Antonia Fraser Marie Antoinette Biographie

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Antonia Fraser
Marie Antoinette
Biographie
Antonia Fraser
Marie Antoinette
biographie
Deutsch von
Gabriele Gockel und Jochen Schwarzer,
Kollektiv Druck-Reif
Deutsche Verlags-Anstalt
München
Das vorliegende Buch ist eine gekürzte Fassung der Originalausgabe, die 2001 unter dem Titel Marie Antoinette. The Journey bei
Weidenfeld & Nicolson, Orion erschienen ist.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.ddb.de> abrufbar.
SGS-COC-1940
Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100
Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier EOS
liefert Salzer, St. Pölten.
1. Auflage 2006
Copyright © Antonia Fraser 2001
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006
Deutsche Verlags-Anstalt, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Layout: Boer Verlagsservice, München
Gesetzt aus der MinionPro
Druck und Bindearbeit: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 10: 3-421-04267-5
ISBN 13: 978-3-421-04267-5
www.dva.de
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kapitel 1
Madame Antoine 7
kapitel 2
Die Dauphine 34
kapitel 3
Die Gemahlin des Königs 62
kapitel 4
Königin und Mutter 91
kapitel 5
Die Gefangene 148
kapitel 6
Die Österreicherin 177
kapitel 7
Witwe Capet 209
Bibliographie 240
Madame Antoine
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»Allein die Erhabenheit Ihrer Stellung macht Sie zu den glücklichsten unter Ihren Schwestern und allen Herzoginnen.«
Maria Theresia zu Marie Antoinette, 1770
A
m 2. November 1755 lag die Kaiserin den ganzen Tag mit
ihrem 15. Kind in den Wehen. Da eine Niederkunft nichts
Neues für sie war und da Maria Theresia, durch väterliches
Erbe Königin von Böhmen und Ungarn und durch Heirat Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation, Zeitverschwendung hasste, widmete sie sich währenddessen dem Aktenstudium. Endlich, gegen halb neun
Uhr abends, wurde sie in ihren Gemächern in der Wiener Hofburg entbunden. Es war ein Mädchen. Oder wie
der Obersthofmeister Graf Khevenhüller das Ereignis in
seinem Tagebuch festhielt: »Ihre Majestät wurde glücklich
von einer kleinen, aber kerngesunden Erzherzogin entbunden.« So rasch, wie es eben möglich war, wandte sich
Maria Theresia wieder ihrer Arbeit zu und unterzeichnete
vom Bett aus Dokumente.
Bekannt gegeben wurde die Geburt durch Kaiser Franz
Stephan. Als das zeremonielle Tedeum und das Dankgebet gesprochen waren, verließ er das Schlafgemach seiner
Frau. Im angrenzenden Spiegelsaal warteten die Damen
und Herren des Hofes, die das Recht des Zutritts besa7
Madame Antoine
ßen. Maria Theresia hatte den für die Gebärende so unangenehmen und lästigen Brauch der Anwesenheit der Höflinge bei der Niederkunft abgeschafft. Ob es nun daran lag,
dass das Kind so klein war, oder an der therapeutischen
Wirkung des stundenlangen Aktenstudiums: Nie hatte
Maria Theresia nach einer Geburt besser ausgesehen.
Der nächste Schritt im Leben des Säuglings war Routine. Er wurde einer Säugamme überreicht. Große Damen gaben ihren Kindern nicht die Brust. Das Stillen, so
die allgemeine Ansicht, ruinierte Brust und Dekolletee –
und beides spielte in der Mode des 18. Jahrhunderts eine
zentrale Rolle. Maria Theresia war 38 Jahre alt und hatte
seit ihrer Eheschließung fast 20 Jahre zuvor vier Erzherzoge und zehn Erzherzoginnen zur Welt gebracht (alle
Söhne und sieben Töchter waren 1755 noch am Leben). Die
– gemessen an der allgemeinen Kindersterblichkeit jener
Zeit – ungewöhnlich hohe Überlebensrate in der kaiserlichen Familie ließ es der Kaiserin keineswegs dringlich erscheinen, einen fünften Sohn zu gebären.
Die Taufe des jüngsten Sprösslings der Familie fand am
3. November zur Mittagszeit statt. Taufen wurden damals
üblicherweise direkt nach der Geburt und in Abwesenheit
der Mutter vollzogen, die sich währenddessen von ihren
Strapazen erholen durfte. Anschließend beraumte man
zwei Feste an: Eine große Feier am Tauftag selbst und eine
kleinere am Tag darauf. Am 5. und 6. November sollten außerdem volksfestähnliche Spektakel für die Wiener Bevölkerung veranstaltet werden, und, wie es mittlerweile üblich
war, brauchten Besucher der Stadt während der Feierlichkeiten an den Toren keinen Wegzoll zu entrichten.
Das Neugeborene, dem diese Festlichkeiten galten, erhielt den Namen Maria Antonia Josepha Johanna. In der
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Madame Antoine
Familie nannte man das Mädchen Antoine. Die französische Koseform kam nicht von ungefähr: Die Wiener Gesellschaft war zwar mehrsprachig, doch an den europäischen Höfen bediente man sich mit dem Französischen
der Sprache, die allgemein als die Sprache der zivilisierten Welt galt. Und so wurde aus Maria Antonia, sowohl im
Kreise der Familie wie auch darüber hinaus, Antoine. Dies
war auch der Name, mit dem sie ihre Briefe unterschrieb.
Der Hof nannte die jüngste Erzherzogin Madame Antoine.
In die Geschichte sollte sie als Marie Antoinette eingehen.
Franz Stephan von Lothringen hatte Marie Antoinette
eine kräftige Dosis französischen Bluts vererbt. Seine Mutter Elisabeth Charlotte von Orléans war eine französische
Fürstin und Enkelin von Ludwig XIII. Ihr Bruder, Philippe
Herzog von Orléans, hatte Frankreich regiert, solange Ludwig XV. noch unmündig war. Franz Stephan legte großen
Wert auf seine lothringische Abstammung. Seit dem Tod
seines Vaters 1729 war er Erbherzog von Lothringen, ein
Titel, der bis in die Zeit Karls des Großen zurückreichte.
Marie Antoinettes Vater war römisch-deutscher Kaiser, ihre Mutter Erzherzogin von Österreich und Königin
von Ungarn und Böhmen. Daher wurde Marie Antoinette
in dem Bewusstsein erzogen, ebenso eine aus dem alten
Hause Lothringen wie auch eine Habsburgerin zu sein.
Jenes Zeitalter war geprägt von Heiraten zwischen den
europäischen Königshäusern. Wenn man sich der Einfachheit halber allein auf ihre vier Großeltern konzentriert, floss
in Marie Antoinettes Adern von Seiten des Vaters das Blut
der Bourbonen – aus dem Hause Orléans – und das der
Lothringer. Von ihrem Großvater mütterlicherseits, Kaiser
Karl VI., hatte sie Habsburgerblut geerbt, sowohl der ös9
Madame Antoine
terreichischen wie auch der spanischen Linie. Diese beiden
Habsburgerdynastien, die sich theoretisch im 16. Jahrhundert voneinander abgezweigt hatten, waren letztlich Resultat der dynastischen Heiratspolitik. Sie waren im Grunde
wie zwei Ströme, deren Nebenflüsse sich so oft vereinen,
dass ihr Wasser ununterscheidbar miteinander vermischt
ist.
Karl VI. hatte keine männlichen Erben gezeugt. Ihm
blieben zwei Töchter, von denen die ältere, Maria Theresia,
zu seiner Nachfolgerin ernannt wurde. Um Maria Theresias Erbe jedoch zu sichern, musste Karl VI. zum Mittel der
Bestechung greifen. Auf diese Weise versuchte er, die anderen europäischen Mächte dazu zu bewegen, das Arrangement zu akzeptieren, das unter dem Namen »Pragmatische
Sanktion« in die Geschichte einging. Diese betonte die
Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgerischen
Erbkönigreiche und Länder und legte eine einheitliche Erbfolgeregelung fest. Auch weiblichen Erstgeborenen sollte
nunmehr die Thronfolge möglich sein. Trotzdem löste der
Tod Karls VI. im Jahr 1740 einen neuen dynastischen Konflikt aus, den acht Jahre währenden österreichischen Erbfolgekrieg. Der preußische König besetzte mit der Provinz
Schlesien die reichste des Habsburgerreichs, für die damals
dreiundzwanzigjährige Maria Theresia ein herber Schlag.
Es schien, als sei es ihr vorbestimmt, dass unter ihrer Regentschaft das einst so große Habsburgerreich zersplittert
würde.
Maria Theresias Größe zeigt sich daran, dass sie 15 Jahre
später, zur Zeit von Marie Antoinettes Geburt, weithin gerühmt und in ganz Europa als »Zierde ihres Geschlechts
und vorbildliche Monarchin« verehrt wurde. Trotz ihrer militärischen Niederlagen hatte sie ihre ererbten Besitzungen
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Madame Antoine
erhalten können. Neben Österreich zählten dazu Böhmen
und Mähren, Ungarn, ein Großteil des heutigen Rumäniens, Kroatien, Slawonien, die österreichischen Niederlande
sowie die Herzogtümer Mailand und Toskana. 1745 wurde
ihr Gemahl Franz Stephan zum Kaiser ernannt.
In Marie Antoinettes Geburtsjahr herrschte Frieden im
Lande, und die Erinnerungen an den Erbfolgekrieg verblassten allmählich. Die Kaiserin wurde nicht nur im Ausland verehrt, sondern erfreute sich auch daheim großer
Beliebtheit. Und Marie Antoinette war das Kind, das auf
dem Zenit des Ruhms ihrer Mutter zur Welt kam.
***
Ein halbes Jahr nach Marie Antoinettes Geburt machte
eine drastische Neuordnung der Staatenbündnisse Europas dem scheinbaren Frieden ein Ende. Mit dem am 1. Mai
1756 unterzeichneten Vertrag von Versailles schloss Österreich mit seinem Erbfeind Frankreich einen Verteidigungspakt gegen Preußen. Im Fall des Angriffs auf eins
der beiden Länder sollte ihm das andere mit einem Heer
von 24 000 Mann zu Hilfe kommen. Kein anderes Ereignis in Marie Antoinettes Kindheit sollte größere Auswirkungen auf ihren Lebensweg haben als dieses Bündnis, das
geschlossen wurde, als sie noch in der Wiege lag.
Österreichs Feindseligkeit Preußen gegenüber ist nicht
schwer zu verstehen: Maria Theresia konnte die Annexion
Schlesiens kurz nach ihrer Thronbesteigung weder vergessen noch vergeben und bezeichnete Friedrich II. oft als
Ungeheuer oder »le monstre«.
Als man sich daran machte, das gewünschte oder notwendige Bündnis zu schließen, traten die Persönlichkeiten
der Beteiligten in den Vordergrund. Der französische Kö11
Madame Antoine
nig Ludwig XV. sprach sich für die Allianz aus, obwohl
sein einziger Sohn und Erbe, der Dauphin Ludwig Ferdinand, seine Schwiegertochter Maria Josepha, eine sächsische Prinzessin, und die stattliche Schar seiner noch bei
Hofe lebenden erwachsenen Töchter Österreich feindlich
gegenüberstanden.
Das österreichische Kaiserhaus hielt ebenfalls unerschütterlich an seinem Plan fest. Wie Voltaire so geistreich bemerkte: Für manche Leute war das Bündnis zwischen Österreich und Frankreich eine widernatürliche Monstrosität,
aber da es notwendig war, erwies es sich als durchaus natürlich. Mit Herz und Verstand ließen sich die beiden Länder jedoch nicht dafür gewinnen. Zwar bewunderten die
Österreicher und Maria Theresia Frankreich weiterhin als
Geburtsstätte der Eleganz und bedienten sich nach wie vor
der französischen Sprache, doch zugleich tat man die Franzosen als unzuverlässig, leichtfertig und frivol ab. Dieses
unvorteilhafte Klischee musste bei einem Kind, das am österreichischen Hof aufwuchs – einer kleinen Erzherzogin
beispielsweise – einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Europa war nun in zwei Machtblöcke geteilt, deren Auseinandersetzungen in der Alten wie der Neuen Welt binnen kurzem in den Siebenjährigen Krieg münden sollten. Dem Bündnis von Preußen, England und Portugal
stand die Allianz von Österreich, Frankreich, Schweden
und Sachsen gegenüber, der sich kurz darauf Russland anschloss. Auch Spanien stellte sich auf die Seite Frankreichs,
hatte es doch wie dieses einen bourbonischen Monarchen.
Und dann begannen die jeweiligen Bündnispartner ihren
Zusammenschluss zu bekräftigen, wie es den Gepflogenheiten der Zeit entsprach: mit wechselseitigen Heiraten
zwischen den Herrscherhäusern.
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Madame Antoine
Die herrschenden Häuser jener Länder hatten in den
Jahren nach 1740 zahlreichen männlichen wie weiblichen
Nachwuchs hervorgebracht. So gab es in Europa eine
ganze Schar fürstlicher Schachfiguren, die für ihren Einsatz im großen Spiel der Staatenbündnisse bereitstanden.
Von Anfang an bestand »Madame Antoines« Wert nicht
in ihrer Individualität, sondern in ihrer Funktion als Spielfigur auf dem Schachbrett ihrer Mutter.
***
Wie viele, die den Ort ihrer Kindheit verlassen mussten,
sah auch Marie Antoinette ihre frühen Jahre rückblickend
in einem idyllischen Licht. Das ist nur zu verständlich.
Tatsächlich zeigen die Familienbildnisse, die Maria Theresia so schätzte, ein häusliches Glück, nach dem sich ein jeder im späteren Leben zurücksehnen würde.
Ein Familientableau vom Nikolaustag des Jahres 1762,
gemalt von der Erzherzogin Marie Christine, veranschaulicht aufs Trefflichste die bürgerliche Behaglichkeit, die
im häuslichen Leben des Kaiserpaares herrschte – etwas,
das am Hofe von Versailles undenkbar gewesen wäre. An
diesem Festtag war es Brauch, den jüngeren Kindern Geschenke zu machen. Der Kaiser, beim Frühstück dargestellt, trägt einen Morgenrock und Hausschuhe, und
statt einer Perücke eine Mütze, die an einen Turban erinnert. Das Kleid der Kaiserin ist schlicht gehalten, und
Marie Christine wirkt eher wie eine Dienstmagd als wie
eine Erzherzogin. Erzherzog Ferdinand ärgert sich offenbar über sein Geschenk, während der kleine Maximilian,
der inmitten seines Spielzeugs auf dem Boden sitzt, fröhlich lacht. Die lächelnde Madame Antoine hält eine Puppe
in die Höhe, die sie gerade geschenkt bekommen hat; da13
Madame Antoine
bei sieht sie mit ihren sieben Jahren selbst wie ein Püppchen aus.
Die Schauplätze dieser anscheinend so glücklichen
Kindheit waren im Wesentlichen drei Schlösser: Die prächtige und weitläufige Hofburg im Zentrum der Hauptstadt,
wo Antoine geboren war, wurde in den Wintermonaten
bewohnt. Keine zehn Kilometer entfernt lag das Märchenschloss Schönbrunn, eine riesige kaiserliche Residenz, die
zu den größten und prachtvollsten Europas zählte, gleichwohl aber idyllisch gelegen war. Dorthin siedelte die Kaiserfamilie gemeinhin nach Ostern über. Die wunderschönen Gärten gingen in eine Parklandschaft und Wälder
über, die sich vor ihnen erstreckten, so weit das Auge
reichte. Vor Madame Antoines Geburt hatte Maria Theresia den Wohnsitz ihrer Vorfahren großzügig ausbauen
lassen. Trotzdem galt die Vorliebe der Kaiserin dem bezaubernden Rokokoschloss von Laxenburg. Gut fünfzehn
Kilometer südlich von Wien, am Rande eines schmucken
Städtchens gelegen, war es umgeben von dichten Wäldern,
die reiche Jagdgründe boten. Die große Schar des Hofstaats, den man in Schönbrunn und der Hofburg für unabdingbar hielt, fand dort schlichtweg keinen Platz, und
selbst hohe Würdenträger mussten sich damit begnügen,
in der Stadt Quartier zu nehmen.
Trotz ihrer Staatsgeschäfte war die Kaiserin in Laxenburg meist heiter gestimmt. Im Grunde glich ihr dortiger
Aufenthalt einem Familienurlaub. Daher verwundert es
kaum, dass Marie Antoinette von allen Orten ihrer Kindheit an Laxenburg mit der größten Wehmut zurückdachte.
Dort war nicht nur ihre Mutter froh gestimmt, sondern
auch die Erzherzoginnen und Erzherzoge, die dort ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit genossen.
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Madame Antoine
Anfang des 19. Jahrhunderts stellte Kaiserin Marie Louise, Marie Antoinettes Großnichte, verblüfft fest, wie sehr
Schloss Laxenburg dem Petit Trianon in Versailles ähnelte.
Laxenburg war der Inbegriff ländlichen Glücks, ein Paradies, das es wiederzuerschaffen galt.
***
Das Leben der Kaiserfamilie war von Festlichkeiten im Freien
und in den Schlössern geprägt. So bot der schneereiche österreichische Winter ideale Bedingungen für Schlittenpartien.
Ein Reisender beispielsweise schilderte den bezaubernden
Anblick der Erzherzoginnen, die in pelzbesetzten Samtgewändern und mit Juwelen geschmückt in einem schwanenförmigen vergoldeten Schlitten vorüberglitten.
Bei den Hoffesten in großen und kleinen Sälen fand die
Musikliebe der Kaiserfamilie und der sie stützenden Aristokratie Ausdruck. Für Madame Antoine stand der Musikgenuss von Kindesbeinen an im Mittelpunkt ihres Lebens.
1759, kurz vor ihrem vierten Geburtstag, trug Antoine bei
der Feier zum Namenstag ihres Vaters ein »kleines französisches Singspiel« vor, und ihre älteren Geschwister sangen
italienische Arien.
Am 13. Oktober 1762 kam »der Knabe aus Salzburg« –
Wolfgang Amadeus Mozart – mit seinem Vater und seiner Schwester Nannerl nach Schönbrunn. Das Cembalospiel des Jungen wurde für »wunderbar« befunden. Er
erhielt ein Honorar von 100 Dukaten und ein Festgewand
aus dem Besitz des Erzherzogs Maximilian – einen lilafarbenen Mantel und eine Moiré-Weste, beide mit einem Besatz aus Goldborte.
Vielleicht entspricht die Legende, der kleine Mozart habe
sich Marie Antoinette an den Hals geworfen und verkün15
Madame Antoine
det, er werde sie heiraten, wenn er groß sei (was den Lauf
der Geschichte gewiss geändert hätte), nicht ganz den realen
Begebenheiten, doch sein Ungestüm steht außer Zweifel.
Antoine war zugegen, als er sich der Kaiserin auf den Schoß
setzte und von ihr geküsst wurde. Bald darauf reiste Mozart
nach Frankreich, wo ihn die Marquise de Pompadour weit
weniger freundlich empfing. »Wer ist sie, dass sie mich nicht
küsst?«, fragte der »kleine Orpheus« angesichts der hochmütigen Mätresse – »Mich hat schon die Kaiserin geküsst.«
Die Erziehung der Erzherzoginnen hatte zum Ziel, dass
sie in späteren Jahren bei höfischen Anlässen eine gute Figur abgeben konnten. Zu ihren Lehrern zählten Christoph
Willibald Gluck, Georg Christoph Wagenseil und Johann
Adolf Hasse, der Marie Antoinette ein Buch widmete. Später hieß es, sie habe nach professionellen Maßstäben vom
Blatt singen und spielen und mit ihren Freundinnen und
Freunden hübsche kleine Konzerte geben können. Ihr
Lieblingsinstrument war die Harfe, und unter der Anleitung des bedeutenden Harfenspielers Philip Joseph Hinner
machte sie beträchtliche Fortschritte.
Was die diversen Künste betraf, tat sich Marie Antoinette jedoch vor allem im Tanz hervor. Keinem Beobachter, ob er ihr nun freundlich oder feindlich gesinnt war,
entging, wie anmutig und vornehm sie Körper und Kopf
hielt.
Neben einem angemessenen Auftreten wurde bei der
Erziehung der Mädchen vor allem auf Fügsamkeit und
Gehorsam geachtet. Der wichtigste Text für ihre Instruktionen war Die Abenteuer des Telemach von Fénelon, der
die Wichtigkeit von Fleiß und Geschicklichkeit, aber auch
Bescheidenheit und Unterwürfigkeit beim weiblichen Geschlecht betonte. In Bezug auf den absoluten Gehorsam
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Madame Antoine
ihrer Töchter gab es bei Maria Theresia keine Diskussionen. »Sie sind dazu geboren zu gehorchen und müssen
das beizeiten lernen«, erklärte sie im Jahr nach Antoines
Geburt.
Maria Theresia gab sich zwar stets als gehorsame Ehefrau des Kaisers, doch andererseits saß sie Tag und Nacht
über den Staatspapieren, während ihr Gatte frohgemut auf
die Jagd ging. Ganz Europa bewunderte Maria Theresia für
ihre Stärke und Entschlossenheit, und eben nicht Franz
Stephan – für ihre Töchter, gelinde gesagt, ein recht widersprüchliches und nicht ganz unproblematisches Leitbild.
Madame Antoine erlebte in ihrer Familie sowohl große
Distanz – Erzherzog Joseph war fast fünfzehn Jahre älter
als sie, nach damaligen Maßstäben alt genug, um ihr Vater sein zu können – als auch Nähe: Geboren zwischen
zwei Brüdern, die anderthalb Jahre älter, beziehungsweise
knapp ein Jahr jünger waren, dürfte Antoine nicht allzu viel
mütterliche Zuwendung erhalten haben. Mit Ende 30, Anfang 40 war Maria Theresia wohl kaum noch die glückliche
junge Frau, die auf die Geburt des männlichen Thronerben
Joseph mit Begeisterung reagiert hatte. Mittlerweile wurde
ihre ganze Kraft von den Staatsgeschäften gefordert, und
die Zeiten des Friedens, in denen Antoine empfangen und
geboren wurde, gehörten der Vergangenheit an. Von Ende
1756 bis zum Frieden von Paris im Februar 1763 – während Antoines Kindertagen also – befand sich Österreich
im Krieg gegen Preußen und England, und Maria Theresia
führte den Befehl. Der Siebenjährige Krieg war für die Kaiserin alles andere als eine heitere Zeit.
Trotz all ihrer Aufgaben und Sorgen blieb Maria Theresia
der Mittelpunkt im Leben ihrer Kinder. Sie suchten ihre
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Madame Antoine
Liebe – und Anerkennung –, auch wenn sich bei den jüngeren eine große Ehrfurcht, ja gar Angst in die Gefühle für
die Mutter mischten.
***
Josephs Ehe mit Isabella von Parma, die Österreichs Verbindung zum Frankreich ihres Großvaters Ludwig XV.
festigen sollte, war keine lange Dauer beschieden. Isabella
starb 1763 bei der Geburt einer Tochter. Gebrochenen
Herzens legte Joseph die Frage einer zweiten Ehe, die so
wichtig war, schließlich hing von ihr die Geburt eines
Thronerben ab, zurück in die Hände seiner Eltern. Deren
Wahl fiel auf eine Cousine zweiten Grades, Maria Josepha
von Bayern. Die Ende Januar 1765 stattfindende Hochzeit
wurde mit entsprechendem Prunk begangen. Gluck komponierte zu diesem Anlass eine Oper, Il Parnasso Confusio, die von den Kindern der Kaiserfamilie aufgeführt
wurde. Die jüngeren Geschwister tanzten im Ballett. Auf
einem Gemälde von Daniel Mytens sieht man Ferdinand
und Antoine als Hirten, während Maximilian den Cupido
darstellt. Antoine zeigt eine ausgezeichnete Körperhaltung mit anmutig ausgebreiteten Armen. Ihr Gesicht erkennt man weniger am charakteristischen langen Hals, als
vielmehr an der hohen Stirn. Mytens’ Gemälde zählte zu
Antoines Lieblingsbildern, und es schmückte später ihre
Privatgemächer.
Ein halbes Jahr später sollte das Glück der Familie, wie
es auf Mytens’ Gemälde zu sehen war, zerbrechen. Das
Kaiserpaar brach nach Innsbruck auf, um dort die Hochzeit ihres zweitältesten Sohns, Erzherzog Leopold II., mit
der Tochter des Königs von Spanien zu feiern. Im letzten
Augenblick eilte der Kaiser noch einmal zurück, um die
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Madame Antoine
damals neunjährige Antoine zu umarmen. Er nahm sie auf
den Schoß und drückte sie an sich. Antoine bemerkte erstaunt, dass er Tränen in den Augen hatte. Der Abschied
bereitete Franz Stephan großen Kummer. Noch 25 Jahre
später erinnerte sich Marie Antoinette voller Schmerz an
diesen Augenblick. Sie war überzeugt davon, dass Kaiser
Franz Stephan in diesem Moment eine Vorahnung von
dem Leid hatte, das sie erwartete. Denn Madame Antoine
sah ihren Vater nie wieder.
Der Kaiser starb am 18. August 1765 in Innsbruck an
den Folgen eines Schlaganfalls. Die Kaiserin war vom Tod
ihres Mannes so schwer getroffen, dass sie sich das Haar
abschnitt, auf das sie einst so stolz gewesen war, ihre Gemächer abdunkeln ließ und bis an ihr Lebensende Trauerkleidung trug. Aus der unverwüstlichen jungen Mutter, die
einst fröhlich erklärt hatte, sie wäre selbst in die Schlacht
geritten, wäre sie nicht ständig schwanger gewesen, wurde
nun ein von tragischem Ernst geprägter Mensch. Alles an
ihr war und blieb »düster und trauervoll«. Für ihre jüngeren Kinder ohnehin schon ehrfurchtgebietend, sah Maria Theresia das Verhalten ihrer Söhne und Töchter nun
im Licht ihrer generellen Unzufriedenheit. Zwar gründete
diese in ihrem persönlichen Leid, doch gegenüber jenen,
die das Leben mit all seinen Freuden immer noch zu genießen vermochten, stellte sie einen ständigen Vorwurf
dar.
Die verwitwete Kaiserin teilte ihre Macht nun mit ihrem ältesten Sohn Joseph II., der im Alter von 24 Jahren
als Nachfolger seines Vaters zum Kaiser ernannt wurde.
Weder ihre Trauer noch Josephs Ernennung zum Kaiser
konnten sie jedoch von ihrer ehrgeizigen Heiratspolitik abbringen.
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Madame Antoine
Anfang des Jahres 1767 standen der Kaiserin noch fünf
Töchter zur Verfügung. »Die schöne Elisabeth« war 23 Jahre
alt, Amalia schon fast 21, und Josepha, auch sie eine Schönheit, 16. Dann waren da noch Charlotte (Karolinas Rufname in der Familie), die im August 15 wurde, und Antoine,
die mit ihren zwölf Jahren zu diesem Zeitpunkt in den Plänen ihrer Mutter noch keine tragende Rolle spielte (auch
wenn sie beiläufig im Zusammenhang mit den gleichaltrigen französischen Prinzen erwähnt wurde).
Die beiden Ferdinands – der von Parma und der von
Neapel, beide 1751 geboren – waren Trophäen, die sich Maria Theresia unter allen Umständen sichern wollte. Sie beanspruchte sie weniger für ihre Töchter, deren individuelle
Wünsche und Vorstellungen nicht ins Gewicht fielen, als
vielmehr der Bündnisse wegen, die sie mit sich brachten.
Eine Reihe von verheerenden Ereignissen machte das
Jahr 1767 für Maria Theresia zum annus horribilis. Josephs
zweite Frau, die arme, ungeliebte Kaiserin, starb Ende Mai
an den Pocken und wurde, wie es Brauch war, in der Kapuzinergruft in der Hofburg beigesetzt. Anschließend erkrankte auch Maria Theresia an der Krankheit und kam
dem Tode so nah, dass sie die Letzte Ölung empfing. Ganz
Europa wurde von dieser Nachricht erschüttert, und die
kaiserliche Familie stand unter Schock.
An dem nächsten Unglück trug Maria Theresia indirekt eine gewisse Mitschuld. Nach ihrer Genesung forderte
sie ihre Tochter, die Erzherzogin Josepha, die bald darauf
zu ihrer Brautreise nach Neapel aufbrechen sollte, auf, sie
zum gemeinsamen Gebet in die Kaisergruft zu begleiten.
Allerdings war der Sarkophag von Josephs verstorbener
Frau noch nicht hinreichend versiegelt. Während in Wien
die Hochzeitsvorbereitungen in vollem Schwunge waren,
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Madame Antoine
steckte sich die Erzherzogin mit den Pocken an und starb.
Ihr schrecklicher Tod hinterließ bei ihrer jüngeren Schwester einen bleibenden Eindruck. Antoine sollte nie vergessen, wie Josepha sie in die Arme geschlossen und ihr mit
einer düsteren Vorahnung gesagt hatte, sie werde sie nun
für immer verlassen.
Doch dabei blieb es nicht. Die Pocken wüteten furchtbar in den Königshäusern Europas. Antoine hatte sich zum
Glück bereits mit zwei Jahren an einer leichten Form der
Krankheit angesteckt. Nach ihrer Genesung waren nur einige kaum sichtbare Narben zurückgeblieben. Zumindest
war sie jetzt immun gegen eine weitere Ansteckung. Andere dagegen verunstaltete die Krankheit arg, auch wenn
sie sie nicht tötete. Die Erzherzogin Elisabeth etwa überlebte die Pocken; ihre Schönheit jedoch war dahin. Damit
verschwand sie augenblicklich vom europäischen Heiratsmarkt.
Nach dem plötzlichen Tod Josephas galt es nun, für König Ferdinand von Neapel, der mit der baldigen Ankunft
einer jungen Ehefrau rechnete, so rasch wie möglich eine
neue Braut zu finden. Erneut trat Maria Theresia in Aktion.
Einen Monat nach Josephas Tod schilderte sie Ferdinands
Vater in einem Brief ihre wohlgeratenen Töchter von edlem
Geblüt: »Mit wahrer Freude sichere ich Ihnen eine meiner
verbliebenen Töchter zu, um den Verlust wettzumachen …
Augenblicklich habe ich zwei, die in Frage kommen, die
Erzherzogin Amalia, der man ein hübsches Gesicht nachsagt und deren Gesundheit auf zahlreiche Nachkommen
hoffen lässt, und andererseits die Erzherzogin Charlotte,
gleichfalls sehr gesund und ein Jahr und sieben Monate
jünger als der König von Neapel.« Letztlich entschied man
sich für Charlotte und setzte ihren neuen Namen, Maria
21
Madame Antoine
Karolina, an die Stelle Josephas in den bereits ausgefertigten Ehevertrag. Auf diese Weise blieb Amalia für einen Enkel von Ludwig XV. frei – Don Ferdinand von Parma.
Bis zu Antoines zwölftem Geburtstag – dem 2. November
1767 – waren Maria Theresia alle übrigen Erzherzoginnen
durch Tod oder Krankheit genommen worden. Für Charlotte, die nach Neapel ging, kam die ursprünglich ins Auge
gefasste Eheschließung mit dem zukünftigen König von
Frankreich nun nicht mehr in Frage. Was geschehen wäre,
hätte man den späteren Ludwig XVI. mit der energischen,
leidenschaftlichen Maria Karolina statt mit der sanften Marie Antoinette verheiratet, gehört einzig und allein in den
Bereich historischer Spekulation. Die sich überstürzenden
Ereignisse des Jahres 1767 führten dazu, dass Marie Antoinette in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit ihrer Mutter
rückte. Zum ersten Mal befasste sich die Kaiserin mit der
Frage, welche Möglichkeiten ihr in Gestalt ihres 15. Kindes
an die Hand gegeben waren. Und sie fand es in mancherlei
Hinsicht alles andere als vielversprechend.
Das Äußere des Mädchens erschien dem kritischen
Blick der Kaiserin zufriedenstellend, und wo nicht, ließ
sich das leicht ändern. So waren ihre Zähne in keinem guten Zustand und standen schief; doch da man damals unansehnliche Zähne bereits mit Hilfe von Drähten richten
konnte, war das Problem nach einer dreimonatigen Behandlung weitgehend behoben. Antoine hatte große blaugraue Augen, war jedoch ein wenig kurzsichtig, was einen
leicht verschleierten Blick bewirkte, der aber durchaus einen gewissen Reiz hatte. Nötigenfalls konnte sie auf Lorgnetten zurückgreifen, die oft geschickt mit Fächern kombiniert wurden.
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Madame Antoine
Zu ihren Vorzügen zählte ihr schönes Haar, das mit seiner aschblonden Farbe einen angenehmen Kontrast zu
dem rosigen Teint bildete und ebenso dicht war wie Maria Theresias einst. Andererseits hatte Antoine einen unregelmäßigen Haaransatz. Kombiniert mit der hohen Stirn
– wahrscheinlich ein lothringisches Erbe – entsprach er
leider nicht der Mode der Zeit. Ihren langen Hals konnte
man als Vorzug gelten lassen, hingegen hatte sie eine leichte
Adlernase. Glücklicherweise schätzte man in jenen Jahren
jedoch nicht ausschließlich kleine Nasen. Die von Antoine wirkte edel, eben einer Erzherzogin angemessen – oder
aber einer Königin.
Nichts ändern ließ sich hingegen an ihrer ausgeprägten
Unterlippe, einem Familienkennzeichen der Habsburger,
das sich auf zahllosen Familienporträts über die Jahrhunderte wiederfinden lässt. Während sie bei einem Mädchen
noch den Eindruck des Schmollens erweckte, wirkte sie bei
einer erwachsenen Frau leicht verächtlich – ein Eindruck,
den Marie Antoinette später oft bedauerte –: diese hochnäsige Miene, die, wie sie fand, so gar nicht ihrem Charakter entsprach.
Trotz all dieser kleineren Mängel bot sie ein durchaus gewinnendes Bild. Madame Antoine hatte ein ausgesprochen
einnehmendes Lächeln. Ihr Französischlehrer, der Abbé
de Vermond, schrieb: »Man findet bestimmt Gesichter, die
von ebenmäßigerer Schönheit sind, aber ich glaube nicht,
dass man ein entzückenderes Antlitz finden wird.« Maria
Theresia, die von Schmeicheleien nichts hielt, wenn es um
Staatsangelegenheiten ging – und zu einer solchen waren
Antoines Charakter und Äußeres nunmehr geworden –,
bemerkte, ihre Tochter habe die Gabe, Menschen für sich
einzunehmen, was vor allem ihrer »Freundlichkeit« zu23
UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE
Antonia Fraser
Marie Antoinette
Biographie
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 12,5 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-421-04267-5
DVA Sachbuch
Erscheinungstermin: Oktober 2006
Das Schicksal der legendären letzten Königin von Frankreich
Die Grande Dame der englischen Biographen-Zunft, Lady Antonia Fraser, schildert das Leben
der letzten Monarchin von Frankreich: Vom jungen Mädchen, das sich fern der österreichischen
Heimat am Versailler Hof zurechtfinden muss, bis zur angefeindeten Königin, die schließlich vor
den Augen eines aufgehetzten Volkes guillotiniert wird.
Einfühlsam, aber ohne jede Sentimentalität beschreibt Fraser das Schicksal dieser Frau und
entwirft gleichzeitig das lebendige und anschauliche Portrait eines Landes an einem historischen
Wendepunkt.
Sofia Coppolas neuester Kinofilm „Marie Antoinette“ basiert auf Antonia Frasers Buch. Der Film
startet Anfang November 2006 in den deutschen Kinos.
Als die Kaiserin von Österreich, die mächtige Maria Theresia, sich im April des Jahres 1770 von
ihrer Tochter Antoine verabschiedete, gab sie ihr folgende Worte mit auf den Weg: "Lebewohl,
mein liebstes Kind, eine große Entfernung wird uns trennen ... Tue den Franzosen so viel Gutes,
daß sie sagen können, ich hätte ihnen einen Engel gesandt." Danach brach sie in Tränen aus.
Antoine, die als Marie Antoinette in die Geschichte einging, gibt bis heute Anlass zu erhitzten
Diskussionen. Während die einen in ihr die „reine méchante“, die bösartige Königin, sehen,
die mit ihrem extravaganten Lebensstil die französische Monarchie geradezu in den Abgrund
stürzte, sehen andere in ihr ein Opfer frauenfeindlicher Agitation und Geschichtsschreibung.
Antonia Fraser zeichnet das Leben dieser außergewöhnlichen Frau nach. Sie schildert die
Kindheit Marie Antoinettes am Habsburgischen Hof, die Rolle des jungen Mädchens als Figur
auf dem politischen Schachbrett ihrer Mutter, die problematische Ehe mit dem französischen
Dauphin, dem die Jagd wichtiger war, als mit seiner jungen Ehefrau einen Thronfolger zu
zeugen. Anschaulich beschreibt Fraser das ausschweifende Leben der Königin am Hof von
Versailles, ihren Einfluss als Mäzenin auf die Kunst ihrer Zeit, die Anschuldigungen und
Angriffe gegen die „Österreicherin“ und schließlich ihre Hinrichtung während der Französischen
Revolution mitten in Paris im Jahre 1793.
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