Beilage - Landtag Steiermark

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Traumapädagogische Wohngemeinschaft (WG-TRAUMA)
1. Funktion und Ziele
1.1. DEFINITION
Kurzbeschreibung:
Die Traumapädagogische Wohngemeinschaft ist eine Einrichtung für Minderjährige, die außerhalb der
Familie einen sicheren Lebensraum benötigen, in dem sie ihre körperliche, emotionale und psychische
Stabilität wieder erlangen können und die Befriedigung ihrer individuellen, entwicklungsbedingten,
emotionalen, körperlichen und sozialen Bedürfnisse sichergestellt ist. Das Erlernen von innerem und
äußerem Sicherheitsgefühl, Selbstbestimmung und Alltagskompetenz wird durch Übereinkünfte und
Routinen sowie einer traumapädagogischen Haltung und entsprechenden Maßnahmen ermöglicht.
Durch die pädagogische Grundhaltung von Partizipation und Empowerment werden die
Selbstbemächtigung sowie das Erlernen von Alltagskompetenzen gefördert. Das Leben in der
Wohngruppe ist möglichst an familiennahen bzw. -ähnlichen Beziehungsregeln ausgerichtet. Nach
Möglichkeit wird an einer Rückführung in die (Herkunfts-)Familie gearbeitet. Dabei soll gesichert
sein, dass die/der Minderjährige die ausreichende körperliche, emotionale und psychische Stabilität
wiedererlangt hat und die Sicherheit in der Familie soweit gegeben ist, dass eine weitere (Re)Traumatisierung aus der augenblicklichen Situation ausgeschlossen werden kann.
Ziel:
Ziel ist
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die Förderung der emotionalen, kognitiven, sozialen und körperlichen Entwicklung,
die Stabilisierung und Sicherheit in der Alltagsbewältigung,
im „Jetzt“ einen Sinn finden,
die Förderung der individuellen Ressourcen für eine angstfreie Selbstentwicklung,
das Erlebte in die eigene Lebensgeschichte einzuordnen,
die Kontrolle über traumatische Erinnerungsebenen,
die Symptomreduktion,
die Veränderung von dysfunktionalen Einstellungen und Überzeugungen,
das Erlernen von Körperwahrnehmungen und dem sorgsamen Umgang mit sich selbst,
die soziale Integration sowie
das Erarbeiten von Zukunftsplänen.
1.2.
ZIELGRUPPE
Das Aufnahmealter der Minderjährigen liegt zwischen 6 und 14 Jahren.
Betreut werden Minderjährige, welche in anderen Jugendwohlfahrtseinrichtungen nicht mehr betreut
bzw. aufgrund ihrer multiplen Problemstellungen, begründet durch schwere traumatische Erlebnisse,
nicht aufgenommen werden können.
1.2.1
Zuweisungskriterien, die einzeln bzw. kumulativ vorliegen
Gefährdung des Kindeswohls aufgrund eines oder mehrerer erlebter Psychotraumata (sexueller
Missbrauch, Misshandlung, Erleben von tätlicher Gewalt, Psychische Erkrankung oder Suchtkrankheit
der Eltern/Erziehungsberechtigten) bzw. länger andauernder traumatisierender Umstände (emotionale
und körperliche Verwahrlosung). Eine Aufnahme bzw. Weiterbetreuung in anderen
Jugendwohlfahrteinrichtungen ist aufgrund des Auftretens der daraus folgenden Auffälligkeiten nicht
bzw. nicht mehr möglich.
Folgende Auffälligkeiten wie
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Angststörungen (Einschlafproblematik, Vermeiden bestimmter Orte, Menschen oder Situationen,
Panikattacken, etc.),
depressive Störung (negative Selbstwahrnehmung, pessimistisches Weltbild, Suizidalität, etc.),
dissoziative Störung,
dissoziales Verhalten (Lügen, Stehlen, Zündeln, etc.),
fehlende Emotionsregelung (aggressive Handlungen, selbstverletzendes Verhalten, depressive
Phasen),
Hypervigilanz,
desorganisierte Bindungsmuster,
übersteigerte Schreckhaftigkeit,
Enuresis und/oder Enkopresis sowie
sozialer Rückzug.
1.2.2
Ausschließungsgründe
Minderjährige, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung spezielle Förderung
und Betreuung brauchen sowie bauliche Spezialeinrichtungen benötigen.
1.3.
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AUSWAHL DES DIENSTES
Diese Maßnahme wird eingesetzt für Minderjährige, die aufgrund ihrer Problemstellung in keiner
anderen stationären Betreuungsform aufgenommen bzw. dort betreut werden können.
Bei der Auswahl des Dienstes sind die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Objektivität und
Sparsamkeit anzuwenden.
Auf der Makroebene ist auf die Kontinuität sozialräumlicher Einbettung zu achten.
Unterstützendes und problemlösendes Handeln ist gemäß der Prinzipien „Wahrnehmen, Ordnen,
Teilnehmen, Für-Möglichhalten“, zu organisieren und auf die Zielperson unter Berücksichtigung
ihres Lebenssettings auszuwählen und abzustimmen.
2.
Leistungsangebot
2.1.
GRUNDSÄTZE UND METHODISCHE GRUNDLAGEN
Das Leistungsangebot, das in eine Planungs- und Handlungsphase zu unterteilen ist, hat sich an
traumapädagogischen sowie sozialpädagogischen/sozialarbeiterischen Konzepten zu orientieren:
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2.2.
Empowerment,
Case-Management,
Netzwerkansatz,
Lebensweltorientierte Kinder- und Jugendhilfe,
Hilfe zur biografischen Lebensbewältigung,
Einbeziehung der/des Minderjährigen bei allen das Zusammenleben betreffenden Ereignissen und
Entscheidungsprozessen sowie
Individualisierung.
GRUNDSÄTZE DER PÄDAGOGISCHEN BETREUUNGSARBEIT
Die sozial- und traumapädagogische Betreuungsarbeit soll insbesondere Folgendes fördern:
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die Aufarbeitung der eigenen biografischen Besonderheiten,
das Gefühl von äußerer und innerer Sicherheit,
die Beziehungs- und Bindungsfähigkeit,
die Aufarbeitung und Integration des Erlebten,
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das Verstehen des eigenen Verhaltens und der individuellen Symptomatik,
das Wahrnehmen und Erkennen des eigenen Selbstwertes,
das Wahrnehmen eigener und fremder Bedürfnisse,
das Wahrnehmen eigener und fremder Grenzen,
die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit,
die individuellen Ressourcen und Interessen (sportlich, kreativ, etc.),
die Integration in das soziale Umfeld,
der Aufbau individueller Lernmethoden und –haltung,
das Erlernen sozialer Kompetenzen sowie
das Erlernen von Selbständigkeit und Selbstorganisation
und erfolgt durch ein multiprofessionelles Team in dem Frauen und Männer tätig sind.
2.3.
LEISTUNGSUMFANG
Die Leistung ist wie folgt zu erbringen:
Art
Inhalt/Tätigkeit
Aktiver Betreuungsdienst;
traumapädagogische, pädagogische,
pflegerische, betreuerische Aktivitäten bzw.
Versorgung (Vollverpflegung)
Tagdienst
Nachtarbeitsbereitschaft
Wochenend-/Ferien/Feiertagsdienst
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Anwesenheit in der Einrichtung, schläft – wird
aktiv bei Bedarf (selbst wahrgenommen bzw.
aktive Anfrage einer/eines
Bewohnerin/Bewohners) durch pädagogische
Fachkraft (abgeschlossene Ausbildung lt.
Qualifikationsvorgaben)
Verlängerte Doppeldienstzeit
(zweiter Tagdienst)
durchgängige
Anwesenheit/Erreichbarkeit
06.00 – 22.00 Uhr
11.30 – 21.30 Uhr
Doppeldienst
365 Tage/Jahr
22.00 – 06.00 Uhr
09.30 – 21.30 Uhr
Durchgehende Betreuung 24h/365 Tage/Jahr
Zusätzliche Doppeldienste
Sonn- und Feiertagsdienste
Unterkunft und volle Verpflegung
Traumapädagogische Interventionen im Alltag
Körperorientierte Therapieformen
Psychiatrische Begleitung mittels Liaisonsdienst durch einen Kinder- und Jugendpsychiater
mindestens einmal monatlich im Ausmaß von mindestens 2 Stunden sowie bei Bedarf für
Kriseninterventionen.
Koordiniertes Aufnahme- bzw. Entlassungsprozedere
Familien- bzw. Elternarbeit erfolgt in Abstimmung mit der fallführenden DSA, auf Basis des
Hilfeplanes, unter Berücksichtigung der individuellen familiären Ausgangslage, insbesondere
hinsichtlich
der
Wirkung
auf
Sicherheit
und
Stabilisierung.
Familienarbeit kann in folgender Form stattfinden:
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Die Minderjährigen werden aktiv darin unterstützt, fördernde Kontakte zu Eltern,
Geschwistern und anderen Familienangehörigen zu gestalten.
Die Minderjährigen erhalten die Möglichkeit zur Teilnahme an gemeinsamen
Traditionen und Festen.
–
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–
–
Familienmitglieder werden in bedeutsame Lebensereignisse des Minderjährigen
(Schulbeginn, Geburtstag, usw.) eingebunden.
Es erfolgt die Einbeziehung der Eltern und die Mitverantwortung der Eltern im
Betreuungsalltag wird gefördert.
Eltern und Familienangehörige erhalten Unterstützung zu und im Kontakt mit ihren
Kindern.
Sofern Elternarbeit nicht möglich ist, erfolgt intensivere Biographiearbeit.
3. Qualitätssicherung
Unter Qualität versteht man die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen einer Dienstleistung,
die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen. Um
den Bezug zwischen den Merkmalen einer Leistung und den Anforderungen, die an sie gestellt werden
herstellen zu können, müssen Ausgangspunkt (Was soll geändert werden?), Zieldefinition (Was soll
erreicht werden und womit soll es erreicht werden?) und Zielerreichung (Welche Maßnahmen wurden
gesetzt und wie wurden die Ziele erreicht?) weitestgehend übereinstimmen.
3.1.
STRUKTUR-STANDARDS
Konzeptqualität:
Das jeweilige traumapädagogische Konzept (Methode, Menschenbild, pädagogischer Bezug) hat sich
an aktuell üblichen geistes-, natur- bzw. sozialwissenschaftlich fundierten Kriterien sowie an den
Methoden sozialer Arbeit zu orientieren.
3.1.1
Einrichtung
Einrichtungsgröße: Richtwert 6 Minderjährige
Standort und Umgebung:
Folgende infrastrukturelle Mindestanforderungen müssen erfüllt werden:


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Es ist sicherzustellen, dass den Minderjährigen die Teilnahme am gesellschaftlichen und
kulturellen Leben ermöglicht wird.
Es ist sicherzustellen, dass eine entsprechende Infrastruktur (Geschäfte, ÄrztInnen, Institutionen)
vorhanden ist.
Eine Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz muss im nahen Umfeld vorhanden sein (Gehzeit
ca. 30 Minuten).
Raumbedarf:
Die Einrichtung muss nach folgenden Grundsätzen errichtet sein (Raumgröße 30 m² pro
Minderjährige/n Gesamtraumbedarf):
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Einzelzimmer rund 14 m²
Zweibettzimmer rund 22 m²
Küche
Essbereich
Gemeinschaftsräume
Geschlechtergetrennte WC, Badezimmer/Duschen
Büro, Besprechungszimmer, BetreuerInnenzimmer
Gartenfläche
Die Einrichtung ist bedarfsgerecht und jeweils nach dem baulichen und aktuellen Stand der Technik
zu errichten.
3.1.2
Fachpersonal
(Pädagogische) Leitung:
0,5 Dienstposten (DP)
unabhängig vom Personalstand
Gesamtpersonalbedarf:
8,5 Dienstposten (DP) inklusive Leitung;
unabhängig von der Anzahl der Minderjährigen
0,75 DP Haushaltshilfe für Hausarbeiten und Kochtätigkeiten
Qualifikation:
Die MitarbeiterInnen müssen eine abgeschlossene Ausbildung in Ausbildungseinrichtungen, welche
von Bund oder Ländern anerkannt sind (UNI, FH, Akademie, Bildungsanstalt, Kolleg, Einrichtungen
nach StSBBG), vorweisen. Diese Ausbildung muss zumindest 120 ECTS-Punkten oder 3000 Stunden
entsprechen.
PsychologInnen, PädagogInnen, (Dipl.-)SozialarbeiterInnen (der Akademie für Sozialarbeit oder
Fachhochschule für Soziale Arbeit Bakkalaureat, Fachhochschule Jugendsozialarbeit),
PflichtschullehrerInnen mit Lehramt (Volks-, Haupt-, Sonder-, Polytechnische Schule und
Religionspädagogik), ErzieherInnen/ (Diplom-) SozialpädagogInnen (Bundesbildungsanstalt, Kolleg),
KindergartenpädagogInnen mit Horterziehung
Geforderte Zusatzausbildung, welche innerhalb von 3 Jahren berufsbegleitend erfolgen muss:
Eine Weiterbildung in Traumapädagogik in einer anerkannten Ausbildungseinrichtung im Umfang
von mindestens 120 Stunden ist durch entsprechende Zertifikate nachzuweisen.
Haushaltshilfe: nachzuweisende Fortbildungen im pädagogischen Bereich, welche berufsbegleitend
erfolgen können.
3.2.
PROZESS-STANDARDS
Die Prozessqualität stellt sich in der Planung, Strukturierung und im Ablauf der Leistungserbringung
dar. Art und Inhalt der Leistungserbringung ergeben sich aus den Zielen der Leistungsart.
3.2.1
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Organisation
Aufbau- und Ablauforganisation müssen in einem Organisationshandbuch dargestellt werden
(Funktionsbeschreibungen, Stellenbeschreibungen).
Im Betreuungskonzept hat eine Darstellung und Beschreibung der Ziele und Methoden zu
erfolgen.
Dienstplan des Fachpersonals.
3.2.2
Dokumentation
Die klientInnenspezifische Dokumentation hat während der Betreuungszeit und in Kooperation mit
der/dem Betreuten zu erfolgen und hat insbesondere Folgendes zu enthalten:
Stammdaten:


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Anamnesebogen der/des behördlichen (Dipl.-)Sozialarbeiterin/Sozialarbeiters weiterführen
Stammdatenblatt der/des behördlichen (Dipl.-)Sozialarbeiterin/Sozialarbeiters weiterführen
Medikation und vorliegende Befunde
Schriftlicher Übergabebericht der/des behördlichen (Dipl.-)Sozialarbeiterin/Sozialarbeiters mit
konkreter Zielformulierung
Betreuungs- und Entwicklungsdokumentation:
Anhand der Dokumentation muss der Betreuungsverlauf nachvollziehbar sein und hat insbesondere
Folgendes zu enthalten:
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
IST-Standerhebung
aus
Übergabebericht
der/des
behördlichen
(Dipl.)Sozialarbeiterin/Sozialarbeiters übernehmen.
Der Betreuungs- bzw. Entwicklungsplan wird mit der/dem Betroffenen gemeinsam erstellt.
Ein Betreuungsprotokoll mit An/Abwesenheiten, besonderen Vorkommnissen, Außenkontakten
ist zu führen.
Der Betreuungs- und Entwicklungsbericht (Betreuungsverlauf, Zielerreichung, künftige
Maßnahmenplanung, zukünftige Zielerreichung) ist 1x jährlich unaufgefordert an die zuständige
Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die/den fallführende/n (Dipl.-)SozialarbeiterIn zu senden.
Die Beschreibung der gesetzten traumapädagogischen Interventionen bezogen auf die jeweiligen
Situationen ist zu führen.
Ein Evaluationsgesprächsprotokoll mit der/dem Minderjährigen, deren/dessen Familie und der
zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. der/dem fallführenden (Dipl.-)SozialarbeiterIn ist
zu erstellen.
Ein Abschlussbericht inklusive Maßnahmenerfolg ist zu erstellen.
Arbeit mit dem Herkunftssystem der/des Minderjährigen:


Ein Eltern/Familiengespräch insbesondere bei Neuaufnahme, Beendigung und bei Bedarf ist zu
führen.
Die Festlegung der Besuchsregelung und Besuchsbegleitung obliegt der/dem behördlichen (Dipl.) SozialarbeiterIn.
Außenkontakte mit Bezug zur/zum Minderjährigen:

Aufnahme-/Abschlussgespräch, Helferkonferenz 1x jährlich und im Anlassfall
Im Gesprächsprotokoll sind zu dokumentieren:


Mit wem wurde gesprochen (und ihre/seine Beziehung zur/zum Minderjährigen) und
Inhalt und Ergebnisse der Gespräche.
3.2.3



3.3.
Fachpersonal/Personalentwicklung
Teambesprechungen und Supervisionen sind je nach Erfordernis abzuhalten und in Anspruch zu
nehmen.
Fortbildungen sind wahrzunehmen.
Personalentwicklung ist insbesondere sicherzustellen durch:
o Einschulung neuer MitarbeiterInnen und
o jährliches MitarbeiterInnengespräch.
ERGEBNIS-STANDARDS
Die Ergebnisqualität stellt sich im Zielerreichungsgrad der Leistungserbringung dar. Es ist dabei das
erreichte Ergebnis regelmäßig mit den konkretisierten Zielen im individuellen Hilfeplan zu
vergleichen und zu evaluieren.

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
Jahresentwicklungs- und Betreuungsberichte sind zu erstellen und an die/den fallführende/n
(Dipl.) SozialarbeiterIn zu übermitteln.
Die Prüfung des individuellen Maßnahmenerfolgs erfolgt über die Bezirksverwaltungsbehörde.
Erstellen eines Abschlussberichtes inklusive Maßnahmenerfolg.
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