Bühne Operette, doch nicht alles Operette Die Sommerarena und das Stadttheater Baden erhalten 2017 einen neuen Intendanten. Michael Lakner tritt an, um ein breites Spektrum musikalischer Darbietungen zu realisieren und die Wiener wieder vermehrt nach Baden zu holen. TEXT: MICHAELA SCHLÖGL FOTO: HERBERT LEHMANN Michael Lakner absolviert seine letzte Saison als Intendant in Bad Ischl. Ein Engagement, das mit viel Verantwortung verbunden ist, denn in Ischl hat das Prinzip Gültigkeit, dass sich der Intendant „immer persönlich um die KünstlerRekrutierung zu kümmern hat.“ Für Lak ner ist das keine Last, sondern eine Freude: „In allen Häusern, in denen ich bisher tätig war, habe ich mir den Ruf eines Trüffelschweins für junge Talente er worben“, erzählt er. Wenn der gebürtige Wiener Bad Ischl 2017 verlassen wird, um an der Bühne Baden die Intendanz zu übernehmen, wird ihm diese Fähigkeit abermals zugutekommen. Lakner weiß gut, worin sich die Häuser in Bad Ischl und in Baden unterscheiden: „Baden hat einen Ganzjahresspielbetrieb und Baden bietet die gesamte Bandbreite von der Operette als Domäne über das Musical und Familienmusical bis hin zu Oper, Schauspiel und Ballett.“ Ein Traum für einen Intendanten! Darüber hinaus verfügt Baden über zwei Häuser: die 110 Jahre alte Sommerarena und das fantastische, von Fellner & Helmer errichtete Stadttheater. In der Kurstadt Baden wird Lakner, der sich im Bestellungsverfahren mit seinem Konzept gegen über sechzig Mitbewerber durchgesetzt hat, eine „möglichst große Bandbreite an Operette anbieten, von deren Wiege bis zu den Ausläufern der Musikalischen Revue.“ Fragt sich, wie gut Operette in die heutige Zeit passt. „In Österreich auf alle Fälle“, konstatiert Lakner. Das werde von den vielen Operetten-Festspielorten sowie der Beschäftigung der Stadt-, Landes- und Bundestheater mit dem Genre hinlänglich bewiesen. „Auch in Deutschland, Russland, in den Niederlanden, in Großbritannien und in Frankreich lebt die Operette“, berichtet der künftige Baden-Intendant, neuerdings gebe es auch großes Operetten-Interesse in Japan. Selbstläufer ist Operette aber keiner. Just bei der „leichten Muse“ müsse alles auf höchstem Niveau ablaufen. Hinter 24 morgen 4/16 den Kulissen geht es um die perfekte Verzahnung von Gesang, Schauspiel und Tanz – den Ingredienzien der Operette: „Eine gute Operettenaufführung, das ist für mich wie Raimund, Nestroy, Schnitzler und Hofmannsthal – allerdings angereichert mit herrlichster Musik!“ Operette hip und cOOl. Dafür gibt es ein angestammtes Publikum, die Generation Fünfzig plus. Um diese Art von Theater auch jungen Menschen schmackhaft zu machen, sind „ein fester Glaube an die Sache und Ernsthaftigkeit in der Umsetzung“ erforderlich, so der künftige Intendant in Baden. Eine Abgrenzung zum Musical sei dann auch gar nicht erforderlich, war doch „Franz Léhar der Andrew Lloyd Webber seiner Zeit“. Die Operette könne sogar vom Musical profitieren, indem man sich die Erfolgsfaktoren des Musicals zunutze mache, um die Operette „hip“ und „cool“ aus der Musealität herauszuführen und einem jungen Publikum attraktiv anzubieten. Diesen Weg ist Lakner bereits in der Zusammenarbeit mit Regisseur Leonard Prinsloo gegangen. Doch Operette soll in Baden längst nicht alles sein. Auch Oper wird einmal pro Jahr auf dem Spielplan stehen, „aber nicht in Konkurrenz zu den großen Wiener Bühnen, sondern als Ergänzung. Wir werden Stücke spielen, die in Wien nicht angeboten werden – also Spielplan-Lücken füllen!“ Lakner nennt Spieloper und Singspiel, die früher an der Volksoper in Wien ihre Heimstätte hatten. Doch auch dem Lokalkolorit von Baden möchte er gerecht werden: „In Baden gilt es, der Beethoven-Rezeption Reverenz zu erweisen. Wir planen aber ebenso Rockmusical und klassisches Musical sowie Ballett und Schauspiel in Kooperation mit dem Niederösterreichischen Landestheater.“ Lakners ehrgeiziges Ziel ist es, „die Wiener vermehrt nach Baden zu locken“. Seine breit gefächerten Pläne werden sich garantiert nicht in Theater-Nebel auflösen. Denn der Intendant hat schon bisher auf verschiedensten Klaviaturen bewiesen, was er unter Vielfalt versteht. Er ist ausgebildeter Pianist und promovierter Jurist, hat Regie geführt, als Schauspieler auf der Bühne und im Film reüssiert und in der Führungsetage der Grazer Oper und in Basel gemanagt. Das Rüstzeug dafür hat er sich systematisch erarbeitet. Lakners musikalische Erweckungserlebnisse fanden am Stehplatz der Wiener Staatsoper statt: „Leonie Rysanek als Tosca, Wagner-Opern mit Birgit Nilsson, Jess Thomas und Horst Stein am Pult. Elektra unter Karl Böhm und die goldene Stimme der von mir hochverehrten und geliebten Gundula Janowitz als Evchen in den Meistersingern 1975. Ich habe nie vorher oder nachher eine schönere, ebenmäßiger geführte Stimme, nie eine intelligentere Art des Singens gehört“, gerät der Intendant ins Schwärmen. Er freut sich auf die Übersiedlung von der einen in die andere Kurstadt auch aus einem weiteren Grund: „Baden wird mir die Möglichkeit bieten, mich zweimal im Jahr auch wieder der Regietätigkeit zu widmen. Und ich werde weiterhin als Liedbegleiter mit speziellen Programmen auftreten.“ Lernen kann man den Intendantenberuf, obwohl es mittlerweile die Ausbildung zum Kulturmanager gibt, laut Lakner nicht. Aber unter den vielen Voraussetzungen, die dafür notwendig sind, hebt er die hervor, dass man „die Künstler und ihre Arbeit respektieren muss, ebenso wie die Bedürfnisse des Publikums.“ Vor allem bedürfe es einer Demut vor dem Werk. Und keiner Rechtfertigung. Arnold Schönberg hat Operetten instrumentiert und Theodor W. Adorno konzedierte dem Walzer aus der Lustigen Witwe, „exemplarisch den neuen Stil“ für die Unterhaltungsmusik der ersten Jahrhunderthälfte zu statuieren. Er sprach freilich vom 20. Jahrhundert. Doch sein Diktum ist gültig – bis heute. n morgen 4/16 25