Kultur in NRW Der Förderpreis des Landes Nordrhein

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Kultur in NRW Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler 2010
Bruck am Boden singt so leise wie Monk spielt.
Kultur in NRW
Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
für junge Künstlerinnen und Künstler 2010
www.nrw.de
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Kultur in NRW
Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
für junge Künstlerinnen und Künstler 2010
Anne Pöhlmann
Florian Meisenberg
Sandra Trojan
Thomas Pletzinger
Amaryllis Quartett
Michael Langemann
Eva-Maria Höckmayr
Katja Stockhausen
Anna Wahle
Mischa Leinkauf
Franziska Windisch
Jan Hoeft
bk2a architektur
Sascha Glasl
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3
5
Vorwort
Ute Schäfer
Ministerin für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport
des Landes Nordrhein-Westfalen
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Die Jury
Bildende Kunst
8 Anne Pöhlmann
14 Florian Meisenberg
Literatur
20 Sandra Trojan
26 Thomas Pletzinger
Musik
32 Amaryllis Quartett
38 Michael Langemann
Theater
42 Eva-Maria Höckmayr
48 Katja Stockhausen
90
Film
54 Anna Wahle
60 Mischa Leinkauf
Medienkunst
66 Franziska Windisch
72 Jan Hoeft
Architektur
78 bk2a architektur
84 Sascha Glasl
Impressum
5
4
Als der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
für junge Künstlerinnen und Künstler im Jahr 1957
zum ersten Mal vergeben wurde, stand Deutschland
am Beginn eines künstlerischen und kulturellen Aufbruchs. Besonders in Nordrhein-Westfalen trafen
die Kunst der Moderne und die Gegenwartskunst
auf waches Interesse bei Bürgerinnen und Bürgern,
Land und Kommunen. So entstand eine vielfältige
und lebendige Kulturlandschaft, die offen für Neues
und Ungewöhnliches geblieben ist. Treibende Kräfte
dieser Entwicklung waren und sind engagierte
Künstlerinnen und Künstler. Sie geben sich nicht zufrieden mit dem Vorgefundenen, gehen Risiken ein,
wagen sich auf unerforschtes Terrain.
Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
soll Ermutigung sein, diesen Weg einzuschlagen,
und er ist zugleich Auszeichnung für herausragende
künstlerische Leistungen. Viele Trägerinnen und
Träger des Förderpreises haben die internationale
Kunstwelt nachhaltig verändert und NordrheinWestfalen als Kulturregion bereichert.
Den Preisträgerinnen und Preisträgern des Jahres
2010, deren künstlerische Biografien dieser
Katalog aufzeigt, gratuliere ich herzlich und wünsche
ihnen viel Erfolg für ihr künstlerisches Schaffen. Den
Mitgliedern der Jury danke ich für ihr Engagement.
Ute Schäfer
Ministerin für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport
des Landes Nordrhein-Westfalen
Jury
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Bildende Kunst
Dr. Stefanie Kreuzer, Leverkusen
Dr. Annelie Pohlen, Bonn
Prof. Christopher Williams, Düsseldorf
Literatur
Prof. Dr. Friedmar Apel, Bielefeld
Anne Linsel, Wuppertal
Dr. Lothar Schröder, Duisburg
Musik
Film
Dr. Eva Küllmer, Dortmund
Prof. Dr. Werner Lohmann, Düsseldorf
Prof. Raimund Wippermann, Düsseldorf
Dr. Robert von Zahn, Düsseldorf
Oliver Baumgarten, Köln
Ronald Herzog, Bielefeld
Joachim Kühn, Köln
Theater
Stefan Keim, Wetter
Regine Müller, Düsseldorf
Melanie Suchy, Frankfurt
Medienkunst
Georg Elben, Bonn
Dr. Doris Krystof, Düsseldorf
Dr. Sabine Maria Schmidt, Essen
Architektur
Prof. Dörte Gatermann, Köln
Prof. Ulrich Königs, Köln
Prof. Annette Paul, Köln
Bildende Kunst
Anne Pöhlmann
Laudatio
In ihren fotografischen Arbeiten und Videoprojekten
hinterfragt die 1978 geborene Künstlerin Anne
Pöhlmann Architekturen, die sich in ihrer Planungsund Entstehungszeit der 1960er und 1970er Jahre
eng mit urbanen und sozialen Utopievorstellungen
verbunden haben. Die durchaus in unterschiedlichen ideologischen Systemen real gebauten und
an der Wirklichkeit mehr oder weniger erfolgreich
„erprobten“ utopischen Visionen oder die „nur“ als
Modell oder Bild entworfenen Darstellungen ebensolcher Projekte werden zu zentralen Motiven ihres
Bildrepertoires. Ihre fotografischen Untersuchungen
utopischer architektonischer Systeme analysieren
die historischen Entwürfe aus der Perspektive der
Jetztzeit, ohne sie gänzlich als gescheitert, aber
auch ohne sie als vollkommen gelungen zu erachten. Als „Utopia Recycling“ hat die Künstlerin dieses
Vorgehen bezeichnet, das nicht in der ungebrochenen Fortführungen utopischer Ideen, sondern über
das Reflektieren der Kriterien des Geglücktseins
oder auch des Scheiterns dieser Projekte im Hier
und Jetzt neue Herausforderungen – auch visueller
Art – an uns stellt. In diesem Zusammenhang wird
Sprache in ihrer visuellen Dimension und metaphorischen Qualität als bildschaffende Kraft Teil des
künstlerischen Interesses. Zunächst auf die Schwierigkeit der Beschreibung architektonischer Bilder
beschränkt, löst sie sich bald aus diesem Rahmen,
um darüber hinaus auf ein weiteres Thema Bezug
zu nehmen, das immer mehr die neueren Arbeiten
der Künstlerin bestimmt: die Beziehung „Frauen und
Fotografie“.
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Indem Anne Pöhlmann die Fotografie oftmals abseits
gewöhnlicher, im Kunstkontext erprobter Bildträger
denkt, erweitert sie nicht nur die Möglichkeiten des
Mediums sowie des Bildträgers als solchen, sondern
schafft dergestalt eine fotografische Präsentations-
Revues Installation, 2009
Videoprojektion mit 10 Videostills und schwarzer Satinvorhang
Courtesy Galerie Clages
form, die notwendigerweise den Raum oder auch
das Objekt – wie beispielsweise eine Zeitschrift –
als Display der Arbeiten versteht. Auf eine Fensterscheibe aufgebrachte, gewöhnliche Schwarzweißfotokopien, die je nach natürlicher Tageslichtsituation beziehungsweise künstlicher Beleuchtung aus
dem Inneren des Raumes die Präsentation in der
Fensterscheibe einmal undurchsichtig und dann
wieder durchsichtig erscheinen lassen, spielen nicht
nur in der Überlagerung zweiter Motive mit dem
Sujet des Dargestellten, sondern eindeutig auch
mit der Art und Weise des Darstellens, das heißt mit
der Spannbreite des Mediums selbst. Direkt auf die
Wand geklebte und so mit dem Raum interagierende
„Sprachposter“ erweitern den Präsentationsspielraum um die durch Werbemedien erprobte Praxis.
Techniken der Recherche von Daten, ihrer visuellen
Analyse, Archivierung und fotografischen Aufbereitung bilden wesentliche Strukturen des künstlerischen Schaffens von Anne Pöhlmann, das sich in
neueren Arbeiten immer mehr auch um das „Bild der
Frau“ dreht. Ob sie in ihren Werken die von Zeitschriftencovers heraus gelösten und von Schrift befreiten
Konterfeis der Covergirls auf die Qualitäten des
Fotografischen hin untersucht – wobei die Coverfotos für gewöhnlich eine Halbwertszeit nur bis zum
Erscheinen der nächsten Ausgabe besitzen – oder
ob sie allein die Wirkmacht der Sprache der Werbung
nutzt, um das Bildnis einer Person entstehen zu
lassen – in beiden Fällen geht es neben dem Thema
„Frau“ immer auch um komplexe Sachverhalte der
Bildgenerierung und der Interpretation. Und gerade
über diese mediale „Verstrickung“ ihrer Thematiken erreichen die Arbeiten von Anne Pöhlmann die
enorme Qualität, die sie für den Förderpreis des
Landes Nordrhein-Westfalen auszeichnet.
Die Jury
Dr. Stefanie Kreuzer
Dr. Annelie Pohlen
Prof. Christopher Williams
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Revues, 2009
Videostills
Courtesy Galerie Clages
Building Beyond Success Installation, 2009
Anne Pöhlmann und Diango Hernández
Diaprojektion mit 80 Originaldias, Schallplattenspieler und Ton von Single,
Equalizer, Lampe, zweifarbige Teppichkacheln und Print auf Banner
Courtesy Galerie Clages
Building Beyond Success Poster 50 x 70 cm, Pigment Prints, 2009
Anne Pöhlmann und Diango Hernández
Courtesy Galerie Clages
Anne Pöhlmann
[email protected]
Ich habe ihn
Poster 20 x 59 cm,
Pigment Print, 2009
Courtesy Galerie Clages
Vita
1978 geboren in Dresden /// 1996 - 1999 Studium der Romanistik, Kunstgeschichte und Philosophie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und an
der Université de Bourgogne in Dijon, Frankreich /// 1999 - 2001 Studium an
der Akademie für Bildende Künste der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
bei Prof. Vladimir Spacek /// 2001 - 2005 Studium an der Kunstakademie
Düsseldorf bei Prof. Thomas Ruff und Prof. Rita McBride. /// Anne Pöhlmann lebt
und arbeitet in Düsseldorf.
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Einzelausstellungen
2005
„...ten minutes from here“, stadtraum.org, Düsseldorf
„Screen“, Büro DC, Köln
„LOVE, CABLES and VOICES“, nüans, Düsseldorf
„Meeting – Treffen, Part 1: Reality“, Fotografie aus
Düsseldorf und London. Walzwerk Düsseldorf
„Urban Appearances“, kuratiert von Susanne Prinz,
Video Parcours am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
„Mobilehome II“, curso experimental de arte contemporânea. Kuratiert von Nuno Faria, Loulé, Portugal
„Anspach Center“, Gruppenausstellung und Zeitschrift,
Brüssel, Belgien
„Extra Luggage“, Ausstellungsprojekt von
Anna Heidenhain, Villa Romana, Florenz
„Stadt/Fotografie“, Kunstpreis, Stadtmuseum Düsseldorf
„düsseldorf“, Projekt von Shila Khatami, the forgotten bar,
Berlin
2007
„Retromorphosis – Dresden’s New Town“, Fermynwoods
Contemporary Arts and Hertfordshire University Galleries, UK
„Die Botschaft“, Ausstellungsprojekt von open,
Botschaft am Worringer Platz, Düsseldorf
2007
„Sequels“, Galerie Clages, Köln
„Walkthrough“, Hardware Media Kunstverein, Dortmund
2009
„Revues“, Galerie Clages, Köln
„Building Beyond Success“, mit Diango Hernandez,
Galerie Clages, Köln
Gruppenausstellungen und Projekte (Auswahl)
2003
„Urbane Räume“, Europäischer Architekturfotografie-Preis
2003, Bundeskunsthalle, Bonn
2004
„Klasse – Atelier“, Haus der Kunst der Stadt Brünn,
Tschechien
„Zugzwang“, PLAYSTATION, Galerie Fons Welters,
Amsterdam
When your own initials
Poster 64 x 50 cm,
Pigment Print, 2009
Courtesy Galerie Clages
2010
„Neues Rheinland. Die postironische Generation“,
Museum Morsbroich, Leverkusen
2006
„Statik in Bewegung – Architektur in Film, Fernsehen und
Video“, Filmfestival des Bundes Deutscher Architekten
BDA und der Videonale 11, Kunstmuseum Bonn
„Nachstellungen“, Halle 6 – Galerie Christine Hölz,
Düsseldorf
2005
„Surfshop“, Projekt von Glen Rubsamen in „Contemporary
Import“, Art Forum, Berlin
„Noise Cabin“, Projekt mit Rosa Barba, Diango Hernandez
und Jan St. Werner im Rahmen des „5 Days off“-Festivals,
Amsterdam
„Urban Spheres“, Filmscreening ‚Städtische Bühne’,
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Auszeichnungen
2008
„Retromorphosis“, kuratiert von Cordula Zeidler, CUBE,
Manchester, UK
2003
Auszeichnung „Urbane Räume“, Europäischer Architekturfotografie-Preis 2003, Bundeskunsthalle, Bonn
„Somewhere, sometime“, kuratiert von Anna Heidenhain
und Volkan Aslan, Daire Sanat Gallery, Istanbul, Türkei
„new talents 2008“ – junge biennale köln, Köln
2009
„Berlin: Twelve Arguments Part I“,
Ausstellungsprojekt Galerie Clages, Berlin
„Berlin: Twelve Arguments Part II“,
Ausstellungsprojekt Galerie Clages, Köln
„Mobilehome“, curso experimental de arte contemporânea.
kuratiert von Nuno Faria, Loulé, Portugal
2006
[HMKV]-Stipendium des Landes NRW für Medienkünstlerinnen, Hardware Media Kunstverein, Dortmund
Auszeichnung Kunstpreis „Stadt/Fotografie“,
Stadtmuseum Düsseldorf
2009
Arbeitsstipendium der Kunststiftung NRW
für „The Women“ Soundinstallation 2010
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Bildende Kunst
Florian Meisenberg
Laudatio
Eine Antwort auf die Frage, ob der 1980 geborene
Florian Meisenberg nun Maler ist oder Zeichner, ist
so ergiebig wie der Versuch sein ebenso lustvolles
wie subversives Spiel mit den reichlich vorhandenen
Kulturgütern auf ihren je vorgefertigten normativen Bedeutungsgehalt hin zu untersuchen. Die auf
Ordnung gepolte Ratio ist mit Florian Meisenbergs
Konsequenz einigermaßen überfordert, was umso
perfekter funktioniert, als der Künstler mit augenzwinkernder Ungeniertheit alle über Jahrhunderte
praktizierten und in der heutigen Mediengesellschaft
geläufigen Strategien der Verführung auslotet und
im Gegenzug auf brillante Weise unterminiert.
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Florian Meisenberg treibt mit offensichtlicher Lust
sein Spiel mit allen für sein künstlerisches Bekenntnis zur Leinwand relevanten ‚Mitteln’. Das gilt nicht
nur für den schnellen Wechsel zwischen zeichnungsund malereitypischen Vorgehensweisen, sondern
auch für den Einsatz von Video, um den heroischen
Versuch der immer noch verehrten Künstlergenies,
eine auf der Wäscheleine flatternde ‚Leinwand’
mittels eines absurd langen Pinselersatzes in ein
taugliches Bild – oder Kunstwerk – zu verwandeln.
Feinsinniger und subversiver kann sich der dem
hehren Künstlertum ‚verpflichtete’ Zeitgenosse der
Antwort auf die Frage, ob Malerei oder Zeichnung
heute noch aktuell genannt werden können, kaum
entziehen. Wer im Gegebenen wie in allen anderen
von Meisenberg aufgewirbelten Fragen an die (seine)
aktuelle Kunst keine Antwort erhält, muss sich eben
selbst auf den Weg machen. So wie Meisenberg seine
konzeptuellen Experimente hier hinter naiver Unverdrossenheit kaschiert, jongliert er eben auch auf
dem traditionsreichen Feld der klassischen Medien,
ob man sie nun Malerei oder Zeichnung nennen will.
what art? what mushroom?
a club for dehydrated people
Installationsansicht,
The Shelter Köln, 2010
Courtesy Tanja Pol Galerie
Seine Stoffe können von wo auch immer her kommen: aus Märchen, Bildergeschichten, Comics,
Musterbüchern für Tapeten oder Zeichenschulen,
Lexika für Naturkundler, Hobbybotaniker oder
Kunstsachverständige mit und ohne Bilderstrecken.
Was sie für den Künstler tauglich macht, ist die ihnen
durch allerhand normativen Verschleiß gewachsene
Flexibilität in Sachen Grenzüberschreitung zwischen
kultureller Größe und alltäglicher Banalisierung, Verführung und Enttäuschung, Wirklichkeit und Fiktion.
In Meisenbergs ‚meltingpot’ befindet sich hinsichtlich der vorgeführten Details kaum eine unbekannte
Größe. Und da der Wiedererkennungseffekt auch
in der Kunst zu den beliebten Größen zählt und die
Frage der Innovation seit den 1970er Jahren allenfalls von Kunstmarkt-tauglicher Relevanz ist, lassen
sich die unproblematischen Bekannten umso hintergründiger in einem Spiel auf der Leinwand einsetzen,
dessen Regeln der Spielleiter von Fall zu Fall – wenn
er sie nicht gleich über den Haufen wirft – umdeuten kann. Konnten frühere Generationen noch klar
definierbare Schlachten über Abstraktion und Figu15
ration, Expression und Konstruktion, Emotion und
Ratio austragen, schlüpfen Meisenbergs Ingredienzien wie Zauberstücke oder Simulanten ungeniert
unter den Radarschild der Frontwächter, tauchen
dort auf wo sie keiner erwartet, und zünden dort ein
Feuerwerk, das nach allen Regeln der Kunst verführt
und – die eingefahrenen Seh- und Denkweisen nicht
nur in Sachen Kunst pulverisiert. Welches „System”
sich 2010 hinter dem labilen Raumgefüge aus aufgehängten Leinwänden für die oben genannten Videoarbeiten verbirgt, ob Farbfeldabstraktion oder das
allseits umstrittene Erfassen digitaler Fingerprints,
ist ebenso subversiv unentschieden wie die Antwort
auf die Frage, ob es dem Künstlerfinger gelingen
kann, das in der von ihm entworfenen Sprechblase
platzierte ‚Konzept’ des „universe” von 2008 in eine
„Cosmic experience”, 2008, zu überführen. Sicher
ist jedenfalls, dass Meisenbergs künstlerische Strategien spielerischer Subversion des Vertrauten in
sinnliche wie gedankliche Turbulenzen von erheblichem Mehrwert stürzen, erst recht dann, wenn er
das ‚Risiko’ eingeht, in seinem wunderbaren ‚Bilderbuch’ mit dem gemein schönen Titel „if you stare on
this painting for 72 hours you will loose 4.5 pounds”,
2009, zu blättern.
Die Jury
Dr. Stefanie Kreuzer
Dr. Annelie Pohlen
Prof. Christopher Williams
Aus der Serie sunday evening carnival
212 x 230cm,
Öl auf Leinwand ohne Keilrahmen, 2010
Courtesy Tanja Pol Galerie
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the artist as a model of change
the artist as a young clown
Installationsansichten der Ausstellung
Tanja Pol Galerie, München, 2009
Courtesy Tanja Pol Galerie
Florian Meisenberg
Himmelgeisterstr.107e
40225 Düsseldorf
[email protected]
http://howtobecomefriendwithafly.blogspot.com
Vita
1980 geboren in Berlin /// 2002 Diplom Mediendesign /// 2004 - 2010 Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Peter Doig /// seit 2010 Weltmeisterschüler von
Peter Doig
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links:
to sacrify the total labour
for a mouthful absurd
Dokumentation
loop 48 min, 2009
Courtesy Tanja Pol Galerie
rechts:
rejected application
for a professorship at the academy
of professional impressionism
Dokumentation
loop 12 min, 2009
Courtesy Tanja Pol Galerie
Einzelausstellungen
2006
„Disadvantage Agassi”, Villa de Bank, Enschede (Kat.)
2008
„turn your bedroom life into a vulcano of pleasure”,
Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen (Kat.)
2009
„the artist as a model of change” „the artist as a young
clown”, Tanja Pol Galerie, München
2010
„what art? what mushroom? a club for dehydrated people”
mit Christoph Lohmann, The Shelter, Köln
„frustration everywhere! scientists found out that art
is just another hobby!“,
Tanzschule Projects, mit C. Lohmann, München
2011
Kate MacGarry, London
Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen (Kat.)
Gruppenausstellungen
2005
„Copy your Idol”, Kunsthalle Berlin Pankow (Kat.)
„Kleines Affektchen 3”, Performance/Video-Event,
Museum Kunst Palast, Düsseldorf
Rundgang Kunstakademie Düsseldorf, 2010
Installationsansicht
2-Kanal-Monitorinstallation
Courtesy Tanja Pol Galerie
2006
„Special Effects”, American Apparel, Frankfurt
„The Courtesy of Thorsten Eyer”, Ballhaus Ost, Berlin
„Aus der Mitte entspringt ein Fluss”, Sistig & Ostrowski
Offene Ateliers, Köln
2007
„Regarding Düsseldorf 2”, Kunstverein 701, Düsseldorf
(Kat.)
2010
„think german//new german art“, Deutsche Botschaft,
London
„Being Spielberg” presented by Gallery Hasen,
mit Anna K.E., Schaufenster des Kunstvereins
für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
„SELF CONSCIOUSNESS”,
VW Veneklasen & Werner Gallery, Berlin
„The birth of Gallery Hasen” beim Sommer M.O.G.G.,
Düsseldorf
„Anna K.E. und Florian Meisenberg”, citta di bologna, Köln
„Museum for....”, Die Vitrine mit Anna K.E., Düsseldorf
„22x4, amor parvi oder die Liebe zum Kleinen”,
Kunstverein Langenhagen
„Enovos Förderpreis Junge Kunst”, Wilhelm Hack Museum,
Ludwigshafen
„Healthy children for a wealthy future”,
Kunstcodex mit Anna K.E., Codex Partners, München
Auszeichnungen
2008
„life is a funny old dog”, Galerie Tanja Pol, München
2006
Reisestipendium des Kunstvereins für die Rheinlande und
Westfalen
„Untertag/11 min.”, Gloriahalle, Düsseldorf
„Wahrheit ist, was uns verbindet”, Jaspersjahr,
Universität Oldenburg (Kat.)
„Pilot Projekt_1”, Pilotprojekt für Kunst, Düsseldorf
„Mischanlage von Dr.Urlaub”, Alte Kokerei,
Zeche Zollverein Essen (Kat.)
„Wenn nicht für Gott, dann für wen?”, Daniel Richters Villa,
Hamburg
„Permanent Vacation”, mit Anna K.E., EY Artforum,
Düsseldorf
2009
„paintings in the sky”, Kate MacGarry, London
„me, myself and I” (Vol II), Weltraum, München
2008
„young artists on the road”, Preis des Ludwig Forums
für Internationale Kunst in Aachen
„Audi Art Award” für progressive Performance,
für das Projekt der Gallery Hasen zusammen mit Anna K.E.
2009
Fellowship Skowhegan School of Painting & Sculpture,
Maine
Förderprogramm Studienstiftung des Deutschen Volkes,
Bonn
2010
DAAD Jahresstipendium für Nordamerika
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Literatur
Sandra Trojan
Laudatio
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20
Sandra Trojan, 1980 in Winterberg geboren, hat seit
2004 Lyrik, Erzählungen und Essays in Zeitschriften
und Jahrbüchern publiziert. In ihrem ersten Gedichtband „Um uns arm zu machen“ (2009) zeigt sie sich
als eine sehr reflektierte Poetin, die ein breites Spektrum von Formen beherrscht.
Ihr vordringliches Thema ist das Verhältnis des
Subjekts zur Natur, auf welche nicht selten ein kühl
analytischer Blick fällt. Die Dinge und Wesen erscheinen in ihrer sinnlichen Qualität und zugleich in
der Distanz naturwissenschaftlicher Terminologie.
Spiegelbildlich wird das Subjekt als beseeltes wie als
Objekt nüchtern anthropoloigscher Betrachtung erfahrbar. Die Texte sind durchweht von der unerfüllbaren Senhsucht, die Dinge sprechen zu machen, umso
sicherer verwandelt sich das Sichtbare in der Verfahrensweise Sandra Trojans in oft eigentümlich opake
Sinnbilder der Naturentfremdung. Ohne Sentimentalität, manchmal sogar komisch sprechen die Texte
vom Menschen als einem der Natur schmerzhaft
entwachsenen Mängelwesen, das sich nur ungern an
seine Begrenzungen erinnern lässt.
Vielfach verweisen die Texte auf die Mythologie, nicht
selten in vergnüglichem Gegensinn. So wird Eurydike
Glück zugeschrieben: „Ihr Gatte dreht sich / nach
ihr und sie ist frei.“ Feingesponnene Anspielungen
auf die Geschichte der Naturlyrik von T.S. Eliot über
William Butler Yeats und Goethe bis zurück zu Ovid
signieren Sandra Trojans Gedichte als Entzifferungen
eines hellwachen Bewusstseins und einer Subjektivität, die ihre bestimmte Form selbst einem Traditionszusammenhang verdankt. So sind diese Gedichte
nicht nur Ausdruck persönlicher Befindlichkeit,
sondern auch Medium bedingten Wissens, Probe auf
die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Menschen.
Umso schärfer ermessen die Texte im Blick auf die
(heimische) Landschaft die Momente des Flüchtigen
und Unwiederbringlichen: „fern / bergab liegt mir die
Kindheit. Bloß vermissen / kann ich die Pfade noch“.
Bei aller Belesenheit gelingen der Autorin immer
wieder Verse, die in ihrer beinahe volksliedhaften
Schlichtheit das Transitorische der menschlichen
Existenz umso eindringlicher vor Augen führen:
„Zieh weiter / braune Schwalbe / komm zur Ruh“.
Mit Sandra Trojan wird eine für ihr Alter erstaunlich
vielfältige und stilsichere Lyrikerin ausgezeichnet,
die zweifellos in Zukunft verstärkt wahrgenommen
werden wird.
Die Jury
Prof. Dr. Friedmar Apel
Anne Linsel
Dr. Lothar Schröder
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23
Sandra Trojan
Endersstraße 75
04177 Leipzig
[email protected]
www.poetenladen.de/sandra-trojan.htm
Vita
Geboren 1980 in Winterberg. /// Studium der Amerikanistik, Journalistik und Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Leipzig, anschließend am
Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. /// Sandra Trojan lebt in Leipzig, arbeitet
als Autorin und Übersetzerin und unterrichtet kreatives Schreiben an Schulen. ///
2009 erschien ihr Lyrik-Debüt „Um uns arm zu machen“.
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Veröffentlichungen
2004
„Linoleum“, Erzählung. In: Tippgemeinschaft,
Jahresanthologie der Studenten des Deutschen
Literaturinstituts
„Lazarus und Eurydike“, Gedicht. In: Tippgemeinschaft,
Jahresanthologie der Studenten des Deutschen Literaturinstituts
„Deine Hose“, Gedicht. In: Tippgemeinschaft, Jahresanthologie der Studenten des Deutschen Literaturinstituts
2008
„Hausszene III“, Gedicht. In: Lyrikkalender des Deutschlandradios 2008, Verlag Das Wunderhorn
2009
„Um uns arm zu machen“, Gedichte.
Poetenladen Verlag (Einzeltitel)
„Um uns arm zu machen“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
„Wenn ich in Bienen spreche“, Gedicht. In: So hält mich die
Sehnsucht – 100 Gedichte von Frauen, Aufbau Verlag
„Wachposten“, Gedicht. In: . In: BELLA triste Nr. 20
„Bergfreiheit III“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
„Contortio“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
„Prinzessinnentanz“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
„Ich hab dich“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
„Wurzeln“, Gedicht. In: BELLA triste Nr. 20
2007
Ohne Titel, Gedicht. In: Jahrbuch der Lyrik 2007,
S. Fischer Verlag
„Hausszene III“, Gedicht. In: Jahrbuch der Lyrik 2007,
S. Fischer Verlag
„Zeitungsjunge“, Erzählung. In: Eisfischen – Das Beste aus
dem MDR-Literaturwettbewerb, Mitteldeutscher Verlag
„Zeitungsjunge“, Erzählung. In: DUM – das ultimative
Magazin
„Hausszene I-III“, Gedicht. In: Poet Nr. 4
„Juliana“, Gedicht. In: Poet Nr. 4
„Genesis“, Gedicht. In: Poet Nr. 4
„Wenn ich in Bienen spreche“, Gedicht. In: Poet Nr. 4
„Bergfreiheit III“, Gedicht. In: Die ZEIT
„Da fängt die metrische Praxis an, sich selbst zu fressen“,
Essay. In: BELLA triste Nr. 21
„Wachposten“, Gedicht. In: Geruch von Feuer –
17 deutsche Dichterinnen und Dichter, Verlag im Wald
„Bergfreiheit III“, Gedicht. In: Geruch von Feuer –
17 deutsche Dichterinnen und Dichter, Verlag im Wald
„Genesis“, Gedicht. In: Geruch von Feuer –
17 deutsche Dichterinnen und Dichter, Verlag im Wald
„Wurzeln“, Gedicht. In: Geruch von Feuer –
17 deutsche Dichterinnen und Dichter, Verlag im Wald
„Hausszene III“, Gedicht. In: Lyrik von JETZT zwei,
Berlin Verlag
„Ich hab dich“, Gedicht. In: Lyrik von JETZT zwei,
Berlin Verlag
„Wenn ich in Bienen spreche“, Gedicht. In: Lyrik von
JETZT zwei, Berlin Verlag
Ohne Titel, Gedicht. In: Lyrik von JETZT zwei, Berlin Verlag
„Camerons Enzyklopädie“, Erzählung. In: Club der jungen
Götter – Geschichten über die Gesellschaft von morgen,
Verlag Zweitausendundeins
2010
„Wenn ich in Bienen spreche“, Gedicht. In: Lyrikkalender
des Deutschlandradios 2010, Verlag Das Wunderhorn
„Und wo wohl mein Regenschirm ist“, Erzählung.
In: MDR-Literaturwettbewerb 2010 – Die besten Geschichten,
Rotbuch Verlag
25
Literatur
Thomas
Pletzinger
Laudatio
27
26
Am Anfang steht ein Auftrag, und den Auftrag
erteilt die Chefredakteurin. Und der, der ihn entgegennimmt, ist ihr Ehemann: Daniel Mandelkern,
studierter Ethnologe, freier Kulturjournalist, einer,
der schreibt, „wenn die Dinge kompliziert werden“.
Diesmal aber scheint alles recht einfach zu sein:
16.000 Zeichen sind – sehr behutsam gesprochen –
erwünscht für das Porträt des erfolgreichen Kinderbuchautors Dirk Svensson; der lebt zurückgezogen
am Luganer See.
Also wieder eine Schreiber- und Schriftstellergeschichte! Typisch für ein Debüt, könnte man rufen,
bis man nach wenigen Seiten schnell verstummt.
Denn Thomas Pletzingers Roman „Bestattung eines
Hundes“ hat die halbe Welt geschluckt und mit ihr
Geschichten über die Liebe und das Sterben, das
Schreiben und das Verstummen, über das Leben
und die Lust. Im alten Haus am Luganer See treffen
all die Geschichten geheimnisvoll zusammen, über
Svensson, der nicht einmal im Tischtennis verlieren
kann, über die schöne Tuuli, über den alten und bald
sterbenden Schäferhund, der einmal dem gefürchteten brasilianischen Polizisten Santos gehörte und
dem Tuuli wegen einer Schussverletzung ein Bein
amputieren musste. Mit dem verlustig gegangenen
Gliedmaß schrumpfte auch der Name des Hundes:
aus Lula wurde Lua. Und wer ist Felix Blaumeister,
und warum ist der vor drei Jahren gestorben?
Wir ahnen, dass das bestellte Porträt unmöglich wird
und der Ich-Erzähler schnell selbst in die Geschichten verstrickt wird. Mandelkern findet Svenssons
autobiografisches „Astroland“-Manuskript über eine
Dreieckbeziehung; er bemerkt, dass der Lebenslauf
des Autors wie sein eigener klingt; er registriert,
dass er selbst in das Manuskript hineingeraten ist
und dass alles, was er schreibt, über kurz oder lang
mit ihm zu tun hat. Eine vielfach gebrochene Spiegelgeschichte? Man muss sich auf dieses Spiel, das
der 1975 in Münster geborene Pletzinger so kunstvoll und souverän und mit einer immer authentisch
wirkenden Sprache treibt, nicht einlassen. Aber man
versäumt als Leser dann natürlich einiges. Nehmen
wir lieber Svensson sehr ernst, und auch Mandelkern, und auch Pletzinger – so dass am Ende auch
wir als Leser Teil der Geschichte werden und sind.
Die Jury
Prof. Dr. Friedmar Apel
Anne Linsel
Dr. Lothar Schröder
Bruck am Boden singt so leise wie Monk spielt.
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Ihr Weiß wühlt ihn um. Auf dem Namensschild steht
ihr Name, Marta, sie bringt ein Tablett, darauf ein
Teller mit zwei Scheiben Graubrot samt abgepackter
Butter. Sagen sie, Marta, sagt Bruck, ob man an so
einem Tag nicht nüchtern bleiben sollte, und blickt
ihr aus den Augenwinkeln auf den Arsch, wer hat sich
denn so einen Arsch ausgedacht, denkt Bruck, in meinen kühnsten Träumen würde ich mir so einen gewagten Arsch nicht ausmalen können, denkt Bruck, und
Marta geht am Bett vorbei und zieht die Vorhänge zu,
obwohl es erst sieben Uhr abends ist. So, Herr Bruck,
sagt Marta und greift an seine Hüfte, dann machen wir
mal den Zucker. Im siebenundzwanzigsten Stock der
Charité mit Fenster nach Westen denkt Bruck, warum
macht die Dame die Vorhänge zu, wenn die Sonne
noch über den Dächern lauert? Und ist das Graubrot
ein logistischer Fehler, geht es hier nicht um Nüchternheit? Marta misst den Blutzucker, Bruck langweilt
das, er merkt das kurze Stechen gar nicht mehr. Bei
dem Wort „nüchtern“ denkt Bruck an die Lobby des
Soho Grand Hotel nach Helens letzter Ausstellung
in New York 1996, Schwarzweißbilder und Mineralwasser, bei nüchtern denkt Bruck an den Treptower
Park im Januar 1992, das angefrorene Spreewasser
und sein Atem stoßweise in Wolken, wie er durch den
Osten rannte, als hier noch niemand laufen ging, nur
die verrückten Amerikaner, bei nüchtern denkt Bruck
auch an jedes zweite Bier nach dem ersten, dann ist
nüchtern nämlich vorbei, dann fängt die Seligkeit an.
Dieser Arsch, denkt Bruck, ist barock und bei dem
Wort „barock“ denkt Bruck sicherlich nicht an zwei
Scheiben Graubrot auf einem hellgrauen Tablett samt
abgepackter Butter. Marta hantiert mit den Gerätschaften, greift Bruck wieder an die Hüfte, er drückt
den Rücken durch. Marta duftet entfernt nach Helens
Parfüm, denkt Bruck und spannt die Bauchmuskeln
an. Das, was davon übrig ist, denkt Bruck. Immer
denkt Bruck an Helen, sieht Marta nicht ein wenig
aus wie Helen? Dieser Arsch? Machen wir uns keine
Sorgen, Herr Bruck, sagt Marta, und ihr Weiß und ihr
Arsch wühlen Bruck um, machen wir uns keine Sorgen, sagt sie, am Vorabend solcher Eingriffe gibt es
hier nur leichte Kost.
Als die Tür hinter Marta ins Schloss fällt, denkt
Bruck, solche Eingriffe! und sieht an sich herab. Seinen Fuß kann er unter der Bettdecke erkennen, er
kann ihn sogar bewegen. Tamm tamm tamm, summt
Bruck und der Fuß und das Bein wippen im Takt dazu.
Kann man bei einer Amputation von Eingriff sprechen, Schwester Marta, fragt sich Bruck, darf man
das? Muss man da nicht eher von einem Lebensabschnitt sprechen, fragt sich Bruck und lacht laut in
sein Einzelzimmer. Im Fernsehen läuft ein Film, der
wahrscheinlich in Rom spielt. Bruck hört sein Lachen
im Zimmer verebben. Bruck greift zum Nachttisch,
holt eine kleine Flasche Sliwowitz heraus und trinkt.
Zucker ist Zucker, denkt Bruck, und Schnaps ist
Schnaps. Seit wann ist denn Rom eine Kulisse? Wie
heißt denn dieser Film? Muss man eine Stadt verlassen, wenn sie zur Kulisse verkommt? Bruck hat Prag
1968 zu Fuß verlassen, als die Stadt zur Kulisse verkam. Die zweitausend Worte hat Bruck unterschrieben, Helen und die Kinder waren schon in Berlin,
Bruck warf noch zwei, vielleicht fünf Steine, nahm
dann heldenhaft zehn, vielleicht vierzig Knüppelhiebe
und rannte im Dunkel der Augustnacht aus der Stadt
hinaus. Dubček Dubček Dubček! Das Blut trug er im
Gesicht spazieren. Bruck wartet eine Sekunde und
denkt, die Vorhänge schlucken ja sämtliches Lachen
und dahinter geht die Sonne unter. Aber was wäre
passender für das Ende eines Lebensabschnitts,
denkt Bruck und sieht wieder an sich herab. Er bewegt
sein rechtes Bein und sieht zu, wie die Bettdecke sich
bewegt. Schmerzen hat er keine. Bruck fragt sich,
woran das liegen mag, liegt das vielleicht an den Tabletten? Ein Lebensabschnitt geht zu Ende, denkt
Bruck und schlägt die Bettdecke mit einer schnellen
Bewegung zur Seite, da muss noch mal die Sonne
drauf. Den Sliwowitz legt er zurück in die Schublade.
Bei dem Wort „Sonne“ denkt Bruck an seinen Prager
Schreibtisch an der Široká, 1954, an das Klappern der
Hufe über die Pflastersteine des Judenviertels und
das Knattern der Mopeds. Pferdehufe! Wie die Sonne
in Scheiben ins Zimmer kam, wie der Winkel stimmte!
Wie Helen morgens aus dem Dachfenster sah! Wie sie
mit Blick auf den Friedhof die zwei Kinder zeugten,
Thelonious Monk auf dem Plattenspieler! Helens geöffneter Mund über ihm, wie er sie kommen sehen
wollte! Wie das Herz in seinem Hals schlug, wie er sie
liebte! Bruck lacht schweigend, diesmal nur mit dem
Gesicht, mit seinen stechenden Augen, mit seiner jüdischen Nase, mit seinen slawischen Lippen.
Bruck sitzt mit dem Gesicht zum Charité-Vorhang
auf der Bettkante, der Vorhang leuchtet orange im
Berliner Sonnenuntergang und Bruck steht auf und
geht los. Welch ein Chuzpenik! denkt Bruck, lacht
und hangelt sich am Charité-Sitzensemble entlang
zum Fenster. Keinerlei Schmerzen, denkt Bruck, wie
wundersam. Multi-Morbidität, denkt Bruck, nicht mit
Franz Bruck! Nicht mit mir! Wie biegsam und federnd
Bruck am Seine-Ufer lief, am East River rannte, am
Moldauufer, an der Spree! Nicht mit dem elastischen
Bruck, der Faustgefahr der Lower East Side 1942!
Als er am Vorhang ankommt, greift Bruck in den groben Stoff und lässt das Sitzensemble links liegen. Er
hält an und atmet durch. Zu hoher Blutdruck, denkt
Bruck, zum Teufel mit zu hohem Blutdruck! Nicht mit
Bruck, dem schnellsten Läufer der Bowery, nicht mit
dem Gewichtheber Bruck, nicht mit 300-LiegestützBruck! Er zieht den Vorhang zur Seite und merkt
dann, wie sein rechtes Bein leise nachgibt, wie seine
Faustgefahrenfaust sich nachdrücklich festgreift, wie
er dann samt Bein und Vorhang leise zwischen Charité-Sitzgruppe und Fensterscheibe zu Boden gleitet,
dazu das Geräusch der abspringenden Gardinenhaken. Dann liegt Bruck auf dem Boden und lacht laut,
denn der Vorhang, der sein Lachen schlucken könnte,
liegt jetzt unter ihm. Dass ihn niemand gesehen hat,
ist gut, denkt Bruck, denn Eleganz ist etwas völlig anderes.
Als die Sonne über Berlin untergeht und das einzige Licht im Zimmer der Fernseher ist, fällt Bruck
der Name des Films ein, vielleicht war es Roman
Holiday mit Audrey Hepburn, worauf er denkt, dass
auch Audrey Hepburn ein nüchternes Gesicht hatte,
Roman Holiday allerdings ein typischer Sonntagnachmittagfilm ist, öffnet sich die Tür und Marta kommt,
um das Tablett zu holen. Bruck sieht ihre Beine auf
der anderen Seite des Betts, ist sie barfuß, ist sie
wirklich barfuß, fragt sich Bruck. Sind ihre Beine wirklich so glatt rasiert? Marta ist wirklich barfuß, was an
diesem Ort sicherlich ein Dienstvergehen ist, in der
legendären Charité! Aber darüber will Bruck hinwegsehen, denn schöne Füße hat sie, die Dame, diese
Zehen, dieser Lack! Marta, Schwester Marta, bemerkt
Bruck, steht neben seinem Bett in seinem Einzelzimmer und Bruck sieht ihre Zehen! Marta steht dort,
schaltet den Fernseher aus und bemerkt, das Bruck
und der Vorhang verschwunden sind. Marta knipst
die Nachttischlampe an und fragt, Herr Bruck? Aber
Bruck liegt äußerst zufrieden auf dem Rücken zwischen Bett, Sitzensemble und Fenster, auf den Vorhang gebettet singt er leise vor sich hin. Er singt In My
Solitude, so leise wie Thelonious Monk es spielt. In
My Solitude! Monk! Dadidadadi! Ellington! Hypercholesterinämie? Nicht mit Franz Bruck, dem eindrucksvollen Gentleman vor Minton’s Playhouse 1946!
Nicht mit dem einzigen weißen Türsteher in Harlem!
Bruck klopft den Takt, sein Bein klopft den Takt, als
Marta das Summen hört und Bruck entdeckt. Nicht
mit Franz Bruck, red suited Mr. Brook mit der Feder
am Hut! Aber Herr Bruck, was machen wir denn da,
fragt Marta, drückt einen Knopf, eilt um das Fußende herum und legt Bruck den Zeigefinger an das
Handgelenk. Bruck zieht die Luft durch die Nase, als
Marta seinen Kopf in ihre Hände nimmt, er riecht ihr
Parfüm und ihren leichten, ganz leichten Schweiß.
Haben wir Angst, Herr Bruck, fragt sie, brauchen wir
nicht haben, brauchen wir nicht, flüstert sie, ein rotes
Licht über dem Eingang leuchtet in Brucks dunkles
Einzelzimmer, In My Solitude, summt Bruck, In My
Solitude.
Marta kniet neben Bruck, legt den Zeigefinger
an sein Handgelenk, Herr Bruck, Herr Bruck, sagt
sie, was machen wir denn mit Ihnen? Ist da Tadel in
ihrer Stimme? Ihr Weiß, ihr Schweiß und ihr Arsch
wühlen Bruck um. Diese Nägel, dieser zarte Lack!
Bruck spürt sein Herz schneller schlagen und auch
Marta, jetzt mit dem Zeigefinger an Brucks Hals
gleich unter dem Kinn, wird nervös. Zu Bruck sagt
sie, ruhig, ruhig und dann lauter und Richtung Tür,
schnell, schnell. Das rote Licht erlischt, die Neonröhren in Brucks Einzelzimmer gehen an und blenden Bruck, zwei Männer beugen sich über ihn, ihre
Schuhe quietschen auf dem Linoleum, einer in grün,
der andere in einem Weiß, das Bruck beruhigt. KHKPatient, fragt der Weiße und das kennt Bruck aus
seiner Akte: koronare Herzkrankheit. Vielleicht nickt
Marta mit Brucks Kopf in den Händen während die
beiden ihm ein kaltes Stethoskop aufdrücken und
eine Manschette um den Arm pumpen. KHK, denkt
Bruck und merkt, wie sich sein Herz beruhigt, nicht
mit mir! Nicht mit Pferdelunge Bruck, der noch im
Winter 1972 um die Pferderennbahn Karlshorst lief,
29
Thomas Pletzinger
adler & söhne literatur
Senefelderstr. 31
10437 Berlin
www.thomaspletzinger.de
30
um den Kopf durchzupusten! Niemand sonst lief zu
dieser Zeit wie Bruck! Bruck schließt die Augen. Ein
klarer Kopf für die Bücher über Monk und Sonny Rollins, für die eigenen Bücher, für die Kinder. Wie Helen
mit dem Fahrrad neben Bruck fuhr und sang! Wie die
Beine schmerzten! Wie Helen in die Pedale trat, wie
Bruck keuchte, wie Bruck in Helens Atelier dampfte!
How we made love on the living room floor! Nix, sagt
der Weiße und packt das Stethoskop ein. Dann wieder
hoch damit, sagt der Grüne.
Die beiden Männer heben Bruck vom Boden auf
und verfrachten ihn auf das Bett. Sie verstauen mich,
denkt Bruck plötzlich, aber nicht mit mir, nicht mit
dem blauäugigen Taschendieb Franz Bruck am Montmartre 1936, mich kriegt keiner, ich renne schneller
als jeder Bestohlene, ich renne schneller als jeder Polizist, ich renne schneller als jeder Deutsche! Marta
hebt den Vorhang auf, faltet ihn und legt ihn auf den
Stuhl. Wie er eine Woche lang Brieftaschen klaute und
sich dann eine Mütze und Orangen kaufte. Wie diese
Orangen schmeckten! Wie sein Vater das Geld nahm,
ihn schimpfte und schalt und gleichzeitig lachte!
Bruck sieht den Männern zu, während sie seine Beine
unter der Decke verstauen und rechts und links von
ihm lackierte Metallgitter ans Bett stecken. Bruck
schließt die Augen. Ganz schön dünn, sagt der eine,
ganz schön leicht für die Größe. Diabetes ist ja auch
kein Zuckerschlecken, sagt der andere, worauf der
erste sagt, so einen Bart hat der Witz. Nicht mit mir,
denkt Bruck, nicht mit dem Schiffsjungen Bruck im
Hafen von Lissabon 1939, die Pässe eingenäht, die
Schwester auf dem Koffer am Kai, die Eltern weiß
der Himmel wo. Der Vater war ein feiner Mann! Wie
Bruck der Schwester eine Zuckerstange kaufte,
damit sie still war. Wie er am zweiten Abend an Bord
die Geige spielen musste, spiel Junge spiel! Tagsüber
half er dem Koch, welch eine Bullenhitze! Das Fett
auslassen, die Kartoffeln schälen, immer mit dem
gleichen stumpfen Messer! Polka! Walzer! Diabetes,
denkt Bruck, das habe ich nicht verdient, das hat der
Vater mir angehängt. Die Männer verstauen immer
noch Brucks Beine, rechts oder links, fragt der eine
und der andere sagt, früher oder später müssen sowieso beide. Bruck denkt, reden die über mich? Lachen die über mich? Über den Geigenschüler Bruck
sonntags im Hotel Imperial? Wenn der Vater zum
Tanz aufspielte? Polka! Walzer! Wie Geigenschüler
Bruck den Takt der Musik mit den Beinen tippte und
die vorbeifahrende Straßenbahn in den Beinen fühlte,
wie er zur Zugabe auf die Bühne sprang! Das Duett
von Vater und Sohn, beide im Gleichtakt tippend, fiedelnd, pfeifend! Der Geigenschüler Bruck, das Wunderkind Bruck, der Kaffee mit Milch und Zucker zur
Belohung für Franz Bruck, sieben Jahre alt, sonntags
in Prag 1932! Vom Vater den Zucker und die Geige,
von der Mutter die jüdische Nase – was für ein Erbe!
Die Männer haben die Beine fertig verstaut, zack und
ab, sagt der eine. Leise, leise, sagt Marta. Herr Bruck?
Schlafen sie? Bruck macht die Augen auf, wie redet
ihr eigentlich mit mir, verdammt noch mal, fragt er,
verdammt noch mal!
Die Männer verlassen Brucks Zimmer. Ihre Schuhe
quietschen auf dem Linoleum. Marta legt den Vorhang vom Stuhl auf den Tisch. Bruck sieht aus den
Augenwinkeln zu Marta und denkt an Helen, Bruck
denkt so oft an Helen und an Helens Arsch, denn der
wühlte ihn noch ganz anders um, der pflügte ihn um,
will Bruck sagen, aber Marta beugt sich zu ihm, Herr
Bruck, sind sie panisch? Wollen Sie schlafen? Oder
nicht? Helen in New York, Helen in Prag, Helen in
Berlin. Wie sie spazierten, wie sie liefen, wie sie rannten! Und Bruck macht den Mund auf und nimmt die
Tabletten, die Marta ihm hinhält. In seinem Mund
spielt Bruck mit den Tabletten, sie schmecken süß,
sie schmecken lackiert! Bruck sieht an sich herunter
und bewegt sein Bein. Sein Bein, sein Fuß, der Sand
zwischen den Zehen an den Flüssen, die Splitter in
den Füßen auf den Bohlen, die Blasen in den Schuhen
in den Städten, die gelaufenen Meilen, die getippten
Takte, die gestiegenen Stufen, die löchrigen Socken,
die ledernen Schuhe! Bruck bewegt sein Bein, der
Fuß bewegt sich mit, der brandige Zeh, das brandige
Bein, der brandige Schenkel, denkt Bruck, zack und
ab! Bruck ist erleichtert. Liegt das an seiner Chuzpe?
Liegt das an den Tabletten? Keine Angst, Herr Bruck,
sagt Marta und reicht ihm ein Glas mit Wasser, so
ein Eingriff ist der schnellste Eingriff überhaupt, sagt
Marta, berührt seine Schulter und verlässt Brucks
Einzelzimmer über den Dächern von Berlin. Und
Bruck nimmt noch einen Schluck Sliwowitz, schließt
die Schublade und summt In My Solitude, wie Monk,
wie Ellington, wie Helen, wie damals, wie immer, wie
Bruck.
Vita
Thomas Pletzinger wurde 1975 in Münster geboren, wuchs in Hagen auf und absolvierte ein Studium der Amerikanistik in Hamburg. /// Dort und in New York arbeitete er für Buchverlage und Literaturagenturen. /// Nach einem zweiten Studium
am Deutschen Literaturinstitut Leipzig lebt er nun in Berlin, wo er gemeinsam mit
Saša Stanišić und Tilman Rammstedt das Literaturatelier adler & söhne betreibt.
/// Pletzinger arbeitet als Roman-, Drehbuchautor und Übersetzer. /// Sein viel
beachtetes Romandebüt „Bestattung eines Hundes“ wurde mit renommierten
Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien seine Übersetzung der Texte des amerikanischen Dichters Gerald Stern „Alles brennt“.
Veröffentlichungen (Auswahl)
2005
„Capoeira mit Heckler & Koch und sind nicht Heringe Kaltwasserfische?“. In: BELLA triste Nr. 12, Hildesheim
2006
„Bruck“. In: Eisfischen, Leipzig: mdv
„Die ersten Toten“. In: sprachgebunden, Köln/Berlin
2007
„Wer genau ist Daniel Mandelkern?“.
In: EDIT, Berlin/Leipzig
„Unbekannter Künstler, Shitty Paradise City, 2001
(75 x 45, Öl auf Leinwand)“. In: LICHTUNGEN, Graz
„The Bull in the China Shop“ und „Justus Jonas schleicht
voran“. In: sprachgebunden, Köln/Berlin
„Fiedler fröhlicher Wandersmann, Fiedler Schweineschlächter“.
In: Zornesrot, Leipzig: mdv
2008
„Bestattung eines Hundes“, Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln
„The King of No“. In: Signale aus der Bleecker Street 3,
Göttingen: Wallstein
„Körper und Papier – vom Ringen mit einem unfertigen
Buch“. In: BELLA triste Nr. 18, Hildesheim
„Die katholischen Freunde“. In: Macondo, Bochum
„Granaten bei Vejle“. In: Gute Vorsätze, schlechtes Karma,
Frankfurt a.M.: Suhrkamp
2009
„Paris Syndrom“ und „82nd Street Jackson Heights“.
In: licht schreiben, Köln: Literaturhaus Köln
„Die langsame Entfernung“. In: Rebecca Wilton.
Häuser & Paläste, Leipzig: Dogenhaus Galerie
2010
„Alles brennt“ – Gerald Sterns Gedichte (Herausgeberschaft,
Übersetzung und Nachwort). Berlin: Matthes & Seitz
„Death Valley. Disneyland. Death Valley“. In: Deutschland
2089, München: Random House/Bayrischer Rundfunk
Auszeichnungen
2005
Gewinner Prosanova-Literaturwettbewerb
2006
MDR-Literaturpreis
Stipendiat beim International Writing Program der
University of Iowa
Stipendium im Edith-Stein-Haus in Wroclaw/Polen
Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung
2007
Förderpreis zum Rheinischen Kulturpreis
Writer-in-Residence an der Privatuniversität Witten/Herdecke
2008
Debütpreis des Literaturladens Wist („Kleiner Hei“)
„Quality for Life“. In: Dänen lügen nicht, München: Piper
2009
Uwe-Johnson-Förderpreis
„Die Coladose erzählt von dem der sie austrank“ und
„Weizen, Gerste, Hafer“. In: treffen – BELLA triste, Hildesheim
Writer-in-Residence, Deutsches Haus New York University
2010
Writer-in-Residence am Grinnell College, Iowa
31
Musik
Amaryllis Quartett
Laudatio
32
Foto: Tobias Wirth
Junge Kammermusik-Ensembles stehen regelmäßig
vor dem Problem, dass ihre Mitglieder zumeist parallel eine Solokarriere anstreben – ein Konflikt, der im
Ergebnis leider früher oder später zur Auflösung der
Formation führt. In der Tat sind die ersten Schritte zu
einem nationalen oder internationalen Erfolg gerade
für Kammermusikgruppen besonders schwierig –
nicht nur aus dem genannten Grund. Deshalb ist die
Förderung von Kammermusik ein Anliegen, das eines
besonders nachhaltigen Engagements bedarf. Umso
mehr darf man sich freuen, wenn es doch immer
wieder einzelnen Trios oder Quartetten gelingt, die
anfänglichen Hürden zu überwinden und sich eine
künstlerische und auch wirtschaftliche Existenz
durch das gemeinsame Spiel zu erarbeiten.
Das Amaryllis Quartett spielt regelmäßig in Konzertreihen und auf Festivals in Deutschland und dem
europäischen Ausland. Exemplarisch seien Auftritte in
der Stuttgarter Liederhalle und beim Lucerne Festival, Konzerte beim NDR, beim Festival „MecklenburgVorpommern“ und bei der Società del Quartetto di
Milano genannt. Beim Südwestdeutschen Rundfunk
trat das Amaryllis Quartett in der Sendereihe „50
Meisterwerke“ auf, wo es zusammen mit Walter Levin
Weberns „Fünf Stücke für Streichquartett op. 5“ vorstellte. Insbesondere seit der Aufnahme des Studiums in Köln ist das Amaryllis-Quartett regelmäßig in
Nordrhein-Westfalen zu hören, im letzten Jahr unter 33
anderem in Detmold, Coesfeld, Köln, Bielefeld, Münster, Bad Oeynhausen und Monheim.
Zu diesen jungen Formationen zählt zweifellos das
Amaryllis Quartett. Es wurde von Walter Levin, dem
Primarius des LaSalle Quartetts, in Basel und vom
Alban Berg Quartett in Köln ausgebildet. Seine
Mitglieder sind: Gustav Frielinghaus (Jg. 1978),
1. Violine, Lena Wirth (Jg. 1983), 2. Violine, Lena
Eckels (Jg. 1982), Viola, Yves Sandoz (Jg. 1980),
Violoncello.
Im April 2005 gewann das Amaryllis Quartett den
1. Preis beim Internationalen „Charles Hennen Concours“ in den Niederlanden. 2009 war das Quartett
Preisträger beim Internationalen Schubert-Wettbewerb in Graz. Im gleichen Jahr gewann es ein Stipendium des Deutschen Musikrates, aufgrund dessen
es in der Saison 2010/11 in ganz Deutschland in der
Reihe „Konzerte junger Künstler“ zu hören sein wird.
Das Amaryllis Quartett sucht eine besondere Herausforderung in der Gestaltung von Programmen,
die im Spannungsfeld zwischen den klassischen
Streichquartett-Kompositionen und den Werken
der Neuen Wiener Schule um Arnold Schönberg
stehen. Programme mit dieser Leitidee gestaltete
das Quartett u.a. bei der Biennale Bern und beim
Internationalen Beethovenfest in Bonn. Die Wiederentdeckung heute vergessener Meisterwerke ist ein
weiteres wichtiges Anliegen des jungen Quartetts, so
etwa jene des ungarischen Komponisten und BartókSchülers Géza Frid, dessen Streichquartette es 2008
als Weltersteinspielung veröffentlicht hat. Aber auch
für die Zeitgenössische Musik setzt sich das Quartett
ein und brachte u.a. Werke des Berliner Jazzcellisten
und Komponisten Mathis Brun und des Esten Eino
Tamberg zur Uraufführung.
In den Rezensionen der Konzerte, CD- und Rundfunkaufnahmen ist zu lesen: „Das Amaryllis-Quartett
begeistert mit Spielwitz, Dialogkultur und Klangintensität.“ Die Kritiker loben „Ausdrucksvermögen
und sublime gestalterische Dosierungskunst“, „technische Raffinesse und perfektes Zusammenspiel“.
Und so lautet die Prognose: „Sie sind nun bereit für
eine große Karriere.“
Die Jury
Dr. Eva Küllmer
Prof. Dr. Werner Lohmann
Prof. Raimund Wippermann
Dr. Robert von Zahn
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34
Foto: Bram Saeys
Amaryllis Quartett
Brahmsallee 37
20144 Hamburg
www.amaryllis-quartett.com
[email protected]
Profil
Das deutsch-schweizerische Amaryllis Quartett wurde von Walter Levin, dem Primarius des LaSalle Quartetts, in Basel ausgebildet und studierte von 2007 - 2009
beim Alban Berg Quartett in Köln. Derzeit vollendet das Amaryllis Quartett sein
Studium bei Günter Pichler an der Escuela Superior de Musica Reina Sofia in Madrid.
/// Seine Mitglieder sind Gustav Frielinghaus (geboren 1978 in Hamburg), 1. Violine,
Lena Wirth (geboren 1983 in Schwetzingen), 2. Violine, Lena Eckels (geboren
1982 in Detmold), Viola, und Yves Sandoz (geboren 1980 in Solothurn, Schweiz),
Violoncello. /// Das Amaryllis Quartett sucht eine besondere Herausforderung in
der Gestaltung von Programmen, die im Spannungsfeld zwischen den klassischen
Streichquartett-Kompositionen und den Werken der Neuen Wiener Schule um
Arnold Schönberg stehen. Die Wiederentdeckung heute vergessener Meisterwerke ist ein weiteres wichtiges Anliegen des jungen Quartetts. /// Das Amaryllis
Quartett spielt regelmäßig in Konzertreihen und auf Festivals in Deutschland, der
Schweiz und dem europäischen Ausland. /// Künstlerische Anregung erhielt
das Amaryllis Quartett in gemeinsamen Konzerten u.a. mit Barbara Westphal,
Albrecht Breuninger, Francois Benda, Dimitri Ashkenazy, Jens Peter Maintz,
Patrick Demenga, Gérard Wyss und dem Schauspieler Christoph Bantzer. ///
Das Amaryllis Quartett gestaltet eigene Konzertreihen in Lübeck, der Hamburger
Musikhalle (Laeiszhalle) und im Konzertsaal Solothurn.
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Foto: Bram Saeys
Konzerte und Auftritte
KulturGut Holzhausen
Internationales Beethovenfest Bonn
Bodensee-Festival
WDR Musikfest Münster
Festival „Mecklenburg-Vorpommern“
Lucerne Festival
Società del Quartetto di Milano
Schubertiade Barcelona
Stuttgarter Liederhalle
Tonhalle Zürich
Muziekgebouw Amsterdam
Südwestdeutscher Rundfunk
Sendereihe „50 Meisterwerke“, Vorstellung der Fünf
Stücke für Streichquartett op. 5 von Webern, zusammen
mit Walter Levin
Das Amaryllis Quartett mit Géza Frids Sohn Arthur und dessen
Frau Irah in der Laeiszhalle – Musikhalle Hamburg, anlässlich der
CD Präsentation, Juni 2008
Das Amaryllis Quartett mit seinem langjährigen Lehrer Walter Levin
nach einem Konzert in Lübeck, April 2007
Für Radio Berlin Brandenburg
Lecture Recitals über das zweite Streichquartett von
Johannes Brahms im Wissenschaftskolleg Berlin und in der
Tonhalle Zürich, mit Walter Levin
2010
Deutsche Erstaufführung des dritten Streichquartetts
von Gilbert Amy
Einspielungen
2008
Erste CD des Amaryllis Quartetts bei Coviello Classics:
Weltersteinspielung der Streichquartette des ungarischen
Komponisten und Bartók-Schülers Géza Frid
2010
Aufnahme von acht der 16 Streichquartette des SchubertZeitgenossen und Violinvirtuosen Friedrich Ernst Fesca bei
cpo in Vorbereitung
Auszeichnungen
2005
1. Preis „Charles Hennen Concours“ Heerlen/Niederlanden
Uraufführungen
2008
Sonderpreis „Premio Paolo Borciani“ Reggio Emilia/Italien
2005
Uraufführung des Berliner Jazzcellisten und Komponisten
Mathis Brun
3. Preis und Presse-Preis „TROMP“ Eindhoven/Niederlande:
„Aufgrund ihres kultivierten Klangs und ihres tiefen Verständnisses dafür, was es bedeutet ein Quartett zu sein,
sind sie nun bereit für eine Karriere.“
2007
Uraufführung des Esten Eino Tamberg
2009
Uraufführung der Basler Komponistin Heidi Baader-Nobss
Uraufführung des Hamburger Komponisten WolfgangAndreas Schultz
2009
3. Preis „Schubert Wettbewerb“ Graz/Österreich
Stipendium des Deutschen Musikrates
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Musik
Michael Langemann
Laudatio
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Michael Langemann, in Moskau geboren, seit seinem
siebten Lebensjahr in Deutschland aufgewachsen
und hier bereits während seiner Schulzeit umfassend
musikalisch ausgebildet, studierte von 2003 bis 2010
an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf in
der Klasse von Prof. Manfred Trojahn Komposition
und sammelte während dieses Studiums – durch
Stipendien gefördert – bereits internationale Erfahrungen am King’s College, London, und an der Columbia University, New York.
Die der Jury vorgelegten Kompositionen dokumentieren nachhaltig die Entwicklung einer eigenen
musikalischen Sprache in vielfältigen Œuvres: In
seinen Kompositionen für Orchester, „Lichtwende“,
2006 uraufgeführt vom Rundfunk-SinfonieOrchester Saarbrücken, und „Three Studies“, 2009
uraufgeführt vom BBC-Symphony-Orchestra, zeigt
Langemann eine bemerkenswerte Souveränität im
Umgang mit dem „Instrument Orchester“ – sphärische, primär klanglich orientierte Passagen stehen
gleichberechtigt neben rhythmischen und motorisch
geprägten, die verschiedenen Instrumentengruppen
eines großen Sinfonieorchesters werden zu farbenreichen Werken „komponiert“, die über ihre klare
kompositorische Struktur hinaus emotional berühren.
In seiner Komposition „daad...ad...ad...ad...“ für Posaune und Instrumentalensemble zeigt Langemann,
dass er auch die ganz andere „Klangsprache“ der mit
experimentellen Klängen und neuen Spieltechniken
arbeitenden Avantgarde souverän beherrscht.
Die im Oktober 2008 in Köln uraufgeführten „Canti e
Frammenti“ für Vokalsolisten a cappella präsentieren
eine dem Text abgelauschte Musik, die – im Wissen
um die Vorbilder der Musikgeschichte – in einer an
der Textdeklamation orientierten Kompositionsweise
39
eine ganz eigene Sprache findet. Ebenso wie die
Stücke für Sinfonieorchester vermag sie unmittelbar
emotional zu berühren.
Beispielhaft zeigen diese Werke, dass Langemann
über eine eigene musikalische Sprache für die verschiedensten Ensembles und Besetzungen verfügt.
Seine Werke zeichnen sich aus durch eine außergewöhnliche kompositorische Begabung, intellektuelle
Schärfe und ein hohes Maß an Offenheit, welches
ihn befähigt, die Grenzen seines Metiers zu durchbrechen. Diese Werke, die Internationalität seines
Wirkens sowie die hohe Qualität der Ensembles, mit
denen er bislang zusammengearbeitet und für die
er komponiert hat, wecken hohe Erwartung auf das
weitere Schaffen dieses noch jungen Komponisten.
Zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, u.a. eine
Förderung durch die Studienstiftung des Deutschen
Volkes in den Jahren 2005 - 2010 und der Composition Prize der Royal Philharmonic Society, London,
zeugen von der außerordentlich hohen Qualität seiner Arbeit ebenso wie die vielen Aufführungen mit
professionellen Ensembles im In- und Ausland.
Die Jury
Dr. Eva Küllmer
Prof. Dr. Werner Lohmann
Prof. Raimund Wippermann
Dr. Robert von Zahn
Michael Langemann
Herler Straße 63
51067 Köln
[email protected]
Vita
Michael Langemann wurde 1983 in Moskau geboren. /// Er studierte Komposition an der
Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf, der Columbia University in New York und am
King’s College in London. Zu seinen Lehrern gehören Manfred Trojahn, Tristan Murail und
George Benjamin. /// Als Komponist und Dirigent trat Michael Langemann in der Carnegie
Hall (Weill Hall), New York, in Erscheinung. Seine Werke wurden im Lincoln Center New
York, in der Philharmonie Luxembourg sowie bei zahlreichen Festivals im In- und Ausland
aufgeführt. /// Jüngste Kompositionen entstanden für das BBC Symphony Orchestra,
die Deutsche Radiophilharmonie sowie das Orchestre Philharmonique du Luxembourg.
Im Jahr 2010 sind Auftragswerke des Cheltenham Festivals und des NDR hervorzuheben.
40
Mephisto in „Faust“
Flottmannhallen Herne, 2007
Regie: Martin Fendrich
Foto: Bernd Felder
s. o.
Auszeichnungen
2005
Stipendium der Bayerischen Musikakademie
2006
Stipendium der Saarbrücker Komponistenwerkstatt
2006 - 2007
New-York-Stipendium des DAAD
2006 - 2010
Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes
2008
Stipendium der Forberg-Schneider-Stiftung München
2009
Royal Philharmonic Society Composition Prize
2010
Stipendium der „Akademie Musiktheater heute“
der Deutschen Bank Stiftung
41
Theater
Eva-Maria Höckmayr
Laudatio
43
42
Eva-Maria Höckmayr, geboren 1979 in Würzburg,
steht noch ganz am Anfang ihrer Karriere als Opernregisseurin. Sie studierte in München Theaterwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität und
Sprech- und Musiktheaterregie an der „Bayerischen
Theaterakademie August Everding“.
Schon während ihres Studiums hospitierte und
assistierte sie bei bedeutenden Schauspiel-Regisseuren wie Thirza Bruncken oder Roberto Ciulli, seit
2003 arbeitete sie kontinuierlich als Assistentin
von Claus Guth, von 2006 bis 2008 war sie als Regieassistentin für Schauspiel und Musiktheater am
Theater Freiburg engagiert. Seit 2008 ist Eva-Maria
Höckmayr als freischaffende Regisseurin für Musiktheater und Schauspiel tätig und sucht bevorzugt in
eigenen Text-/Musikfassungen spartenübergreifend
nach neuen Wegen der Verbindung von Sprache und
Gesang.
Kreutzersonate
Tolstoi, Janácek, Beethoven.
Ein Musik-Theater, Uraufführung. Theater Freiburg 2007.
Foto: Matthias Kolodziej
Mit Debussys „Pelléas et Mélisande“ am Aachener Theater hat Höckmayr ihre erste eigene große
Opernregiearbeit vorgelegt und eindrucksvoll unter
Beweis gestellt, wie sehr die Forschungsarbeit an
den Rändern und Übergängen der Sparten den Zugriff auf das klassische Musiktheater beleben und
befeuern kann. Ohne die Regieaxt zertrümmernd
einzusetzen.
„Pelléas et Mélisande“ gilt gemeinhin als Kassengift,
denn der symbolistische Stoff birgt viele Rätsel,
bietet dafür aber wenig dramatische Handlung auf
der Bühne. Höckmayr fixiert das albtraumartige
Familiendrama in ihrer penibel choreographierten
Regie auf einer unermüdlich kreisenden Drehbühne,
die klaustrophobische Räume öffnet und die fatale
Familienkonstellation immer wieder als erstickendes
Tableau um einen frugalen Esstisch versammelt. Die
scheue, somnambule Melisande, die stets von einem
Geheimnis umgeben ist, wird in ihrer Deutung zum
Objekt der Übertragungen der Männer der gespenstischen Familie Arkel. Höckmayr gelingt es in Aachen,
Magie auf kleinstem Raum zu entwickeln und mit
überreich sprudelnden Ideen Debussys sogartige
Musik bis in ihre düstersten Winkel mit überraschenden, ja irritierenden Details auszuleuchten.
Am Ende schließt sich der Kreis, und das Drama
scheint von vorne zu beginnen: Mélisande ist tot und
hat ihrer kleinen Tochter ihren Koffer vererbt, neben
dem sie vorne am Bühnenportal sitzt und auf den
nächsten düsteren Prinzen aus dem Hause Arkel
wartet.
Die Jury
Stefan Keim
Regine Müller
Melanie Suchy
Pelléas et Mélisande
Claude Debussy
Theater Aachen 2009.
Fotos: Ric Schachtebeck
Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Auge sehen
Wajdi Mouawad.
Theater Luzern 2010.
Foto: Ingo Höhn
45
44
Schwanengesänge
Variationen zu Leben und Tod nach Schubert, Uraufführung.
Stadttheater Fürth 2010.
Foto: Thomas Langer
Kreutzersonate
Tolstoi, Janácek, Beethoven.
Ein Musik-Theater, Uraufführung. Theater Freiburg 2007.
Fotos: Matthias Kolodziej
Eva-Maria Höckmayr
Hauptstraße 42
97286 Sommerhausen
[email protected]
www.evamariahoeckmayr.com
Vita
Eva-Maria Höckmayr, geboren 1979 in Würzburg, studierte Theaterwissenschaft, Neuere
Deutsche Literatur und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und
Schauspiel- und Musiktheaterregie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding
München. Diplom 2006. /// Sie war Regie-Stipendiatin der „Akademie Musiktheater
heute“ der Deutsche Bank Stiftung und des Richard-Wagner-Verbands. /// Als Assistentin
von Claus Guth, Calixto Bieito u.a. arbeitete sie u.a. am Theater Basel, Theater Freiburg, bei
den Wiener Festwochen, der Münchener Biennale und den Salzburger Festspielen. ///
Seit 2008 ist Eva-Maria Höckmayr als freie Regisseurin für Musiktheater und Schauspiel
tätig. /// Ihre Arbeit am Theater Aachen wird sie in der aktuellen Spielzeit mit der Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“ (2011) fortsetzen. In dieser Spielzeit
inszeniert sie zudem Verdis „Otello“ am Theater Freiburg und „Der Soliman“
von Ludwig Fels am Mainfrankentheater Würzburg.
46
Inszenierungen
2002
„Da kommt noch wer“, Jon Fosse, Akademietheater des
Prinzregententheater München
2003
„Il trionfo del tempo e del disinganno”, Georg Friedrich
Händel, Akademietheater des Prinzregententheater
München
2004
„Leonce und Lena”, Georg Büchner, Akademietheater
des Prinzregententheater München
2006
„Orfeo ed Euridice ossia L‘anima del filosofo”,
Joseph Haydn, Akademietheater des Prinzregententheaters
München
2007
Uraufführung „Kreutzersonate. Tolstoi, Janácek, Beethoven“, Theater Freiburg, die 2008/2009 zu Gastspielen
am Theater Baden (Schweiz) und im Künstlerhaus
Mousonturm Frankfurt eingeladen war
Uraufführung „FEST.AKT. Dreidimensionales Musiktheater“,
Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt
Festakt Dreidimensionales Musiktheater
Uraufführung. Mousonturm Frankfurt 2007.
Foto: Katrin Schander
2009
„Pelléas et Mélisande“, Claude Debussy, Theater Aachen
2010
Uraufführung „Schwanengesänge. Variationen zu Leben
und Tod nach Schubert“, Theater Fürth
„Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Auge sehen“,
Wajdi Mouawad, Luzerner Theater
Auszeichnungen
2007
Förderpreis der „Akademie Musiktheater heute“
der Deutsche Bank Stiftung
47
Theater
Katja Stockhausen
Laudatio
Die „Odyssee Europa“, sechs Uraufführungen an
zwei Tagen, ein Marathon der Schauspielhäuser des
Ruhrgebietes, eine lustvolle Überforderung des Publikums. Nach solchen Projekten verschwimmen oft
die Bilder in der Erinnerung, man muss die Gedanken sortieren. Gab’s die brüllenden Männer in Unterhosen, die Freier, die Penelope belagern, schon in
Oberhausen oder noch in Bochum? Aber ein Gesicht
hat man sich gemerkt, attraktiv und ein bisschen
kantig, eine junge Frau mit trotzigem Blick. Auch die
Stimme geht einem nicht mehr aus dem Ohr, warm
und rau, fast heiser, eher leise, aber sie hat einen
großen Raum mühelos gefüllt. Die Theaterhalle des
Schlosstheaters Moers.
48
Katja Stockhausen ist „Perikizi“ (gesprochen Perikeze mit Betonung auf ri), ein weiblicher Odysseus,
eine junge Türkin, die ihre Heimat verlässt und nach
Europa geht. Europa ist in diesem Stück der türkisch-deutschen Autorin Emine Sevgi Özdamar ein
Ort der Sirenen und Zyklopen. Verführungen und Erniedrigungen warten auf Perikizi, und auch die Geister ihrer Familie und vieler Toten verfolgen sie, lassen
sie in der Fremde nicht in Ruhe. Unbeirrbar geht sie
ihren Weg, eine Alice im bösen Wunderland, lässt
sich schlagen, schubsen und beschimpfen. Ihr Ziel
verliert sie niemals aus dem Blick, stolz, selbstbewusst, unabhängig. Gute Schauspieler können eine
Menge verkörpern, das wenig mit ihnen selbst zu tun
hat. Aber so eine Würde, wie sie Katja Stockhausen
hier entwickelt, lässt sich nicht einfach so vormachen.
Sie muss in der eigenen Persönlichkeit verankert,
ein Teil des Ichs sein. Schließlich liegt Perikizi nackt
auf dem kalten Hallenboden, mitten zwischen den
Zuschauern. Bevor sie im Hades Hochzeit feiert.
Produktion ROEMS! Ein Traum wird wahr
Katja Stockhausen, Frank Wickermann
Schlosstheater Moers
Foto: Christian Nielinger
Das Schlosstheater Moers ist das erste feste Engagement von Katja Stockhausen. Sie stammt aus
Solingen, wurde bei ihrer ersten Bewerbung an einer
Schauspielschule nicht genommen und hat dann
erst mal Pädagogik studiert. Aber nicht lange, der
Drang zur Bühne war stark. Eine kleine Rolle am Düsseldorfer Schauspielhaus und eine Tournee mit dem
Kölner Kinder- und Jugendtheater „Comic On“ waren
die nächsten Schritte. Dann klappte es mit dem
Vorsprechen an der Essener Folkwanghochschule.
Am Schlosstheater Moers war ihre erste Rolle wieder eine Produktion für Kinder. In „Vom Fischer und
seiner Frau“ – in einer neuen Fassung des Chefdra49
maturgen Erpho Bell – spielte Katja Stockhausen
Sybille, die geldgierige Frau, die nicht genug kriegen
kann und am Schluss Kanzlerkönigin wird. Es gab
eine Vorstellung, an deren Ende die Kinder die Bühne
stürmten und die Fischersfrau entmachteten. Von so
einer Reaktion träumten die Theatermacher. Dass
sie in den Kindern Mut zur Revolte gegen eine Diktatur geweckt haben, war ein riesiges Kompliment für
die Schauspieler.
Auch mit Klassikern hat Katja Stockhausen in Moers
schon zu tun bekommen, sie war das Gretchen in
Ulrich Grebs „Urfaust“. Das Schöne an kleinen
Bühnen ist ja, dass auch die Anfänger viel zu tun
bekommen und sich weiter entwickeln können. Und
das ist in der kurzen Zeit, die Katja Stockhausen
nun am Schlosstheater ist, bereits in mehr als viel
versprechender Weise geschehen. Wer mit ihr über
die Rollen spricht, die sie gerade verkörpert, erlebt
eine junge Frau, die scharf reflektiert und sich ganz in
den Dienst der Sache stellt. Und die mit ihrer Kraft,
ihrem Mut und ihrer ganz besonderen Ausstrahlung
eine der prägenden Persönlichkeiten der nahen Theaterzukunft werden könnte. Wir verleihen den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen an Katja
Stockhausen.
Die Jury
Stefan Keim
Regine Müller
Melanie Suchy
Foto: Matthias Horn
51
50
Perikizi. Ein Traumspiel
Odyssee Europa/Schlosstheater Moers/RUHR.2010
Fotos oben /unten: Karl-Bernd Karwasz
Vom Fischer und seiner Frau
Patrick Dollas, Katja Stockhausen
Schlosstheater Moers
Foto: Christian Nielinger
Katja Stockhausen
Filder Str. 106
47447 Moers
[email protected]
www.katja-stockhausen.de
Perikizi. Ein Traumspiel
Odyssee Europa/Schlosstheater Moers/RUHR.2010
Foto: Karl-Bernd Karwasz
Vita
52
Katja Stockhausen wurde 1981 in Solingen geboren. /// Nach Ihrem Abitur spielte sie
am Düsseldorfer Schauspielhaus zwei kleine Rollen im Antikenprojekt Mania Thebaia und
war mit einem Kinder- und Jugendtourneetheater in Deutschland unterwegs, bevor sie
2004 ihr Schauspielstudium an der Folkwang-Hochschule Essen begann. /// Nach Ihrem
Abschluss 2008 hatte sie Gastengagements unter anderem am Grillo Theater Essen und
am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit der Spielzeit 2009/10 ist sie im Ensemble des
Schlosstheaters Moers. /// Katja Stockhausen arbeitet außerdem als Sprecherin und lebt
als freie Schauspielerin in Essen.
Engagements und Produktionen
2001
„Bakchen“ von Euripides, Düsseldorfer Schauspielhaus,
Regie: Theodorus Therzopoulos
2002
„König Ödipus“ von Sophokles, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Tadashi Suzuki
2003/2004
„Lisa, Tom und Anna“, Comic-On! Theater Köln, eigene
Stückentwicklung, Regie: Franz Zöhren
2005
„Maß für Maß“ von William Shakespeare, Folkwang-Hochschule, Regie: Franziska Marie Gramss
2006
„Komödie der Irrungen“ von William Shakespeare, Schauspiel Essen, Regie: Brian Michaels
2007
„Frauen an unter für sich“, ein Abend in der Heldenbar,
Schauspiel Essen, Regie: Franziska Marie Gramss
„Dich schlafen sehen“ von Anne-Sophie Brasme,
Folkwang-Hochschule, Regie: Yvonne Racine
„Nach dem Regen“ von Sergi Belbel, Folkwang-Hochschule, Regie: Franziska Marie Gramss
2008
„Orestie“ von Aischylos, Düsseldorfer Schauspielhaus,
Regie: Lars-Ole Walburg
2008/2009
„An der Arche um Acht“ von Ulrich Hub, Schauspiel Essen,
Regie: Katja Lillih Leinenweber
2009/2010
„Perikizi Odyssee Europa“ als Perikizi, Schlosstheater
Moers, Regie: Ulrich Greb, eingeladen zum NRW Theatertreffen 2010, vorgeschlagen für den Deutschen Theaterpreis
„Vom Fischer und seiner Frau“ als Sybille, Schlosstheater
Moers, Regie: Julius Jensen, vorgeschlagen für den Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreis
„Urfaust“ als Gretchen, Schlosstheater Moers,
Regie: Ulrich Greb/ Bastian Tebarth
„Roems“ als Kanditatin, Schlosstheater Moers,
Regie und Stückentwicklung: Ensemble und Jensen
Auszeichnungen
2006 - 2008
Stipendium während des Studiums vom Cusanuswerk
2010
Beste Nachwuchsdarstellerin beim NRW-Theatertreffen
2010
53
Film
Anna Wahle
Laudatio
55
54
Herr Rücker
Dokumentarfilm für Kinder
Die kurzen Dokumentarfilme der gebürtigen Kölnerin Anna Wahle gewähren tiefe Einblicke in die
Befindlichkeit einer jungen Generation. Ihre heranwachsenden Protagonisten versuchen sich zurecht
zu finden in jener Welt, in die sie das Alter Stück für
Stück entlässt. Es ist eine Welt, die voller Aufgaben
steckt, voller verborgener Ängste und Herausforderungen, eine Welt, in der es Eigeninitiative und klarer
Zielsetzungen bedarf, um bestehen zu können. Anna
Wahle begleitet ihre unterschiedlichen Protagonisten in diese Welt und lässt sie Standorte bestimmen
auf der individuellen Suche nach ihrem Selbstverständnis.
Die filmische Form ihres konzentrierten Blicks auf
die noch in Probe befindlichen Lebenskonzepte
der jungen Leute entwickelt Anna Wahle dabei in
äußerst spannendem Maße immer weiter. Im 2007
produzierten Kurzfilm „Mit Pferden kann man nicht
ins Kino gehen“ nähert sie sich den Jugendlichen
noch eher klassisch mit Interviews über Zukunftswünsche und -ängste. Der ein Jahr später gedrehte
halbstündige Film „Playgirl“ hingegen entstand aus
einem intuitiv geprägten Blickwinkel. Ganz nah ist
Anna Wahle hier mit ihrer Kamera an einer jungen
Frau und begleitet sie in ihrem haltlosen und kaum
hinterfragten Leben zwischen affektbestimmten
Oberflächen und vagen Träumen bürgerlichen
Glücks.
Anna Wahles „dok you“-Beitrag „Herr Rücker“ aus
dem Jahr 2009 schließlich porträtiert einen jugendlichen Einzelgänger mit starkem sozialen Verantwortungsbewusstsein. Der Film erzählt die Welt vom
sehr erwachsen wirkenden 14-jährigen Nico Rücker
ohne Scheu vor der Verwendung klarer Spielfilmelemente. Mit großer Lust, auch unterhaltsam statt nur
belehrend zu wirken, werden Szenen nachgestellt,
Nicos Zukunftsträume inszeniert und seine Gedanken von Nico selbst im Off eingesprochen: ein sehr
frischer dokumentarischer Ansatz, der trotz seiner
fiktiven Elemente nichts an Glaubwürdigkeit einbüßt.
Ängste, Träume und Lebenskonzepte Heranwachsender spiegeln immer auch den Zustand der gegenwärtigen Welt. Anna Wahles Filme durchleuchten
mit immer neuen Ansätzen genau diesen Dualismus
erfolgreich und machen sichtbar, was es heute bedeutet, erwachsen zu werden.
Die Jury
Oliver Baumgarten
Ronald Herzog
Joachim Kühn
Playgirl
Dokumentation, CH 2008, 26 min./DV/farbe
57
56
Mit Pferden kann man nicht ins Kino gehen
Kurzdokumentation D 2006/10 min./DV/farbe
Anna Wahle
Genter Straße 12
50672 Köln
[email protected]
www.ediefilm.de
Vita
Anna Wahle wurde 1981 in Köln geboren. /// Ihre ersten Filme realisierte sie in
Koproduktion mit dem Kölner Filmhaus. Von 2003 - 2005 studierte sie Regie an
der „internationalen filmschule“ Köln. /// Dann realisierte sie „Alexander“, den
sie auf dem Berlinale Talent Campus vorstellte, und „Mit Pferden kann man nicht
ins Kino gehen“ und verschrieb sich dem Dokumentarfilm. /// Von 2006 - 2008
studierte sie mithilfe eines Stipendiums der Hartmut und Lohre Schuler-Stiftung
an der HGK Zürich und der ecal Lausanne mit dem Schwerpunkt Dokumentarfilm
und schloss mit „Playgirl“ ihren Master ab, der auf der Duisburger Filmwoche seine
Premiere feierte. /// 2009 realisierte sie eine dokumentarische Episode für
das kleine Fernsehspiel („Zeche is nich“) und für „dok you!“ das Filmportrait
„Herr Rücker“. /// Anfang 2010 gründete sie mit Alexandra Schröder Edie Film,
für die sie das Stipendium des AV-Gründerzentrums erhielt. /// Sie lebt und
arbeitet als selbständige Filmemacherin in Köln.
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Filmografie
(Auswahl, dokumentarische Arbeiten)
2005
„Alexander“ (Regie,Buch,Produzentin)
P: ifs; Andrej Wajda school
Berlinale Talent Campus, Warschau Filmfestival Kurzdokumentation D 2005, 8,5 min, BetaSP/farbe
Herr Rücker
Dokumentarfilm für Kinder
2006
„Mit Pferden kann man nicht ins Kino gehen“, (B,R,P)
Episode von „Mach doch was du willst – zum Wandel der
Arbeit“ P: Kulturstiftung d. Bundes/KFA Hamburg; arte
Kurzfilmredaktion
Duisburger Filmwoche, Interfilm Berlin, Kurzfilmfest
Münster, Kurzfilmfest Hamburg, Filmfest Kassel,
Steirischer Herbst, im Kino
Kurzdokumentation D 2006/10 min./DV/farbe
2008
„Playgirl“ (K,B,R,P) P: écal Lausanne
Duisburger Filmwoche, Solothurner Filmtage, Sehsüchte
Potsdam, Filmfest Kassel Dokumentation, CH 2008,
26 min. DV/farbe
2009
„Herr Rücker“, dok you!, Pilotprojekt zur Förderung der
Rezeption und Produktion von Dokumentarfilmen für
Kinder, in Koproduktion mit dem WDR
2010
„Die Anden des Ruhrgebiets“, „Zeche is nich – Sieben Blicke
auf das Ruhrgebiet 2010“, Das kleine Fernsehspiel, ZDF
„Frauenwunder oder Monica Vitti ist im Dienstleistungsgewerbe angekommen“, (R, B, P) in Koproduktion mit
der Filmstiftung NRW; Dokumentarfilm, in Produktion,
geplante Länge 80 Minuten
Auszeichnungen
2003
Jurypreis Filmfest Düsseldorf
2004
Publikumspreis Short Cuts Cologne
2006 - 2008
Stipendium der Hartmut und Lohre Schuler-Stiftung,
Wuppertal
2010
Stipendium des AV-Gründerzentrums
59
Film
Mischa Leinkauf
Laudatio
61
60
Ein nackter Mann durchschwimmt mitten im Regierungsviertel die Spree, eine einsame Draisine läuft
in einen U-Bahnhof ein, ein Typ schwingt auf seiner
Schaukel unter einer Brücke: Die Jury freut sich, mit
Mischa Leinkauf einen Filmemacher auszeichnen zu
dürfen, der, mit einem dezidiert filmischen Ansatz
ausgestattet, immer wieder auch die Grenzen zur
Aktionskunst überschreitet. Insbesondere Arbeiten
wie „Die Neonorangene Kuh“, „Grenzgänger“ oder
„Zwischenzeit“, die er gemeinsam mit Matthias
Wermke gedreht hat, dokumentieren Aktionen im
öffentlichen Raum, die die Funktionalität unserer
modernen Gesellschaft gegen den Strich bürsten.
Nur geringe Sinn- und Perspektivverschiebungen
genügen Leinkauf und Wermke, um gewohnte Umgebungen und zur Konvention gereifte Bilder mit
einer meist ins Absurd-Lapidare gehenden Verfremdung zu versehen. Fast scheint es, als verzauberten
sie in ihren meist sehr einfach gehaltenen Filmen die
Wirklichkeit, als hätten sie die Fähigkeit, in der Realität immer auch etwas Irreales zu finden.
Die Neonorangene Kuh
Matthias Wermke/Mischa Leinkauf, 2006
Auf faszinierende Weise überträgt Mischa Leinkauf
diesen Eindruck auf seine Soloarbeiten, die nun nicht
mehr nur Aktion, sondern auch komplexe Erzählung
sind. Sein Film „Zwischen den Stühlen“ etwa beginnt dokumentarisch, es scheint real zu sein, was
wir da sehen: Wir erleben ein modernes Coaching
junger Unternehmer als zunehmend eskalierende
Gruppendynamik im Haifischbecken. Emotionen und
Menschlichkeit werden geopfert auf dem Altar der
Konkurrenz, der Wettbewerb ist gnadenlos. Doch
was real sein könnte, entpuppt sich zunehmend als
irreal: „Zwischen den Stühlen“ ist inszenierter Fake,
eingebettet zwar in die Potenziale unserer Welt, aber
doch durch und durch erfunden.
Mischa Leinkaufs Spiel mit der Wirklichkeit findet
immer wieder zu visionärer Kraft – und das auch
ohne den Einsatz von großen Kamerabühnen und
digitalen Effekten. Sein Blick auf die Welt, den er als
Kameramann wie beim Dokumentarfilm „Anne Perry –
Interiors“ auch schon mal anderen Regisseuren leiht,
lebt vielmehr von der Distanz – eine Distanz, ohne
die sein lapidarer Witz nicht auskäme. Möge ihm der
Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen Ansporn sein, seine filmischen Möglichkeiten weiterhin
derart beherzt auszuloten.
Die Jury
Oliver Baumgarten
Ronald Herzog
Joachim Kühn
Mendiregin Üstünde
Matthias Wermke/Mischa Leinkauf, 2010
Zwischenzeit
Matthias Wermke/Mischa Leinkauf, 2008,
Installation view at MU Art Foundation Eindhoven, 2007
63
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Anne Perry – Interiors
Regie: Dana Linkiewicz, 2009
Trotzdem Danke
Matthias Wermke/Mischa Leinkauf, 2007
Zwischenzeit
Matthias Wermke/Mischa Leinkauf, 2008
Mischa Leinkauf
[email protected]
www.stopmakingsense.de
Graffito
Regie: Rami Hamze, 2009
Vita
Mischa Leinkauf wurde 1977 in Ost-Berlin geboren. /// Nach Abitur und Zivildienst arbeitete er seit 1998 für Filmproduktionen als Regieassistent, Aufnahmeleiter, Produktionsleiter
und Cutter. Er sammelte Erfahrungen bei vielen Spielfilmen, Werbefilmen und Musikvideos.
/// Seit 2003 arbeitet er als Regisseur und Kameramann. Seine Filme behandeln skurrile
Situationen, die auf poetische Weise Irritationen im Alltag erzeugen. Viele seiner mit Preisen
ausgezeichneten Filme liefen auf nationalen und internationalen Filmfestivals und hielten
Einzug in Ausstellungen und Museen von New York bis Japan. /// In seinem Schaffen setzt
er die Schwerpunkte auf performative Regiearbeiten, fiktionale Regiearbeiten und Kameraarbeiten. /// 2005 begann er sein Studium der Filmregie an der Kunsthochschule für
Medien in Köln (KHM). Seitdem lebt und arbeitet Mischa Leinkauf in Köln und Berlin. ///
Sein Film „Trotzdem Danke“ wurde für den Deutschen Kurzfilmpreis 2008 nominiert.
64
Filmografie (Auswahl)
Auszeichnungen
Filmfestivalteilnahmen (Auswahl)
2003 - 2009
Diverse Auftragsarbeiten. Musikvideo, Imagefilm,
Dokumentation, Kinotrailer
2007
Internationales Kurzfilmfestival Hamburg, Publikumspreis
für „Trotzdem Danke“
2006
Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest
2005
„Die Neonorangene Kuh“, Kurzfilm, 6 min, Regie, Kamera,
Schnitt gemeinsam mit Matthias Wermke
2006
„Trotzdem Danke“, Dokumentarfilmfilm, 6 min, Regie,
Kamera, Schnitt gemeinsam mit Matthias Wermke
2008
„Zwischenzeit“, Kurzfilm, 8 min / 3-Kanal-Installation,
17 min, Regie, Kamera, Schnitt gemeinsam mit
Matthias Wermke
„Anne Perry – Interiors“, Dokumentarfilm, 70 min,
Kamera/Regie: Dana Linkiewicz
2009
„Graffito“, inszenierter Dokumentarfilm, 11 min,
Kamera/Regie: Rami Hamze
2010
„Mendiregin Üstünde“, Kurzfilm/2-Kanal-Installation,
8 min / 13 min, Regie, Kamera und Schnitt gemeinsam
mit Matthias Wermke
„Power”, Inszenierte Dokumentation, 29 min,
Regie und Schnitt gemeinsam mit Christina Ebelt
Internationales Kurzfilmfestival Interfilm Berlin,
Publikumspreis für „Trotzdem Danke“
Internationales Filmfestival „Ohne Kohle” Wien, Österreich,
Bester Experimentalfilm „Trotzdem Danke“
International Shortfilmfestival interfilm, Berlin
2007
Berlinale Talent-Campus
Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest
Ausstellungen (Auswahl)
2006
„I want that innocence back“, The Arm, New York City, USA
2007
„we came from beyond” Starter Galerie, Poznan, Polen
„Parallel Moments” Galerie Tarahane Azad, Tehran, Iran
„Open City“ Eyebeam, New York City, USA
Internationales Filmfest La.MeKo Landau,
Beste Performance für „Trotzdem Danke“
Kurzfilmfestival Hamburg
Filmfestival Hannover „up-and-coming”, Bester Nachwuchsfilm, Nominierung für „Trotzdem Danke“
FilmZ Filmfestival, Mainz
2009
„Backjumps Volume#4“, Kunsthaus Kreuzberg Bethanien,
Berlin
exground Filmfest, Wiesbaden
„TAKE A BREATH – ATEM HOLEN”, MKgalerie, Berlin
International Student Media Art Award „Media Art Friesland”
Netherlands, Nominierung für „Die Neonorangene Kuh“
International Shortfilmfestival interfilm, Berlin
Montréal World Film Festival
„Zwischenzeit”, Pixel/ Fast Video, Kopenhagen, Dänemark
2008
Deutscher Kurzfilmpreis, Kategorie Dokumentarfilm,
Nominierung für „Trotzdem Danke“
2008
European Media Art Festival Osnabrück, EMAF
2008
„Dwelling Place”, Hong-Gah Museum, Taipei, Taiwan
Kurzfilmfestival Hamburg
„CAMP Hiroshima”, Bank of Japan, Hiroshima, Japan
Internationales Tabor Film Festival, Kroatien,
Lobende Erwähnung für „Trotzdem Danke“
shortcuts cologne
„Apocalyptic Colors”, Galerie Senn, Wien, Österreich
Asolo ArtFilmFestival, Italy
„Fundamentals”, MU Art Foundation, Eindhoven,
Niederlande
2009
backUp Award, Internationales Filmfestival „backUp”,
Weimar, für „Zwischenzeit“
FBW-Prädikat „Wertvoll” für „Zwischenzeit“
The London Consortium „Betting On Shorts”, London,
Publikumspreis für „Trotzdem Danke“
Festival du Cinema Allemand, Paris, France
„Nachbarn”, Starter Galerie, Poznan, Polen
2009
Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
„Die Neonorangene Kuh”, Pixel/ Fast Video, Kopenhagen,
Dänemark
Kurzfilmfestival Hamburg
„Contemporary Art Migration Project“, CAMP Berlin, Berlin
KunstFilmBiennale Köln
25fps International Short Experimental Film and
Video Festival, Zagreb, Kroatien
Images Contemporary Filmfestival Toronto, Canada
Kinofest Lünen
DOK Leipzig Film Festival
Cork Film Festival Ireland
2010
„Reflections“, Mito Art Foundation, Mito, Japan
„The Nomadic As A Condition“, Stedelijk Museum,
’s-Hertogenbosch, Niederlande
65
Medienkunst
Franziska Windisch
Laudatio
67
66
Franziska Windisch, die als eine der Jüngsten in der
Kandidatenliste einhellig von der Jury zur Preisträgerin einer der beiden Förderpreise des Landes
Nordrhein-Westfalen im Bereich Medienkunst bestimmt wurde, überzeugt durch einen konsequent
eigenständigen und medial vielfältigen, offenen
künstlerischen Ansatz.
Die Absolventin der Kölner KHM, die Musik, Performance, Aktionskunst, Spurensuche und diverse
Formen der Aufzeichnung zu prozessualen Arbeiten
verbindet, ist von einem starken Interesse an Umwelt, Stadt und Gesellschaft geprägt. Als Ausgangspunkt der Recherche dienen ihr zumeist bestimmte
prekäre, das heißt randständige und gefährdete Orte
– etwa der Böschungsstreifen neben einer Autobahn
oder der Platz vor dem ehemaligen Kölner Stadtarchiv. Die Untersuchung unterschiedlicher Räume,
Plätze und Orte rückt historische Fakten ebenso in
den Blickpunkt wie geopolitische, architektonische
und soziale. Dabei interessiert Franziska Windisch
der Ort nicht als fest stehende Ordnung, sondern als
wandelbare Situation.
Noch während des Studiums entwickelte Franziska
Windisch in Zusammenarbeit mit dem Künstlerprojekt „Büro für Unwägbarkeiten“ die sogenannte
unknown places
Video 2009, Videostill
research performance, eine Folge von über einen
längeren Zeitraum durchgeführten Recherchen im
öffentlichen Raum. Neben visuellen und akustischen
Aufnahmegeräten wie Kamera und Rekorder kommen Verortungs- und Navigationspraktiken – etwa
Karten, Satellitenbilder oder Ultraschallsensoren –
zum Einsatz. Franziska Windischs ausgebildetes Bewusstsein für mediale Kriterien belegt auch die sorgfältig in Wort und Bild festgehaltene Dokumentation
der Arbeiten, was deren Charakter als Intervention,
Aktion und Prozess verdeutlicht.
Franziska Windisch bezieht sich gezielt auf künstlerische Praktiken der 1960er und frühen 1970er
Jahre, integriert die aus der Musikszene geläufige
Koope-ration mit anderen Künstlern in ihre Arbeit
und nimmt gleichermaßen auf aktuelle wissenschaftlich-technische Erkenntnisse Bezug. Nach
Ansicht der Jury führt diese eigenständige Kombination zu einem fesselnden und vielversprechenden
künstlerischen Ansatz, zu dessen Anerkennung und
fruchtbarer Weiterentwicklung der Preis anregen und
beitragen will.
Die Jury
Georg Elben
Dr. Doris Krystof
Dr. Sabine Maria Schmidt
walls and lines
Klanginstallation 2009, Installationsansicht
going in a circle I
Performance und Video 2010, Dokumentationsfoto
69
68
boden
Performance und Installation 2009, Dokumentationsfoto
boden
Performance und Installation 2009, Installationsansicht
going in a circle II
Klangperformance und Partitur 2010,
gelochtes Papier
going in a circle I
Performance und Video 2010,
Anweisung auf Papier
Franziska Windisch
Friedrichstraße 7
50676 Köln
[email protected]
Vita
Franziska Windisch wurde 1983 geboren. /// 2007 Austauschsemester Bezalel Academy for Arts and Design, Jerusalem, Israel /// 2009 Gastsemester an der Städelschule Frankfurt a.M (Simon Starling) /// In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit der
Aufzeichnung von Klang, der Bewegung im Raum und Zeit im Sinne von Formalisierung
und Übertragung. Die unterschiedlichen Aspekte dieser Übersetzungspraktiken werden in Klanginstallationen, Konzerten und „research performances“ erforscht. ///
Franziska Windisch lebt und arbeitet in Köln.
70
Ausstellungen
2006
Intro Gallery, Vilnius
Lange Nacht der Museen, KHM, Köln
2007
make art festival, Poitiers
Feldstärke, Zeche Zollverein, Essen
2008
Ars Electronica, Linz
100 steps
Druckserie 2008,
Radierung und
Schwarz-weiß-Druck, Buntstift
Plan08, Köln
Kunstwerk, Köln
2009
Deutschlandfunk, Kunstmeile Süd, Köln
no title (draw a line with water and wait until it disappears)
Video 2008, Videostill
Landschaft 2.0, Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg
Vogelsang Intervention 2009 (CfPP), Vogelsang
2010
glasmoog KHM, Köln (Einzelausstellung)
Ballroom KHM, Art Cologne, Köln
5minutes
Videoperformance 2008, Dokumentationsfoto
71
Medienkunst
Jan Hoeft
Laudatio
72
Streifen
2009
s/w-Fotografie auf Barythpapier
40 x 60 cm
Die künstlerische Position von Jan Hoeft wird durch
drei Werkansätze gekennzeichnet, die sich gegenseitig ergänzen: kurze, ideenreiche Videos, erzählerische Fotografien, in denen leicht zu übersehende
räumliche und situative Besonderheiten festgehalten
werden, und die bildhauerische Konstruktion genau
solcher Situationen. Die Jury hat sich deshalb einhellig für Jan Hoeft als Preisträger einer der beiden
Förderpreise des Landes Nordrhein-Westfalen im
Bereich Medienkunst entschieden, weil sie in seiner
Nutzung der unterschiedlichen künstlerischen Medien Video, Fotografie und Installation eine Vielfalt
erkennt, die eine interessante Weiterentwicklung
erwarten lässt.
Anders liegt der Fall beim Video „Ohne Titel (Auto)“,
weil der Sinn des Dargestellten dort nicht sofort
erkennbar ist. Ein goldbraun-metallicfarbener Golf
steht vor einem Baum – war es ein Unfall? Es passiert zunächst eine Weile gar nichts, bis nach einiger
Zeit schwarze Plastikfolien wie Rauch hinter der
Motorhaube des Wagens hervorquellen – immer und
immer mehr. Schließlich kommt der Künstler selbst
hinter dem Auto hervor, sammelt die Folien ein,
stopft sie ins Auto und fährt weg. Diese Videoperformance als sinnfreier und gleichwohl poetischer Vorgang ruft nicht unmittelbar inhaltliche oder formale
Vorbilder der Kunstgeschichte hervor – und das hört
sich leichter an, als es ist.
Jan Hoeft beobachtet oder konstruiert seine Werke
ohne Umwege, deshalb bestechen sie durch ironischen Witz und analytischen Blick. Das Video
„Field Strip“ zeigt einen Mann, der aus BaumarktMaterialien ein Gerät zusammensetzt, das wie ein
Spielzeuggewehr aussieht. Er führt diese Handlung
in maximaler Geschwindigkeit aus, und da das Video
als Loop gezeigt wird, entsteht ein unendlicher, sinnloser Kreislauf, der zwar an eine präzise soldatische
Leistungsschau erinnert, die Tätigkeit selbst aber
wegen der Heimwerkeratmosphäre ins Lächerliche
zieht.
Eine andere Arbeit verdient es ebenfalls, hervorgehoben zu werden: die Installation „Passage“ aus
dem Jahr 2008, die Hoeft am Kölner Friesenplatz
in einem temporär leerstehenden Haus realisieren
konnte. Hier offenbart sich eine vergleichbare Mischung aus poetisch-hintergründiger Sinnsetzung
und prosaischem Realitätsbezug: Ein aufwendig aus
Holz gezimmerter Verbindungsgang ermöglichte
eine Abkürzung für Vögel, so dass sie nicht mehr um
die Ecke des Gebäudes fliegen mussten, sondern
direkt hindurch gelangen konnten. Es ist nicht dokumetiert, ob ein Vogel diese Konstruktion genutzt hat,
aber mit seinem skulpturalen Eingriff erreichte Jan
Hoeft die Fantasie der Betrachter, und mehr kann
Kunst fast nicht wollen.
Die Jury
Georg Elben
Dr. Doris Krystof
Dr. Sabine Maria Schmidt
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Passage
2008
Installation, OSB-Platten
Field Strip
2009
Video 0:26 min
Ein Mann zerlegt ein Gerät, um es danach sofort wieder zusammenzubauen – Form, Klappmechanismus und die typischen
Geräusche erinnern sofort an ein Gewehr, die hastigen, aber kontrollierten Bewegungen an die Leistungsschau des Soldaten beim
Zerlegen. Das zerlegte Gerät besteht aus einer letztlich sinnlosen
Mechanik, die Bestandteile kennt man aus dem Baumarkt.
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Skulptur im Innenhof der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe
2010
Stahlbeton
Sechseck und zwei Dreiecke
2010
Holz, Spannverschlüsse, PCV-Banner, Expanderseile
Jan Hoeft
Rathenauplatz 35
50674 Köln
[email protected]
www.janhoeft.de
Vita
Schnee
2008
Farbfotografie
30 x 40 cm
geboren 1981 /// 2000 - 2006 Universität Karlsruhe (TH) /// 2004 Universitiy
of Cambridge /// 2004 - 2005 Università degli Studi Roma Tre /// 2005 - 2006
Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe /// seit 2006 Kunsthochschule für Medien
Köln bei Johannes Wohnseifer und Mischa Kuball /// 2009 Staatliche Akademie
der Bildenden Künste Karlsruhe bei John Bock
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Ausstellungen
2008
plan08, Köln
oltre i murales, San Spreate (Italien)
Kompressor, Halle 15, Köln
HaueHaueAuaAua, Raumkalk, Köln
WCM OPEN 08, WCM, Heidenheim
Sonderschau der KHM, Art Cologne, Köln
Große Kunstausstellung NRW, Kunstforum, Düsseldorf
MinusEins, Experimentallabor der KHM, Köln
2009
Das Augenblickliche Paradies, Kulturstation 9,
Bernsdorf/Zeißholz
Along the Rhine, Salon des Amateurs, Düsseldorf
OFF, Oblò Film Festival, Lausanne (Schweiz)
Bocks bei Brenners im Graben, Kunstakademie, Stuttgart
Bilderschlachten, Dominikanerkirche, Osnabrück
Videonale Rahmenprogramm, Kunstmuseum, Bonn
2010
Köln <—> München, Projektraum Vorschau, München
Köln <—> München, Studiogalerie der KHM, Köln
BLEK #2, Leipzig/Köln
Close to Home, Karlsruhe
Art Campus , Art Cologne, Köln
Offensive und Defensive
2010
Holz, Stahl, Video
Neueröffnung, Echoraum der Bundeskunsthalle, Bonn
Dinge gegen Dinge, ENORM, Köln
Ideenbilder, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen,
Düsseldorf
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Architektur
bk2a architektur
Laudatio
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Das 2006 von Sonja Becker und Rüdiger Karzel
gegründete Büro bk2a architektur zeigt ein beeindruckendes, breit gefächertes Oeuvre. Das Büro
zeichnet sich durch einen interdisziplinären Ansatz
und vielfältige Tätigkeitsschwerpunkte aus. Ihr Werk
beinhaltet sowohl kleinere Baumaßnahmen wie
Einfamilienhäuser als auch interdisziplinäre Forschungsprojekte und zahlreiche Preise bei internationalen Wettbewerben.
Die Arbeiten von Sonja Becker und Rüdiger Karzel
überzeugen durch ihren sensiblen Umgang mit
Raum und Material wie zum Beispiel bei der Revitalisierung einer historischen Scheune in der Eifel.
Durch präzise gesetzte, minimale Ergänzungen wird
das vorhandene räumliche Gefüge zu einem neuen
Raum komplettiert, der durch seine Ruhe und Klarheit eine eigene sakrale Stimmung erzeugt.
Auch das umgebaute Haus H wird durch gezielte
subtile Eingriffe in ein neues räumliches Gefüge mit
hohen Raumqualitäten transformiert.
Neben klassischen Architekturprojekten ist ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt des Büros der Bereich
Technologie und Forschung. Zahlreiche Forschungsprojekte zu unterschiedlichen Themen erarbeitet das
Büro zum Teil in interdisziplinären Kooperationen.
Das Projekt openOffice stellt einen interessanten
zeitgemäßen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit in
der Architektur dar.
Das vielschichtige kreative Werk von Sonja Becker
und Rüdiger Karzel beinhaltet ein hohes Maß an
Innovation und lässt noch vieles erwarten.
Die Jury
Prof. Dörte Gatermann
Prof. Ulrich Königs
Prof. Annette Paul
Atelier HB, Revitalisierung eines historischen Kleinbaus, Weibern
Realisierung: 2008 -2009
Das Objekt liegt in der historischen Ortsmitte des Eifeldorfes Weibern. Der Tuffsteinbau trägt entscheidend zur Atmosphäre des Privatgartens und des zukünftigen Gemeindeplatzes bei. Drei bestehende
Außenwände aus massivem Tuffsteinmauerwerk werden durch eine 6 Meter hohe Wand in BetonTuffstein-Verbundbauweise ergänzt. Die Wand ist von 150 massiven Glaskernen durchsetzt, die eine
sakrale Lichtstimmung im Innenraum erzeugen. Der öffentliche Platzraum erhält eine neue Raumkante und wird in den Abendstunden durch die schimmernden Glaskerne belebt. Durch eine minimale
Ergänzung wird ein nachhaltiger Beitrag für den Eigentümer und die Dorfgemeinde erzielt.
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Haus H, Raum mit Domsicht, Bonn
Realisierung: 2006 -2007
Wunsch der Bauherrschaft ist ein energetisch optimierter
Gebäudestandard und eine Reorganisation der Wohnflächen
mit Ausbau des Dachgeschosses. Ziel ist, den von der Ebene
+2 möglichen Blick Richtung Rheinebene und Kölner Dom
zu inszenieren. Das Konzept arbeitet mit subtilen Eingriffen
in die Substanz und deutlichem Ausdruck des hinzugefügten
Volumens. In der Dachebene wird ein neues Raumgefühl
erlebbar.
Ausgezeichnet mit: Landespreis für Architektur, Wohnungsund Städtebau Nordrhein-Westfalen 2008 – „Energieeffizientes Bauen für die Zukunft“
bk2a architektur
Düppelstrasse 23
50679 Köln
[email protected]
www.bk2a.de
Profil
Sonja Becker und Rüdiger Karzel absolvierten das Architekturstudium
an der RWTH Aachen mit Studienaufenthalten in den USA und Frankreich. 2001 folgte ein Masterstudiengang in computergestützter
Planungs- und Produktionstechnologie an der ETH Zürich. Praktische
Erfahrung sammelten Sonja Becker und Rüdiger Karzel in renommierten
Büros in Bonn, Düsseldorf, Köln und Zürich. /// Nach vierjährigem Aufenthalt in der Schweiz und einem Studium der Unternehmensführung an
der Universität Zürich wurde 2006 das Architekturbüro bk2a gegründet.
/// Die Arbeitsschwerpunkte sind Hochbauplanung, Altbaurevitalisierung, energetische Optimierung und strategische Projektentwicklung.
bk2a arbeiten in interdisziplinären Teams und integrieren neue bautechnologische Erkenntnisse zu gestalterisch und energetisch nachhaltigen Gebäuden. /// Seit 2006 lehrt und forscht Rüdiger Karzel begleitend zu seiner freiberuflichen Tätigkeit an der Technischen Universität
Darmstadt.
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Auszeichnungen
Projekte
2006
AIV KölnBonn Preis, Projekt „Köln – der Rhein als Mitte“
mit einem 1. Preis ausgezeichnet
2006 - 2007
Haus H, Raum mit Domsicht, Bonn
2007
Deutscher Bauforschungspreis
2. Preis im Wettbewerb „Auf IT gebaut“
mit dem strategischen Konzept „Makler 2.0“
Wettbewerbsgewinn „openOffice“: Der Siegerentwurf,
ein energieautarkes, mobiles Bürogebäude, wird zurzeit
auf dem Zollvereinareal in Essen realisiert.
2008
Landespreis für Architektur – „Energieeffizientes Bauen
für die Zukunft“ für Haus H
openOffice, Energieautarker Experimentalbau
auf dem Zollvereinareal, Essen
Wettbewerb: 2008, Realisierung: 2010
Das Projekt entwickelt ein energieautarkes, mobiles Bürogebäude
für junge Gründerfirmen. Die Konstruktionseffizienz modularer
Bauten, eine nachhaltige Gebäudehülle sowie eine energetisch
sinnvolle Gebäudetechnik bestimmen den Entwurf. „openOffice“
ist ein Projekt der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 und kann auf dem
Zollvereinareal bis Ende 2011 besichtigt werden.
Ausgezeichnet mit: 1. Preis im zweistufigen internationalen Wettbewerb (mobile working spaces) der Stiftung Zollverein aus dem
Jahr 2008 – mit Alexander Dasic und Tim Waidelich
2007 - 2008
Haus TL, Neubau eines Einfamilienhauses, Bonn,
2008 - 2009
Atelier HB, Revitalisierung eines historischen Kleinbaus,
Weibern
2008 - 2010
„openOffice“, Energieautarker Experimentalbau auf dem
Zollvereinareal, Essen, Wettbewerb: 2008, Realisierung:
2010, ein Projekt der Kulturhauptstadt Ruhr.2010
2009
Haus S2, Neubau eines Einfamilienhauses, Bonn
2010 - 2011
Landmarke Angerpark, „Tiger & Turtle – Magic Mountain“,
begehbare Großskulptur, Stadt Duisburg in Zusammenarbeit mit Sonja Becker + Rüdiger Karzel
Landmarke Angerpark ist ein Projekt
der Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010
2011
Neues Bootshaus, Wohnen mit Rheinblick, Neuss
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Architektur
Sascha Glasl
Laudatio
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ökologischer und ökonomischer Zyklus
Water voor wonen in Zusammenarbeit mit Tjeerd J. Haccou
Ideenwettbewerb der Provinz Nordholland: Bis 2040 sollen 200.000 neue Häuser geschaffen werden, gleichzeitig waren 2000 ha sichtbare
Wasserfläche als Puffer bei Hochwasser gefordert. Das Konzept der Architekten war, diese beiden unabhängigen Aufgaben miteinander zu verbinden, um aus beiden Problemen einen Mehrwert zu schaffen. Das Prinzip, welches dem Projekt zu Grunde liegt, gibt den heutigen Landwirten, die
in kommender Zukunft ihr Land an größere Betriebe verkaufen werden, das Recht, bei selbständiger Errichtung eines Wasserkanals hinter ihrem
bebaubaren Land schwimmende Wohnungen zu entwickeln. Dies führt zu neuen Nebeneinnahmen und ermöglicht eine vitale Gemeinschaft.
Durch den Bau neuer autarker Wohnungen kann sowohl ein wirtschaftlicher als auch ökologischer Kreislauf ins Leben gerufen werden. Durch ein
vorsichtiges Einbetten dieser Wohnungen in die authentische Landschaft Nordhollands können die Kernqualitäten (weite Sicht) bewahrt werden.
Bereits während des Studiums hat Sascha Glasl
seine Architektur über die Grenzen zu deren Nachbardisziplinen hinaus definiert. Animationen, Filme,
Designstudien und Installationen begleiten wie
selbstverständlich den ursprünglich als Bauzeichner
ausgebildeten Architekturstudenten. Eine Reihe von
Preisen, Nominierungen und ein Stipendium im Verlauf seines Studiums zeigen frühzeitig, dass Sascha
Glasl über ein außerordentliches Talent verfügt.
Seine Bürogründung mit zwei weiteren Architekten
in den Niederlanden führt zu einer Professionalisierung seiner Arbeitsweise, es gelingt ihm dennoch die
für ihn typische Unkonventionalität beizubehalten.
Die jüngeren Projekte als freiberuflicher Architekt
weisen in eine spannende und förderungswürdige
Richtung. Erste Realisationen schaffen einen selbstsicheren Spagat zwischen pragmatischem Realismus und künstlerisch-kultureller Relevanz.
Gerade die neueren Projekte zeigen, dass sich soziale und kulturelle Verantwortung im Handeln und
künstlerische Ausdruckstärke nicht widersprechen
müssen.
Der schwierige Weg von Sascha Glasl, nämlich in
kleinen Schritten Selbständigkeit zu wagen ohne das
große Ganze aus dem Blick zu verlieren, verdient Respekt und Anerkennung.
Die Jury
Prof. Dörte Gatermann
Prof. Ulrich Königs
Prof. Annette Paul
Water voor wonen
Entwicklungsstrategie
vorgegebener Baukörper
öffentlicher Raum verbindet sich
als abgetreppte Spirale mit dem Gebäude
angepasster Baukörper
gespendete Erinnerungen
Installation Amsterdam Biennale 2009
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In-SPIRE
in Zusammenarbeit mit Tjeerd J. Haccou
Institute for Sustainable Product Innovations and Research Exchange. Der Stadtteil Buiksloterham am Ij-Ufer in Amsterdam wird in den kommenden
25 Jahren durch eine Bottom-up-Planung von einem Industriegebiet zu einem Wohn- und Büroquartier entwickelt. Die Gemeinde möchte hier ein
Quartier für nachhaltiges Bauen schaffen. Um diese Entwicklung zu stimulieren, wurde ein Inkubator entworfen, der am Anfang dieser Stadtentwicklung zum Inspirationszentrum zukünftiger Bauherren und als Kooperationscluster für Firmen nachhaltiger Produkte dient. So können Startups und größere Firmen auf zu bebauenden Bauflächen ihre gemeinsam entwickelten Pilotprojekte realisieren. Diese bilden wiederum eine Art
Bauausstellung und ziehen potenzielle Bauherren an. Besucher können sich im In-SPIRE-Gebäude inspirieren und beraten lassen. Durch einen
gesunden Wechsel an neuen Start- up Firmen werden die hohen Ambitionen der Gemeinde stetig gewährleistet. Neben dem Firmencluster finden
auch ein TIY (Try It Yourself) Hotel, ein Ausstellungsraum im Erdgeschoss, ein Restaurant und ein Konferenzraum im Gebäude Platz. Durch das
In-SPIRE wird Buiksloterham ein auf Gemeinschaftsinitiative basiertes Nachhaltigkeitsquartier.
Ein deutscher Pavillon
Wie kann man durch eine räumliche Installation ein wahres Bild Deutschlands vermitteln? Zu dieser Fragestellung will das Projekt „Ein
deutscher Pavillon“ einen konstruktiven Vorschlag machen. Diese, der Weltausstellung 2010 vorgeschaltete Installation soll dazu dienen,
das architektonische Potenzial der Identitätsbildung auszuschöpfen, um in China ein „echtes“ Bild Deutschlands wieder zu spiegeln.
Deutschlands Bild und Deutschlands Selbstbild wandeln sich stetig. Durch das allmähliche Ableben der letzten Kriegsgeneration und die
Wiedervereinigung hat sich das Nationalbewusstsein der Deutschen stark verändert. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 hat gezeigt, dass
ein unverkrampftes Selbstbild in Deutschland möglich ist. Wie stellt man demnach die deutsche Nation durch das Medium Architektur dar
und wie können ihre Identität und das neue Wir-Gefühl verkörpert werden?
Sascha Glasl
Kraanspoor 36
1033 SE Amsterdam, Niederlande
[email protected]
www.spaceandmatter.nl
gewöhnliche Verteilung Schränke
Vita
1977 geboren in Frechen /// 1998 - 2000 Ausbildung zum Bauzeichner ///
2001 - 2007 Architekturstudium RWTH Aachen, Diplom mit Auszeichnung ///
2002 - 2003 Praktikum Architekturbüro BeL, Anne Julchen Bernhardt & Jörg
Leeser, Köln /// 2003 Praktikum Architekturbüro LCM/Fernando Romero,
Mexiko Stadt /// 2005 - 2006 Auslandssemester an der Film & Animationsschule 9 Zeros in Barcelona /// 2006 Freiberufler bei Kada Wittfeld Architektur,
Aachen /// 2007 Mitgründung der research platform WISE an der RWTH Aachen
(in Zusammenarbeit mit Marc Frohn) /// 2007 - 2009 Projektleiter bei One Architecture in Amsterdam /// 2009 Kunstprojekt innerhalb eines sechsmonatigen
Aufenthalts in Los Angeles (in Zusammenarbeit mit Marc Frohn), gefördert durch
die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen /// 2009 Gründung space&matter (Office
for architecture, urban strategies and concept development) in Amsterdam (zusammen mit Tjeerd Haccou und Marthijn Pool)
Gesamtmöbelstück
im Treppenauge
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Löcher zur Blickverbindung
Materialisierung
Postjeskade
in Zusammenarbeit
mit Tjeerd Haccou
Die Bauherren dieses Projektes
haben eine dreigeschossige
Wohnung in einem Haus
im Stil der „Amsterdamer
Schule“ erworben. Für diese
Wohnung wurden Abstellfläche
und Schränke entworfen. Da
die gewöhnliche Anordnung
von Schränken viel Platz in
Anspruch nimmt, war der
Vorschlag, alle Möbel zu
einem Gesamtmöbelstück
zusammenzufassen und im
Treppenauge zu positionieren.
Somit wird dieses Objekt vom
Eingang in die Wohnung bis
zum Schlafzimmer räumlich
erfahrbar. Durch die vertikal
angeordneten Funktionen wie
Schlüsselfach, Schuhfach,
Kamin, Weinregal, Bücherschrank und Kleiderschrank
wird die Treppe von der Verkehrsfläche zur nutzbaren
Fläche umfunktioniert.
Ausstellungen
2007
Kunsthaus Graz: Knowledge Building, mind(21)factory
Veröffentlichungen
2004
Design Report
2008
Avecom Arnhem: It´s all in the game, Collaboration I
(in Zusammenarbeit mit Marc Frohn)
2009
Nominierung, Archiprix International
1. Preis, Städtebau/Architekturwettbewerb in Nordholland:
Droom.NH (in Zusammenarbeit mit Tjeerd Haccou)
2009
Architekturzentrum Hoorn & Den Helder, NL: Water voor
wonen
(in Zusammenarbeit mit Tjeerd Haccou)
2010
Engere Wahl, Europan 2010: Voor(t)zet, Bloemenkoolwijk
Den Haag (in Zusammenarbeit mit Tjeerd Haccou und
Marthijn Pool)
Amsterdam Biennale: Ein Deutscher Pavillon
Universität Montevideo: Archiprix International, German
Expo pavilion 2010
Jahresstipendium für Architekten, Fonds BKVB in Holland
(Fonds voor Beeldende kunst vormgeving en bouwkunst)
2010
NAI, Rotterdam: Europan 10, Voor(t)zet
Westarch Ausstellung im Ludwig Forum in Aachen
Roots- Ausstellung, Schunck, Glaspaleis in Heerlen, NL
Projekte
Wettbewerbe aktuell
2006
DBZ Deutsche Bauzeitschrift
Bauwelt 14/06
2007
Volume#13, Ambition: 2008 Abitare 01
2009
Mark Magazine
Scape
2010
Publicatie Europan 10
De Architect
Landes Nordrhein-Westfalen zum Bearbeiten eines
Kunstprojektes in Los Angeles, CA, USA
(in Zusammenarbeit mit Marc Frohn)
Auszeichnungen
2004
1. Preis, Renault Traffic Design Award
(in Zusammenarbeit mit Jochen Specht)
2005
1. Preis, Architektur Internet Preis
2007
Nominierung, Euregionaler Architektur Preis
2008
Auszeichnung des Diploms
mit der Springorum Denkmünze (RWTH Aachen)
Individuelles Auslandsstipendium der Staatskanzlei des
2009
„Water voor wonen“, in Zusammenarbeit
mit Tjeerd J. Haccou, Ideenwettbewerb der Provinz
Nordholland
„In-SPIRE“, in Zusammenarbeit mit Tjeerd J. Haccou,
Institute for Sustainable Product Innovations and Research
Exchange
„Ein deutscher Pavillon“, Installation zur Weltausstellung
EXPO 2010 in Shanghai
2009 - 2010
„Postjeskade“, in Zusammenarbeit mit Tjeerd Haccou,
Entwurf von Abstellflächen und Schränken für eine
dreigeschossige Wohnung in Amsterdam
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Herausgeber
Ministerium für Familie, Kinder,
Jugend, Kultur und Sport
des Landes Nordrhein-Westfalen
40190 Düsseldorf
© 2010
Gestaltung und Redaktion
serres, design.
www.serres-design.de
Produktion und Druck
Buersche Druckerei
Neufang KG, Gelsenkirchen
Diese Broschüre kann kostenfrei bestellt werden:
Gemeinnützige Werkstätten Neuss GmbH
unter der Mail-Adresse [email protected]
Bitte geben Sie die Publikationsnummer K026 an.
Telefonisch beim Bürger- und ServiceCenter
des Landes Nordrhein-Westfalen
Telefon 01803 100 110
9 Cent/Minute aus dem deutschen Festnetz,
abweichende Preise für Mobilfunkteilnehmer
Titelmotive:
Vorderseite: S. 66, 28, 34
Rückseite: S. 84, 14, 42
Das Copyright für alle Abbildungen liegt,
sofern nicht anders angegeben, bei den Künstlern.
Kultur in NRW Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler 2010
Bruck am Boden singt so leise wie Monk spielt.
Kultur in NRW
Der Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
für junge Künstlerinnen und Künstler 2010
www.nrw.de
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