Oscar W. Gabriel Zerlall der Parteiidentifikation Krise der Volksparteien? - 1. Problemaufrißl) Im Prozeß der politischen Willensbildung, der Beschaffung von Unterstützung für die amtierende politische Fuhrung und der demokraUsehen legitimation politischer Herrschaft nehmen die Parteien In nahezu allen westlichen Demokralien eine Schlüsselstellung ein. Fraenkel (1958) charakterisiert die Parteien als die pleblSlllare Komponente Im demokratischen Verlassungsslaal. Das bundesdeutsche Partelengesetz schreibt die demokratische Willensbildungsund VermittlungsfunktIOn der Partien Instrtutlonell les!. Indem es ihnen unter anderem die Aufgabe ZuweiSt, ~lü r eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen zu sorgen" (§ 2). Aufgrund der exponierten Stellung der poliliSchen Parteien bezeichnet man die westeuropäischen Demokrallen zu Recht als Partelendemokrat~. Oscar W Gat:xlel. PrivatOOzenI und Akademischer 0bemlJ am Insfltu/ !ur PoIdikwfssenschafr der UntvefS/lal Mamz. gebOten am /1 Juli /947 $/udJum der PolitikWISsenschalt VolfS\W1schafrsJehle. SozIOlogIe und Geschichte an den UmversltiJten Mamz und HlJmbuTg /972 DIpkxn Im Fach Pot./lJm1ssensc/lafr an der UniverSJlal Hamburg /975 Promo(IOn zum Dr ,er pol an der UniverS/tat HamOOrg_ '983 Habi/JJa/1Of1 tur das FaCh POIIflkwr$Sen' schaft an der UmvefSitat Mamz Atbeltsgebele Theooe lJfl(/ MeIhOderI der empnschen PolitikWIssenschaft. Pobtsscl'l8 5oZJOIoyI8 westlicher Demokral/efl. IlIsbescndere der Bundesrepubbk. KOITIfTItKIa/polJfik Die hervorgehobene verfassungs rechtliche und -politische POSItion der Parteien bringt nahezu zwangslauhg Kontroversen über Ihre Aktivitäten und ihre Leistungen mit sich. Insbesondere sert der Mille der sechztger Jahre häufen sich dre Analysen. In denen von mehr oder weniger gravierenden Funkhonsdeflzlten oder gar von einer Legrtrmatronskrise der Parteiendemokrahe die Rede ist Erst kürzlich erschienen Wieder zwei Veröffentlichungen. deren Titel die The~ von der Knse der Parteien aufnimmt _ einmal mit und einmal ohne Fragezeichen (vgl von Krockow, Lösche 1986; Haungs. Jesse 1987). schwache die Legltlmllät und Integrallonsfährgkelt der etablierten politischen Organisationen und Institutionen (vgl. z.B. Ingleh8rt 1971; 1919; Klages 1984). In diesem Sinne behauptet Raschke (1982: 10) .Neue soziale Bewegungen betreten die politische Bühne (nach der Studentenbewegung u.a. dIe Anti-AKW-, die Ökologie-. Frauen-. Alternativ· und Frredensbewegung). Überhaupt avanCiert die Jugend zum Trager pohuscher Unruhe. Diese bleibt zwar auf Teile der Jugend beschränkl, verunsichert aber auch viele Ältere und verrät mögliche Zukunft. In der GesamlbevÖlkerung wachst die SkepSIS, die Parteien seien in der Lage. die drängenden Oder schwierigen Gegenwarts- und Zukunftsaulgaben (...) zu lösen, das Vertrauen in die Parteien zeigt Brüche." Auch das Ergebnis der BundeslagswahI1987. das einen neuerlichen Rückgang der Wahlbeteiligung und Stimmenverluste für die beiden großen Parteien brachte, schelnl die These von der nachlassenden Integrahonskraft der Volkspartei traditionellen Typs zu stützen (vgl. Feist, Liepelf 1981). Als Träger des behauptelen Desinlegrallonsprozesses betrachtet man überwiegend die junge Generation. insbesondere die Bevölkerrngsgruppen mit einer hohen fOfmalen Bildung und alternatlv-poslmaterrallstlschen WenOflen\lerungen. Für die Bundesrepublik wurde die These vom "Zerfall der Partel8ndemokratie bislang jedoch empinsch nicht überzeugend belegt, obgleich etlIChe Daten zur Integration der Bürger durch die politischen Parteien vorliegen (vgl. z. B. Gabrie/I987; Kfingemann 1986). Diese Untersuchung beZieht SIch auf eInen Aspekt der Beziehungen zwischen den Bürgern und den politischen Parteien, der sich für eine kntlsche Analyse der Integrationsfähigkeit des Parteiensystems besonders gut etgnet, dIe EntWIcklung der Parteiidentilikation in der Bundesrepubhk. Besondere Beachtung findet dabei die Frage, ob sich im Untersuchten generationsspeztfische Muster der Parteiidenlilikation feststellen lassen. U 2. Das Konzept der Parteiidentffikation: Sein theoretischer Status und seine Brauchbarkeit für die Analyse der Beziehung zwischen den Bürgern und dem politischen System Die Parteiidentrflkation gehört zu den Wichtigsten Konzepten In der empirischen Parteien forschung. Es wurde Im Rahmen der wahlSOZIologischen Arbeiten der Ann-Arbor-Schule entWICkelt und haUe ursprünglich die Funktion. die Stabilität des US-amerikanischen Parteien systems zu erklären. Falter (1911: 411) bezeichnet die Parteildentilikatlon als "eine Art Die Molive der Parteienknlik welsen eine betrachtliche Bandbreite auf. In neueren ArbeIten allerdings rückt ein Begründungsmuster immer starker In den Vordergrund, das die Abkehr eines wachsenden Teiles der Bürger westlicher Demokratien von den Parteien auf einen generaltOnsspezIfischen Wandel politischer Einstellungen. Wertorienlierungen und Verhaltensmuster zurückführt. Dieser Vorgang 'j 018" cheSeITI Arlllle! benuIl1en Daten wurden..-om ZENTRALARCHIV FUR EMPIRISCHE SOZIALFORSCHUNG 001 UnrverSital zu KOin rugangbctl gemach! $oe wu-den von 001 FOfschungsg<uppe Wal\lcn eV Maonnetm efhOOen ...-.cI..-om ZENTRALARCHIV fUR EMPIRISCHE SOZlAlFOASCHUNG (ZAjlur die AnatySe aulberedel UIld dokl.6llefltoert Wedel' die PrmartOfschet nocn CiS ZentralarchIV tragen lfgendetne VeranlWOl1lJ"lgtur die Analyse I.I'ld Inlerprelalo011 der Daten" doesem Be~rag t6t langfristig wirkSame affektive Bindung des einzelnen a~ ei~e Partei". Noch deutlicher wird die Bedeutung des Begriffs In Converse's ( 1969: 144) Darstellung der Parteiidentilikalion als ~psychische Paneinitgliedschaft". Wie sich eine Person beim Eintritt in eine Gruppe bis zu einem gewissen Grade die dort herrschenden vorstellungen aneignet, übernimmt sie bei der Ausbildung der Parteiidentifikation parteispezifische Werte und Normen (Gluchowski 1978: 265 ff.: Miller 1976: 22). Da Werte im individuellen Orientierungssystem eine zentrale Stellung einnehmen und da die Parteiidentifikation Wertübereil'"lstimmungen ZVoischen dem Individuum und der betreffenden Partei impliziert, beeinflußt sie die Wahrnehmung und Bewertung zahlreicher politischer Objekte. Sie wirkt nach Falter (1977: 478) ~als eine Art Leuchtfeuer auf poI~ischerSee". Im Vergleich m~ anderen Elementen des individueUen Orientierungssystems ist sie stabiler, allgemeiner, dauerhafter, fester im Persönlichkeitssystem verankert und unabhängiger von den jeweils vorherrschenden polnischen Ratvnenbedingungen. Individuen, die einmal eine solch dauerhatte Bindung an eine politische Partei erworben haben, tendieren dazu, diese auch unter sich verändernden politischen Verhältnissen beizubehalten und sie nur bei ganz einschneidenden Ereignissen aufzugeben. Selbst Aegimewechsel und die dam~ verbundenen Umstrukturierungen des Parteiensystems, wie sie in Deutschland während der letzten hundert Jahre mehrfach auftraten, heben eine einmal entstandene Bindung an eine ParteifOfmalion nicht auf, sofem die organisatorischen Voraussetzungen für ihren Fortbestand oder ihren Transfer aul eine Nachfolgepartei bestehen (vgl. z. B. Allerbeck 1971· 129 ff.). Abramson (1983: 72 ff.) schreibt der Parteiidentifikatlon vier Funktionen für das Individuum und für das politische System zu: 1. Sie trägt zur individuellen Meinungsbildung bei und stärkt som~ die politische Urteilsfähigkeit; 2. sie beeinflußt die Wahlentscheidung von Individuen und die Verteilung der Stimmen in der GesamtwähJerschafl; 3. sie fördert die individuelle Teilnahme an der Politik und das Niveau po!~iSCher Partizipation in der Gesamtgesellschaft, und 4. sie schützt das Parteiensystem gegen das Aufkommen neuer politischer Kräfte und stabilisiert auf diese Weise das gesamte politische System. Bislang beschäftigte sich die empirische Forschung vornehmlich mit dem Einfluß der Parteiidentifikation auf die individuelle Wahlenischeidung und auf die Stimmenverteilung in der Gesamlwählerschaft. Man behandelte sie in diesem ~ u5:3mmen~"Q als eine langfristig stabile politische OnentJerung, die Sich aus den in einer Gesellschaft vorhandenen Konflikllinien ergibt und im Normalfa!1e über den Ausgang del110kratischer Wahlen entscheidet. Abweichungen des Wahlergebnisses vom vorherrschenden Muster der Partei identifikation führte man vornehmlich auf kurzfristig wirksame BestimmungsfaktOfen der Wahlentscheidung: insbesondere auf die Einstellung der Wähler zu den Kandidaten und 2ur Problemlösungsfähigkeit der Parteien 2urück(vgl. Campbellu.a 1960; 1966). ' tm Hinblick auf die Kontroverse über die behauptete Krise ~er ~art~endemo~~alie kommt der AMahme, die ParteiIde~t~k.B.~lOn. der Burger trage wesentlich 2ur Stabil~äl und Leglhmilat eines politischen Systems bei, eine besondere 162 Bedeutung zu. Wie Kaase ( 1979: 329 ft.. bes. 330) ausführt jst die Parteiidentllikation auch ein theoretisch gut veran: kertes Konzept, mit dem die politiSChe Stabilität vieler ParteI. ensysteme in westlichen Demokratien miterklärt werden kann. Oie Argumentationskette zu tetzterem Punkt ist gradlin~ und ve~läuft Wie 101.gl: Eine psychische Bindung der Burger an eine der etablierten Systemparteien dient als ein Puffer gegenüber temporären Output schwächen des Sy_ stems; sie erhöht den Glauben an dessen legitimität (. .. ) durch subjektiv wahrgenommene Vertretung der eigenen Interessen und verhindert unmittelbare Enlfremdungsreak_ tionen~ (vgl. auch Budge, Crewe, Fairlie 1976: 3; Gluchowski 7983: 443. 4 73 ~). Oie Bedeutung der Parteiidentifikation als Indikator der Systemunterslützung ergibt SIch aus den aggregatlven und integrativen Funktionen der Parteien. In einer funktlonsfähi. gen Demokratie erfüllen die polilischen Parteien nämlich nicht allein die Aufgabe, politische Konflikte zu kanalisieren und Unterstützung lür die eigenen Kandidaten und Programme zu mobilisieren, sondern sie sollten sich auch um die Einbindung ihrer Anhänger In das Gesamtsystem bemühen und auf diese Welse zur Unterstützung des pot~l­ schen Regimes und der po1ilischen Gemeinschalt beitragen (ausführlicher hierzu: Gabriel 7988). Unter diesem Gesichtspunkt betrifft der behauptete Rückgang der ParteiIdentifikation in westlichen Demokratien nicht nur die Beziehung der Bürger zu den Parteien. sondern darüber hinaus die Funktionslähigkeit des demokratischen Syslems. 3. Die Enlwicklung der Par1elldentlflkatlon In der BRD zwischen 1972 und 1986 Die Brauchbarkeit des Konzepts der Parteiidentifikation war außerhalb der besonderen Bedingungen der US-amerikanisehen Politik zunächst umstritten (vgl. die Sammlung kritischer Beiträge bei Budge, Crewe und Fair/ie 1976). Zwischenzeitlich scheint sich jedoch die Auffassung durchgesetzt zu haben, daß auch in der BundesrepubJik eine sinnvolle Anwendung des Kon2epts möglich ist. Seit dem Jahre 1972 enthalten die MannheimerWahlsludien regelmäßig im gleichen Wortlaut formulierte Fragen nach der Richlungund der Intensität der Parteiidentifikation, die sich in bislang durchgeführten Untersuchungen als verläßliche und gültige Meßinstrumente bewährten (vg1. hierzu: Falter 1977; Gluchowski 7978: Norpoth 1978:genauere Angaben in Tabelle 1). Die für die Bundesrepubtik vorliegenden Daten zur Parteiidentifikation erfassen einen kürzeren Zeitraum als die vergleichbaren US-amerikanischen Studien. und sie decken dIe Konzentrationsphase des bundesdeutschen Parteiensystems zwischen 1949 und 1961 nicht ab.2 ) Dennoch informieren sie über einen interessanten Abschnitt in der Entwicklung der Beziehung der Bürger 2U den politischen Parteien. Wie die Wahlbeteiligung, der Stimmenanteil der etabtierten Parteien bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen und die Entwicktung der MitglIederzahl der Parteien indizieren. erreichte die Integrationsfähigkeil des deutschen Parteiensystems In den Jahren 1972 und 1976 1) o.esgdlauchn.rdle\argeffnstlgangelegieAna!ysederPa~rmHille von ~1tMeskaIomelem. doe Bake!". 0aII0n l.I1CI tiIIdeDrafldI (1981 201 ff ) YOr1egen lkId die 116 lertral,nll961 bcs 1972 m gro6etI '"' gaNetI ere z~ der Parte!syrnpalhle. Desondef$ der SPQ-Sympalhle. nacn--,o.oersl oen ihren bisherigen Höhepunkt Aus heutiger Sicht scheint der langfristig nur 1969 unterbrochene Prozeß der Konzentration des Parteiensystems 1980 vorläulig zum Stillstand gekommen zu sein. Mit dem Einzug der GRÜNEN in den Bundestag und den Stimmenverlusten der großen Parteien bei der Bundestagswahl 1987 wurde der Wandel in den Beziehungen der Bürger zu den Parteien auch im politischen Verhallen und im politischen Prozeß sichtbar (vgl. Feisl. Liepell 1987). Noch deutricher zeigt sich die VeränderlXlg in den Einstellungen der Bundesbürger zu den politischen Parteien. Nach einer Phase relativer Stabilität in den Jahren 1972 bis 1980 ging die Parteiidentifikation zwischen 1980 und 1986 zwar nicht dramatisch. aber klar erkennbar zurück. Dies läßt sich zunäChst am steigenden Anteil parteipohtisch ungebundener Befragter ablesen, der sich zwischen 1980 (14 %) und 1986 (29%) verdoppelte. Zur Gruppe der nur schwach durch die Parteien integrierten Personen muß man wohl auch die Antwortverweigerer und Meinungslosen sowie die Anhänger der übrigen Parteien (NPD. OKP. GRÜNE) zählen. Erstere machten ZWIschen sechs und zehn Prozent aus. Die sonstigen Parteien spielten von 1972 bis 1980 zahlenmäßig keine Rolle, 1986 übertraf ihr Anteil deuUich den der FDP. TabeUe 1: Parteiidentifikation in der Bundesrepublik Deutschland, 1972 bis 1986 (Angaben: Prozentpunkte) Oie nachlassende Integrationskraft der etablierten Parteien ist besonders gut an den auf die drei systemtragenden Parteien entfallenden Nennungen ablesbar. Zwischen 1972 und 1980 identifizierten sich noch etwa drei Viertel der befragten BundesbiXger mit der CDU/CSU, der SPD oder der FDP, 1982 betrug dieser Anteil 67 Prozent 1986 dagegen nur noch 58 Prozent. Die Umschichtung der Parteiloyalilät der Bevölklerung ging in erster Unie zu Lasten der SPD, deren Anhängerschaft zwischen 1980 und 1986 um 14 Prozent abnahm. Auch die Anhängerschaft der FDP schrumpfte im Zeitraum 1976 bis 1986 von sechs auf zwei Prozenf, allerdings sind diese Änderungen wegen der kleinen Fallzahl mit Vorsicht zu interpretieren. Im Vergleich damit war die Bindung an die CDU/CSU stabiler. Parallel zum besclYiebenen Aichtungswandellockerte sich auch die Intensität der Parteibindung. Seit 1980 schrumpfte die Zahl der sehr starken und starken Parteianhänger von 50 auf 33 Prozent. Die Veränderung deutet sich jedoch schon früher an, da die Einstellungen der Bundesbürger zu den Parteien bereits seit 1976 heterogener werden (vgl. die Standardabweichungen in Tabelle 1). Wie in den Vereinigten Staaten (vgl. Abramson 1983: 105 ff.) bilden in der Bundesrepublik die Parteiunabhängigen mittlerweile die zweitstärkste Befragtengruppe. Gemeinsam mit den Verweigerern bzw. Meinungslosen rangieren sie sogar vor der CDU/CSU, die 1986 erstmals mehr Befragte an sich binden konnte als die SPD. Frage: Vtele leute in der Bundesrepubhk neigen längere Zeit elner be· stimmten Partet zu, obwohl Sie auch ab und zu eine ganz andere Partei wählen. Wte 1St das re iMen' neigen SIe - ganz allger'neln gesprOChen - esner bes\lrJVnten Partei zu? Wenn 13. welche(' SPD COU /C$U FDP andere/GRUNE 'Onc KA / W.N. 1972 1976 1900 1982 1986 41 38 40 30 5 2 34 26 30 2 7 2. 4 0 20 35 • • • 1 15 14 10 Chi' 54484 df 24 SI9 .00 Crarner's V 13 31 2 3 22 • 29 7 Frage: Wte stark odef WIE! schwach neigen SIe • ales zusammenge· nonvnen - dteSel' Partet zu? "","P' sehr SChwache PI ZJefTlI SChwache PI ma8ige PI ziem! starke PI setv star1<:e PI KA/W N M. . . . . Slaroardabw N 1972 1976 1900 1962 1986 2. 0 1 20 33 21 23 1 30 1 3 36 1 3 30 27 27 29 10 0 2S 2.92 177 252 1.00 227 183 1518 1622 1063 17 1 2.' 169 2052 2 24 ,. 34 11 34 0 2.66 1.65 207. 0 1 3 • 0 F3173dl. 4sig .OOEta 12 Ou.Ien; wahlstl.doe 1972 (ZANr 0635). 1 WeIe, Wahl$lWJa1976(ZANr (823). I Wello. Wahlsludlll 1980 (ZA NI 1053). Seplembefl.m lrage. WahistuGoe 1983 (lA NI 1216). 1 WeUO; Wahlsludoe 1987 (lA NI 1528\. QIIfoben.mIrage Alvnerkung: F". doo Befechnurlg cIef stallS115Chon Kennwer1e \M..I'derI die Arga' ben ZU' Intensrtat deI' PaIle.:IeI'IldlkallonlTll Zahlenwel1eo von 0 (kene PI) bis 5 (setv slar1o;e PI) verschIusseII. eile v~er LIld ~ bllI!bet1 dabei l.fIbetUcksoctl DIe GRUNEN waren bis ~ 19BOfIIdII alsgesor'lder' Ie Gruppe erlaSt 4. GenemUonenwandel und Par1eiidentifikation, Die theoretischen Annahmen und ihre Bedeutsamkeit für die Anatyse der ParteiidentifikaUon in der Bundesrepublik Der Wandel in der Beziehung zwischen den Bundesbürgern und den Parteien läßt sich auf verschiedene Weise erklären. Nach den Erkenntnissen der Sozialisationsforschung entsteht die Parteiidentilikation bereits in einer retativ frühen Phase der Persönlichkeitsbildung. Häufig übemehmen die Kinder die Parteibindung ihrer Eltern. Dies geschieht insbesondere bei Personen, die in einer parteipolitisch homogenen Familie aufwachsen. Obgleich die Auffassungen über den genaueren Zeitpunkt oder Zeitraum des El'We1'bs der Parteiidentifikation divergieren, besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß dies im Aegetfalle vor der erstmaligen Ausübung des Wahlrechts er1olgt. Dies schließt spätere Einstellungsänderungen nicht völlig aus, macht sie aber weniger wahrscheinlich. Eine wichtige Aufgabe der empirischen FOf'SChung besteht dann. die Stabilität und den Wandel politischer Einstetru~en zu untersuchen und zu klären, auf welche Faktoren sich entsprechende Veränderungen zurückführen las~~. Die Möglichkeiten lür systematische Analysen politIScher Wandlungsprozesse verbesserten sich in den tetzte~ Jahren deullich, da zunehmend über einen längeren Zeitraum vergleIchbare Daten erhOben we~den. Den Ausgangspunkt für derartige Untersuchungen bildet d~r Zus~mmenha ng zwischen dem Alter einer PerSon und Ihren Einstellungen zur Politik. Ein erster Erklärungsansatz interpretiert den Einfluß des Alters auf die politischen Einstellungen als Lebenszyklusoder Alterseffekt(vgl. Abramson 1983: 99 ff.: campbell u. a. 1960: 161 f.). Er unterstellt, daß In bestimmten Phasen des individuellen Lebenslaufes typische Ernste1lungsmuster auftreten und daß sich Einstellungsänderungen dementspre· 163 l\IiICIMßGnIm 6/ 88 chend typischerweise mit dem Eintritt in eine neue Phase des Lebenszyklus verbinden. z. B. mit der Aufnahme einer Berufstätigkeil oder eines Studiums. mit der Eheschließung und Familiengrundung und dem Rückzug aus dem Erwerbsleben. Derartige Vorgänge binden die betreffenden Personen im Regelfalle in eine neue Lebensumwelt ein und können durch diese veränderten Gruppenbindungen Einstellungsänderuogen auslösen. So wird gelegenllich die These vertreten. mit zunehmendem Lebensalter würden die Einstellungen stabiler und konservativer (vgl. Converse 1976: 11). Als eine Variante der lebenszyklus-Hypothese entwickelte Converse(I969: 142ft.; 1976: 12ft.)das "Of-Timeand-Partisan-Stability(OTPS)·Modelr. das er explizit zur Er· klärung der Stabilität und des Wandels der Parteiidentifikation benutzte. Danach resultiert die Bindung an eine politische Partei in politischen Systemen mit einer langen und ununterbrochenen Tradition des Parteienwettbewerbs aus der Dauer der Wahterfahrung. Wie jede Gruppenbindung muß diese Bindung von Zeil zu Zeil durch einstellungskonforme Aktivitäten stabilisiert werden. Diese Funktion erfüll! die Stimmabgabe bei Wahlen. Sie gibt dem Wähler die Gelegenheit, seine Loyalität zur präferierten Partei kritisch zu prüfen. Je häufiger er dabei zu einem positiven Ergebnis gelangt. desto unwahrscheinlicher wird ein Wechset der Intensität und vor allem der Richtung der Parteiidentifikalion. In demokratisch verfaßlen politischen Systemen mit Wahlchancen zwischen mehreren Parteien steigt die Wahrscheinlichkeit einerslabiien Partei identifikation mit der Häu· figkeit derWahlleilnahme. wobei letztere mit dem Lebensalter variiert. Neben Veränderungen im individuellen LebenszykJus können einschneidende politische oder ökonomische Ereignisse in der Makro-Umwelt. z. B. schwere Wirtschaftskrisen Oder Regimewechsel. einen Wandel der Partei identifikation hervorrufen. Die Konfrontation mit derartigen Veränderungen setzt alle Angehörigen einer bestimmten Allersgruppe gleichartigen Erfahrungen aus und beeinflußt insofern deren politische Wahmetvnungs- und Bewenungsmuster. 1m Gegensatz zur Lebenszyklushypothese. die von einem altersspezifiSChen Einstellungswandel ausgeht, unterstellt die Generationenhypothese grundsätzlich stabile individuelle Ei~stellungen..Sie betrachtet EinsteUungsänderungen primar als Vorgange auf der Kollektivebene und erklärt sie durch den Austausch von Generationseinheiten mit einer jeweils spezifischen Verteilung der politischen Orienlierun· gen. Nach Converse(1976: 10 f.}implizierl dieGeneralionshypothese eine andere politische Entwicklung als die Le· benszy~ushypothese: Beim Vorliegen generationsspezifischer Einstellungsunterschiede verstär1<t das Nachrücken junger Generationseinheiten im Zeitablauf das Ausmaß des ~~i~hen Wandels. Aus der Lebenszyklushypothese ergibt Sich demgegenüber die Erwartung. daß sich die Einstellungen der .Jungen mit dem AlterungsprozeB sukzessive dene~ der Än.er~ angleichen. Veränderungen im Aggregat resultteren pnmar aus der unterSChiedlichen Größe der einzelnen Alterskohorten. Vom I.a~ristig~n Wandel der Parteiidenlifikation muß man kurzfriSttge Periodeneffekteunterscheiden.Sie sind zwar bei zentrale~ 8emente~. de~ .ind.ividuellen Orienlierungssysterns .WIe ~r PartelidenliflkatlOO weniger wahrscheinlich als bei peripheren Einstellungen (Kandidatenorientierun. g~n, ~ewertung ~n Sachf~~gen). können aber in speziellen SituatIOnen. etwa In Wahlkämpfen. gleichWOhl auftreten. Au~ der Annahme von LebenszykJus-, Generations- und te: Converse 1976: 16 ft.: Glenn 1983: 11. 46 ft.: Jennings Niemi 1975: 1317 ft.) ergeben sich jeweils beSOndere Erwar~ lungen bezüglich altersspezifischer Prozesse des Einstei. lungs~nd.els in . einem bestimmten. Untersuchungszeit. raum, die In Abbildung 1 nochmals In einer graphiSChen Darstellung zusammengefaßI sind. Abbildung 1: Modelle zur ErldäNng des EJnsteaungswandeis , .................................................... • ............................... I ........................................... . - --- ca..-. 1 ....... _ _ , ........ _................................. - ................ _....................................................... 1 ••.••.•...•....... •..•. .... ....•....•..•••. _ ... .. ... ..... .. ....... .. . • - I - a..- t ....... - -..DI. .................... ........ ~ .................................. .... .. ... .................. . - .L-__~~________~____~ ~. ..... PeriodeneffekIen (vg\. zur Unterscheidung dieser drei Effek- 164 ]ugcn4fQrUm 6/ 88 Die in den Vereinigten Slaaten durchgeführten Untersuchungen gelangten zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen über die Bedingungen des Wandels der Parteiidentifikation. Gampbell u.a. (1960: 160 ff.) sowie Converse (1969; 1976jlavorisierlen das Lebenszyklus-MOdell Oder sahen im Einstellungswandel der US-Bürger doch zumindest ein starkes Lebenszyklus-Elemenl. Demgegenüber führten Abramson (1976: 1983: 117 ff.) und Nie, Verba, Pelrocik (1979: 47 ff.) die Veränderungen in erster Linie auf den Generationenaustausch zurück: Nach dem ersten Erklärungsansatz resultiert der im Aggregat festsleIlbare Rückgang der ParteiidentillkallOn aus dem Nachrücken der geburtenstarken Jahrgänge mit einer geringen Wahlerfahrung und einer noch ungelestigten Parteiidentilikation. Mit einer zunehmenden Einbindung dieser Gruppen ins ElektOfat müßte demzufolge ein Wiederanstieg der Parteiidentifikation eintreten. Nach der zweiten Interpretation blieben die in der Jugendzeit der älteren US·Bürger enlstandenen Parteiloyalitäten auch in dEm politisch turbulenten Jahren zwischen 1966 und 1974 Im wesentlichen erhalten. Der im Aggregat feststel1bare Rückgang der Parteiidentifikalion war überwiegend durch den Eintritt neuer Generationseinheiten in die Wählerschaft bedingt deren Eltern und Lehrer nicht mehr in der Lage waren, Ihre Bindungen an die etablierten Parteien zu übertragen. Der generalionsspeZIfische Wandel der sozialen, polititischen und kulturellen Rahmenbedingungen begünstigte demnach eine Lockerung der überkommenen Parteiloyalitäten. Auf die Verhältnisse in Deutschland bzw. in der Bundesrepublik tassen sich diese Überlegungen nicht vorbehaltlos übertragen. Nach Converse (1969; 1976) gtn das OTPSMOdelt vornehmlich in etablierten Demokratien. In Deutschland wurde eine ungebrochene Tradition des freien Parteienwettbewerbs jedoch erst im Jahre 1949 begründet, so daß erst seit dieser Zeit kontinuierlich die Möglichkeit besteht. die Parteiidentitikation durch die Stimmabgabe bei freien Wahlen zu stabilisieren. Eine international vergleichende Analyse mit Daten aus den Jahren 1959/1960 stützte Converse's (1969: 148 ff.) Annahmen über die stemstabilisierenden Effekte einer langjährigen Einbindung in den Wahlprozeß für die USA und Großbritannien, aber nur begrenzt für die Bundesrepublik und Italien. Eine mögliChe Erklärung für den Tatbestand, daß in der Bundesrepublik geringere altersgruppenspezifische Unterschiede in der Parteiidentifikalion bestanden als in den USA und in Großbritannien. liegt in der politischen Entwicklung unseres Landes im 19. und 20. Jahrhundert. Seit der nallOnalen Einigung im Jahre 1671 erfolgten vier Regimewechsel. Sie konlronlierten die Bevölkerung mit jeweils neuen Erfahrungen und Werten, auch im Hinblick auf die Rolte der politischen Parteien. Bis zum Ende des Zwelten Weltkrieges bestanden in Deutschland jedenfalls denkbar sChtechte Voraussetzungen fÜf das Entstehen einer stabilen psychischen Bindung der Bevölkerung an demokratische Parteien. Die Angehörigen der Vorkriegsgeneration waren in ihrer formativen Phase einem stark parteienfeindlichen politischen Umfeld ausgesetzt. Von einigen Ausnahmen abgesehen. erhielten sie erst nach der Gründung der Bulldesrepublik, d. h. im Erwachsenenalter. die Gelegenheit, sich mit demokratischen Parteien und mit einem demokratischen Parteiensystem zu identifizieren. Wie schwierig dies Arrangement mit parteiendemokratischen Strukturen sich gestaltete,zeigt David P. Conradl (I 974: 22S ff.). Er wies nach. daß in den GfÜndungsjahren der Bundesrepublik beträchtliche Vorbehalte gegen den Parteienwettbewerb bestanden und sich erst allmählich ein Einverständnis der Bevölkerung mit der 1949 gesChaffenen Parteiendemoktatie entwickette. sr- l~unun 6/88 Nur die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geborenen Bundesbürger durchliefen ihre Primärsoziarisation in einem demokratischen Regime. Dies SChließt die Vermittlung anti parteilicher und antidemokratischer Werte in der Schule und im Elternhaus nicht gänzlich aus, doch muSten sich derartige Einllüsse gegen den Druck des offiziell propagierten demokratischen Werte systems und die für den politischen Unterricht festgelegten Erziehun9S2ieie durchsetzen. Nach den Annahmen der SOzialisationshypothese ist in der Bundesrepublik - anders als in den USA - nicht mit einer überdurchschnittlich starken und stabilen Parteiidentifikalion bei den älteren Generationseinheiten zu rechnen. Demgegenüber ergibt sich aus dem OPTS-Moden von Conversedie Hypothese. daß mit zunehmendem Lebensalter die Intensität und Stabilität der Parteiidentifikation steigt Vierzig Jahre nach der Etablierung eines demokratischen Parteiensystems dürfte das OPTS-MOdeli auch auf die Bundesrepublik anwendbar sein, selbst wenn auch der Einfluß der Wahlerfahrung auf die Einstellungen zu den Parteien in Deutschland weniger stark ist als in etablierten Demokralien. Die für eine empirische Analyse der Bedeutung der drei konkurrierenden Hypothesen erforderliche Abgrenzung von Generalionseinheiten und Lebenszyklus-Phasen bereitet einige Schwierigkeiten Der individuelle Lebenszyklus verläuft in Abhängigkeit vom Geschlecht und vom Bildungsniveau unterschiedlich. so daß trotz einiger brauchbarer Vorarbeiten (vg1. z. B. Herz 1979) eine zufriedenstellende Operationalisierung nicht ohne weiteres möglich ist. In unserem Falle allerdings bietet sich eine relativ einfache Lösung dieses Problems, der Rückgriff auf Converse's Konzept der Wahlerfahrung. an. Es läßt sich durch die Häufigkeit einer ununterbrochenen bzw. einer unterbrochenen Teilnahme bestimmter Mersgruppen an demokratischen Wahlen erfassen (vg1. auch: Gluchowski 1983). Mit einigen Problemen ist auch die Messung der Generationszugehörigkeil verblinden, weil die theoretischen Annahmen über das Entstehen politischer Einstellungen divergieren und weil zudem in der bisherigen Forschung die empirische Festlegung der Generationseinheiten nicht immer den theoretischen Annahmen entspricht. Die meisten einschlägigen Studien verwenden das 15. lebensjahr als Grundlage für die Festlegung von Generationseinheiten und unterstellen, die zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden politischen Bedingungen übten einen starken Einfluß auf das Entstehen individueller und kollektiver Orientierungen aus (vgl. dazu: Baker. Dalton undHlldebrandl '981: 13, 45ff.). Dem steht auf der anderen Seite die Position gegenüber, gerade die frühe Kindheit sei für die Entwicklung politischer Einstellungen maßgeblich. Bel dieser Ausgangstage bleibt die Festlegung von Trennlinien ZWIschen den Generationseinheiten und LebenszyklusPhasen bis zu einem gewissen Grade willkürlich. Darüber hinaus wird sie den Besonderheiten des individuellen Soziatisationsverlaufes nicht gerecht. Da es aber keine ttleDretisch und forschungspraktisch gleichermaßen zufriedensteIlende Lösung dieses Problems gibt. erscheint es mir in Anlehnung an das sozialisationslheoretische Konze~~ von Baker. Dalton und Hildebrandt (1981: 13. 45 ff.! zunachst sinnvoU, die gegenwärtig in der Bundesrepubhk lebellde Bevölkerung zu sechs definierten Generationseinheiten. zusammenzulassen. die ihre formative Phase unter vergleichbaren politischen Rahmenbedingungen durchliefen: Personen die beim Ende des Kaiserreiches (1918) minde-slens 15 Jahre alt waren, werden der Generarionseinheir 165 Kaiserreich~ zugeordnet. Entsprechenderfotgtedie Festlegungderwährendder Weimarer Republik (Jahrgänge 1~ bis 1917) und des Dritten Reiches (Jahrgänge 1915 bis 1930) sozialisierten Generalionseinheiten. Für die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgewachsenen Bundesbürger erschien die Bildung mehrerer Generali~ein.­ heilen sinnvoll da trotz einer gleichbleibenden fonnal-Insll.tutionellen Struktur wesentliche Veränderungen in den polItischen Rahmenbedingungen zu verzeichnen waren. Die erste dieser Generationseinheiten umfaßt. wie bei Baker, Datton undHildebrandt, diejahrgänge 1931 bis 1940. deren PrimärsOlialisation bis zum Ende der Aufbauphase der Bundesrepubfik abgeschlossen war. Die zwe.'1e Eintleit wurde aus den Jahrgängen 1941 bis 1954 gebildet. Diese Gruppe durchlieI ihre Sozialisation unter den Bedingungen eines demokratischen Regimes, schloß diese aber vor dem ersten Regierungswechsel (1969) ab und war insofern von den politischen Bedingungen der Kanzlerschaft Adenauers geprägt. Die dritte NachkIiegsgenerationseinheit schlie81i~h besteht aus den 1955 und später geborenen Bundesbürgern.tnder Zeilihres Erwachsenwerdensregierfediesozialliberale Koalition. Diese Generationseinheiten verfügen über eine unterschiedliche Erfahrung mit demokratischen Wahlen und können als grobe Meßgrößen für das Konzept der Wahlerfahrung angesehen werden. 3) nicht ableitbar. Hinter den für den Zeitraum 1972 bis 1986 errechneten Durchschnittswerten können sich erhebliche Einstellungsänderungen verbergen. die aul Lebenszyklus-, Generations- oder PeriOdeneffekte oder eine Mischung aus allen drei Komponenten zurückgehen lassen. Um nähere Aufschlüsse über die Art des im Aggregat eingetretenen Tabelle 2: Generationszugehörigkeit und Intensität der Parteiidentifikation in der Bundesrepublik. 1972 bis 1986 (Angaben. Prozentpunkte) .s .s .s .s 1881 19()4 1918 1931 1941 1955 1903 1917 1930 19<0 1954 "" "",~ 26 27 24 26 27 34 3 26 33 3 27 32 13 276 Jahrgange k..,. PI setvI nembch SChwOch maß. Ziemlich slark seht Slark 5 4 20 25 32 17 29 16 275 M"'wert '00 S!aodardabw 185 N 543 lehlende Wef1e- 36 ", '''' ,.. 14 "'" 3 4 26 24 33 31 ,,, ,,, 11 7 176 177 17' 183 1733 152Q 1958 899 F887dl.5sig 00 Eta 07 Ch'" 106 63 d I 25 sig 00 Crame(s V 05 Auch bei Verwendung eines anderen sozialisationstheoreti- sehen Modells bliebe die Zuordnung der meisten Befragten zu den sechs Generationseinheiten gleich. Einige Jahrgänge wären jedoch anders zuzuordnen. wenn man von der Annahme ausginge, daß die Parfeiidentifikation im wesentli· chen ein Produkt der frühkindlichen Sozialisation darstelH. In einem ersten Schritt möchte ich prüfen, ob die Generationszugehörigkeit die Intensität der Parteiidentifikation beeinflußt, wenn man die Besonderheiten der Erhebungssituation so weit wie möglich ausschaltet. Zu diesem Zwecke wurden die Daten aus den fünf lür diese Untersuchung herangezogenen Umfragen zusammengeIaBt. Nach COnverse wäre in einer gefestigten Parteiendemoktatle mit einer ungebrochenen Tradition demokratischer Wahlen eine monotone Abnahme der Partei identifikation von den ältesten zu den jüngsten Generationseinheiten zu verzeichnen. Wie Tabelle 2 zeigt, übt die Generalionszugehörigkeit in der Bundesrepublik kaum einen EinfluB auf die Parteiidentifikalion aus. Oie statistischen Kennwerte deuten eher auf homogene Einstellungen als aul starke generationsspezifisehe Differenzen in der Parteibindung hin: In fünf von sechs Gruppen weist die Mehrheit der Befragten eine ziemlich starke Bindung an die Parteien auf. lediglich in der jüngsten Generationseinheit überwiegt die Zahl der Nicht-Identifizierer. Unsere Daten stützen converse's Konzept nur insoweit, als die Gruppe mit der geringsten Wahlerfahrung eindeutig die schwächste Parteibindung aufweist. Im übrigen ist kein systematischer Zusammenhang zwischen der Dauer der Wahlerfahrung und der Parteiidentifikation erkennbar. Dau· erhafte negative Effekte der Primärsozialisalion auf die Parteibindung lassen sich bei den vor 1945 geborenen nicht nachweisen. Sie weisen im allgemeinen mindestens ebenso positive Einstellungen zu den Parteien auf wie die Personen, die in einem demokratischen Parteienstaat aufwuchsen. Aussagen über generationsspezifische Veränderungen der Parteiidentilikation sind aus den bisher präsentierten Daten 166 Rückganges der Parteibindung zu erhalten, ist es notwen· dlg, die Entwicklung dieser Einstellung in unserem Untersuchungszeitraum genauer zu prüfen. Ein allgemein anerkanntes methodisches Verfahren zur Ermittlung von Perioden-, Generalions- und Lebenszyklus-Effekten SIeht nach Glenn (1983:8 ff.)bislang nicht zurVerlÜQung. Oie Mehrzahl der einschlägigen Studien beSChränkt sich darauf, Aussagen über die Relevanz dieser Effekte aus Kohortentafeln abzuleiten, In denen im Idealfalle die Klassenbreite der AItersgruppen genau dem Abstand zwischen den zur Analyse herangezogenen Erhebungen entspricht (vgl Glenn 1983: 46 H. sowie die Kritik von Gonverse 1976: 20 ff.) Dies Verfahren ist in unserem Falle wegen des vorzeitigen Endes der 9. Wahlperiode des Deutschen Bundestages und dem daraus resultierenden Unterschied im Zettabstand ZWIschen den Wahlstudien nicht anwendbar. Allerdings kann eine Kohortentafel für einen Vergleich zweIer Erhebungspunkte erstellt werden. Um möglichst wenig Information zu verschenken, behalte ich zunäChst für die folgenden Analyseschritte die sechs politisch definierten Generalionseinheiten bei und führe dann im zweiten Schritt einen Kohortenvergleich für die Jahre 1976 und 1986 durch. Nach dem MOdell desGenerationenwandets bleiben die am Beginn der Untersuchungsperiode festgestellten Unterschiede zwischen den Generalionseinheiten bis zu ihrem Ende bestehen. Nach dem Lebenszyktus-Modell gleichen sich im Laufe der Unlersuchungsperiode die Einstellungen der jüngeren Befragten an die der älteren an. Von Periodenetlekten sprechen wir dann, wenn in allen untersuchten Gruppen gleichartige Veränderungen auftreten. Auf den ersten Blick geht der Wandel der Parteiidenlilikalion in der J) 018 verwenclJng ~ Ie\roefeo \#lCI theorlerlallCreo MeßInstruments bracllte !<eR anderen Ergebnisse als doe nachlolgend praserlloe<ten ]uacndT- 6 /88 Bundesrepublik eher auf Perioden als auf l ebenszyklus· oder GenerationseHekte zurück. In keiner der sechs Gene· rationseinheiten ist die von der Generationshypothese ge· lorderte Stabilität der Orientierungsmuster zu erkennen, statt dessen nahm die Intensität der Parleibindung zwischen 1976 bzw. 1980 und 1986 in allen Generationseinheilen deutlich ab. Allerdings ist ein Generationeneffekt nicht gänzlich auszuschließen. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten (vgl. Abramson 1983: 11C!) trat die jüngste Gruppe im Jahre 1976 mit einer überdurchschnittlich schwachen Parleibin· dung ins Elektorat ein und behielt die besonders parteienkri· tische Einstellung bis zum Ende der Untersuchungsperiode bei. Da sich auf der anderen Seite der Anteil der ältesten bis zum Jahre 1982 besonders stark parteigebundenen Gruppe im untersuchten Zeitraum zunehmend verkleinerte, ver· stärkte der Generationentausch die auftretenden Perioden· effekte. Lebenszyklustypische Angleichungsprozesse der Einstellungen der jungen Bundesbürger an die der älteren lassen sich aul der Basis dieser ersten Auswertung nicht nachweisen (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3: Die Entwicklung der Parteiidentifikation in den Generationseinheiten der Bundesrepublik, 1972 bis 1986 (Angaben: Prozentpunkle) 1881 bos 1903 Jatvgänge ",",PI 19 16 16" 16" 1972 1976 1900 1982 1988 MW SPO 1972 1976 1900 1982 1988 MW COU f CSU 1972 1976 MW 1917 1930 21 13 21 16 16 14 1931 1941 1955 1940 1954 "" 22 16 26 11 16 25 31 23 " 29 24 32 21 20 21 35 21 38 43 37 37" 21" 32 36 26 " ,,' 33 44 44 37 42" 43 andel"e/GRlJNE 1972 1976 1900 1982 1988 "" "" ., ., 29 38 MW 1918 37" 21 59 1900 1982 1988 1904 I" 2" 25 35 35 44 40 0" I" 2" 0" 47 47 40 46 38 " 28 40 21 26 36 35 34 36 34 36 33 " 39 36 47 41 30 39 30 41 41 I" 1 1 2.85 294 280 295 2.18 2.59 237 2.84 295 313 280 2.33 1972 1978 1900 1982 1986 2ß5 261 159 21 40 47 32 26 36 33 30 29 21 19 24 29 2ß5 277 3.16 253 235 272 285 2.94 2.45 230 Mi11....., 31 34 21 0 I" 22 20 30 30 '" " I" 2" 2" 1 44 44 47 0" I" 17 später 22 2" 6' 3' 3' 14 3 19 10 261 259 232 2.13 tersuchen. um Aufschluß darüber zu erhalten, in welchem Maße die einzelnen politischen Parteien an Integrationslä· higkeit eingebüßt haben. Zu einem erheblichen Teil resultiert die beschriebene Änderung in der Intensität der Parteiidentifikation aus Schwankungen im Anteil der Nicht·tdentifizierer. Diese Gruppe blieb im ersten Teilabschnill unserer Untersuchungsperiode, den Jahren t972 bis 1980, in den einzel· nen Generationseinheiten entweder konstant oder sie schrumpfte. In keiner Generationseinheit stieg während dieses Zeitraumes per Saldo der Anteil der NichHdenti· fizierer. Im Gegensatz dazu nahm deren Zahl von t 980 bis 1986 zwischerr15 und 20 Prozent zu, wobei die Angaben der ältesten Gruppe im Jahre 1986 wegen der kleinen Fallzahl unberücksichtigt bleiben. Die neuere Entwicklung in der Bundesrepublik bestätigt also die These vom Zerfall der Parteiidentifikation. Allerdings läßt sich dieser Desintegrationsprozeß nicht auf die jüngeren Bevölkerungsgruppen eingrenzen. sondern erfaßte anders als in den USA - auch die Teile der Wählerschaft, bei denen nach Converse (1969) stabile Parteibindun· gen vorliegen müßten. Im Unterschied zu der generellen Zunahme der Nicht· Identifizierer lassen sich in den Beziehungen zu den "nichtetablierten" Parteien gene rationsspez if i s~he Be· sonderheiten ausmachen. Der Aufstieg der GRUNEN in der bundesdeutschen Politik geht fast ausschließlich auf einen Wandel der Parteipräferenz in den beiden jüngsten Generalionseinheiten zurück. In der Protestgeneration, den Jahrgängen 1941 bis 1954, bauten sie ihren Anteil innerhalb von zehn Jahren von zwei (1976) auf acht Prozent (1986) aus, in der jüngsten Generationseinheit erzielten sie, von einem ebenso niedrigen Niveau aus· gehend, bereits 1980 mehr als fünf Prozent der Nennun· gen und steigerten diesen Anteil über 14 (1982) a~f 19 Prozent (1986). Damit verfügen sie in dieser Gruppe über eine ebenso große Anhängerschalt wie die CDU/CSU. In den vier ällesten Generationseinheiten erhielten die "sonstigen Parteien zwischen 1972 und 1986 nur einen verschwindend kleinen Anteil der Nennungen. M Von der Umstrukturierung der Loyalität zu den großen Parteien, die sich in der Zunahme der NichHdenhlizierer und im Aufstieg der GRÜNEN zeigt, war ~ie SPD er~eb· lich stärke r betroflen als die CDU I CSU. Laßt man bel der Interpretation der strukturellen Wand l ungsproz~~se d~s atypische Jahr 1972 unberücksichtigt, dan~ verf~gen. die Unionsparteien in vier der sechs GeneralIonseinheiten über eine relativ stabile Anhängerschaft. Da man die älteste Kohorte wegen der kleinen Fallzaht in der 86er· Erhebung aus der Analyse ausklammern .sollte, ergibt sich nur in der jüngsten Befragtengruppe eme besonde· re Entwicklung:Hiernahm dieBindung an dle.CD U/C5U bereits zwischen 1976 und 1980 stark ab. Dieser Trend setzte sich in der Folgezeit zwar nur abgeschwächtlort, kehrte sich aber nicht um. Die Schwäche der Unionspar· teien In den jüngeren Altersgruppen könnte Sich in der näheren Zukunft zu einem schwerwiegenden Problem für diese Partei entwickeln. 0wIIn:: SIehe Tabelle 1 Annwtwngen;. ", Fallzahl k/eIner als 20. .. '" Faltzahl kIefief als 10 Die bisherigen Aussagen bezogen sich auf die Intensität der Parteibindung. Ergänzend hierzu ist es von Interesse, Ver· änderungen in der Richtung der Parteiidentifikalion zu un· Im Gegensatz zur CDU / CSU war die Anhängerschaft der 5PD in allen sechs Generationseinheilen.. starken Erosionsprozessen ausgesetzl. 5ei11976, ver ~ta rkt a~r seil 1980, halle diese Partei geradezu dr.amatlsc~ Ein· bußen zu verzeichnen. Die Abnahme Ihrer Anhanger bewegt sich zwischen neun und 21 Prozenlpunklen. 167 JugendtONrn 6/88 Während die SPD 1976 und 1980 in fünf der sechs Generationseinheiten noch einen klaren Vorsprung vor der Union aufwies, war dies 1986 nur noch in der jüngsten Befragtengruppe der Fall. Am Ende unserer Untersuchungsperiode gab es in allen sechs Untersuchungsgruppen mehr Nicht-Identifizierer als SPD-Anhänger. 1972 dagegen bildeten die Sozialdemokraten nur in der ältesten Unlersuchungseinheit nicht die stärkste Teilgruppe, Die Auswertung der generationsspezilischen Parteipräferenz rückt die vergleichSweise geringe Schwankung in der Intensität der Parteibindung bei den nach 1954 Ge borenen in ein neues Licht Dies Antwortmuster rellektiert keine besonders stabile loyalität zu den etablierten Parteien - wenn auch aul einem unlerdurchschnil11ichen Niveau. Es iSI vielmehr vorwiegend durch eme Verlagerung der Parteiidenlilikalion von der SPD und in 9~wis­ sem Umfange von der CDU /CSU hin zu den GRUNEN bedingt. Abbildung 2 dokumenlrert nochmals zusammenfassend den Einslellungswandel in der jüngsten Generationseinheil. AbbBdung 2: DerWandel der ParteIIdentifikation derjüngsten GenerationseU>heit (Angaben: Prozentpunkte) Parteipräferenz und Generation .,- Nachkrlegsgenoratlon 111,1976/1966 "f- -. - -- _ ,, --~ • _. ... Tabelle 4: Wandel der PartelidenlJlikallon In der Bundesrepublik Deutschland, 1976 bis t986 (Angaben: Prozentpunkte) keIne PI 18 bis 27 JalYe 28 bis 37 Jahre 38 bis 47 Jahre 48 bis 57 JalYe 58 bIS 67 Jahre 68 bis 77 Jahre 78 bis 87 Jahre M....... 1976 1986 ,. 3T T3 SPD 1101-- _. ---- -'':' --- - 1) 1976 und 1966 eine Abnahme des Anteils der NichtIdentifizlerer von der Jüngsten zur ältesten Befragtengruppe hin zu erwarten. Dagegen müßten die gemeinsam auf die COU/CSU und die SPD entlallenden Nennungen entsprechen zunehmen. Dies triltt jedoch nicht zu. In keiner der beiden Erhebungen besteht ein systematischer und theoretisch interpretierbarer Zusammenhang zwischen dem Aller und dem Anteil der Nicht-Iden. tifizierer bzw. der SPD-Anhänger. Die lebenszyklus-Hypothese eignet sich allenfalls zur Beschreibung der CDU /CSU- Präferenz, die mit zunehmendem lebensalter steigt. Die Bindung an die GRÜNEN könnte ebenfaUs mit Lebenszyklus-Effekten zu tun haben. Im hier unter suchten Zeitraum bestätigen Sich die von Converse entwickelten Annahmen über den Einfluß derWahlerfahrung auf die ParteIidentifikation nicht (anders dagegen' Gluchowski 1983: 450 f1.). ..... -.---. __ .., - - - - _"'110 -- l PO -- CDJICIu __ _ _ Die bislang durchgeführten Analysen geben keinen Aufschluß über die relative Bedeutung von Generations-. l ebenszyklus- und Pe rioden~.ffekten für den auf der Agwegatebene festslell~aren Ru~kgang der Parteibindung 10 der BundesrepublIk. Aus diesem Grunde erscheint eine ergänzende Analyse des Wandels der Parteiidentifikation mit Hilfe einer Slandardkohortenfabelle sinnvoll i~ die die Jahre 1976 und 1986 afs ErhebungSzeitpunk1e emgehen. Dementsprechend sind die Altersgruppen aus ze.hn Gebur1sjahrgängen gebildet. und zwar beginnend mit dem 1~87 erstma.ls wahlberechtigten Jahrgang 1968. Aus einem Vergleich der Einstellungen der betreffenden Altergruppen im Jahre 1976 mit denen im Jahr 1966 lassen ~iCh Hin:-veise auf die Art des Einslellungsw.and~ls gewln~~~. Diese Untersuchung bezieht sich aul die Nlcht-Idenllhzlerer sowie die Anhänger der CDUI CSU, der SPD und der sonstigen Parteien. Nach Converse's Hypothese über den stabilisierenden Effekt der Wahlerfahrung für die Parteiidentilikation ist 18 biS 27 Jahre 28 bis 37 Jahre 38 bis 47 Jahre 48 bis 57 Jahre 58 biS 67 JalYe 68 bis 77 Jahre 78 biS 87 Jahre Mlnelwert 24 3' 40 18 bis 27 Jahre 28 biS 37 Jatve 38 bis 47 Jahre 48 bIS 57 Jahre 58 bIS 67 Jahre 68 bts 77 Jatve 78 bis 81 Jahre MO.,...., 4. 37 .ans'" 18 bis 21 JalYe 28 bis 37 JaIYe 38 bis 47 Jatve 48 bIS 51 JalYe 58 bis 67 JalYe 68 bis 77 Jakve 78 bis 87 Jahre MIHetwert . , COU/CSU 32 I. o 1 7 0ueIlen: siehe Tabele 1. o.ber die bisher präsenlier1en Ergebnisse hinaus bielet die Kohortenanalyse die Möglichkeit, auf der Gruppenebene Prozesse des Einstellungswandels zu untersuchen. Zwischen der ersten und der zweiten Erhebung liegt ein Zeitraum von zehn Jahren in dem sich Veränderungen abgespielt haben können'. Im Zusammenhang mit dem kollektiven Allerungsprozeß der Gruppen erge- 168 lugcnd1'QNm 6188 ben sich Rü ckschlü sse auf die Relevanz von lebenszyklus-, Generations- und Periodenelfekten für den Einsteltungswandel. Allen Befragten bol sich zwischen 1976 und 1986 dreimal die Chance zur Teitnahme an Bundestagswahlen. Zusätzlich landen mehrere landtags- und Kommunalwahlen stall, die ihnen ebenfalls die Möglichkeit zur Stabilisierung der Parteipräferenz gaben. Im Gegensatz zu Converse 'sAnnahme über die stabilisierende Wirkung der Wahlerfahrung für die Parteiidentifikation schwächte sich aber die Intensität der Parteibindung in allen Alterskohorten ab und der Anteil der Nicht-Identifizierer wuchs. Dies sei beispielhalt an der Gruppe gezeigt, deren Mitglieder 1976 18 bis 27 Jahre, 1986 dementsprechend 26 bis 37 Jahre alt waren. Trolz der Möglichkeit zur Teilnahme an mehreren Wahlen nahm der Anteil der NichHdentifizierer in diesen zehn Jahren um 14 Prozent zu. Der Mittelwert der Intensität der Parteibindung fiel von 2.77 auf 2.22. In den übrigen Gruppen liegen in der Tendenz ähnliche Entwicklungen vor. Ein systematischer Zusammenhang zWIschen dem lebensalter und dem Ausmaß der Veränderung der Parteiidenlifikation besteht nicht. Mithin stützen unsere Daten auch die Annahme nichl, daß sich mit zunehmendem Lebensalter und zunehmender Wahlerfahrung die politischen Einstellungen verfestigen. Demgegenüber scheinen Perioden- und Generalionseflekte beim Wandel der Partei identifikation eine Rolle zu spielen. Erstere sind vornehmlich für das Nachlassen der SPD-Bindungen und die Zunahme der Nicht-Identifizierer maßgeblich. Beide Trends weisen in sämtlichen Alterskohorten eine vergleichbare Größenordnung auf. Systemalisch interpretierbare, allersgruppenspez~ische Entwicklungen liegen dabei nichl vor. Die SPD-Bindung nahm 1976 bis 1986 in allen Altersgruppen ab, der Anteil der NichHdentifizierer stieg. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß die 18- bis 27jährigen 1986 mil einer erheblich schwächeren SPDIdentifikation ins Elektorat hineinwuchsen als die belreflende Altersgruppe im Jahre 1976. Entsprechend befinden sich 1986 in der jüngsten Gruppe fasl doppelt SO viele Nicht· Identifjzierer wie 1976. Im Wandel der Beziehungen der Bundesbürger zur CDU/CSU und zu den sonstigen Parteien zeigen sich stärkere generationsspezifische Effekte. Im untersuchten Zeitraum unterhielten alle Gruppen eine vergleichsweise stabile Bindung an die CDU!CSU. Der Anteil ihrer Anhänger differierte um maximallünf Prozentpunkte. Der leichte Rückgang des CDU/CSU-Anteils in der Gesamlbevölkerung unter den Befragten resultiert überwiegend aus dem Generalionentausch: Die älteste Gruppe des Jahres 1976 wIes mit49 Prozent einen weit überdurchschnittlichen CDUlCSU-Anteil auf. 1986 war sie nur noch schwach in der Wählerschaft repräsentiert. An ihre Stelle waren die GeburtsJahrgänge 1959 bis 1968 getreten, in denen die CDUICSU ledIglich über einen Anteil von 16 Prozenl verfügte (näheres hierzu auch in Abbildung 3). einwachsen der Jahrgänge 1949 bis 1958 und 1959 bis 1968 ins Elek10rat zustande. In dererslen Gruppe erreichten die sonstigen Parteien zwischen 1976 und 1986 eine Zuwachsrale von zwölf Prozent In der Gruppe, die erst zwi· schen 1980 und 1986 das Wahlrecht erhielt, übertrifft die Anhängerzahl der sonstigen Parteien mil19 Prozent berells die der CDU/CSU. Die beschriebenen Eflek1e des Lebenszyklus, der Erhebungssitualion und der Generalionszugehörigkeit für den Wandel der Parteiidenlifikation in der Bundesrepubtik lassen sich durch ein verhältnismäßig einfaches Verfahren plausibel machen, das Abramson (1983: 56 ft., 105 ft., bes. Abb. 72) in ähnlicher Form in seiner US-Studie einsetzte. Es schaltet den in Längsschnilluntersuchungen notwendigerweise auftretenden Generationenauslausch aus und simuliert dadurch die Allersstruk1ur, die sich in allen Teilerhebungen ergäbe, wenn keine neuen Befragtengruppen ins Elektorat hineinwüchsen und keine Gruppen ausschieden:') Aus einem Vergleich der Verteilung der Parteiidentifikation in den Stichproben mit und ohne Generationentausch erhält man Hinweise auf die Relevanz des Generationen- und des Periodeneflektes. Je stärker beide Verteilungen divergieren, desto stärker isl der Generationeneflekl, je mehr sie übereinstimmen, desto schwächer ist er. Nach den in Abbildung 3 enthaltenen Informationen trägt der Generationentausch nichts zur Veränderung der SPDIdentifikation und des Anteils der Nicht-Identifizierer bei. Die tatsächliche Verteilung weicht kaum von dem Trendverlauf ab, der sich beim Fehlen jeglichen Generationentauschs ergäbe. Die SPD-Vertuste und der AnsUeg der Zahl der Parteiunabhängigen erweisen sich demnach als generelle Prozesse, die in allen Generationseinheiten in ähnlichem Umfange ablaufen. Im Gegensatz dazu stehen die Verände· rungen im Lager der CDU!CSU und der sonstigen Parteien: Abbtldung 3: ParteiidentifikatIon In der Bundesrepublik 1972 bis 1986Verglekh der Entwicklung mitlohne Generationentausch 8PD,~ 10"--- .~ : U~ . llliQldtorvm 6 /88 , - .,L--.~----_~.---. .. ~---c.~--~ . .=C-' . ---.-gott Mit umgekehrten Vorzeichen tassen sich für die Anhänger der sonstigen Parteien, bei denen es sich 1986 fast ausschließlich um die GRÜNEN handelt, die gleichen Aussagen machen. Die Befragten, die 1976 38 Jahre oder älter waren, betrachteten die GRÜNEN auch zehn Jahre später nicht als Alternative zu den etablierten Parteien. In diesen Altersgruppen sind auch keine zu Gunsten der GRÜNEN wirksamen PeriQdenelfek1e zu verzeichnen. Bei den 28- bis 37jährigen trat nur ein bescheidener Zuwachs auf. Die Wählerstärke der GRÜNEN kam vornehmlich durch das Her- . :> ... • .............................. ....... _ _ ............." - - .... - ') zu diesem Zweck WIJ"den lU'\adl$I die 1912 auf die sechs GeriefabQnenelnhellen ent!allenden PrOlenlanle~ ermrttell Ooe als a~ IU bezetCh· rete Kohorte war ot der belre"encIen ErhebI61g nod"I rocht en!haften und Wl.lde deshalb auch aus den Iblgen Umfragen herausgenommen OIe ~ It.rtl GenefatlOl"lSell1hellenerhoeHen aur der BaSIS der 1912leslges1e!11en Anleds· welle die GewdIlsUhI zugootdnel diE! E!(le allefSmaßlge IbToOgei alallet" I~ SlchprObefl SlChefslelle 169 COUtCSU, 80Mtige ~~"-~-~-~-------------------, , m m ~ . : . . '.... :" . '0 ... ... .... .. .. 10 ............ .. . ...... ..... ..... ........ . ,~~..~---*~.-=~.. ~==~..~~~..;,~ ~CDlo..t •• ~~ - ......... _ _ •• ..... _ - Bei einer unveränderten Generalionenslruktur"der bundes· deutschen Bevölkerung hätte der UnionsanIeil ZWischen einem und fünf Prozentpunkten über den tatsächlich beobachlelen Werten ge~n. Noch deutlicher zeigt sich die Tatsache, daß die GRUNEN ihre politische Relevanz lasl ausschließlich dem Generationenauslausch verdanken: Wären derartige Austauschprozesse unterblieben, dann hätte sich der Anteil sonstiger Parteien 1986 auf zwei Prozent in den übrigen Jahren auf ein Prozent belaufen. Lebenszyklus-Effekte spielen im Vergleich mit den Generations-, vor allem aber den Periodeneffekten, eine untergeordnete Rolle. Sie lassen sich aber zumindest in zweierlei Hinsicht nachweisen: Die jüngste Belragtengruppe weist generell die schwächste Parteiidentifikation auf, und der auf dieCDU/CSU entfal ende Anteil an Nennungen wächst von der jüngsten zur ältesten Befragtengruppe. Inwieweit die Identifikation mit den GRÜNEN ein Lebenszyklus-Phänomen darstellt, wird man erst in einigen Jahren entscheiden können. Nach dem Ergebnis der bisher durchgeführten Analysen beruht der Wandel der Parteibindung in der Bundesrepublik auf drei Faktoren: 1. Der 8ntrittder nach 1955 Geborenen ins Elektorat führte zu Sympathieverlusten für die Unionsparteien und zu einem BedeutungsgewiM der GRÜNEN. 2. Die SPD verlor in allen Generalionseinheiten an Zustimmung. Zudem hat sie im Vergleich mit früher bei den neuen Wählern an Attraktivität verloren. 3. In allen Generationseinheiten nahm seit 1976/80 der Anteil der parteipolitisch ungebundenen Befragten deutlich zu. 5. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Am Beginn dieser Untersuchung stand die Frage, ob sich in der .8undesrepublik - ähnlich wie in den Vereinigten Staaten - ein "Zerfall der Parteiidentifikation" feststellen läßt und welche Bedeutung dem Generationenaustausch für den Wa.~del der Bez!ehung zwischen den Bürgem und den poIltl~hen ParteISn zukommt Wie die ausgewerteten Daten zeigen, befindet sich das bundesdeutsche Parteiensystem gegenwärtig in einer kritischen Phase. Die im Zugeder politischen Modernlsierung der westlichen Welt entstandenen Koalitionen zwischen den potitischen FÜhrungsgruppen und Teilen der Bevölkerung haben sich während der vergangenen zehn Jahre deullich gelockert. Oie Auflösung der traditionell gewachsenen. im Parteiensystem organisatorisch verfesllgten politischen Bindungen stellte sich in Westeuropa später ein als in den Vereinigten Staaten. Wäh· rend die parteipotilisch ungebundene Bevölkerung dort bereils zu Beginn der siebziger Jahre zahlenmäßig stärker war als die Anhängerschaft der Republikanischen Partei. iSI in der Bundesrepubtik ersl seil dem Beginn der achtziger Jahre eIne ähnliche Zunahme des Anleils der parteipolitisch nicht festgelegten Bevölkerung leslstellbar. Anders als in den Vereinigten Staaten gehl dieser Prozeß in der Bundesrepublik nicht ausschließlich auf den Eintritt neuer Generationseinheiten ins Elektorat und auf das Ausscheiden der Bürger mit festen Parteibindungen zurück, der RÜCkgang der Parteiidentifikahon läßt sich vielmehr in allen Altersgrup· pen feststellen. Für diesen Sachverhalt sind - neben möglichen Fehlleistungen der Parteien - allgemeine gesetlschaftliche Wandlungsprozesse maßgeblich. Die Veränderung desökonomlsehen Systems und die Säkulansierung des geselischaftNchen Wertesystems führten zu einer Schrumpfung derjenigen Gruppen. die aulgrund ihrer ökonomischen Interessenlage oder aufgrund Ihrer Wertvorstellungen fest mit einer bestimmten politischen ParteI verbunden sind. Dabei handelt es sich in erster Unie um die kirchentreuen Kalholiken, die Selbständigen. die Landwirte und die ArbeIter. Von diesem Strukturwandel sind die beiden großen Parteiformalio· nen der Bundesrepublik. die CDU / CSU und die SPD, gleichermaßen betroffen (vgl. auch die Angaben bei Berger u.a. 1983: 26 ff.). Oie Milieuverankerung der FDP löste sich bekanntlich bereits früher auf. Am stärksten wirken sich diese Faktoren auf die politischen Einstellungen der nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsenen Bundesbürger aus. deren polltische Sozialisation in einer Periode eines raschen und tiefgreifenden sozialen Wandels er1olgte. tm Hinblick auf die postullerte systemstabilisierende Funktion der Parteiidentifikation wurde die in der wesllichen Weil eingetretene Veränderung im Verhältnis der Bürger zu den politischen Parteien überwiegend kritisch kommentiert. Aus der Interessenlage der potitischen Parteien ist diese Bewer· tung nachvollziehbar: denn die Lockerung der Parteiidenlifi· zierung erschwert den Erwerb der Regierungsmacht. Für die Funktionsfähigkeit des Parteiensystems und der Demokratie können sich aus dem Wandel der Beziehungen zwischen den Bürgern und den polilischen Parteien jedoch negative und positive Effekte ergeben. Negativ könnte sich die Lockerung der Parteiidentifikation auf die Integrationsleistung der politischen Parteien auswirken. Die erfolgreiche Lösung dieser wichtigen Aufgabe versteht sich keineswegs von selbst. da Parteibildungen historisch mit Spaltungen der politischen Gemeinschaft verbunden waren (vgl. vor allem: Lipsel. Rokkan 196T). Vor der Gründung der Bundesrepublik erfüllten die deutschen Parteien ihre integrative Funktion bestenfalls mit mäßigem Erfolg; denn sie räumten dem Ziel der Binnenintegralion ihrer Anhänger gegenüber der Systemintegration den Vorrang ein. In Anbetracht der minlerweile unbestrinenen systemintegrativen Leistungen der großen demokratischen Parteien deutet die LOCkerung der Partei bindung möglicherweise auf eine nachlassende Inlegrationsfähigkeit des politischen sterns hin. Für diese Annahme spricht die Tatsache, daß die Anhänger der COU /CSU, der SPD und der FDP normaler- St 170 ]Ulilend1gl'Um 6/88 weise wesentlich zulriedener mit der bundesdeutschen Demokratie sind als die parteipolitisch Ungebundenen und die Anhänger der GRÜNEN bzw. sonstigen Parteien (vgl. Gabriel 1988). Uteraturhlnweise: Während der Rückgang der Parteiidentifikation einerseits eine nachlassende Inlegrationslähigkeit des Parteiensystems indiziert, kaM dieser Vorgang auf der anderen seite die demokratischen Partizipations- und Kontrollmechanismen stärken. In einer repräsentativen DemOkratie verfügen die Bürger im Stimmrecht bel Wahlen über ein tnstrument, mit dem sie ihre Einstellung zur Regierungspolitik zum Ausdruck bringen können. Durch ihre Stimmabgabe erteilen die Wähler der Regierung erneut emen Führungsauftrag Oder entziehen ihr diesen. Oie Effektivitat der Wahl ats Instrument der Artikulation po~tischer Forderungen, der Machtzuweisung, der Machtkontrolle und der Innovation (vgl. dazu: Kaitet/eiter. Nißen '980: 22 ff.) hängt vom Zusammenhang zwischen der Wahlentscheidung und den Leistungen der Regierungs- und der Oppositionsparteien ab. Ein solcher Bezug ist um so weniger gegeben. je höher der Anteil der Wähler ist, deren Stimmabgabe von langfristig stabilen ideologischen Bindungen und nicht von der Politik der Parteien abhängt. Insolern kann die Abnahme der Partelidenlilikation eine engere Verbindung zwischen der Wahlentscheidung und der aktuellen Regierungspolilik herstellen und die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Wählerschaft erhöhen. ABRAMSON. Paut A, 1983: Polltical AHilIJdes in America. FonnallOl'l ancl Change (San Frandsccr W. H. Freeman). Noch unter einem weileren Gesichtspunkt können sich aus einem Rückgang der Parteiidenlifikation positive Systemelfekte ergeben. In politischen Systemen mit einer sehr stabi· len Verteilung der ideologischen Präferenzen der Wähler wird ein Regierungswechset relativ schwierig. Eine derartige Situation war für die Bundesrepublik lange Zeit typisch. In der Bundesrepublik erfolgte bislang erst zweimal ein Regierungswechsel von einer der großen Parteien zur and~ren, und auch in den Bundesländern steUt der demokIatlsch legitimierte Wechset der Regierungs- und der OppositionsrOlle zwischen den großen Parteilormationen eher die Aus· nahme ats die Regel dar. Erst in den letzten Jahren kam es auf der Länderebene vermehrt zu starken Wählerbewegun· gen und damit verbundenen Regierungswechseln. Diese Entwicklung fäln sicher nicht zufällig mit der Lockerung der Parteibindung zusammen. Da der Rückgang der Partelldenhfikation für das Funktionieren eines demokratisch verfaßten politischen Systems sehr unterschiedliche Folgen haben kann, ist es verfehlt, die Veränderung in den Beziehungen zwischen den BurQern und den politischen Parteien ausschließlich als FehleniWicklung zu kritisieren. Weder in den Vereinigten Staaten noch In der Bundesrepublik gibt es bIslang Hinweise auf eIne ernst· hafte Bedrohung der Systemstabitität. Vermutlich ~~t..der Allraktivitätsverlust der Parteien auch mit deren AktlVItaten zu tun. Sie wären sicherlich gut damit beraten. den A~Ck­ gang der Parteiidentifikation zum Anlaß zu ry~hmen. Ih~.e bisherige Rone im politischen Prozeß selbstkritisch zu pru· len. ABRAMSON. Paul A. 1976: .Generalional Change and the Dechne 01 Party tdenl~ication In Arnefica: 1952-1974·. 10: AMERICAN POLl· TICAL SCIENCE REVIEW 70. S. 469-478 ALLERBECK. Klaus R. 1977: .potitical Generations: Same Rellecbons on the ConcepI and its Apprations 10 the German Gase·. 10: EUROPEAN JOURNAL OFPOUTICAl RESEARCH 5.S. 119- 134. BAKEA. Kendan l .; DALTON, Russel! J.; HILDEBRANDT. Kai, 1981. Germany Trans\Ofmed. PoIitu;a1 CuHure and the New Potllics (Gambridge, Mass., und London: Harvard UntVerSily Press). BAKEA. Kendall L. 1974: _The ACCjuisl\JOfl 01 Partisansnp in Gennany". AMERICAN JOURNAL OF POLlTlCAl SClENCE 18. S 569-582 BEAGER. Manlred, u. a. 1983: _Stablbt.ät undWechsel. 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