2017-05-17 Konzept Integrationsmanager-AU-Liga

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Konzeption zur Förderung der nachhaltigen Integration von Geflüchteten in der Anschlussunterbringung durch den Einsatz von
Integrationsmanagerinnen und -managern
(Umsetzung des Paktes für Integration mit den Kommunen)
I. Vorbemerkung
Eine frühzeitige, umfassende Beratung und Begleitung ist ein Schlüssel für eine
erfolgreiche Integration. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege sieht sich als Partner der Kommunen und ist im Rahmen der Umsetzung des Paktes für Integration
gerne bereit, eine qualifizierte Beratung, Unterstützung und Begleitung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung zu gewährleisten und
deren Integrationsprozess fachlich zu begleiten.
Die Verbände haben seit vielen Jahren gut funktionierende Strukturen in der
Flüchtlings- und Integrationsarbeit aufgebaut und viele qualifizierte Mitarbeitende
für die Flüchtlings- und Integrationsarbeit gewonnen, die durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen fortlaufend bedarfsorientiert weiterqualifiziert werden. Die
Wohlfahrtsverbände sind bereits in der Verfahrens- und Sozialberatung in den
Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, teilweise in der Flüchtlingssozialarbeit in
der vorläufigen Unterbringung, in der Migrationsberatung für Erwachsene, den
Jugendmigrationsdiensten, in eltern- und familienunterstützenden Angeboten
sowie Hilfen zur schulischen und beruflichen Integration geflüchter Menschen, in
der Betreuung unbegleiteter geflücheter Kinder und Jugendlicher, in der Offenen
und Mobilen Jugendarbeit mit jungen Geflüchteten sowie in der Ehrenamtsbegleitung tätig. Darüber hinaus konnten spenden- sowie -kirchenmittelfinanzierte
Strukturen der Flüchtlingsberatung sowie vielfältige Projekte und Maßnahmen zur
Unterstützung im Integrationsprozess eingerichtet werden.
Auf Grundlage ihrer Strukturen leisten die Verbände Schulung, Fortbildung und
die kontinuierliche fachliche Begleitung des vielfältigen ehrenamtlichen Engagements in der Flüchtlingsarbeit.
Auf diese Weise konnten örtliche sowie regionale Netzwerke aufgebaut und intensiv begleitet werden. Es besteht eine enge Vernetzung in die Zivilgesellschaft
und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Betroffenen.
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Bei der Umsetzung des Integrationsmanagements in Baden-Württemberg bietet
es sich an, auf den beschriebenen Strukturen und dem gewonnenen Fachpersonal aufzubauen.1
Die enge Zusammenarbeit mit freien Trägern der Flüchtlings- und Integrationsarbeit ist ein wichtiger Garant für eine gelingende Integration vor Ort. Die Einhaltung von hohen Qualitätsstandards, der Einsatz von Fachpersonal und eine klare
Abgrenzung zu hoheitlichen Aufgaben sowie die daraus resultierende Rollenklarheit sind wichtige Bausteine dafür, dass nachhaltige Integrationserfolge erzielt
werden. Eine wirkungsvolle Beratungsarbeit setzt ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus. Die Geflüchteten müssen sich mit ihren Bedürfnissen, Ängsten
und Problemen dem/r Integrationsmanager/in anvertrauen können. Die Integrationsmanager haben eine zentrale integrationsfördernde Aufgabe, sie sind individuell und bedarfsgerecht ausgerichtet und gleichzeitig eng mit den Akteuren vor
Ort vernetzt. Auf diese Weise wirken sie in das Gemeinwesen hinein.
II. Standards für die Flüchtlingsberatung/Flüchtlingssozialarbeit
1. Ziele und Aufgaben des Integrationsmanagements in der Anschlussunterbringung
Es ist zu erwarten, dass mehr als 60% der Asylsuchenden einen Schutzstatus
erhalten bzw. aus anderen Gründen mittel- bzw. längerfristig in Deutschland
bleiben. Eine qualifizierte Integrationsberatung soll dazu beitragen, dass geflüchtete Menschen ein menschenwürdiges, selbstverantwortliches Leben in Deutschland führen können. Sie fördert gezielt die Integration der geflüchteten Menschen
in Baden-Württemberg. Eine Förderung der Teilhabe, der Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten wirken Ausgrenzung und Segregation entgegen und fördern
gleichzeitig die Reintegrationschancen im Falle einer freiwilligen Rückkehr oder
einer Abschiebung.
Geflüchtete Personen bilden eine heterogene Zielgruppe mit unterschiedlichen
Ausgangsvoraussetzungen für den Integrationsprozess. Sie müssen individuell
und kultursensibel unterstützt werden, um in Deutschland erfolgreich ein selbständiges Leben aufbauen zu können. Gleichzeitig ist es wichtig, sozialraumorientiert die Integration zu fördern.
Ziele sind dabei u.a.:
Unterstützung beim Erwerb guter deutscher Sprachkenntnisse
Förderung des Bildungserfolges (erfolgreicher Besuch einer Kindertageseinrichtung, schulische und außerschulische Bildung, Fort- und Weiterbildung)
nachhaltige berufliche Integration in den qualifizierten Arbeitsmarkt
Unterstützung bei der Bewältigung der elterlichen Aufgaben in der Familie
1
Vgl. PM Land vom 29.11.2016: Pakt für Integration mit den Kommunen.
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allgemeine gesellschaftliche Integration durch Förderung der Mitwirkung
und Teilhabe im Gemeinwesen,
Förderung der interkulturellen Öffnung in der Aufnahmegesellschaft
Aufgaben im Einzelnen:
1.1
Unterstützung im Integrationsprozess - Allgemeine Sozialberatung und Sozialarbeit
Die allgemeine Sozialberatung und Sozialarbeit umfasst alle Maßnahmen
und Formen der Unterstützung von Asylsuchenden bei sozialen Fragestellungen.
Außerdem gehören hierzu auch Maßnahmen zur Sicherung des sozialen Friedens
im Umfeld der Einrichtungen und Wohnungen, in denen Geflüchtete leben.
Im Einzelnen gehören hierzu u.a. die folgenden Aufgaben:
Erstellung eines individuellen Förderplans (Case Management)
Beratung und Unterstützung im Hinblick auf den erfolgreichen Besuch von
Deutschkursen und begleitender Maßnahmen mit dem Ziel, schnell gute
Deutschkenntnisse zu erwerben
Beratung und Unterstützung von Eltern in Erziehungs- und Bildungsfragen,
auch im Hinblick auf einen möglichst frühzeitigen Besuch einer Kindertageseinrichtung bzw. eines erfolgreichen Einstiegs in das deutsche Schulsystem
Maßnahmen zur Förderung des Bildungserfolges
Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Einstieg in die
schulische und berufliche Ausbildung
Beratung und Unterstützung bei der nachhaltigen Integration in den qualifizierten Arbeitsmarkt in Zusammenarbeit mit den Fachstellen des Landes
(Anerkennung beruflicher Qualifikationen, Förderung von Aus- und Weiterbildung, Praktika, Einstiegsqualifizierungen u.a.), enge Zusammenarbeit
mit der Agentur für Arbeit bzw. mit den Jobcentern
Beratung und Unterstützung im Hinblick auf Erhalt und Förderung
o der Gesundheit,
o der sozialen Absicherung,
o des Wohnens,
o in Kooperation mit Schuldnerberatung, Schwangerenberatung
u.a. sowie bei Bedarf durch aufsuchende Arbeit
Beratung und Maßnahmen im Rahmen der gesellschaftlichen Integration
(Vereine, Freizeit, Nachbarschaft, kulturelles Leben…)
die Identifizierung von besonderen Bedürfnissen der Asylsuchenden und die
Erarbeitung und Einleitung der erforderlichen Maßnahmen
das Erkennen besonderer psychosozialer Problemlagen und Weitervermittlung in Fachdienste, Zentren für Folteropfer u.a.
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Beratung zur Wiederherstellung der Familieneinheit, insbesondere Nachzug/Zusammenführung von zurückgebliebenen oder auf der Flucht verlorenen Familienangehörigen,
Beratung in Fragen des Aufenthalts und Asylrechtes sowie in weiteren ausländerrechtlichen Fragestellungen, Aufenthaltsverfestigung, etc. (gerade
bei den Personen in der Anschlussunterbringung, die sich noch im Verfahren befinden)
Beratung und Unterstützung im Kontext der freiwilligen Rückkehr
1.2
Sozialraumorientierte Arbeit
Verbesserung von Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten von Geflüchteten
Einrichtung interkultureller Kommunikations- und Begegnungsorte
Durchführung von pädagogischen und sozialen Aktivitäten mit Geflüchteten
und dem sozialen Umfeld von Flüchtlingsunterkünften bzw. Wohnungen im
Stadtteil. Dazu gehören Bürger/innen im Stadtteil, Vereine, Migrantenorganisationen, Initiativen, religiöse Gemeinschaften etc.
Unterstützung der Selbstorganisation von Geflüchteten
stärkere Einbeziehung von Migranten in politische Gremien (Empowerment)
Unterstützung anderer Dienste bei der interkulturellen Öffnung (Zusammenarbeit im Netzwerk, kollegiale Beratung, etc.)
Vermittlung in Konfliktfällen
1.3
Begleitung und Unterstützung von Initiativen und Ehrenamtlichen
Zusammenarbeit und ggf. fachliche Begleitung sowie Beratung von Ehrenamtlichen und Initiativen des bürgerschaftlichen und kirchlichen Engagements, welche bei der Unterstützung von Flüchtlingen aktiv werden wollen
Vernetzung der Akteure im Feld
Organisation von Fortbildungen und Schulungen für Ehrenamtliche in der
Flüchtlingshilfe
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2. Zentrale Qualitätsmerkmale eine Integrationsmanagements
2.1 Grundvoraussetzung: Kooperationen und Netzwerkarbeit
„Ziel der Netzwerkarbeit im Sozialraum ist auch die Stärkung der Kapazitäten der Kommunen in der Einwanderungsgesellschaft und dabei besonders
der Förderung der Anerkennung- und Willkommenskultur. Voraussetzung
für gelingende Teilhabe ist die Akzeptanz von Einwanderung sowie von gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt in den Institutionen und den gesellschaftlichen Haltungen.“ (BAGFW, Leitbild der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer)
Mit dem Ziel einer Gesamtkonzeption für die Integration von Geflüchteten kommen der Kooperation und der Netzwerkarbeit vor Ort eine wichtige Bedeutung
zu. Sowohl zur Herstellung von Synergien als auch zur Integration der Einrichtungen und ihrer Bewohner/innen in das soziale Umfeld, ist eine gute und enge
Zusammenarbeit der Flüchtlings- und Integrationsarbeit mit den anderen Akteuren vor Ort von entscheidender Bedeutung. Für die Unterstützung durch Ehrenamtliche sind Kooperationen und die Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern, den Kommunen, Initiativen, Vereinen, Kirchen, Migrantenorganisationen
und anderen sozialen Netzwerken im Umfeld der Einrichtung eine wichtige Aufgabe.
2.2 Sicherstellung des Qualitätsniveaus - Prinzip der Subsidiarität
In den Eckpunkten der Förderung der unabhängigen Sozial- und Verfahrensberatung (uVSB) in Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge ist festgelegt, dass die
Verfahrens- und Sozialberatung in der Erstaufnahme auf geeignete, regionale
Träger übertragen wird, welche die erforderliche qualitative Erfahrung sicherstellen können. Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz soll die Flüchtlingssozialarbeit
in der vorläufigen Unterbringung auf freie, gemeinnützige Träger übertragen
werden. Um eine gesellschaftsnahe Integrationsbegleitung und eine klare Trennung von hoheitlichen Aufgaben zu gewährleisten, ist es von zentraler Bedeutung, dass die Aufgabe des Integrationsmanagements durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit erfolgt, die bei freien, gemeinnützigen Trägern angesiedelt sind. Um
die eine möglichst effektive Wirkung der Integrationsbegleitung zu erreichen,
muss gewährleistet sein, dass sich die Geflüchteten den Fachkräften mit ihren
Problemen und Fragen anvertrauen. Insofern sollte die Beratung und Integrationsbegleitung - ungeachtet der Unterbringungsebene – in Baden-Württemberg
auf freie, gemeinnützige Träger übertragen werden.
2.3 Qualifikation und Anforderungen an das Personal
Um ein qualitativ hochwertiges Integrationsmanagement zu gewährleisten werden bei den Liga-Verbänden für diese Aufgabe ausnahmslos Fachkräfte eingesetzt, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Sozialen Arbeit oder eine
vergleichbare Qualifikation mitbringen. Im Einzelfall sollte geklärt werden, dass
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folgende Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen, entweder bereits vorhanden
sind oder kurzfristig erworben werden können:
Sehr gute Kenntnisse und Erfahrungen im Flüchtlingsrecht, wie auch im allgemeinen Aufenthaltsrecht, sowie den einschlägigen Regelungen des Sozialrechts
Fachwissen zu den politischen, ökonomischen oder soziokulturellen Ursachen von Flucht und Migration
fachspezifische Kenntnisse zu den einschlägigen Herkunftsländern, wie
Kenntnisse zu soziokulturellen Hintergründen, Wertesystem, religiösen und
sprachlichen Spezifika, welche maßgeblich für die Sozialisation und Enkulturation sind
Fachkenntnisse im gesundheitlichen Bereich, insbesondere zu physischen
und psychischen Folgen von Flucht und Migration, wie Traumatisierungen,
körperliche Folgen von Misshandlungen, dissoziative Störungen, flucht- und
migrationsbedingte Familienkonflikte, Verlustängste etc.
Beratungskompetenz, Empowerment-Ansätze, Biografiearbeit
Interkulturelle Kompetenz
Kenntnisse der interkulturellen Kommunikation sowie Fremdsprachenkenntnisse in den häufigsten Herkunftssprachen
Erfahrung im Konfliktmanagement
Teamfähigkeit, Bereitschaft und Fähigkeit zur Zusammenarbeit in Netzwerken und mit Ehrenamtlichen
Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung.
Die Träger der Flüchtlings- und Integrationsarbeit achten darauf, multiprofessionelle Teams zusammenzustellen, welche die unterschiedlichen Anforderungen an
die Tätigkeit insgesamt abdecken. Diversität in Bezug auf Herkunft und Geschlecht ist außerdem notwendig, um die heterogene Gruppe von Asylsuchenden
adäquat betreuen zu können. Das Team soll durch eigene Sprachkenntnisse verschiedene Beratungssprachen abdecken, ein Dolmetschernetzwerk bzw. Dolmetscherpool soll aufgebaut werden. Eine regelmäßige fachliche Unterstützung durch
Fachjurist/innen, und die zuständigen Fachreferent/innen der beteiligten Verbände, regelmäßige Fortbildungen, Supervision und Teambesprechungen werden
gewährleistet.
Stuttgart, den 17.05.2017
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