ARCHITEKTUR BILD: LISCHER PARTNER ARCHITEKTEN PLANER AG Zusammenspiel von Material, Licht und Farben: Architekt Daniel Lischer entwarf die Littauer Siedlung Schönegg, Jo Finger war für die Farbgestaltung verantwortlich. In Farben denken, bauen und gestalten 54 IMMOBILIEN BUSINESS / September 2011 ARCHITEKTUR Farben-Architektur – Was ist Farbe? Welche Bedeutung haben Farben in der Aussenraumgestaltung? Worauf sollte bei der Farbwahl von Fassaden geachtet werden? Fachleute geben zu diesen und weiteren Fragen Auskunft. GESPRÄCH: ROSEMARIE KÄSER-PODZORSKI * Aus der Sicht des Bauherrn ist der Architekt für alles verantwortlich: Er muss alles wissen. Heute werden bereits in der Planungsphase zahlreiche Spezialisten wie Ingenieure, Akustiker, Heizungs-, Sanitärund Lichtplaner oder Farbdesigner beigezogen. Die äussere Haut eines Gebäudes ist nicht nur für den Bauherrn wichtig, da sie den Wert eines Gebäudes beeinflusst, sondern auch die Behörden wollen mit einbezogen werden. Mit so vielen Beteilig- IMMOBILIEN BUSINESS / September 2011 ten einen Dialog zu führen, ist anspruchsvoll. Durch die frühe Auseinandersetzung mit der Fassadengestaltung und durch den Beizug eines Farbspezialisten ist es möglich, gemeinsam eine differenzierte, sensible Lösung zu entwickeln. Dass diese Form der Zusammenarbeit für alle Beteiligten eine Bereicherung sein kann und die gemeinsame Denkarbeit Fehlentscheide und damit auch unnötige, kostenintensive Experimente verhindert, wird im Fachgespräch schnell ersichtlich. Im Fokus steht die gestalterische Kraft der Farbe von Gebäuden im Mittelpunkt. Drei Fachleute, der Luzerner Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner, der Planer mit eigenem Büro, Daniel Lischer, sowie der Farbdesigner Jo Finger aus Luzern, diskutieren die Frage, worauf Bauherren und Planer zu achten haben. Farben gehören zum öffentlichen Raum. Worauf ist in der Aussenraumgestaltung zu achten? JÜRG REHSTEINER – Mein Interesse gilt dem Städtebau, ich betrachte deshalb neben dem einzelnen Objekt insbesondere den umgebenden Kontext, das Quartier und die Strassenzüge. Die von mir mitge- 55 tragene Untersuchung der Farbigkeit von 40 000 Häusern in der Stadt Zürich hat meine Wahrnehmung sensibilisiert. Unsere Städte sind bereits überflutet von einer ausgeprägten Farbigkeit durch Elemente wie Verkaufsfronten, Fahrzeuge und Menschen. Fassaden sollten deshalb eher den Hintergrund einer lebendigen Strasse bilden und Gebäude sollten eine zurückhaltende Farbigkeit aufweisen. Ausnahmen sind natürlich möglich, erfordern aber besondere Sorgfalt. JO FINGER – Wir sollten Farbe bereits zu Beginn genauer definieren. Es entsteht der Eindruck, mit dem Wort Farbe von Buntheit zu reden, und damit wird das Wort falsch interpretiert. Mit Farbe können ebenso gut viele Nuancierungen von Beige, Grau, Ocker oder auch Grün bezeichnet werden. Mit ihnen kann eine ausgewogene Farbharmonie und eine eigenständige Identität erzeugt werden, ohne dem Dogma der Buntheit zu verfallen. Sie befürworten demzufolge eher Farbharmonien mit sensiblen Farbtönen? DANIEL LISCHER – Für mich gilt bei der Farbgestaltung in Quartieren wie auch bei einzelnen Gebäuden das Gleiche wie für gute Musik: Das Zusammenspiel aller Instrumente muss stimmen – ein guter Jazzer beispielsweise verfügt erst über Glaubwürdigkeit, wenn sein Thema Bodenhaftung hat. Erst zu diesem Zeitpunkt sind die sparsam eingesetzten Dissonanzen erlaubt und werden verstanden. Eine abwechs- ARCHITEKTUR lungsreiche, aufeinander bezogene Farbskala in einem Quartier ergibt eine ausgeglichene Farbharmonie, die weder zu viele Farbkombinationen aufweist noch eintönig wirkt. FINGER – Luzern engagiert sich für ein harmonisches Farbbild. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege, dem Heimatschutz und dem Stadtarchitekten im Einzelfall durchaus fruchtbar. In dieser Konstellation, die beste Lösung zu finden, ist für Planer aber nicht immer einfach; naturgemäss gibt es bezüglich Ästhetik unterschiedliche Auffassungen. Doch die Berücksichtigung der vielen Interessen fordert und fördert zugleich die Auseinandersetzung. So entstehen sensible, befriedigende Lösungen, auch wenn dies etwas Zeit beansprucht. Die Stadt Zürich beipielsweise hat mit dem Kompendium Farbraum Stadt ein wegweisendes Werkzeug geschaffen, das viel zur Bewusstseinsbildung bei Behörden und Planern beitragen kann. Es zeigt, dass die aufeinander abgestimmten Fassadenfarben die Qualität eines Quartiers mitbestimmen können. Als Architekt und Farbgestalter können wir in der Kernzone einer Stadt nur punktuell Einfluss nehmen auf die Gestaltung der Aussenhaut eines Gebäudes. Die Historie und der Kontext sind wichtige charakterisierende Eigenschaften. Man ist gut beraten, diese zu analysieren und in die Farbkonzeption einer Fassade oder eines Gebäudeensembles einfliessen zu lassen. Gibt es unterschiedliche Vorgaben für die Gestaltungsaufgaben eines Stadtkerns oder für Aussenquartiere? REHSTEINER – Der Altstadtkern von Luzern steht flächendeckend unter Denkmalschutz. Mit dem Gebäudeinventar verknüpft sind grundsätzliche Bauvorgaben. Jede Veränderung wird überprüft und in den historischen Kontext gestellt, auch die Erneuerung einer Farbe erfordert eine sorgfältige Überprüfung und Interpretation der Vorschriften. Auch ausserhalb der Kernzone sollte die Eigenheit des Quartiers berücksichtigt und die Fassaden sollten entsprechend eingepasst werden. Heute kennen wir dank der Untersuchung von 40 000 Häusern die typischen Farben einer Epoche; sie wechseln zwischen stärkeren und unbunteren Farbtönen. Die Farbigkeit in den peripheren Gebieten soll ebenfalls den jeweils verwendeten Epochenfarben angepasst werden. Worauf ist bei der Renovation von historischen Gebäudefassaden besonders zu achten? LISCHER – Historische Verputze tragen zumeist historische Fassadenfarben; sie sollten dokumentiert und bei der Renovation wieder verwendet werden. Denkmalpflege und Ortsbildschutz legen Wert auf die Verwendung konventioneller Produkte. Alte Farben weisen eine Tiefenwirkung auf, die es auch bei der Renovation zu beachten gilt. Der Träger der Farbe beeinflusst die Qualität. Empfehlenswert ist der Einsatz von mineralischen Verputzen auf ökologischer Basis; sie werden in der Regel mehrmals aufgetragen. Diese etwas teurere Technik betont die Schichtung der Farben und erhöht die Tiefenwirkung, was viel zur Wertigkeit des Gebäudes beiträgt. ein Dienstleister für den Architekten und den Bauherrn. Ein Objekt kann ganz anders realisiert werden, als der Gestalter es ursprünglich geplant hat. Seine Aufgabe ist es, den Architekten bei der Beratung und der guten Kommunikation über Farben zu unterstützen. Farben in Kernzonen – wie gestaltet sich der Umgang mit den Behörden? REHSTEINER – Der Dialog wurde in den letzten Jahren intensiviert, sicher auch auf- « Die Fassade ist die Visitenkarte des Hausherren » Wann ist das Tandem «Architekt und Farbgestalter» wünschenswert? Wie gehen Sie bei der Zusammenarbeit vor? FINGER – Für die Planung und Realisierung eines Gebäudes ist der Farbgestalter ein Teil des ganzen Teams. Je früher er einbezogen wird, desto besser kann er sein Wissen in das Bauvorhaben einbringen. Er arbeitet objektbezogen; ein historisches Bauwerk in der Kernzone erfordert ein anderes Vorgehen als ein Neubau auf der grünen Wiese. Neben der Begleitung durch den Sensibilisierungs- und Entscheidungsprozess wird vom Farbgestalter Toleranz erwartet. Über die Ästhetik von Fassaden gibt es völlig unterschiedliche Meinungen. Ich erläutere Aspekte der Umgebung und der Funktionalität und visualisiere laufend den Planungsprozess. Zuerst wird die Richtfarbe festgelegt, danach erarbeiten wir weitere Farbtöne für Dach, Sockel, Fensterprofile usw. Der Farbgestalter ist 56 grund von Medienberichten und der Publikation über die Farbigkeit der Stadt Zürich. Bunte Gebäude lösen bei der Bevölkerung rasch heftige Reaktionen aus, und dies, obwohl weniger als zehn Prozent des Gebäudebestandes wirklich bunt sind. Das menschliche Auge bleibt erfahrungsgemäss an starken Farben hängen und die Nachbarn fühlen sich durch intensive Fassadenfarben in ihrem Wohlbefinden eher gestört. Was muss bei der Gestaltung einer Fassade beachtet werden, um Enttäuschungen zu vermeiden? FINGER – Ein Haus verändert sich durch Umwelteinflüsse und durch Einwirkungen der Umgebung. Für mich wird eine Fassade erst schön, wenn sie Spuren von Luft, Sonne, Regen, aber auch von der Nähe zum Wald, einer Strasse oder einem Bahntrassee trägt. All dies verleiht eine ganz individuelle Patina. Es erfordert vertiefte Kenntnisse und Erfahrung, um diese Einwirkungen bereits bei der Gestaltung zu berücksichtigen. Ebenso verändern Einflüsse wie Licht, Tages- und Jahreszeit, Distanzen, Oberflächenstruktur und Umgebung die Wahrnehmung. Der Farbgestalter sollte über ein umfangreiches Wissen und über die Fähigkeit verfügen, in die Tiefe zu denken. IMMOBILIEN BUSINESS / September 2011 ARCHITEKTUR Welche Vorteile ergeben sich für den Bauherrn, wenn er in die Fassadengestaltung Zeit und Geld investiert? LISCHER – Ein Grossteil der Fassaden sind Kompaktfassaden mit einfachem Verputz. Aus meiner Sicht ist die Fassade jedoch viel mehr, sie ist die Visitenkarte des Hausherrn. Mit einfachen Mitteln kann eine Veredlung bewirkt werden, und das Haus hat eine bedeutend höhere Wertigkeit. Dies liegt doch im Interesse eines jeden Bauherrn. REHSTEINER – Der Bauherr sollte auch nie das Gefühl haben, dem Architekten und seinen Vorlieben ausgeliefert zu sein. Wenn er sich bereits in der Vorprojektphase zusammen mit dem Planer und gegebenenfalls auch mit einem Farbgestalter auf die Fragen der Fassadengestaltung einlässt, bleibt genügend Zeit, um das Wissen zu vertiefen und die Sensibilität zu schulen. Er wird die Bedeutung dieser Thematik erkennen, und die gemeinsam erarbeitete Fassadenqualität verschafft dem Gebäude eine eigene Identität. Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die Stolpersteine – und wo die Chancen? REHSTEINER – Stolpersteine liegen dort, wo Bauherren «Farbigkeit» mit bunt und lustig gleichsetzen. Hier ist die rechtzeitige und intensive Wissensbildung eine grosse Herausforderung. FINGER – Eine ebenso grosse Herausforderung ist es für mich, wenn der Bauherr eine intensive Farbe wünscht, und ich bereits bei der ersten Ortsbesichtigung erkenne, dass die bebaute Umgebung eine dominante Farbe nicht gut verträgt. Auch hier ist Aufklärungsarbeit erforderlich – das Erkennen geht der Einsicht voraus. LISCHER – Der Maler hat einen Berufsstolz und ist nicht einfach Anstreicher. Er verfügt über reiche Kenntnisse und kennt wertvolle Materialien, die bei der Restaurierung von altem Mauerwerk verwendet werden sollten. Bei der Bemusterung trägt in der Regel der Maler die Hauptverantwortung für ein zufriedenstellendes Resultat. Details wie Licht, Distanz, Umgebung haben eine grosse Wirkung und der Erfahrungsaustausch zwischen Maler und Bauleiter trägt dazu bei, dass der Planer bei Unsicherheiten rechtzeitig benachrichtigt wird. Das grosse Know-how dieses Handwerks ist entscheidend daran beteiligt, dass wir in der Schweiz stolz sein dürfen auf die Gestaltung unserer Aussenräume. * Das Gespräch wurde im «crb bulletin» (2/11) veröffentlicht. ANZEIGE Wir gratulieren unseren sechzehn Absolventen/-innen herzlich zum erfolgreichen Studienabschluss Master of Advanced Studies MAS Immobilienmanagement Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Grafenauweg 10, 6304 Zug T +41 41 724 65 55 F +41 41 724 65 50 [email protected] www.hslu.ch/ifz Start 7. Lehrgang: 14. September 2011 www.hslu.ch/immobilien Start 8. Lehrgang: 12. September 2012 Kilian Brühlmann, Zürich; Gian Derungs, Lumbrein; Georg Dürr, Oberdorf BL; Jana Dürr, Magden; Christophe Egli, Baar; Eric Haegler, Frenkendorf; Paolo Härtner, Küssnacht am Rigi; Bruno Koch, Richterswil; Stefanie Liechti, Bern; Rolf Marti, Ruswil; Brigitte Modena, Kriens; Oliver Odermatt, Stans; Walter Ritz, Zürich; Tamara Vanoli, Immensee; Roger Wüest, Hergiswil; Anelia Wyer, Oberwil b. Zug IMMOBILIEN BUSINESS / September 2011 57