Panel: "Forschen mit minderjährigen Geflüchteten - rechtliche, politische, ethische und methodologische Spannungsfelder" Minderjährige Geflüchtete stellen eine besondere Gruppe unter Menschen mit Fluchterfahrung dar. Die besondere Perspektive auf diese Gruppe begründet sich zum einen dadurch, dass sie teils mit Zuschreibungen besonderer Kompetenzen aufgrund von Erfordernissen und Erfahrungen im Rahmen der Flucht, die sie - so die damit verbundene Annahme - früher „reifen“ lassen, verbunden ist. Zum anderen werden minderjährige Flüchtlinge aber auch als besonders schutzbedürftig betrachtet - aufgrund ihrer Minderjährigkeit, der Trennung von Erziehungsberechtigten, der Erfahrung von „ambiguous loss“ (Boss 2007, 105) und eventuellen fluchtbedingten Traumatisierungserfahrungen in einem frühen Alter. In Deutschland gelten seit dem 01.11.2015 alle unter 18jährigen Geflüchteten als minderjährige – begleitete oder unbegleitete – Flüchtlinge. Damit ist verbunden, dass sie sofern sie unbegleitet sind durch das Jugendamt in Obhut genommen werden und einen Vormund erhalten. Im Kontext von Kinder- und Jugendhilfe wird u.a. verstärkt die Frage der Berücksichtigung des Kindeswohls sowohl bei begleiteten wie unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten diskutiert. Vor dem Hintergrund der besonderen Verantwortung für Kinder und Jugendliche, die u.a. in der UN Kinderrechtskonvention aufgerufen wird (vgl. Berthold 2014), der unterschiedlichen Volljährigkeitskonzepte in verschiedenen Ländern, der Selbständigkeits- wie Deprivierungserfahrungen junger Menschen im Kontext von Flucht sowie ihres riskanten Status angesichts unterschiedlicher Bleibeperspektiven je nach Alter und Herkunft, stellen sie im Kontext empirischer Forschung eine Gruppe dar, die mit vielfachen Ambivalenzen verbunden ist. Neben der Erfordernis, über verschiedene Akteure Zugang zu ihnen herzustellen sowie rechtlich erforderliches Einverständnis einzuholen, formen öffentliche und politische Diskurse über Schleuser, Fluchtwege, Abschottung Europas, Infragestellung von Familienzusammenführung etc. den Forschungskontext und damit auch das Feld des Thematisierbaren (vgl. Kleist 2015, 160). Ein kurzer Aufenthalt in Deutschland bedeutet meist, noch über relativ wenig Sprachkenntnis im Deutschen zu verfügen und hat damit Auswirkungen auf das empirische Arbeiten, das entweder in einer anderen Sprache oder mit Übersetzung stattfindet. Die Dimension der Schutzbedürftigkeit und der Selbständigkeit konfrontiert ForscherInnen mit der Frage, welche Subjekte sie adressieren und welche Verantwortung sie für jene haben, wie sie mit den Diskursen, die das Feld mit prägen, umgehen, um das Feld des (Nicht-, Schwer-)Sagbaren der Forschung zugänglich zu machen. Diese vielfältigen Spannungsfelder von konkreter Lage, rechtlichen Rahmenbedingungen, politischen Diskursen, ethischen Verantwortungsfragen und sich daraus ergebenden methodologischen Fragen formt die empirische Forschung insbesondere mit minderjährigen Geflüchteten. Vor diesem Hintergrund will das Panel ein Forum bieten, um diese Fragen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und ihre Implikationen für die Forschung zu diskutieren. Literatur: BERTHOLD, THOMAS (2014): In erster Linie Kinder. Flüchtlingskinder in Deutschland. Deutsches Komitee für UNICEF, Köln. http://www.unicef.de/blob/56282/fa13c2eefcd41dfca5d89d44c72e72e3/fluechtlingskinder-in-deutschlandURL: unicef-studie-2014-data.pdf [letzter Zugriff: 03.11.15]. BOSS, PAULINE (2007): Ambiguous Loss Theory: Challenges for Scholars and Practitioners. In: Family Relations. Vol. 56, Nr. 2, S. 105-111. KLEIST, J. Olaf (2015): Über Flucht forschen. Herausforderungen der Flüchtlingsforschung. In: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt. Nr. 138/139, 35. Jahrgang (August 2015), S. 150-169. Beiträge können per Mail an folgende Adresse eingereicht werden: Prof’in Dr. Nadia Kutscher Department I – Soziale Arbeit, Arbeitsbereich Soziale Arbeit und Ethik, Universität Vechta E-Mail: [email protected]