Die mittelalterliche Siedlung von Biel, Gurzele

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Erziehungsdirektion
des Kantons Bern
Direction de
l'instruction publique du
canton de Berne
Amt für Kultur
Office de la culture
Archäologischer Dienst
Service archéologique
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3001 Bern
Telefon 031 633 98 22
Telefax 031 633 98 20
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Die mittelalterliche Siedlung von Biel, Gurzele
Teile des ehemaligen Gygaxareals in Biel werden in den nächsten Jahren zu einem modernen
Wohnquartier umgestaltet. Im Vorfeld der Überbauung führte der Archäologische Dienst des Kantons Bern Sondierungen durch. Dabei wurden auf einem grossen Teil der Fläche Reste des mittelalterlichen Dorfes «Gurzele» entdeckt.
Inzwischen sind die Rettungsgrabungen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern bereits
weit fortgeschritten. Nun werden die ersten Erkenntnisse aus dem Boden einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Geschichtliches
Die älteste Nennung des Flurnamens Gurzele stammt aus dem Jahr 1305. Zu dieser Zeit übergibt
der Ritter Peter von Curtlari seinen Besitz in Mett, Gurzele, Brittenach, Ilfingen, Schaffis und Biel
an den Grafen Rudolf von Neuenburg-Nidau. Der Ortsname «Gurzelon» stammt vom lateinischen
curticella, Höflein und bezeichnet eine Gruppe von Häusern. Über die älteren Herrschaftsverhältnisse ist wenig bekannt. Dank den Ausgrabungen wissen wir aber heute, dass das Dorf «Gurzele»
weiter als bisher angenommen in die Vergangenheit zurückreicht und bereits seit dem 7., wenn
nicht gar seit dem 6. Jahrhundert besiedelt war.
Unklar bleibt vorerst das Verhältnis des Dorfes «Gurzelon» zu seinem Nachbarn Mett (1109 «Mecin»). Dort entwickelte sich über einem Grab des 4. Jahrhunderts bereits um 600 ein erster Kirchenbau. Es ist anzunehmen, dass zu dieser Kirche auch ein Dorf «Metton» gehörte.
Erste Resultate der archäologischen Untersuchungen
Im Dorf «Gurzelon», von dem bisher rund 8‘500 m2 ausgegraben sind, reihen sich mehrere Hofgruppen aneinander. Im Boden blieben einzig eingetiefte Strukturen wie Pfostenlöcher, Gruben
und Gräben bis heute erhalten. Alle ebenerdigen Strukturen, wie Böden, Feuerstellen, Gärten und
Felder sowie alle aufgehenden Gebäudeteile fehlen vollständig.
Typisch für die Zeit ist die Holzbauweise. In der Erde verankerte Pfosten bildeten das Hausgerüst.
Die Wände zwischen den Pfosten wurden mit Bohlen oder einem lehmverstrichenen Rutengeflecht
gefüllt. Das Dach war mit Ried, Stroh oder Schindeln gedeckt. Mehrere Gebäude zusammen bildeten einen Hof. Neben dem Wohnhaus gab es Ställe für Kleinvieh, Scheunen, Speicher und Werkhütten.
Bisher sind in Gurzele verschiedene Gebäudegrundrisse zu erkennen, darunter ein grosses
Wohnhaus, ein Nebengebäude, ein kleiner Speicher sowie mehrere Werkhütten. Einige dieser
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Werkhütten sind bis zu einem Meter kellerartig in den Boden eingetieft. Ihr Dach wurde ursprünglich von drei oder vier Pfosten getragen. Durch diese spezielle Bauweise entstand ein feuchtkühles Klima, das für die Lagerhaltung oder zum Ausüben bestimmter Handwerke, beispielsweise
der Weberei, erwünscht war.
Im Frühmittelalter lebte nahezu die gesamte Bevölkerung auf dem Land. Der Anbau von Getreide
und anderen Lebensmitteln war sehr arbeitsintensiv und verlangte die Beschäftigung von sehr vielen Personen. Auch die übrigen Dinge des täglichen Bedarfs, Textilien, Leder, Brenn- und Bauholz,
Metall- und Holzgeräte, Mobiliar, Talglichter und vieles mehr wurde in einer Siedlung wie Gurzele
hergestellt und verarbeitet.
Nur sehr wenige dieser Materialien konnten sich bis in unsere Zeit erhalten. Unter den Metallfunden gibt es Messer, einen Ohrring, Bleche und Nägel. Vom Koch- und Essgeschirr sind nur einzelne Kochtöpfe aus Keramik und Speckstein sowie ein Trinkbecher übrig geblieben. Viele Geräte,
aber auch Gefässe und zum Beispiel Teller oder Löffel aus Holz sind längst vergangen.
Einzigartig im Kanton Bern ist der Nachweis von Familienfriedhöfen zu den Gehöften. Bisher kennen wir einige Siedlungen des frühen und hohen Mittelalters (500–1250) und etliche grosse Friedhöfe des 6./7. Jahrhunderts. Noch nie zeigten sich aber Gräber innerhalb des Siedlungsgebietes.
Solche Hofgrablegen sind jedoch aus Deutschland oder Frankreich bekannt. Den Toten von Gurzele wurden nur sehr wenige Beigaben mitgegeben. Ab und zu trägt eine Dame einen Ohrring oder einen verzierten Gürtel.
Aus welchen Gründen und zu welcher Zeit das Dorf «Gurzelon» verschwand, wird sich noch zeigen müssen. Bisher fehlen in der ausgegrabenen Fläche Funde, wie sie für die Zeit der ersten
Ortsnennung um 1305 typisch wären.
Spuren aus anderen Epochen
Ausser den Resten des mittelalterlichen Dorfes konnten im Gygaxareal immer wieder auch Spuren
einer älteren Nutzung nachgewiesen werden. Scherben und sogar vollständige Gefässe aus der
Bronze- oder Eisenzeit (ca. 12. Jh. bis 5. Jh. v. Chr.) belegen, dass hier bereits eine prähistorische
Siedlung bestand. Ziegel und andere Funde zeigen, dass auch in römischer Zeit diese Lage an der
Schüss attraktiv war. In einem Sondierschnitt wurden ein Strassenkoffer und eine Uferbefestigung
angeschnitten, die wohl in die römische Zeit zurückgehen und bis ins Mittelalter benutzt wurden.
Tag des offenen Bodens
Der Tag des offenen Bodens findet am Donnerstag 22. Mai 2014 statt. Öffentliche Führungen in
deutscher und französischer Sprache werden zwischen 15 und 20 Uhr regelmässig angeboten.
Zu sehen sind eingetiefte Strukturen der mittelalterlichen Siedlung, einige zur Siedlung gehörende
Gräber und eines der grossen, in den Boden eingegrabenen prähistorischen Vorratsgefässe.
Für die Besichtigung der Ausgrabung sind gutes Schuhwerk und der Witterung angepasste Kleidung erforderlich.
Es stehen keine Parkplätze zur Verfügung. Bitte benutzen Sie die Linie 4 der Verkehrsbetriebe
Biel, Haltestelle Zaunweg.
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