Amphibienforum St.Gallen – Appenzell Nr. 3: Mai 2002 Redaktion: Jonas Barandun, Naturmuseum St.Gallen, Museumstrasse 32, 9000 St.Gallen Tel 071 242 06 70; Fax 071 242 06 72; Email: [email protected] nächste Ausgabe: November 2002 Rettungsprojekt Geburtshelferkröte Pro Natura St.Gallen-Appenzell hat ein Projekt zur Rettung der Geburtshelferkröte lanciert. Mit dem Projekt sollen die verbliebenen kleinen Vorkommen gefördert und das Angebot an geeigneten Lebensräumen erweitert werden. Geburtshelferkröten lassen sich mit kleinem Aufwand und auf kleinem Raum fördern. Schon früher waren sie an Feuerweihern und um Häuser herum zuhause. Heute sind sie beliebte Sommergäste in Gärten. Einzigartige Lebensweise Wie der Name andeutet, betreibt die Geburtshelferkröte eine besondere Fortpflanzung. Das Weibchen übergibt die Eier dem Männchen. Dieses trägt sie dann mit sich herum, bis sie schlüpfbereit sind und bringt sie dann zum Wasser. Die Kaulquappen können im Wasser überwintern und werden dann bis zu 9 cm lang. Unverwechselbar ist auch der Ruf der Männchen: ein leiser, glockenähnlicher Ton – daher der Name „Glögglifrosch“. Der Ruf kann unter folgender Telefonnummer abgehört werden: 031 350 73 27. Die Geburtshelferkröte ist eine typische Art der Voralpen. Die Verbreitungsgrenze der Art bilden bei uns das Rheintal und die Bergketten von Alpstein, Churfirsten und Hörnli. Sie lebt natürlicherweise vor allem an Anrissstellen von Flüssen und in Rutschgebieten. Weil man sie meistens in steinigem Gelände findet, heisst sie auch „Steichröttli“. Vorkommen zählen nur mehr 1-2 Rufer und sind so nicht mehr überlebensfähig. In den vergangenen 15 Jahren sind in der Region über 1/3 der bekannten Vorkommen erloschen. Ursache ist die Umgestaltung von Kleingewässern und Landlebensräumen. Manche Feuerweiher wurden mit Fischen besetzt, zugedeckt oder nicht mehr gereinigt. Gelegentlich hat allein schon das Entfernen einer unterhöhlten Steinplatte oder Trockenmauer den Tieren die Lebensgrundlage entzogen. Hier setzt das Projekt von Pro Natura an: An möglichst vielen Orten, wo die Geburtshelferkröte vorkommt oder vorgekommen ist, möchten wir die Besitzer motivieren, der einzigartigen Tierart eine Überlebenschance zu geben. Meistens geht es um kleine Massnahmen wie die Reinigung eines Weihers oder die Schaffung von geeigneten Hohlräumen. Wir bieten dazu gratis eine Beratung vor Ort an. Für nachhaltige Massnahmen ist auch eine finanzielle Unterstützung möglich. Aufruf > Melden Sie uns alle Beobachtungen von Geburtshelferkröten – auch aus früheren Jahren > Rufen Sie uns an, wenn Sie etwas für Geburtshelferkröten unternehmen möchten Stark gefährdet > Verteilen Sie das Faltblatt „Glögglifrosch“ oder legen Sie es bei Veranstaltungen auf. Sie erhalten es kostenlos beim Naturmuseum St.Gallen Das Verbreitungsgebiet der Geburtshelferkröte beschränkt sich bei uns auf Gebiete nördlich von Alpstein, Chursfirsten und Hörnli. Die meisten Vorkommen sind heute klein und umfassen weniger als 10 Rufer. Manche Ausführliche und aktuelle Informationen zur Lebensweise der Geburtshelferkröte sowie zum Projekt finden Sie auf der Website von Pro Natura St.Gallen-Appenzell: www.pronatura.ch/sg, Rubrik Projekte. Weiterbildungskurs Amphibien 2002: Geburtshelferkröte – Lebensweise, Vorkommen und Förderung Freitag 14. Juni 2002, 19 – ca. 22.30 Uhr in Bütschwil SG Programm Einführung in Lebensweise, Vorkommen, Gefährdung und Förderung der Geburtshelferkröte mit Exkursion zu natürlichem und aufgewertetem Lebensraum und Bestimmungsübungen an Kaulquappen Anmeldung (angemeldete Personen erhalten Detailinformationen) Anzahl Personen: _____ Name, Vorname: Adresse: Email: Anmeldung bis 31. Mai 2002 an die Redaktionsadresse Telefon: Amphibienforum St.Gallen – Appenzell: Mai 2002 Seite 2 Neu: Amphibienzaun zum Ausleihen Amphibienwanderungen 2002 Die Jeker-Stiftung hat dem Schweizer Tierschutz einen Km Amphibienzaun gestiftet. Der Zaun wird am Naturmuseum St.Gallen gelagert und von Jonas Barandun verwaltet. Der Zaun ist für einmalige Einsätze im Kanton St.Gallen sowie umliegenden Regionen vorgesehen. Die Laichwanderung der Amphibien hat heuer früh begonnen und sehr lange gedauert. Erste Tiere sind Ende Februar gelaufen. Noch am 20. April waren Kröten in St.Gallen zum Laichgewässer unterwegs. Besonders in mittleren Höhenlagen waren die Tiere durch Witterungsverlauf sehr geplagt. Die lange Trockenperiode sowie das auf und ab der Temperaturen haben vermutlich dazu geführt, dass manche Weibchen gar nicht zum Laichgewässer gelangt sind oder nur wenig Laich abgelegt haben. Ausserdem ist ein Teil der Eigelege erfroren. Somit ist dieses Jahr deutlich weniger Nachwuchs von Grasfrosch und Erdkröte zu erwarten als im Vorjahr. Strassensperrung am Wenigerweiher Beim Zaun handelt es sich um Varianten des MaibachSystems, welches in Einheiten zu 50 bzw. 60 m abgegeben werden kann und relativ leicht aufzustellen ist. Interessierte können den Amphibienzaun gratis am Naturmuseum St.Gallen ausleihen. Sie müssen nur den Transport und Unterhalt selber organisieren sowie die Ergebnisse der Aktion zusammenstellen. Für die Laichwanderung 2002 konnte der Zaun gerade noch rechtzeitig an mehrere Orte abgegeben werden: 1) Rehetobel (Gemeinde und Naturschutzverein): 170m bei Zweibruggen zur Abklärung der Anzahl laufender Tiere. 770 Amphibien wurden am Zaun gefangen und über die Strasse getragen. Das sind unerwartet viele Tiere. Jetzt laufen Abklärungen zur dauerhaften Sicherung der Amphibienwanderung. 2) Herisau (Gemeinde und Ornithologischer Verein, OV): 300m beim Saumweiher zur Abklärung der Anzahl laufender Tiere auf einem bisher nicht kontrollierten Strassenabschnitt. Es wurden nur wenig Tiere am Zaun erfasst. Mehr Tiere wollten später im Bereich des Zauns zurück wandern. Der Zaun war ungenau gestellt und wurde ausserdem mit Gülle abgespritzt. 3) Mosnang (Gemeinde und OV): 150m bei der Kiesgrube Fridlingen zum Schutz der rasch zunehmenden Anzahl wandernder Amphibien und zur Abklärung der Länge des zu schützenden Strassenabschnittes. Es wurden rund 1600 Tiere gerettet. Nun wird die Gemeinde einen eigenen Fangzaun anschaffen. 4) Bad Ragaz (Gemeinde und OV): 270m nördlich Rosenbergli zur Abklärung der Anzahl wandernder Tiere und einer allfälligen Häufung. Es wurden nur gerade 59Tiere am Zaun gefunden. Daneben wurden auf weiteren 300m rund mindestens 31 Frösche überfahren. Die geringe Anzahl Tiere auf der langen Strecke rechtfertigt keine Fortführung einer Rettungsaktion. Der OV Bad Ragaz wird die weitere Entwicklung verfolgen. Am Wenigerweiher oberhalb St.Gallen wird seit Jahren versucht, eine Amphibienwanderung von über 1500 Tieren mit Hilfe einer Strassensperrung zu schützen. Eine Sperrung ist möglich, weil die Strasse leicht zu umfahren ist und nur ein Anwohner innerhalb der zu sperrenden Strecke wohnt. Nachdem festgestellt werden musste, dass Fahrverbote und umfahrbare Teilsperren wenig beachtet werden, hat sich die Stadt im vergangenen Herbst entschlossen, während der Laichwanderung einen elektronischen Schlagbaum zu installieren. Das Ergebnis: Erstmals seit Jahrzehnten wurden heuer kaum mehr Amphibien auf ihrer Wanderung überfahren. Im Vergleich mit einem Leitwerk aus Leitzäunen und Tunnel ist der Vorteil offensichtlich: Die Schranke selbst wird nur während der Laichwanderung installiert. Während der übrigen Zeit sind keine Anlagen sichtbar. Es entsteht also keine ganzjährig wirksame Behinderung für Kleintiere und es sind keine unschönen Betonwände und Schächte sichtbar. Auch der Kostenverlgeich lässt sich sehen: Die Installation der Schranke kostete rund 60'000 Franken, ein Amphibienleitwerk hätte über 300'000 gekostet. Es empfiehlt sich also, eine Strassensperrung zu prüfen, wenn eine Amphibienwanderung zu schützen ist! Atrazin auf der Anklagebank In einer amerikanischen Studie wurde kürzlich nachgewiesen, dass Atrazin bei Krallenfröschen bereits in einer extrem geringen Konzentration von 0.1 ppb zu Fehlentwicklungen und reduzierter Fruchtbarkeit führt. Atrazin war in der Schweiz bis in die 80er Jahre ein verbreitet eingesetztes Herbizid (v.a. im Maisanbau und Bahnunterhalt). Weil es schwer abbaubar ist und sich im Trinkwasser anreicherte, wurde es bei uns vor über 10 Jahren verboten. In geringer Konzentration ist der Stoff aber bis heute nachweisbar. Das Zusammenwirken von Atrazin mit anderen Schadstoffen könnte eine Ursache sein für den teils unerklärbaren Rückgang von Amphibien (und anderen Tiergruppen) im Kulturland. Atrazin wird übrigens nach wie vor in grossen Mengen produziert und weltweit eingesetzt.