Wüstung Jürsenbostel - Historische Arbeitsgemeinschaft Wedemark

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Wüstung Jürsenbostel
Die Wüstung Jürsenbostel liegt auf einer kleinen Anhöhe, 400 Meter westlich des Mellendorfer
Fernmeldeturmes.
Mellendorf liegt östlich,, bis zur Ortsmitte sind es ca. 1,8km.
1,8km
Die Jürsequelle liegt am südöstlichen Ende eines Mischwäldchens.
Bei "Jürsenbostel" handelt sich um eine totale Ortswüstung.
Spuren eine ehemalige Besiedlung sind heute nicht mehr zu erkennen, allerdings konnte man früher
(um 1900?) auf Hartmanns bzw. Wiechmanns "altem Hof" noch Gebäudereste sehen.
Sicherlich war die Quelle und die Lage auf einer kleinen Anhöhe in einer waldreichen Gegend
ausschlaggebend dafür, an dieser Stelle einen Hof bzw. eine Siedlung anzulegen.
Gimmler war der Meinung, dass das Gebiet zu feucht war, um ein idealer Siedlungsplatz zu sein.
Die Jürse
Die Jürse ist 12km lang und der wasserreichste Bach in der Wedemark. Sie mündet in der Leine.
Da die Jürse ganzjährig Wasser führt, konnten früher 3 Wassermühlen betrieben werden.
1. Die Negenborner Jürsenmühle aus dem 15. Jhd..
2. Die im Jahr 1202 erwähnte Obermühle in Abbensen.
Abbensen
3. Die Untermühle in Luttmersen.
Luttmersen
Die wichtigsten genannten Urkunden und Akten aus Gimmlers Chronik
• 1360: Erster schriftlicher Nachweis.
Ludolf v. Campe erhielt u.a. den 10ten von Mellendorf (Melingdorpe) und
Jürsenbostel (Jursenbostle). Mellendorf und Jürsenbostel waren
ren getrennte Einheiten.
• 1381: Ghizeke van derne Jursenborstele (später Hof Nr. 23) wird genannt.
• 1438: Die Wohnstätte von Henneke vam Jürsenbostel (Nr. 24) kam hinzu.
Vor 1570 war der Hof Nr. 24 mit Nr. 37 vereint.
Die Hartman und die Jürsenbostel waren Vettern.
Wahrscheinlich gehörte Jürsenbostel zu diesem Zeitpunkt bereits zu Mellendorf.
• 1480:
Laut Lehnsregister ist der ursprüngliche Einzelhof geteilt.
Hans Luders Hertman tom Gheylhope (Nr. 23) und Henneke Hartmans (Nr. 18)
werden genannt.
• 1636: Laut Gimmler wird der Name Jorenbostel noch in Mellendorf erwähnt.
Karten
Auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1771(Blatt 109) sieht man die "Gürse" und die
Wüstung "Jürsenbostel". Die Karte für die Gemeinheitsteilung von 1831 zeigt weitere Details.
Gimmler hatte für seine Chronik eine Karte erstellt.
erstellt Als Grundlage diente Gimmler die Karte der
Gemeinheitsteilung von 1831und
und das Überschlagungsmanual von 1826.
1826
Zu dem "Jürmershof" gehörten die Höfe
Nr. 23 (1/2 Hof) "Mohlfeld-Haus"
"Mohlfeld
Nr. 24 (1/8 Hof) "Friershaus bzw. Frers"
Nr. 37 (1/8 Hof) "Hintzen-Haus"
"Hintzen
Nr. 18 (1/4 Hof) "Hartmanns-Haus"
"Hartmanns
*Worthen:
"erhöht gelegener, eingehegter
e
Grund und
Boden", "eingehegte Hofstätte samt den
unmittelbar daran gelegenen Ländereien,
Acker-, Feld-,, Gartenstücken" .
"Hinter Jörmers Hof"
1780 "Jörmerfeld" genannt
"Brökelturm"
1780 "Brökelturmskamp" genannt
"Gosekamp"
"Holzwiese"
"Wagenberg"
fünf alte Worthen *
23
der "alte Garten" von Nr. 23
(van deme Jursenbostele)
18a
Hartmann-Wiechmanns
Wiechmanns "alter Garten"
18b
Hartmann-Wiechmanns
Wiechmanns "alter Hof "
24+
37
26
"Jürmerhof ", die alte Worth von Nr. 24 (Voltmer) und 37
(Voltmer-Strube)
"der alte Garten " von Nr. 26 (v. Blankenburg)
1780 einschließlich der "Holzwiese" als
" alter Binnenhof " bezeichnet
Nr. 24 und 37 waren bis ca. 1570 vereint
auch "der ausgebrachte Ort"
Es gibt Hinweise auf eine ältere Besiedlung dieser Fläche.
Um 1918 hat Georg (I) Ebeling (1862-1952)
(1862 1952) an der Grenze zwischen Holzwiese und Jürmershof
eine ca. 660m² große und 1m hohe Bodenerhebung abgetragen, um damit eine feuchte Stelle auf der
Wiese aufzufüllen.
Diese künstlich angelegte Bodenerhebung war als "Kirchhof" der alten Siedlung bekannt.
Bauer Ebeling erzählte Gimmler 1950, dass sich Gräber deutlich als dunkle Rechtecke von
dem hellen Sandboden abhoben. An weiteren Funde konnte sich Ebeling nicht erinnern.
Sein Sohn Georg (II), der ihm damals als 16 jähriger zur Hand ging, meinte aber, sich an
Knochenfunde zu erinnern.
Gimmler schrieb in seiner Chronik, dass es außer Zweifel steht, dass es sich um eine Begräbnisstätte
gehandelt hat. Das genaue Alter der Gräber konnte jedoch nicht ermittelt werden,
werden da deren
Ausrichtung nicht mehr mit Sicherheit zu bestimmen war.
Nord-Süd-Ausrichtung
ichtung = heidnisch
Ost-West-Ausrichtung
ichtung = christlich
Im Frühmittelalter waren Bestattungen innerhalb einer Stadt verboten. Erst allmählich setzte sich
durch, Friedhöfe in der Nähe von Kirchen anzulegen!
anzulegen
Weitere Hinweise auf uralte Siedlungsspuren
Lt. Gimmler bzw. Dr. Gerlich dem ehemaligen Kurator des Landesmuseums wurden um 1850 am
Wagenberg einige Funde getätigt, die man an das Museum verkaufte.
1 Bronze- oder Kupferflachbeil aus der jüngeren Steinzeit, ca. 4000-1700 v. Chr.
Bruchstücke eines Spiralringes aus der frühen Bronzezeit, ca. 1700-1500 v. Chr.
1 Bronzeradnadel aus der älteren bis mittleren Bronzezeit, ca. 1500 -1100? v. Chr.
1 Hemmooreimer aus der jüngeren Römischen Kaiserzeit, ca. 3. Jhd. n. Chr.
"DIE ARCHÄOLOGISCHEN FUNDSTELLEN UND FUNDE IM LANDKREIS HANNOVER"
von Andrea Moser weisen auf eine ganz andere Fundlage hin.
Die auf der vorherigen Seite beschriebenen Funde Nr. 625-628 wurden nach dieser Aufstellung in der
Ortsmitte von Mellendorf (zwischen "Hellendorfer Kirchweg" und "Am Sande") gefunden.
Die von Bauer Ebeling gesehenen Gräber wurden unter Nr. 617 aufgeführt und in der Nähe von
"Jürsenbostel" eingezeichnet. Die Funde, die Gimmler der Fundstelle "Wagenberg" zuschreibt
wurden unter Nr. 616 noch einmal zusammengefasst und ungefähr in Höhe Wagenberg in die Karte
eingetragen. (Diese gelten als verschollen).
Es scheint so, als wenn die Funde (625-628) doppelt gelistet, aber nur 1x im Museum vorhanden
sind.
Der Wagenberg
Mit dem nordöstlich des Jürmershofes gelegenen Wagenberg, der durch Abtragen der Kuppe zur
Anlage eines Rastplatzes durch Gastwirt Mohlfeld und durch Lehm- und Sandabbau durch die
Gemeinde erheblich an Höhe eingebüßt hat, hat es nach Gimmlers Meinung früher eine besondere
Bewandtnis gehabt.
Eltern erzählten ihren Kindern, dass Zwerge darin gehaust
haben.
Solche Sagen knüpfen sich seiner Meinung nach an
ehemalige Hügelgräber, Kult- , Thing- oder Richtstätten.
Wagenberg
Jürmershof
Tingplätze lagen meist etwas erhöht oder unter einem
Baum. Jedoch immer unter freiem Himmel!
Eine Kapelle auf dem Wagenberg?
Zwei Mellendorfer berichteten Gimmler, dass auf dem Wagenberg
einmal eine Kapelle gestanden hat. Allerdings haben weder Kirche
noch Pfarre Besitz in diesem Gebiet.
Das Gründungsdatum der Mellendorfer Eigenkirche ist bis heute
nicht bekannt. Wahrscheinlich wurde sie von dem Besitzer des
Mellendorfer Herrenhofes, für seinen eigenen Bedarf, gestiftet.
Auch wenn man als Standort dieser Kapelle den Wagenberg annimmt, so wäre das noch keine
Erklärung für den Kirchhof, denn Kapellen hatten nicht das Recht zu taufen, zu trauen oder zu
beerdigen.
Am Ende seiner Ausführung erklärte Gimmler, dass es sich eventuell um eine heidnische oder ganz
früh-christliche Begräbnisstätte gehandelt haben könnte.
Die Entfernung zwischen Kirchhof und dem Wagenberg beträgt fast 300m Luftlinie.
Wald und Holz
Früher gab es in unserer Gegend (im Gebiet der Brelinger Berge)
Buchen-Traubeneichenwälder auf lehmhaltigen Böden und
Stieleichen-Birkenwälder auf den trockensten, sandigsten Standorten.
Der Wald war für die Viehhaltung notwendig.
Die heute weit verbreitete Kiefern wurden erst um 1760 eingeführt.
Holz war ein wichtiger Rohstoff und wurde in großen Mengen
benötigt, z.B. für
Haus- und Brunnenbau, als Feuerholz, zum Räuchern von
Fleisch und um Holzkohle herzustellen, die man wiederum für
die Eisengewinnung mit dem Rennofen brauchte.
Im Umkreis wurde an einigen Stellen Schlacke gefunden, was auf Eisengewinnung mit dem
Rennofen schließen lässt.
Welche Art von Gebäuden könnten anfangs auf dem "Jürmershof" gestanden
haben?
Wahrscheinlich waren es Häuser in Pfostenbauweise.
Sie bestanden aus massiven, im Boden verankerten Holzpfosten
Die Wände waren aus Flechtwerk gefertigt und mit Lehm verkleidet.
Das Dach war mit Stroh gedeckt.
Grubenhäuser z.B. hatten im Innenbereich eine Eintiefung von 0,3-1m.
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Das Pfostenhaus löste in der Jungsteinzeit die noch ältere Hüttenkonstruktion ab.
Sie sind die nord- u. mitteleuropäischen Häuser der Frühgeschichte.
Größe und Form hing von der Nutzung ab.
Grubenhäuser waren oftmals "Werkstätten" z.B. für Leinenverarbeitung. Durch höhere
Luftfeuchtigkeit wurden die Fasern geschmeidiger und ließen sich leichter verarbeiten.
Durch Fäulnis waren die Gebäude nur 20-30 Jahre haltbar.
Seit dem 12. Jhd. erfolgte die Ablösung durch Fachwerkhäuser.
Woher könnte der Name "Jürsenbostel" stammen?
"Jürse" + "Borstel"
Borstel (bur-stal) stammt aus dem Altsächsischen und bedeutet grob übersetzt: Bau-Stelle.
Es bezeichnet die Häuser einer Siedlung, wobei immer ein einzelner Hof gemeint ist.
Die Bosteldörfer sind in der 2. Siedlungswelle der altsächsischen Siedlungszeit (500-1050 n.Chr.),
also ab 900 n.Chr. entstanden.
Siehe Archiv:
"Ergebnisse der neueren Ortsnamenforschung zu den Dörfern der Wedemark" von Herrn Dr. Rüttgardt.
Gewässernamen (Hydronyme) sind meistens älter als Ortsnamen und waren auch nicht so großen
Veränderungen unterworfen.
Sie bezogenen sich auf das Wassers z.B. Meer, Fluss, Wasser, sumpfig, morastig, braun etc.
Es gibt verschiedene Theorien zu dem Ursprung des Namens "Jürse"….
Die 1. Möglichkeit könnten die Slawen gewesen sein.
Etwa vom Jahre 800 an wanderten slawische Bevölkerungsgruppen, wie die Wenden, in den
Bereich bis zur Aller.
In unserer näheren Umgebung sind "Wendische Freie" nachgewiesen worden.
• In der Krakau - Straßenname in Bissendorf
• Auf der Kauerschen - Flur Nähe Elze
• "Wendischer Friedhof" bei Resse
• Nachweis von "Wendischen Freien" im Raum Rodewald, Mandelsloh und Helstorf
Das Wort Guersse : Jürse könnte vom slawischen "gorice" –Berg - abgeleitet sein.
Demnach würde "Jürsenbostel":
"Bau/Stelle (Ansiedlung) an/auf dem Berg" bedeuten können.
R. Brand (Die Gemeinde Wedemark)
B. Engelke (Spuren Slawischer Siedlungen zwischen Aller u. Weser)
Die 2. Möglichkeit wäre Jürse als Abwandlung des Namens "Jürgensen"
Dann würde "Jürsenbostel" z.B. : "Siedlungsstelle der Sippe Jürgensen" heißen können.
Hartwig Franke ("Die –borstel Namen" in "Niederdeutsches Wort")
Die 3. Hypothese lautet, dass eine Ähnlichkeit mit osteuropäische Gewässernamen vorliegt
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Die Vorform von Jürse ist Jurisa
das ist in vielen osteuropäische Gewässernamen enthalten wie: Jura, Jury
Es gibt sichere Entsprechungen in baltischen Sprachen
Der Name gehört in den Bereich der alteuropäischen Gewässernamen.
Uwe Ohainski, Jürgen Udolph (Die Ortsnamen des Landkreises Hannover und der Stadt Hannover),
Hans Krahe (Unsere ältesten Flussnamen)
Johannes Hoops (Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 22)
Gründe für die Aufgabe der Siedlung
1. Snaken/Schlangen
Ein Grund für die Aufgabe der Siedlung können Schlangen, die morgens auf dem Vieh gelegen
haben, gewesen sein. (So berichten Nachkommen der Familien)
2. Plünderungen durch Soldaten
Ein weiterer Grund könnte die Plünderung der Höfe durch durchziehende Soldaten im
Dreißigjährigen Krieg gewesen sein. Jürsenbostel mit seinen wenigen Bewohnern war schutzlos.
1780 gibt Friedrich Mohlfeldt, der damalige Besitzer des Stammhofes Nr.23, in seinem Lehnrevers
an, daß sich seine Vorbesitzer im Dreißigjährigen Kriege wegen der Belästigungen durch die
Soldaten nicht haben behaupten können und deshalb eine neue Wohnstätte nebst Krugnahrung
(Ausschankgenehmigung) im Dorfe gekauft hätten.
Die Voltmer, die ursprünglich ein Viertel des Hofes besaßen, sind sicher schon früher abgewandert,
nämlich als sie eine Hälfte des Hellendorfer bzw- Sommerbosteler Wilkenhofes von den v. Bothmer
als Afterlehn aufgetragen erhielten. Wann dies geschehen ist, ist nicht bekannt. Die Hartmann, die
das andere Viertel des Jürsenbostelhofes besaßen, erwarben eine Kothe im Dorf und verlegten ihren
Hof dorthin. Auch der Zeitpunkt dieses Kaufes ist unbekannt.
Offene Fragen
Lag Jürsenbostel an einem guten Standort?
War der Kirchhof eine heidnische oder ganz frühchristliche Begräbnisstätte oder wurde er
von den christlichen Bewohnern Jürsenbostels genutzt?
Waren auf dem Wagenberg ehemalige Hügelgräber, Kult- Thing- oder Richtstätten. Stand
später dort eine Kapelle?
Woher stammen die historischen Funde tatsächlich?
Wer gab der Jürse ihren Namen? Was bedeutet er?
Wann und von wem wurde Jürsenbostel gegründet?
Schlangen und Soldaten. Gibt es weitere Gründe für die Aufgabe der Siedlung?
Auszug aus der am 27.11.2013 vorgestellten PowerPoint Präsentation.
Referent: Karen Kolp
Hauptquelle waren Texte von Paul Gimmler:
• Paul Gimmler - Chronik "Mellendorf" – Geschichte eines wedemärkischen Dorfes (1970)
• Paul Gimmler – "Am Jürmershof" (Wochenbeilage zum Burgdorfer Kreisblatt 15.04.1950)
Einige eigene Anmerkungen, Grafiken und Fotos wurden hinzugefügt.
Karten:
Kurhannoversche Landesaufnahme von 1771 (Blatt 109) zu beziehen über:
Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen (Hannover)
Karte der Gemeinheitsteilung von 1831
Hauptstaatsarchiv Hannover: Kartenabteilung/Sammlungen/ Agrarstrukturkarten/ 32 b (Agr.) Nr. 50/4
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