Beurteilung des Brandverhaltens von PET-Flaschen im

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Ingenieure für Brandschutz
Beurteilung des Brandverhaltens
von PET-Flaschen im Rahmen der Entwicklung
von neuen Materialien für den Fassadenbau
Jonas Schwering
Hochschule Darmstadt,
hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH
und der Firma MINIWIZ
Fassung September 2012
Fassung September 2012
Fassung 21. September 2009
Inhalt
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1
Einleitung
2
POLLI-BrickTM
2.1 Aufbau des Fassadensystems
2.2Kunststoffe
2.3Herstellung der POLLI-BricksTM
2.4Bauordnungsrechtliche Einstufung
3
Brandversuche
3.1 Baustoffklassifizierung nach DIN 4102-1
3.2Orientierende Prüfungen an POLLI-BrickTM
4
Ergebnisse der Brandversuche
5
Ausblick
Fassung September 2012
POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
Beurteilung des Brandverhaltens
von PET-Flaschen im Rahmen der
Entwicklung von neuen Materialien
für den Fassadenbau
1 Einleitung
Die Fassade ist einer der ersten Eindrücke, die ein Gebäude hinterlässt. Es ist
der sichtbare und repräsentative Teil eines jeden Gebäudes und spiegelt die
Qualität und den Charakter von Bauwerken wider. Architekten bevorzugen es,
bei der Gestaltung und Ausführung der Fassade so frei wie möglich zu arbeiten.
Die Gestaltung der Fassade folgt für sie zumeist nicht nur praktischen bauphysikalischen Überlegungen, sondern immer auch künstlerischen Ansprüchen.
Genau wie andere Gebäudeteile, so ist auch die Fassade als Teil einer baulichen
Anlage den bauordnungsrechtlichen Bauteil- und Baustoffanforderungen sowie
den allgemeinen und brandschutzorientierten Schutzzielen unterworfen. Gerade bei dem Einsatz neuer Baumaterialien ist der Blick auf die Einhaltung der
Schutzziele oberstes Gebot, um Leben und Gesundheit von Mensch und Tier
nicht zu gefährden.
Im Zuge des nachhaltigen Bauens gibt es Bestrebungen, aus recycelten PETGetränkeflaschen Fassadenelemente herzustellen. Der neue Baustoff „Polyethylenterephthalat (PET)“ ist ein thermoplastischer, brennbarer Kunststoff – Einschränkungen, die beim Einsatz des Baustoffs berücksichtigt werden müssen.
Unter dem Motto „Your trash, our building material“ wird die weggeworfene
PET-Flasche zu POLLI-BrickTM verarbeitet – einer PET-Flasche in Wabenform –
und kann so ihrer neuen Bestimmung zugeführt werden. Individuelle Fassadenelemente aus POLLI-BricksTM können so vielleicht künftig den Charakter neuer
Gebäude gestalten.
Unter welchen Randbedingungen POLLI-BricksTM tatsächlich ein für den Fassadenbau geeignetes Material darstellt, wurde im Rahmen der Bachelorarbeit von
Jonas Schwering von der Hochschule Darmstadt in Zusammenarbeit mit der
Firma MINIWIZ sowie mit hhpberlin geprüft.
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
Aufbau der Analyse
2 P
OLLI-BrickTM
Ziel dieser Arbeit war es, das Brandverhalten von PET-Flaschen, am Beispiel
der POLLI-BricksTM im Rahmen der Entwicklung von neuen Materialien für den
Fassadenbau zu beurteilen. Daher wurde in der ausführlichen Arbeit zuerst der
„neue“ Baustoff PET und dann der Aufbau des Fassadensystems beschrieben. In
einem weiteren Schritt wurde untersucht, welche bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Fassaden und Dämmungen in der Musterbauordnung und den
Muster-Sonderbauvorschriften gestellt werden. Insbesondere wurde herausgearbeitet, inwieweit brennbare Baustoffe im Bereich der Fassade verwendet
werden dürfen.
Das Produkt „POLLI-BrickTM“ (dt. Kunststoffziegel) ist eine Entwicklung des
Architekten Arthur Huang der Firma MINIWIZ. Die taiwanesische Firma MINIWIZ
mit Hauptsitz in Taipeh hat sich auf die nachhaltige und zukunftsorientierte
Entwicklung von Produkten im Energiebereich spezialisiert.
POLLI-BrickTM ist der Markenname für eine Flasche aus recycelten Polyethylenterephthalat (PET), die in Wabenform (Sechseck) hergestellt wird und zudem
sehr leicht und lichtdurchlässig ist. Das Volumen der PET-Flasche beträgt sechs
Liter. In Abbildung 1 ist ein POLLI-BrickTM-Vollmodul dargestellt.
Am Beispiel der POLLI-BricksTM wurde das Material dann in Anlehnung an die
DIN 4102-1 mittels orientierender Brandversuche getestet und brandschutztechnisch beurteilt.
Aus den Ergebnissen der Brandversuche lassen sich erste Aussagen darüber
treffen, bei welchen Gebäuden die POLLI-BricksTM – bei einer entsprechenden
Zulassung – unter den jetzigen Voraussetzungen als Fassadenelemente und
Dämmung eingesetzt werden können. Darüber hinaus wurde betrachtet, wie das
Material oder der Aufbau der Fassade in Bezug auf den Brandschutz ertüchtigt
werden kann bzw. muss.
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Ergebnisse
der Untersuchung. Den ausführlichen Bericht lesen Sie unter
www.hhpberlin.de/de/wissen.
Abbildung 1:
POLLI-BrickTM-Vollmodul
(Abmessungen in mm)
Neben den Vollmodulen gibt es zusätzlich POLLI-BrickTM-Halbmodule, die in
Abbildung 2 dargestellt sind.
Abbildung 2:
POLLI-BrickTM-Halbmodul
(Abmessungen in mm)
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
2.1 Aufbau des Fassadensystems
Wie in Abbildung 3 zu sehen, bilden aufeinandergestapelte POLLI-BrickTM-Halb- und
-Vollmodule ein POLLI-BrickTM-Element. Dabei sind die POLLI-BrickTM-Module so
geformt, dass sie sich mit den Nachbarflaschen über Nuten und Rippen fest verzahnen und dabei keine chemischen Klebstoffe zur Verbindung benötigt werden.
Abbildung 4:
Aufbau des POLLI-BrickTM–Fassadensystems
Abbildung 3:
Aufbau des POLLI-BrickTM–
Elements
Jedes POLLI-BrickTM-Element hat die Abmessungen 162,2 x 176 x 38,5 cm und
wiegt 63 kg. Die Abbildung 3 zeigt zwei zusammengefügte Elemente. Auf die
Außen- und Innenseite des POLLI-BrickTM-Elements wird eine PolycarbonatPlatte (PC-Platte) montiert. Diese sorgt für einen gleichmäßigen Abstand der
POLLI-BricksTM zueinander und dient außerdem als zusätzliches Befestigungselement und Schutzmaterial. Die Polycarbonat-Außenplatte dient vor allem als
Witterungsschutz. Befestigt wird die Polycarbonat-Platte an den POLLI-BrickTMElementen mit den Deckeln der POLLI-BricksTM.
In die POLLI-BrickTM-Elemente können Fenster, Türen, Ventilatoren und andere
Fassadenöffnungen integriert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Fassadensystem komplett zerlegt und an anderer Stelle, entsprechend des Baukastenprinzips, beliebig wieder zusammengesetzt bzw. vollständig recycelt werden
kann. Aufgrund der eingeschlossenen Luft werden gute Dämmwerte (U-Wert =
0,083) erreicht und der Schallschutz ist sichergestellt.
Abbildung 4 zeigt den vollständigen Aufbau des Fassadensystems. Über
Befestigungselemente und Schienen werden die POLLI-BrickTM-Elemente an
der Gebäudekonstruktion angebracht. Mit 63 kg pro Element zeichnet sich das
Fassadensystem besonders durch sein geringes Gewicht aus.
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2.2 KUNSTSTOFFE
Synthetische Kunststoffe werden aus Erdöl oder Erdgas produziert und enthalten
als Grundelement Kohlenstoff (C). Aufgrund dieser Zusammensetzung sind sie
brennbar. Jedoch kann die Brandeigenschaft variieren, da diese vom chemischen
Aufbau, der Form und der Oberflächenstruktur des Kunststoffes abhängt. Werden
Kunststoffe als Baustoff verwendet, muss ihr Brandverhalten nach definierten
Prüfverfahren der DIN 4102-1 bzw. der DIN EN 13501-1 bestimmt werden.
PET
PET ist ein Thermoplast und wird synthetisch durch Polykondensation erzeugt.
Bei Erwärmung erweichen Thermoplaste allmählich und gehen mit steigender
Temperatur vom festen in den flüssigen Aggregatzustand über. Sie werden
plastisch verformbar, das heißt, sie nehmen nach Entfernung der Wärmequelle
nicht wieder ihre ursprüngliche Form an. Thermoplaste bestehen aus langkettigen, linearen oder wenig verzweigten Molekülen. Zwischen den Molekülen der
Ketten bestehen Wasserstoffbrückenbindungen oder Van-der-Waals-Wechselwirkungen. Werden diese Makromoleküle erwärmt, geraten sie in Schwingung,
die Anziehungskräfte werden langsam überwunden und die langen Ketten
(Makromoleküle) können aneinander vorbeigleiten. Für das menschliche Auge
ist dieser Vorgang als Erweichen und Schmelzen sichtbar. Nach dem Abkühlen
erhärten die Thermoplaste wieder. Aufgrund dieser Eigenschaften lassen sie sich
leicht in Formen gießen bzw. blasen, zu Fäden ziehen oder zu Folien auswalzen.
Bei der Polykondensation reagieren Monomere miteinander, die mindestens
zwei funktionelle Gruppen (Hydroxy-, Carboxy- und Amino-Gruppe) besitzen. Die
Monomere verbinden sich zu langen Ketten, indem die funktionellen Gruppen
miteinander reagieren. Bei diesem Reaktionsschritt wird ein kleines Molekül
abgespalten. Reagieren bei der Polykondensation die Monomere miteinander,
die zwei funktionelle Gruppen (bifunktionell) besitzen, so führt dies zur Bildung
von linearen, thermoplastischen Kunststoffen.
POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
Ergebnis der Polykondensation ist ein Polyester. Dabei ist der wichtigste Vertreter
der Polyester das PET, dessen Ausgangsstoffe Terephthalsäure und Ethandiol
sind. Das PET entsteht durch Verknüpfung (Esterreaktion) der Carboxylgruppen
(-COOH) der Terephthalsäure mit der Hydroxylgruppe (-OH) des Ethandiol. Während dieser Polykondensationsreaktion wird Wasser abgespalten.
2.3 HERSTELLUNG DER POLLI-BRICKSTM
Hergestellt werden die POLLI-BricksTM aus hundert Prozent recycelten PETFlaschen bzw. aus hundert Prozent recyceltem PET, das bei der Herstellung von
PET-Flaschen als Abfall übrig bleibt.
Abbildung 6:
Recycling Kreislauf
Die weggeworfenen PET-Flaschen werden zu Pellets zerkleinert und weiterverarbeitet. Am Ende entsteht so aus Abfall ein neues Bauprodukt – das POLLI-BrickTM.
Da die POLLI-BricksTM aus recyceltem Material bestehen, müssen gewisse
Grenzwerte festgelegt werden, in denen sich die Eigenschaften des Materials
bewegen dürfen. Nur dadurch kann eine gleichbleibende Qualität gewährleistet
werden. Die Bauprodukte, deren Eigenschaften an den unteren Grenzwerten
liegen, müssen getestet werden. Insgesamt wird dadurch erreicht, dass durchgeführte Versuche repräsentativ sind.
Abbildung 5:
Eigenschaften des PETs der POLLI-BricksTM
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
2.4 Bauordnungsrechtliche Einstufung
Die POLLI-BricksTM werden zu Fassadenelementen zusammengesetzt. Bauordnungsrechtliche Anforderungen an Fassaden direkt existieren in der Musterbauordnung nicht, da die Fassade lediglich die äußere Ansichtsfläche eines
Gebäudes darstellt. Deshalb muss im Rahmen einer bauordnungsrechtlichen
Betrachtung die Anwendung der POLLI-BricksTM als Fassadenelement differenziert betrachtet werden.
1.Wird aus den POLLI-BrickTM-Modulen eine komplette Außenwand hergestellt, so gewährleisten die Module den Raumabschluss der Nutzungseinheiten zur Umgebung. Eine aus POLLI-BrickTM-Modulen bestehende
Außenwand ist deshalb im Sinne der MBO als nichttragende Außenwand
zu betrachten.
2.Werden die POLLI-BricksTM-Module als Dämmung oder aus architektonischen Gründen vor eine Gebäudeaußenwand montiert, gelten sie im
Sinne der MBO als Außenwandbekleidung.
Anforderungen an Außenwände
Das Schutzziel für eine Außenwand ist in § 28 (1) MBO festgelegt:
„Außenwände und Außenwandteile wie Brüstungen und Schürzen sind so auszubilden, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen ausreichend
lange begrenzt ist.“
Durch die Umsetzung dieses Schutzziels soll verhindert werden, dass die
gesamte Außenwand mit ihren Bestandteilen aktiv am Brand beteiligt ist. Bei
einem Brand im Inneren einer baulichen Anlage soll die Brandausbreitung nach
außen auf benachbarte Bebauungen bzw. obere Etagen des Gebäudes (Feuerüberschlag) behindert werden.
Um das festgelegte Schutzziel zu erfüllen, werden brandschutztechnische Anforderungen an die verwendeten Baustoffe und Bauteile gestellt. Werden diese
eingehalten, gilt das Schutzziel als gewahrt.
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Abbildung 7:
Übersicht der Außenwände
Die MBO unterteilt Außenwände in folgende Arten:
Die Zulässigkeit von brennbaren Baustoffen im Bereich der Außenwand (als Baustoff der Außenwand oder als Außenwandbekleidung bzw. -oberfläche) ist durch
die bauaufsichtlichen Mindestanforderungen der MBO sowie durch die Muster
Sonderbauvorschriften festgelegt. Ist dies nicht der Fall, da z. B. keine Vorschriften existieren (nicht geregelter Sonderbau), müssen im Einvernehmen mit
der Bauaufsicht schutzzielorientierte Mindestanforderungen festgelegt werden.
Das Fassadensystem der POLLI-BricksTM ist im Sinne der MBO nicht tragend.
Das heißt, dass es sich nicht am Gesamtlastabtrag eines Gebäudes beteiligt und
nicht zur Aussteifung eines Gebäudes dient. Deshalb wird im Folgenden nur auf
die brandschutztechnischen Anforderungen an nichttragende Außenwände eingegangen. Darüber hinaus ist es denkbar, die POLLI-BricksTM als Dämmung vor
eine Außenwand zu setzen. Aus diesem Grund wird nachfolgend auch auf die
brandschutztechnischen Anforderungen an Oberflächen von Außenwänden und
Außenwandbekleidungen eingegangen. Im Bereich von Brandwänden ergeben
sich zudem besondere brandschutztechnische Anforderungen an Außenwände,
Oberflächen von Außenwänden und Außenwandbekleidungen, sodass auch
darauf Bezug genommen werden soll.
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
Brandschutztechnische Anforderungen
Die brandschutztechnischen Anforderungen für nichttragende Außenwände
sind immer von der Gebäudeklasse abhängig.
Abbildung 9:
Anforderungen für Gebäudeklasse 4 und 5
Abbildung 8:
Anforderung an nichttragende Außenwand
Abbildung 9 und Abbildung 10 geben eine Überblick über die brandschutztechnischen Anforderungen des § 26 MBO „Außenwände“.
Insbesondere bei Regelbauten der Gebäudeklasse 1 bis 3 ist die Brandausbreitung über die Fassade nicht als besonderes Risiko zu betrachten. Für nichttragende Wände, Außenwandbekleidungen und Oberflächen von Außenwänden
werden deshalb auch nur normalentflammbare Baustoffen gefordert. Bei
Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 hingegen sind die Anforderungen höher.
Nichttragende Wände aus brennbaren Baustoffen müssen hier einen Feuerwiderstand von 30 Minuten aufweisen und Außenwandbekleidungen sowie
Oberflächen von Außenwänden müssen mindestens die Anforderungen der
Schwerentflammbarkeit erfüllen.
Abbildung 10:
Anforderungen für Gebäudeklasse 1, 2 und 3
Darüber hinaus, und soweit die Sonderbauvorschriften keine besonderen
Regelungen hierfür treffen, gelten diese Anforderungen der MBO an Außenwände, Außenwandbekleidungen und Oberflächen von Außenwänden auch für
Sonderbauten.
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
3 Brandversuche
Damit POLLI-BrickTM in Deutschland als Baustoff verwendet werden darf, muss
im Rahmen des Verwendbarkeitsnachweises durch Brandversuche deren Brandverhalten bestimmt werden. Damit kann das Brandverhalten von Baustoffen ermittelt und der entsprechende Feuerwiderstand festgestellt werden. Durch diese
Brandversuche werden also Bauteile und Baustoffe geprüft und klassifiziert.
Dies geschieht national durch die Vorgaben der „DIN 4102 - Brandverhalten von
Baustoffen und Bauteilen“. Die Zuordnung der bauordnungsrechtlichen Begriffe
zu den Baustoff- und Feuerwiderstandsklassen erfolgt über die BRL.
Abbildung 11:
Übersicht über die
Klassifizierung der
DIN 4102
Tabelle 1: Baustoffklassen
Die offizielle Zuordnung der bauaufsichtlichen Begriffe zu den Baustoffklassen
erfolgt über die BRL A, Teil 1. Die nichtbrennbaren Baustoffe werden in A1 und
A2 unterschieden. Baustoffe der Baustoffklasse A1 enthalten keine brennbaren
Bestandteile. Als A2 werden Baustoffe klassifiziert, die nichtbrennbar sind, aber
brennbare Bestandteile enthalten. Jeder geprüfte und klassifizierte Baustoff
muss auch die Anforderungen der niedrigeren Klasse erfüllen. So muss beispielsweise ein Baustoff der Baustoffklasse B1 auch die Prüfung des normalentflammbaren Baustoffes erfolgreich bestehen. Am Ende wird die Klassifizierung
des Baustoffes durch ein Prüfzeugnis nachgewiesen.
3.2 Orientierende Prüfungen an POLLI-BrickTM
Im Zuge der europäischen Harmonisierung ist seit 2002 auch die „DIN EN 13501
– Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten“ in
Deutschland eingeführt und soll die DIN 4102 ersetzten. Für eine unbestimmte
Übergangsfrist sind die DIN 4102 und DIN EN 13501 gleichwertig bzw. alternativ
anwendbar.
3.1 Baustoffklassifizierung nach DIN 4102-1
In der „DIN 4102-1: Baustoffe – Begriffe, Anforderungen und Prüfungen“ sind die
einheitlichen Prüfverfahren (Brandversuche) für Baustoffe geregelt. Zudem ist
dort beschrieben, welche Prüfkriterien für eine bestimmte Klassifizierung erfüllt
sein müssen. Folgende Baustoffklassen werden gemäß DIN 4102-1 unterschieden:
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Um Erkenntnisse über das Brandverhalten von POLLI-BrickTM zu erhalten, wurde
an der Hochschule Darmstadt die Prüfapparatur der Normalentflammbarkeitsprüfung nach DIN 4102-1 nachgebaut und orientierende Prüfungen der POLLIBricksTM durchgeführt.
Das Ziel der Prüfungen war es, festzustellen, ob die POLLI-BricksTM mindestens
als normalentflammbar (B2) klassifiziert werden können. Ist das nicht der Fall,
gelten die POLLI-BricksTM als leichtentflammbar (B3) und dürfen im Sinne der
MBO nicht verwendet werden. Die Normalentflammbarkeit der POLLI-BricksTM
kann mithilfe des Kleinbrennertests nach DIN 4102-1 nachgewiesen werden. Aus
diesem Grund dient die DIN 4102-1, hier insbesondere die Anforderungen und
Voraussetzung für die Einreihung in die Baustoffklasse B2, als Prüfgrundlage.
Der Prüfaufbau des Kleinbrennertests ist in der DIN 4102-1 beschrieben. Um die
Brandversuche möglichst normkonform durchzuführen, wurde die Apparatur
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nachgebaut (siehe Abbildung 12). Mittels Schraubzwingen werden die Proben an
dem Rahmen befestigt, sodass sie senkrecht hängen. Die Flamme des Brenners
trifft die Probe im 45° Winkel. In dem Korb, der unterhalb der Probe steht,
befinden sich zwei Lagen Filterpapier, um die Probe auf brennendes Abtropfen
zu prüfen. Der Boden des Korbes besteht aus Drahtmaschen.
POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
Materialeigenschaften
Bei den orientierenden Brandversuchen werden zwei Arten von POLLI-BricksTM
getestet:
•
•
POLLI-BricksTM, die aus 100 % recycelten PET, das bei der Herstellung von
PET-Flaschen als Produktionsabfall anfällt, bestehen. Diese POLLI-BricksTM
sind transluzent und werden nachfolgend als Probe A bezeichnet.
POLLI-BricksTM, die aus recycelten PET-Flaschen bestehen, die schon im
Umlauf waren und daher gebraucht wurden (post consumer). Diese POLLIBricksTM sehen milchig aus und werden im weiteren Verlauf der Arbeit als
Probe B bezeichnet.
Abbildung 13:
POLLI-BrickTM Probe A
Abbildung 14:
POLLI-BrickTM Probe B
Abbildung 12: Prüfaufbau
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4 Ergebnisse der Brandversuche
Ziel der Untersuchung war es, zu erarbeiten, inwieweit es möglich ist, brennende
Baustoffe im Bereich der Fassade bzw. Außenwand zu verwenden sowie das
Brandverhalten von PET-Flaschen, am Beispiel der POLLI-BricksTM, zu untersuchen und zu beurteilen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verwendung von brennbaren
Baustoffen im Bereich der Außenwand (Fassade) in der MBO bzw. den verschiedenen Muster-Sonderbauvorschriften geregelt ist. Diese Vorschriften legen
brandschutztechnische Anforderungen, z. B. an Baustoffe und Bauteile, fest und
garantieren dadurch eine Art Mindestbrandschutz. Für jede bauliche Anlage
müssen die Bestimmungen des Mindestbrandschutzes umgesetzt werden. Nur
so sind die aufgestellten Schutzziele sicher erfüllt.
Die brandschutztechnischen Anforderungen an Außenwände und Außenwandbekleidungen sind abhängig von der Art des Gebäudes (Regel- oder Sonderbau)
und der Gebäudeklasse, in die das Gebäude eingestuft wird.
Im Regelbau können bis Gebäudeklasse 3 Außenwände ohne definierten Feuerwiderstand ausgebildet werden, die verwendeten Baustoffe müssen jedoch als
mindestens normalentflammbar (B2) klassifiziert sein. Für höhere Gebäudeklassen fordert die MBO bei Verwendung von brennbaren Baustoffen zur Herstellung von Außenwänden mindestens eine feuerhemmende Qualität, das heißt
einen Feuerwiderstand von mindestens 30 Minuten (W 30-B). Die Außenwandbekleidung muss mindestens schwerentflammbar (B1) sein.
Die Muster-Sonderbauvorschriften stellen zum Teil höhere brandschutztechnische Anforderungen an Außenwände und Außenwandbekleidungen. Dies ist
der Fall, da Sonderbauten meist ein höheres Risiko als Regelbauten aufweisen,
was beispielsweise die Brandausbreitung und die Personenrettung betrifft. In
dieser Arbeit wurden die Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVkVO), MusterVersammlungsstättenverordnung (MVStättV), Muster-Hochhausrichtlinie
(MHHR) und die Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (MIndBauRL) betrachtet.
Betrachtet man nun den neuen Baustoff POLLI-BricksTM, darf dieser in Deutschland nicht einfach so verwendet werden. Da es sich bei den POLLI-BricksTM
um ein nicht geregeltes Bauprodukt handelt, muss die Verwendbarkeit für die
Bauaufsicht nachgewiesen werden und eine allgemeine bauaufsichtliche Zulas-
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POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
sung erfolgen. Das Zulassungsverfahren läuft grundsätzlich über das Deutsche
Institut für Bautechnik (DIBt), das auch die Zulassung ausstellt. Grundlage
der Zulassung sind vor allem Brandprüfungen, in denen das Brandverhalten
bestimmt wird. Welche Prüfungen durchgeführt werden müssen, legt das DIBt in
einem Prüfprogramm fest bzw. sind diese mit dem DIBt abzustimmen.
Da momentan noch keine Brandprüfungen nach einer gültigen deutschen bzw.
europäischen Norm vorliegen, wurde im Rahmen dieser Untersuchung das
Brandverhalten der POLLI-BricksTM getestet.
Um Erkenntnisse über das Brandverhalten der POLLI-BricksTM zu bekommen,
wurde die Prüfapparatur der Normalentflammbarkeitsprüfung nach DIN 4102-1
nachgebaut. Zu Beginn der Untersuchung war der wichtigste Schritt, zu klären,
ob die POLLI-BricksTM normal- oder leichtentflammbar sind, da nur mindestens
normalentflammbare Baustoffe (B2) gemäß MBO verwendet werden dürfen.
Untersucht wurden zwei Arten von POLLI-BricksTM, die sich in ihrem Material unterscheiden. Das Material der Probe A wird aus recycelten PET-Abfällen hergestellt,
während das Material der Probe B aus recycelten PET-Flaschen gewonnen
wird. Für beide Arten wurde das Brandverhalten auf Normalentflammbarkeit in
Anlehnung an die DIN 4102-1 geprüft.
Die orientierenden Brandversuche haben gezeigt, dass die POLLI-BricksTM nicht
leichtentflammbar, sondern mindestens normalentflammbar sind. Dies ist ein
wichtiges Resultat, da es somit möglich ist, die POLLI-BricksTM als Bauprodukt
im Sinne der MBO zu verwenden. Die orientierenden Brandversuche haben aber
auch gezeigt, dass die POLLI-BricksTM im Brandfall schmelzen und brennend abtropfen. Diese Feststellung führt dazu, dass derzeit die Anwendung der POLLIBricksTM im Fassadenbereich brandschutztechnisch bedenklich ist.
Die MBO geht zwar nicht näher auf die Problematik des brennenden Abtropfens
ein, jedoch ist im Zuge einer schutzzielorientierten Betrachtung brennendes
Abtropfen im Fassadenbereich kritisch zu sehen. Es führt nicht nur zu einer
Brandausbreitung nach unten, sondern gefährdet auch Gebäudenutzer, die sich
in Sicherheit bringen wollen und arbeitende Sicherheitskräfte. Deshalb wird hier
empfohlen, materialspezifisch (z. B. durch chemische Zusatzstoffe) nachzubessern.
Unter diesen jetzigen Voraussetzungen könnten die POLLI-BricksTM z. B. für
folgende Gebäude als nichttragende Außenwand bzw. Außenwandbekleidung
verwendet werden:
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•
•
•
•
•
•
POLLI-BricksTM – Brandverhalten neuer Materialien für den Fassadenbau
5 Ausblick
Gebäude der Gebäudeklasse 1 und 2
Gebäude der Gebäudeklasse 3: Grundfläche von 1.600 m und mit einer
Höhe der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein
Aufenthaltsraum möglich ist, von 7 Meter über Geländeoberfläche
Das gesamte Fassadensystem der Firma MINIWIZ kann in dieser Untersuchung
brandschutztechnisch leider nicht abschließend bewertet werden. Folgende
Punkte sind noch nicht hinreichend geklärt und benötigen weitere Prüfungen:
Verkaufsstätten < 800 m2 und einer Höhe von 7 Meter (Regelbau)
1.Im Rahmen der Brandversuche wurde nur das materialspezifische
Brandverhalten der POLLI-BricksTM im Kleinbrennertest nach DIN 4102-1
ermittelt. Das Brandverhalten des gesamten Fassadensystems wurde nicht
untersucht. Hier gilt es zu klären, welcher Baustoffklasse die PC-Platte
zugeordnet werden kann und inwieweit sich der Luftraum zwischen der
PC-Platte und den POLLI-BricksTM auf das Brandverhalten und insbesondere die Brandausbreitung auswirkt. Sollte es über B2 nicht hinausgehen,
erfüllen sie die bauaufsichtlichen Anforderungen an Außenwände für
diese Gebäudeklasse nicht.
2
erdgeschossige Versammlungsstätten < 1.600 m
2
Industriebauten < 2.000 m2
Industriebauten > 2.000 m2 mit selbsttätiger Feuerlöschanlage
Da es sich um eine nichttragende Außenwand aus brennbaren Baustoffen
handelt, sind in jedem Fall Besonderheiten im Brandwandbereich zu beachten
(nachzulesen in der ausführlichen Arbeit auf www.hhpberlin.de). Gebäudeabschlusswände, die als Brandwände auszuführen sind, können mit dem
POLLI-BrickTM-Fassadensystem nicht hergestellt werden, weil diese mindestens
hochfeuerhemmend (F 60) sein müssen (für Gebäudeklasse 1 bis 3). Für hochfeuerhemmende Bauteile ist in der MBO genau festgelegt, wie diese auszubilden sind. Die tragenden und aussteifenden Bauteile dürfen aus brennbaren
Baustoffen bestehen, müssen aber mit nichtbrennbaren Baustoffen verkleidet
sein. Dies ist bei dem zu bewertenden Fassadensystem nicht der Fall. Die brandschutztechnische Qualität des POLLI-BrickTM-Fassadensystems kann, aufgrund
der Anforderungen der MBO an das Brandverhalten von Baustoffen der Bauteile, maximal als feuerhemmend (F 30) eingestuft werden.
Absolut ausgeschlossen ist die Verwendung der POLLI-BricksTM als Fassade
eines Hochhauses, da hier nur nichtbrennbare Baustoffe zugelassen sind.
Zusammenfassend ist das wichtigste Ergebnis der Brandversuche, dass beide
Arten von POLLI-BricksTM nach DIN 4102-1 als normalentflammbar gelten.
Allerdings wurde festgestellt, dass das Material im Brandfall brennend abtropft.
Im Anwendungsbereich von Fassaden ist brennendes Abtropfen als bedenklich
anzusehen. Hier wird eine Nachbesserung als erforderlich angesehen.
2.Im Zuge der orientierenden Brandversuche wurde nur die Normalentflammbarkeit des Baustoffs getestet. Weitergehende Brandprüfungen
(Schwerentflammbarkeit, F30, Fassadenprüfstand bei Dämmung für die
Gebäudeklassen 4 und 5) zur Verwendung des Systems auch bei anderen
Gebäuden sind somit empfehlenswert.
3.
urch die Montage der POLLI-BricksTM mittels Schienen an das GeD
bäude existiert zwischen dem Fassadensystem und der Geschossdecke
zwangsläufig ein Spalt. Die Geschossdecke ist in einer brandschutztechnischen Qualität ausgeführt, um einer Ausbreitung von Feuer und Rauch
Widerstand zu leisten. Damit eine Brand- und Rauchausbreitung in das
darüberliegende Geschoss möglichst lange verhindert wird, ist zu klären,
wie der Anschlussbereich (insbesondere die entstehende Fuge) zwischen
Geschossdecke und POLLI-BrickTM-Element ausgebildet sein muss.
4.Kunststoffe altern (Verwitterung, UV Einstrahlung) über die Zeit. Daher
gilt es zu prüfen, inwieweit sich das Altern auf die brandschutztechnischen Eigenschaften auswirkt.
5.Die Bewertung der Rauchentwicklung (insbesondere der Menge, Temperatur und Konsistenz an toxischen und korrosiven Brandgasen) ist nicht Bestandteil der B2-Prüfung nach DIN 4102-1 und daher keine Voraussetzung
für deren Bestehen. Es fiel aber auf, dass die untersuchten Proben zum
Teil eine starke, rußige Rauchentwicklung aufwiesen. Es ist zu empfehlen,
diese Verhalten nach DIN EN 13501 genauer zu prüfen und zu bewerten.
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6.Zudem wurde bei den orientierenden Brandversuchen festgestellt, dass
sich das Material während der Beflammung stark plastisch verformt. Es
ist daher interessant zu wissen, wie sich mehrere Elemente im Brandfall
verhalten, wenn sie sich plastisch verformen (Lastfall Brand) und genauer
zu analysieren, ob dies Auswirkung auf die Befestigung der Elemente hat.
Lesen Sie die gesamte Arbeit unter www.hhpberlin.de.
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Weitere Informationen
www.hhpberlin.de
hhpberlin ist das führende deutsche Ingenieurbüro für Brandschutz mit Sitz
in Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Braunschweig. Die im Jahr 2000
aus dem Büro Hosser, Hass und Partner hervorgegangene Firma entwickelt
weltweit Brandschutzkonzepte für nationale und internationale Bauprojekte.
Zu den Referenzen gehören u. a. die Münchner Allianz Arena, das Bundeskanzleramt, die Color Line Arena in Hamburg, die Dalian Twin Towers, das
Pudong Museum in China sowie der neue Hauptstadt-Airport Berlin-Brandenburg International. Die Kompetenz von hhpberlin reicht von der brandschutzgerechten Fachplanung über die Ausführung bis hin zur Qualitätssicherung
– sowohl im Neubau als auch bei der Bauerneuerung.
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