. Weiterhin tragen innere Bewegungen der Atome im Molekül, z.B. Schwingungen, zum thermischen Anteil der inneren Energie bei. Schließlich üben in Gasen bei hohen Drücken und Flüssigkeiten die Moleküle Wechselwirkungskräfte aufeinander aus. Die Moleküle haben daher auch eine potenzielle Energie, die durch ihre Lage in ihren wechselseitigen Kraftfeldern bestimmt ist. Insgesamt umfasst somit der thermische Anteil der inneren Energie eines Fluids die Summe aus den kinetischen und potenziellen Energien der inkohärenten Molekülbewegungen. Änderungen im thermischen Anteil der inneren Energie werden makroskopisch durch Änderungen der Temperatur und/oder Änderungen des Volumens, bei Gemischen auch durch Änderungen der Zusammensetzung ausgelöst. Dabei bewirkt eine Temperaturänderung eine Änderung der inkohärenten kinetischen Energie des Molekülfluges, vgl. Abschn. 2.1.4. Man spricht bei dem Anteil der inneren Energie, der auf eine erhöhte Temperatur zurückgeführt werden kann, auch von fühlbarer innerer Energie, weil man eine Temperatur fühlen kann. Eine Volumenänderung bewirkt dagegen eine Änderung des mittleren Abstands der Moleküle und damit eine Änderung ihrer potenziellen Energie. Große Volumenänderungen ohne Temperaturänderung mit entsprechend großen Änderungen der inneren Energie treten z.B. beim Verdampfen reiner Flüssigkeiten auf. Die auf diese Weise im System gespeicherte Energie bezeichnet man auch als latente innere Energie. Eine Änderung der Zusammensetzung ändert die Art der potenziellen Energie zwischen den Molekülen und damit ebenfalls den thermischen Anteil der inneren Energie. Der chemische Anteil der inneren Energie resultiert aus der potenziellen Energie der Bindungskräfte, mit denen die Atome in den Molekülen zusammen gehalten werden. Bei chemischen Reaktionen gruppieren sich Atome mit den zugehörigen Elektronen zu neuen Molekülen. Dabei werden diese Bindungsenergien umgewandelt, und es können große thermische Energien freigesetzt werden, wie z.B. bei der Verbrennung. Bei einer Verbrennung hat die Abnahme der chemischen inneren Energie des Brennstoff/Luft-Gemisches eine entsprechende Produktion von thermischer innerer Energie eines heißen Rauchgases zur Folge. Eng verwandt mit der inneren Energie einer Materiemenge ist ihre Enthalpie. Sie tritt an die Stelle der inneren Energie in Prozessen, in denen Stoffströme in Systeme ein- und/oder aus ihnen ausströmen. Man versteht unter der Enthalpie die über die potenzielle und kinetische Energie hinausgehende Energie eines Stoffstromes, die er beim Überschreiten der Systemgrenzen in ein System hinein- oder aus ihm hinaus transportiert. Wir betrachten als System ein Kontrollvolumen V , das zum Zeitpunkt τ = τ0 von einem Gas ausgefüllt wird. Beim Eindringen einer differenziell kleinen Masse ∆m des betrachteten Gasstromes während der Zeit ∆τ wird das Gas im Kontrollvolumen komprimiert, vgl. Abb. 4.6. Wenn p der Druck des Gasstroms an der Systemgrenze ist und das Gas durch das Einschieben der Masse ∆m um das Volumen ∆V zusammengedrückt wird, so wird dem System zusätzlich zu der inneren Energie der Masse ∆m noch die mechanische Arbei p∆V = ∆m(pυ) zugeführt, mit υ als dem spezifischen Volumen des Gasstromes. Insgesamt 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie D m . t = t D V 161 0 V D m . t = t 0 + D t V Abb. 4.6. Zur Definition der Enthalpie führt also die Masse ∆m dem System die Energie ∆m(u + pυ) zu. Entsprechende Überlegungen gelten beim Ausschieben einer Masse ∆m aus dem System, wobei es dann zu einer Expansion des Gases kommt. Wiederum entsprechende Ergebnisse gelten für eine inkompressible Flüssigkeit, bei deren Eindringen in das Kontrollvolumen die darin enthaltene Flüssigkeit unter Aufwand einer Arbeit p∆V durch das Kontrollvolumen gedrückt und am Austritt die Umgebung entsprechend verschoben wird. Es gilt somit als Definitionsgleichung der Enthalpie H = U + pV , (4.16) wobei der Term (pV ) bisweilen als Verschiebearbeit bezeichnet wird. Bei Gasen kann dieser Anteil beträchtlich sein, bei Flüssigkeiten und festen Stoffen ist er hingegen in der Regel vernachlässigbar. Ein Stoffstrom mit dem Massenstrom ṁ führt darüber hinaus noch eine kinetische Energie und eine potenzielle Energie mit sich. Sein gesamter Energiestrom ist also 1 Ė = ṁ(h + c2 + gz) , 2 (4.17) mit h als der spezifischen Enthalpie, 1/2 c2 als der spezifischen kinetischen Energie und gz als der spezifischen potenziellen Energie. Für einen Stoffmengenstrom ṅ treten an Stelle der spezifischen Größen die entsprechenden molaren. Wie die innere Energie, so enthält auch die Enthalpie einen physikalischen und einen chemischen Anteil. Häufig spielen die äußeren Energien bei 162 4 Die Energiebilanz den hier betrachteten Anwendungen keine Rolle. Als Beispiel zeigt Abb. 4.7 schematisch einen Vermischungsprozess, bei dem die Energiebilanz zu einer Enthalpiebilanz wird. m m . 1 ,h 1 . 2 ,h 2 m . 3 ,h 3 Abb. 4.7. Enthalpiebilanz bei der Vermischung von Stoffströmen Für die innere Energie und die Enthalpie lassen sich, wie bei den äußeren Energieformen kinetische Energie und potenzielle Energie, Zahlenwerte nur unter Bezug auf einen frei wählbaren Nullpunkt angeben. Absolute Werte von innerer Energie und Enthalpie haben keine Bedeutung. Dabei gibt es für die innere Energie im Gegensatz zu den äußeren Energieformen keinen naheliegenden, so zu sagen natürlichen Nullpunkt. Es werden daher in der Praxis sehr unterschiedliche Bezugswerte benutzt. Dieser Sachverhalt ist für das Zahlenergebnis einer Rechnung ohne Belang, da stets nur Energiedifferenzen eine Rolle spielen. Wenn die gewählten Energiebezugspunkte konsistent sind, kürzen sie sich aus der Energiebilanz heraus. 4.1.3 Die Energieform Wärme Ein Energietransfer in Form von Wärme kommt zustande, wenn das System eine andere Temperatur hat als seine Umgebung. Man spricht auch von Wärmeübertragung. Wird keine Wärme übertragen, so handelt es sich um einen adiabaten Prozess. Wärme ist somit die Energieform, die bei der Wechselwirkung eines Systems mit einem anderen auf Grund einer Temperaturdifferenz über die Systemgrenze fließt. Damit ist Wärme im Gegensatz zur inneren Energie oder Enthalpie, aber in Übereinstimmung mit Arbeit, keine Zustandsgröße sondern eine Prozessgröße. Insbesondere sind gängige Begriffe der Wärmetechnik, wie Wärmeinhalt, fühlbare Wärme, latente Wärme oder Speicherwärme wissenschaftlich falsch. Es handelt sich jeweils um Formen der inneren Energie, vgl. Abschn. 4.1.2. Die allgemeine Beziehung zwischen der transferierten Wärme, der treibenden Temperaturdifferenz ∆T und der Kontaktfläche A lautet Q̇ = kA∆T , (4.18) mit k als einem Proportionalitätskoeffizienten. In dem theoretischen Grenzfall einer verschwindenden Temperaturdifferenz ist für einen endlichen 4.1 Die Erscheinungsformen der Energie 163 Wärmestrom eine unendlich große Fläche erforderlich. Wärme kann durch unterschiedliche Mechanismen über eine Systemgrenze transferiert werden. Der von einem System der Temperatur T durch eine ebene Wand an die Umgebung der Temperatur Tu transportierte Wärmestrom ist dem Temperaturgefälle zwischen beiden Seiten der Wand proportional. Nach dem Fourierschen Gesetz gilt, vgl. Abb. 4.8, Q̇ = −λA T − Tu . δ Hier ist λ die Wärmeleitfähigkeit, A die Fläche und δ die Dicke der Wand. Das T W a n d . Q d T U Abb. 4.8. Zum Wärmestrom bei Wärmeleitung negative Vorzeichen sorgt für die Einhaltung der Vorzeichenvereinbarung. Wenn z.B. die Temperatur des Systems höher als die der Umgebung ist, so ergibt sich der Wärmestrom negativ in Übereinstimmung mit der Vorzeichenvereinbarung, dass abgegebene Energieströme negativ gezählt werden. Den Transport von Wärme durch Wände und ruhende Gas- oder Flüssigkeitsschichten bezeichnet man als Wärmeleitung. Ein durch einen Kanal, z.B. ein Rohr, oder an einer Wand entlang strömendes Fluid transportiert bei einem Temperaturunterschied zwischen Fluid und Wand Wärme durch den Mechanismus der konvektiven Wärmeübertragung, vgl. Abb. 4.9. Für den Wärmestrom Q̇ bei konvektiver Wärmeübertragung macht man nach Newton den Ansatz Q̇ = αA(Tw − Tf ) . Hier sind Tf die in Abb. 4.9 punktiert eingetragene mittlere Phasentemperatur des Fluids, vgl. Abschn. 1.2.2, Tw die Wandtemperatur und α der so genannte Wärmeübergangskoeffizient. Sein Zahlenwert hängt in komplizierter Weise von den Strömungsbedingungen ab, die durch das Geschwindigkeitsprofil bzw. durch die mittlere Phasengeschwindigkeit cf definiert sind. Bei der Überströmung eines heißen Körpers ist Tf durch die Umgebungstemperatur Tu zu ersetzen und cf durch die Geschwindigkeit in großer Entfernung von ihm. Wenn schließlich, wie bei der technischen Wärmeübertragung die Regel, der Wärmestrom von einem strömenden Fluid (dem System A) auf eine Wand, dann durch diese Wand, und schließlich 164 4 Die Energiebilanz c r c ,T c T f T . f Q r Q c w = 0 T . w Abb. 4.9. Konvektiver Wärmeübergang bei der Rohrströmung von der Wand an ein anderes strömendes Fluid (das System B) übertragen wird, dann spricht man vom Wärmedurchgang, vgl. Abb. 4.10. Beim Wärmedurchgang T T B T A Q w ,A T T f,A T . w ,B f,B Abb. 4.10. Wärmedurchgang treten die beiden besprochenen Mechanismen des Wärmetransports, also die Wärmeleitung und der konvektive Wärmeübergang, gleichzeitig auf. Die Beziehung des Wärmestromes Q̇ zur Differenz der Phasentemperaturen in beiden Fluidströmen lautet dann Q̇ = kA(Tf,A − Tf,B ) , mit Tf,A , Tf,B als den Phasentemperaturen der Fluide, k als dem Wärmedurchgangskoeffizienten und A als der Fläche, auf die sich der Wärmedurchgangskoeffizient bezieht. Die beiden konvektiven Wärmewiderstände 1/αA , 1/αB und der Wärmeleitwiderstand der Wand δ/λ addieren sich. Insbesondere gilt daher für den Wärmedurchgangskoeffizienten bei einer ebenen Wand 1 δ 1 1 = + + . k αA λ αB Die Koeffizienten λ, α und k werden zusammenfassend als Transferkoeffizienten bezeichnet. http://www.springer.com/978-3-540-26265-7