Dynamik der Geschlossenheit Andreas Kirchner Dynamik der Geschlossenheit Eine Theoriefigur der späten Moderne und ihre Entfaltung bei Hans Blumenberg Andreas Kirchner München, Deutschland Bernhard Schmidt Langenhagen, Deutschland Voestalpine Linz, Österreich Zugl. Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 2010 ISBN 978-3-531-18377-0 DOI 10.1007/978-3-531-94078-6 ISBN 978-3-531-94078-6 (eBook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. 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Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt Vorwort................................................................................................................ 9 Einleitung .......................................................................................................... 11 1 Dynamik der Geschlossenheit: Zur Entfaltung einer Theoriefigur ....... 21 1.1 Zum Selbstverständnis der Moderne ............................................................ 22 1.1.1 Das Zeitbewusstsein der Moderne .................................................... 24 a) Modern als Jetziges .................................................................................. 24 b) Moderne als Epoche der Neuzeit.............................................................. 25 c) Die späte Moderne als ‚vorübergehend‘ ................................................... 31 1.1.2 Dimensionen der späten Moderne .................................................... 35 a) zeitlich ...................................................................................................... 36 b) sachlich .................................................................................................... 37 c) normativ ................................................................................................... 39 d) sozialräumlich .......................................................................................... 40 e) ‚subjektiv‘ ................................................................................................ 42 1.1.3 Moderne Theorieverweise – Verweise auf die Moderne .................. 45 a) Postmoderne ............................................................................................. 47 b) Flüchtige Moderne ................................................................................... 51 c) Reflexive Modernisierung ........................................................................ 53 d) Gesellschaft der Gegenwarten .................................................................. 55 1.2 Zur Dynamik der Geschlossenheit ............................................................... 57 1.2.1 Moderne Geschlossenheitsdynamiken .............................................. 58 a) René Descartes ......................................................................................... 59 b) Giambattista Vico .................................................................................... 63 c) Immanuel Kant ......................................................................................... 66 d) Johann Gottfried Herder ........................................................................... 68 e) Georg Wilhelm Friedrich Hegel ............................................................... 71 f) Ferdinand de Saussure .............................................................................. 74 g) Ludwig Wittgenstein ................................................................................ 74 h) Ernst Cassirer ........................................................................................... 76 i) Edmund Husserl ........................................................................................ 77 j) Jacques Derrida ......................................................................................... 79 1.2.2 Sinn ................................................................................................... 81 a) Von der Transzendenz zur Immanenz allen Sinns .................................... 81 b) Sinn als Verweisungsgeschehen: Reduktion von Komplexität und Einschränkung von Kontingenz ................................................................ 85 1.2.3 Dynamik der Geschlossenheit .......................................................... 88 1.3 Die Idee operativ geschlossener Systeme in der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmanns ............................. 106 1.3.1 Soziologische Aufklärung............................................................... 106 1.3.2 Funktionale Erfordernisse ............................................................... 111 1.3.3 Operative Geschlossenheit .............................................................. 116 1.3.2 Zur funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft ....... 122 1.3.4 Beobachtungsperspektiven ............................................................. 126 1.4 Theorieästhetik ........................................................................................... 130 2 Arbeit am Dasein: Die Dynamik der Geschlossenheit in der Anthropologie Hans Blumenbergs.......................................................... 137 2.1 Über die Kunst des Überlebens: Eine kurze Vorbemerkung zur Philosophie Hans Blumenbergs ................ 141 2.2 Der Mensch zwischen dem Absolutismus der Wirklichkeit und der Lebenswelt ................................................................................................. 145 2.2.1 Lebenswelt und Absolutismus der Wirklichkeit ............................. 146 2.2.2 Verlorenheit in Raum und Zeit ....................................................... 153 2.2.3 Humane Selbstbehauptung als Daseinsprogramm .......................... 161 6 2.3 Die Kunst des Überlebens als Entlastung vom Absoluten: Weisen der Welterzeugung ........................................................................ 166 2.3.1 Das Bedürfnis nach Bedeutsamkeit: Eine anthropologische Annäherung ................................................ 170 2.3.2 Kultur als Leistung der Distanz: Entlastung vom Absoluten .......... 174 2.3.3 Arbeit am Mythos ........................................................................... 179 2.3.4 Das Programm einer Metaphorologie ............................................. 186 2.3.5 Technik und Wissenschaft .............................................................. 192 2.4 Arbeit am Dasein ....................................................................................... 203 2.4.1 Dasein durch Distanz: Welterzeugung als Negation ....................... 204 2.4.2 Geschlossenheiten und Offenheiten ................................................ 214 2.4.3 Dasein als Arbeit am Dasein ........................................................... 225 3 Reproduktion: Entlastung vom Absoluten ............................................ 233 Literatur .......................................................................................................... 245 7 „Triff eine Unterscheidung“ (Spencer Brown, 1997, 3) „Vernunft bedeutet eben, mit etwas – im Grenzfall: mit der Welt – fertig werden zu können“ (Blumenberg, 1990, 72). Das „Hofstadtersche Gesetz: Es braucht immer länger, als man erwartet, sogar wenn man das Hofstadtersche Gesetz berücksichtigt“ (Hofstadter, 1985, 164). Vorwort Mit etwas fertig zu werden, im Extremfall mit der Welt, mag durchaus vernünftig sein. Auf alle Fälle braucht man Zeit. Für die vorliegende Arbeit trifft sicherlich beides zu. Wie das Thema selbst ist auch dieser Text der Dynamik seines Verweisungsgeschehens geschuldet und stellt sich als abgeschlossene Form dar. Zugleich ergeben sich doch an der einen oder anderen Stelle Anschlussmöglichkeiten, die der Leser in seiner bzw. die Leserin in ihrer eigenen Arbeit am Dasein verwirklichen möge. Die vorliegende Arbeit lag 2010 der Ludwig-MaximiliansUniversität München als Dissertationsschrift vor. Für die Veröffentlichung ist sie leicht überarbeitet worden. Mein besonderer Dank gilt … Prof. Dr. Armin Nassehi für die Betreuung bei einem Promotionsprojekt, das über oftmals verschlungene Pfade einen langwierigen Weg gegangen ist und ohne seine Ermutigung und Lösungskompetenz sicherlich nicht so fertig gestellt worden wäre. Prof. Dr. Wilhelm Vossenkuhl für das gemeinsame Interesse an der Philosophie Hans Blumenbergs und die bereitwillige Übernahme des Zweitgutachtens. Dr. Jochen Ostheimer, Dr. Andreas Keck, P. Stephan Hufnagel und Martin Hierl, die das Gelingen dieser Arbeit denk-, wort- und korrekturfreudig unterstützt haben. Der Bibliothek der Hochschulen in Benediktbeuern, die mit ihrem oftmals unerwarteten Bücherbestand, Neuanschaffungen und Nachsicht das wissenschaftliche Arbeiten in der ländlichen Abgeschiedenheit des Voralpenlandes ermöglicht hat. Der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, die mir mit einer sozialwissenschaftlichen Forschungstätigkeit zugleich die räumliche Infrastruktur ermöglicht hat, diese Arbeit abschließen zu können. Meinen Eltern und Schwiegereltern für die vielfältigen Unterstützungen und Ermutigungen. Nicht zuletzt für die Kinderbetreuung und Beherbergung der gesamten Familie, wenn das Schreiben wieder einmal in einer kritischen Phase war. Last but not least meiner Familie, welche die vielfältige Dynamik und merkwürdigen Absurditäten des wissenschaftlichen Schreibens liebevoll und geduldig ertragen hat. Insbesondere ohne meine Frau wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ich widme dieses Buch Carolin, Lilian und Levin Kirchner. Benediktbeuern, im Februar 2012 Andreas Kirchner © 2012 The M.C. Escher Company – the Netherlands. All rights reserved. Used by permission. www.mcescher.com Maurits Cornelis Escher: „Zeichnende Hände“ (Lithographie, 1948) Einleitung Die vorliegende Arbeit nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Idee der operativen Geschlossenheit allen Geschehens. Mit dem Begriff der Operation ist zunächst das ereignishafte Geschehen eines Vollzugs, eine Verrichtung, ein Arbeitsvorgang gemeint. Der Terminus Geschlossenheit wird im wörtlichen Sinn der alltäglichen Umgangssprache verstanden: „abgeschlossen, Anfang und Ende fallen zusammen, auf sich selbst bezogen, unbeeinflußt, autonom usw.“ (Foerster, 1987, 144)1. Die für diese Arbeit grundlegende und tragende Idee der operativen Geschlossenheit und ihre hier interessierenden Implikationen seien kurz anhand Maurits Cornelis Eschers Zeichnenden Händen von 1948 skizziert. In dieser Lithographie zeichnet eine rechte Hand (RH) eine linke Hand (LH), während gleichzeitig die linke Hand die rechte Hand zeichnet. Dass beide Hände zeichnen, verweist auf eine dynamische Verrichtung, auf einen Vollzug – also auf Operativität. Zugleich verdankt jede Hand im Bild ihre Existenz und damit ihre Operation des Zeichnens der jeweils anderen: RH kann LH nur deshalb zeichnen, weil RH selbst von LH gezeichnet wird, und umgekehrt. RH und LH bilden im Prozess ihres gegenseitigen Zeichnens einen auf sich selbst verweisenden und damit operativ geschlossenen Zusammenhang. Es lässt sich auch sagen, dass RH und LH in diesem Aufeinander-verwiesen-sein den Prozess Ihres-sichgegenseitig-Zeichnens selbst organisieren. Beide Hände erhalten sich selbst, weil sie sich selbst und damit den Fortgang des weiteren Zeichnens ihrem eigenen Resultat, also der je anderen Hand, verdanken. Die sich gegenseitig zeichnenden Hände setzen sich insofern autonom, sie sind im Bild von einem absoluten Ursprung (Escher) emanzipiert. Nimmt man einen weiteren Begriff zu Hilfe, den 1 An dieser Stelle ein Hinweis zur Zitation: Wörtliche Zitate stehen in Anführungszeichen, der Quellverweis erfolgt im Text direkt nach dem Zitat innerhalb des Satzes vor dem abschließenden Punkt. Ein Quellverweis im Text ohne ein vorhergehendes wörtliches Zitat in Anführungszeichen ist immer ein Vergleiche, allerdings ohne das übliche vgl. Seitenzahlen werden in beiden Fällen nicht mit dem Kürzel S. angegeben, sondern stehen als reine Zahl als letztes in der Folge Autor, Erscheinungsjahr, Seitenzahl. Falls nicht anders kenntlich gemacht, entsprechen Hervorhebungen in wörtlichen Zitaten dem Original; wörtliche Zitate sind nicht an die neue Rechtschreibung angepasst, sondern im Original belassen. 11 der Rekursivität – „damit wird gemeint, daß das Resultat einer Operation aufs neue zum Ausgangspunkt dieser Operation genommen wird, deren Resultat aufs neue zum Ausgangspunkt dieser Operation genommen wird ... usw., usw.“ (Foerster, 1987, 149)2 –, kann im Zusammenziehen der Begriffe Operation und Geschlossenheit unter operativer Geschlossenheit die „rekursive Ermöglichung eigener Operationen durch die Resultate eigener Operationen“ (Luhmann, 1998, 94) verstanden werden. In dieser Hinsicht verweist die Idee der operativen Geschlossenheit auf Konzepte wie Selbstbezüglichkeit, Selbstreferenz, Rekursivität, Zirkularität, Autopoiese, Selbstorganisation, System, Beobachtung etc., die vor allem in Diskursen konstruktivistischer Erkenntnistheorien (Foerster, 1987; Schmidt, 1987)3, der Kybernetik zweiter Ordnung (Glanville, 1988), der Neurophysiologie (Maturana, 1987; ders., 2000; Roth, 2003; Varela, 1987), nachklassischer Logiken (Günther, 1979; Spencer Brown, 1997) oder der soziologischen Systemtheorie (Luhmann, 1984) eine zentrale Rolle spielen. Man denke beispielsweise nur an Foersters Untersuchungen zu selbstreferentiellen Eigenwerten und die „Unabhängigkeit des Eigenwerts vom Anfangswert“ (1987, 154), oder an das Konzept der Autopoiesis, das die organisationelle Geschlossenheit von Systemen dadurch betont, dass die Elemente eines Systems in einem rekursiven Netzwerk derjenigen Elemente hervorgebracht werden, aus denen das System besteht (Luhmann, 1984; Maturana, 1987; Varela, 1987). Diese Denkungsart, Sachverhalte als operativ geschlossene Verweisungszusammenhänge theoretisch darzustellen, findet sich besonders markant auch in der poststrukturalistischen Figur der différance bei Derrida wieder. Die différance als differentieller Verweis von Zeichen auf Zeichen auf Zeichen … ist letztlich nichts anderes als ein in sich geschlossener und gegenüber einem transzendentalen Signifikat unabhängiger Verweisungszusammenhang (Derrida, 1988a). Werfen wir einen zweiten Blick auf Eschers Lithographie: Die jeweils eine Hand (RH) hängt in ihrem Zeichnen der anderen (LH) jeweils ausweglos selbst von dieser anderen (LH) ab (und umgekehrt). Es „kehren sich Ebenen, die gewöhnlich als hierarchisch angesehen werden í das, was zeichnet, und das, was gezeichnet wird í gegen sich selbst und erzeugen so eine verwickelte Hierarchie“ (Hofstadter, 1985, 735). Beide Hände sind Subjekt und Objekt zugleich, wenn man noch an diesen Begriffen festhalten will. Was Hofstadter in diesem 2 3 Vgl. analog zur Idee der Rekursivität die „successive Anwendung“ bei Wittgenstein: „Die fortgesetzte Anwendung einer Operation auf ihr eigenes Resultat nenne ich ihre successive Anwendung“ (Wittgenstein, 1980a, 5.2521). Diese Literaturhinweise sind exemplarisch und dienen der Identifizierung von Positionen. 12 Kontext als Seltsame Schleife bezeichnet (ebd., 12), hat Glanville im Rahmen der Kybernetik zweiter Ordnung als rollenbasierte Zirkularität von Kontrolleur und Kontrolliertem aufgezeigt: Die Selbstreferentialität eines in sich geschlossenen Verweisungszusammenhangs kann anhand eines Rückkopplungssystems wie Thermostat und Heizungssystem beschrieben werden. Klassisch würde man unterstellen, dass der Thermostat die Temperatur des Heizungssystems kontrolliert. Zugleich muss aber festgestellt werden, dass ebenso die Temperatur der Umgebung als (nicht-exklusives) Produkt des Heizungssystems den Thermostat reguliert. Wie sich also RH und LH gegenseitig zeichnen, kontrollieren sich Thermostat und Heizungssystem gegenseitig. „Was jeweils das Kontrollierende und das Kontrollierte ist, ist eine Frage der Rolle; alles ist beides im Verhältnis zu anderem, und die Kontrolle, die die geforderte Stabilität produziert, besteht in der Schleife, die sie alle miteinander verbindet“ (Glanville, 1988, 203). Das grundlegende Problem aller Selbstbezüglichkeit liegt in derjenigen Paradoxie, „dass die bezeichnende Operation zum Bezeichneten gehört und damit einen Zirkel verursacht“ (Nassehi, 2003, 75f)4. Dieser Zirkel wird an Eschers Zeichnenden Händen besonders offensichtlich: RH bezieht sich im Zeichnen von LH letztlich auf sich selbst, weil wiederum LH RH zeichnet (und umgekehrt). Die jeweils zeichnende Hand verdankt sich in dieser Hinsicht jeweils ihrem Resultat und kann sich nur anhand von diesem selbst feststellen. Mit dem Problem der Selbstreferenz stellt sich die entscheidende Frage, wie mit dieser Paradoxie umgegangen, also wie sie entfaltet wird. Was hier als zunächst rein logische Spielerei erscheinen mag, ist als Denkfigur allerdings geradezu auf dem Boden empirischer Beobachtungen entstanden. Die theoretischen Ansätze, mit denen hier die Figur der operativen Geschlossenheit an Eschers Lithographie gedeutet wird, finden Selbstreferenz in ihrem je spezifischen Gegenstandsbereich auf, wie z.B. die Geschlossenheit des Bewusstseins als eines operativen Verweisungszusammenhangs, Rückkopplungsschleifen in der Steuerungstechnik, die neurophysiologische Geschlossenheit des Nervensystems oder die operative Geschlossenheit aller sozialen Sachverhalte in der soziologischen Systemtheorie. So unterschiedlich sich diese theoretischen Ansätze im Einzelnen auch ausnehmen, sie konvergieren in der konstitutiven „Idee, dass sich alles, was geschieht, der Geschlossenheit operativer Verknüpfungen von Ereignissen verdankt“ (Nassehi, 2003, 310; Hervorhebung A.K.). 4 Vgl. zum Problem der Selbstreferenz ebenso Glanville, 1988, 210: „Dinge, die sich selbst reproduzieren, tun dies dank Referenz auf eine Selbstbeschreibung, die in der (Re-)Produktion (re-)produziert wird“ 13 Nassehi hat solche theoretischen Reflexionsformen auf die operative Geschlossenheit allen Geschehens aus einer theorieästhetischen Perspektive versuchsweise unter das Signum einer Dynamik der Geschlossenheit subsumiert (ebd., 65). Die Frage nach der Ästhetik einer Theorie meint für ihn weniger einen Blick auf den Gegenstand einer Theorie, sondern schenkt vielmehr der Form des Theoretisierens selbst Aufmerksamkeit. „Unter einer theorieästhetischen Perspektive verstehe ich einen Blick darauf, wie, also mit welchen internen konstruktiven Mitteln theoretische Modelle dafür sorgen, Plausibilität zu ermöglichen. Ästhetisch ist an Theorien das, was sie letztlich nicht sagen, weil es ihrem eigenen Operieren eingeschrieben ist“ (ebd., 17). Der Vorteil einer solchen theorieästhetischen Perspektive auf die Form des Theoretisierens, auf die konstitutiven Plausibilisierungsmittel, mit denen Theorien ihren Gegenstand ‚in Form bringen‘, besteht darin, trotz Unterschiedlichkeit der Gegenstandsbereiche erstaunliche Ähnlichkeiten festzustellen. Sichtbar wird so etwas wie die zugrundeliegende Idee, das Konstruktionsprinzip, die Grundintention, unter der das jeweilige Resultat theoretischen Beobachtens dargestellt wird. Es geht also um die Form des theoretischen Beobachtens selbst. Insbesondere in der soziologischen Systemtheorie luhmannscher Provenienz wird die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit paradigmatisch entfaltet. Psychische wie soziale Systeme konstituieren sich für Luhmann gerade dadurch, dass Operationen sinnhaft an Operationen anschließen und damit dynamische Kontinuitäten kondensieren, die andere Möglichkeiten ausschließen und eine Differenz von System und Umwelt etablieren. „Wenn Operationen aneinander anschließen, entsteht ein System. Der Anschluß kann nur selektiv erfolgen, denn nicht alles passt zu jedem. Und er kann nur rekursiv erfolgen, indem die folgende Operation berücksichtigt und dann voraussetzt, was gewesen ist“ (Luhmann, 1990d, 271). Indem die Systemtheorie den Systembegriff nicht nur für die operative Geschlossenheit des Bewusstseins veranschlagt, sondern für soziale Sachverhalte generalisiert, werden alltägliche Sozialkontakte wie Interaktionen als Kommunikation unter Anwesenden, Organisationen als über Mitgliedschaft geregelte Kommunikationen, gesellschaftliche Teilsysteme in einer je spezifisch codierten Funktionsorientierung wie auch die Gesellschaft als Gesamtheit aller erwartbaren Kommunikationen als operativ geschlossene Verweisungszusammenhänge verstanden. Die Figur der operativen Geschlossenheit in dieser Weise auf alles kommunikatives Geschehen anzuwenden hat aber weitreichende Konsequenzen für die Wissenschaft5: Auch die Wissenschaft ist letztlich nichts ande5 Ähnlich vermerkt Glanville, dass das Problem der Selbstreferenz „jedoch nicht nur ein logisches Spiel [ist], sondern es betrifft die Validität des Wissenschaftssystems“ (Glanville, 1988, 211). 14 res als ein selbstreferentielles Geschehen, das sich seinen eigenen Beobachtungen verdankt. Für Luhmann gehen damit vor allem zwei Folgerungen einher (Luhmann, 1984, 647ff): Zum einen wird auf substantielle Letztelemente als außenfundierte Absolutheiten verzichtet, weil sich jegliche Formenkonstitution, jegliche Ordnung, dem eigenen Operieren verdankt. Zum anderen führt die Universalisierung der Idee operativer Geschlossenheit dazu, dass die eigene Theorie im eigenen Gegenstandsbereich wieder auftaucht und damit Selbstanwendung erfordert. Das gilt in besonderer Weise für die Soziologie, die als Reflexionstheorie des Sozialen in ihrem Gegenstandsbereich enthalten ist und diesen in ihren Beobachtungen immer schon mitbetreibt. Analog zu den Zeichnenden Händen Eschers zeichnet die Soziologie in ihren theoretischen Reflexionen das Soziale und wird gerade in dieser Gegenstandskonstitution ausweglos selbst von ihrem Resultat gezeichnet. Hofstadter hat vorgeschlagen, die Seltsame Schleife der zeichnenden Hände durch eine Beobachtung auf höherer Ebene aufzulösen, indem aus dem System herausgetreten wird und RH und LH M.C. Escher als Urheber zugerechnet werden (Hofstadter, 1985, 753). Wie aber schon die zeichnenden Hände ausweglos im Bild in ihren operativen Verweisungszusammenhang eingeschlossen bleiben und keinen distanzierten Blick von außen auf sich selbst und Escher werfen können, kann auch die Soziologie nicht aus der Gesellschaft heraus treten und die Gesellschaft wie auch sich selbst von außerhalb betrachten. Ein analoges Problem ergibt sich aufgrund der operativen Geschlossenheit des Bewusstseins. Will sich das Denken selbst bewusst werden, ist es unweigerlich auf sein eigenes Operieren verwiesen. Es kann keinen externen Standpunkt einnehmen, um sich selbst in seiner Einheit zu fassen, und sobald es versucht, sein Denken zu denken, taucht es in einen endlosen Zirkel ein, mit dem ein kausales Kontrollverständnis ad absurdum geführt wird. Die klassische SubjektObjekt-Dichotomie mit der Annahme eines vom Objekt unabhängigen Subjekts (und eines vom Subjekt unabhängigen Objektes) wird vollkommen unterlaufen, weil Subjekt und Objekt immer schon beides zugleich sind und die traditionell stabil erscheinende Dichotomie aufgesprengt wird. Das Signum einer Dynamik der Geschlossenheit rekurriert letztlich darauf, dass es in der Verknüpfung von Ereignissen in operativer Hinsicht keine tragenden Außenfundierungen, keine externen Fluchtpunkte gibt, die Formen, Ordnung oder Anschlussfähigkeit garantieren könnten. „Jede Operation kann sich nur an dem Tau festhalten, das sie selbst flicht und das durch ihre Anschlüsse zu einem systemischen Gewebe kondensiert, das einen Raum geringerer Unwahrscheinlichkeit emergieren lässt“ (Nassehi, 2003, 64). Das verweist darauf, die grundlegende Paradoxie der Selbstbezüglichkeit als zirkulären regressus ad infinitum ohne Möglichkeit der Ausflucht an externe Standpunkte eher aushalten zu müs15 sen, als sie auflösen zu können. Habermas hat den philosophischen Diskurs der Moderne exakt auf dieses Verwiesensein-auf-sich-selbst hin nachgezeichnet: „Die Moderne sieht sich, ohne Möglichkeit der Ausflucht, an sich selbst verwiesen“ (Habermas, 1985, 16). Ganz analog vermerkt Luhmann aus gesellschaftstheoretischer Perspektive, dass die moderne Gesellschaft „heute nahezu ausweglos auf sich selbst angewiesen“ (Luhmann, 1992, 42) ist. Das heißt aber – um es noch einmal mit Escher zu zeichnen –, dass alles Geschehen ausweglos in sein eigenes Operieren – also ins Bild – eingeschlossen bleibt und weder einen externen Blick auf seine Resultate noch auf sich selbst einnehmen kann. „Vielleicht ist das Signum der Moderne tatsächlich ihr Umgang mit Paradoxien, die immer weniger ein für alle Mal, sondern praktisch und je gegenwärtig entfaltet werden“ (Nassehi, 2006, 468) müssen6. Wirklich interessant – und als spezifisch modernes Signum theoretischen Beobachtens überhaupt anschlussfähig – wird die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit allerdings erst dort, wo sie nicht nur auf einen ganz bestimmten Diskurszusammenhang beschränkt bleibt, sondern sich als internes Konstruktionsprinzip – sozusagen als Grundintention – auch in anderen Zusammenhängen theoretischer Reflexion beobachten lässt. Die zentrale These ist, dass sich auch in der phänomenologischen Anthropologie von Hans Blumenberg implizit die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit ausmachen lässt. Dies mag auf einen ersten Blick in mehreren Hinsichten verwundern. Während die hier referierten theoretischen Ansätze mehr oder weniger in einem interdisziplinären Zusammenhang gesehen werden können und die Idee der operativen Geschlossenheit teilweise auch explizit ausformulieren7, hat das Werk Hans Blumenbergs zu diesen Diskursen und den darin liegenden Themen wie Selbstreferenz, Operativität oder Geschlossenheit zunächst keinen offensichtlichen Bezug. 6 7 Für den soziologischen Diskurs der Moderne vermerkt Nassehi, dass „das Moderne …das Paradoxale zu sein “ (2006, 468) scheint. Vor allem die Verschränkungen von Systemtheorie, Kybernetik zweiter Ordnung, nachklassischen Logiken, Poststrukturalismus, radikaler Konstruktivismus u.a. 16 Nimmt man zudem die systemtheoretische Soziologie Luhmanns mit ihrer Fokussierung auf die Gesellschaft als Referenzpunkt, erscheint die Anthropologie Blumenbergs fast diametral entgegengesetzt8. Wie die Soziologie Luhmanns ohne den Menschen auszukommen scheint, kommt die Anthropologie Blumenbergs ohne einen Begriff des Sozialen aus9, weil sie sich nur für den Menschen interessiert. Problematisch mag auch erscheinen, dass aus dem Werk Blumenbergs eine spezifisch moderne Theoriefigur ‚herausgelesen‘ werden soll, obwohl die Moderne als Moderne bei Blumenberg im eigentlichen Sinne gar nicht auftaucht. Blumenberg hat sich mit seinen kopernikanischen und neuzeitlichen Studien vor allem als Denker der Neuzeit profiliert10 und den Begriff der Neuzeit auch bis zuletzt durchgehalten. Von Blumenberg liegt in dieser Hinsicht – anders, als dies etwa Heidenreich unterstellt (2005, 22, 227ff)11 – keine „Beschreibung der Moderne“ bzw. eine „Theorie der Moderne“ vor. Trotz aller Unterschiedlichkeit der jeweiligen Gegenstandsbereiche, trotz des eher literarischen Stils Blumenbergs und der Nichtvorhandenheit eines Begriffsinstrumentariums, das Begriffe wie Selbstreferenz, Geschlossenheit oder Operativität zur Sprache bringt, lässt sich allerdings eine erstaunliche theorieästhetische Ähnlichkeit zwischen der Systemtheorie Luhmanns und der Anthropologie Blumenbergs in Bezug auf die Idee der operativen Geschlossenheit ausmachen. 8 9 10 11 Wenngleich zumindest Luhmann Blumenberg sehr wohl als ernst zu nehmenden, potentiellen Gesprächspartner wahrgenommen hat, dessen theoretische Beobachtungsformen aber wohl innerhalb des systemtheoretischen Instrumentariums wie auch aufgrund der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Gegenstandsbereiche (Gesellschaft/Mensch) kaum anschlussfähig waren. Vgl. hierzu exemplarisch Luhmann, 1981a, 210 Fn. 18; ders., 1987, 274; ders., 1990a, 34 Fn. 9; ders., 1995a, 177 Fn. 20. „Im übrigen natürlich Hans Blumenberg, Der Prozeß der theoretischen Neugierde, Frankfurt 1973“ (Luhmann, 1986b, 156, Fortsetzung Fn. 10). Das Soziale wird – wenn überhaupt – lediglich als Spur (Derrida) im Begriff der Fremderfahrung angedeutet (Blumenberg, 2006, 244ff). Man denke hier vor allem an Die Genesis der kopernikanischen Welt (1975) und Die Legitimität der Neuzeit (1988a). Eine Auseinandersetzung mit beiden Themenkomplexen zieht sich durch viele Bücher wie auch Aufsätze Blumenbergs hindurch. Diese ansonsten sehr gute ausführliche Auseinandersetzung mit dem Werk von Hans Blumenberg als einem eigenständigen und originellen Beitrag zur Philosophie der Gegenwart vergibt sich leider weiterreichende theorieästhetische Möglichkeiten aufgrund eines allzu undifferenzierten Modernebegriffs, der letztlich Neuzeit und Moderne in eins setzt und es dabei belässt. Indem Blumenberg durch seine Studien zur Neuzeit von Heidenreich (2005) als Denker der Moderne vorausgesetzt wird, bekommt Heidenreich nicht differenziert in den Blick, warum Blumenbergs Werk auch als originärer Beitrag zur späten Moderne verstanden werden kann. 17 Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit ein doppeltes Ziel verfolgt: Zum Ersten soll die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit – wie sie Nassehi versuchsweise eingeführt und anhand der soziologischen Systemtheorie verdeutlicht hat – ausführlich als ein typischer theorieästhetischer Ausdruck der Moderne entfaltet werden. Zum Zweiten soll aus einer theorieästhetischen Perspektive gezeigt werden, dass auch der kulturphänomenologischen Anthropologie Hans Blumenbergs implizit die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit zu eigen ist. Insofern ist die Arbeit in zwei Teile gegliedert: In einem ersten Teil wird unter dem Titel Dynamik der Geschlossenheit die Idee der operativen Geschlossenheit als spezifisch moderne Theoriefigur entfaltet. Hierzu gehe ich zunächst dem Selbstverständnis der Moderne (Kap. 1.1) nach, um zu klären, auf was die Figur einer Dynamik der Geschlossenheit überhaupt reagiert. Relevant sind nicht nur unterschiedliche Bedeutungsmöglichkeiten von modern, sondern auch je verschiedene Dimensionen sowie aktuelle theoretische Verweise auf die Moderne. Herausgearbeitet wird letztlich das Verwiesensein-auf-sich-selbst als das Moderne der Moderne – also Selbstbezüglichkeit. Dass die Idee der Selbstbezüglichkeit bei aller Diskontinuität durch Begriffe wie Selbstreferenz, Autopoiesis oder operativer Geschlossenheit allerdings in der Kontinuität der Bewusstseinsphilosophie wie auch kulturphilosophischer Überlegungen der neuzeitlichen Moderne steht, wird in einem Überblick über maßgebliche Theorieentwürfe von Descartes bis Derrida deutlich. In diesem Kontext wird die Dynamik der Geschlossenheit als eine Figur entfaltet (Kap. 1.2), die zwar die Idee operativer Geschlossenheiten der geistesgeschichtlichen Tradition entnimmt, aber an entscheidender Stelle mit spezifisch neuzeitlichen Plausibilisierungsfiguren bricht. Hierfür werden nachklassische Logiken von Spencer Brown und Günther wie auch kybernetische Ansätze zweiter Ordnung ins Spiel gebracht. Indem Sinn als Verweisungsgeschehen formuliert wird, das sich nur noch der Geschlossenheit des eigenen Operierens verdankt, und somit orientierende Außenfundierungen zurückgewiesen werden, lässt sich auch die grundlegende Paradoxie aller Selbstreferenz nicht mehr lösen, sondern nur noch zeitweise entfalten. Die soziologische Systemtheorie löst dabei die Engführung der neuzeitlichen Geschlossenheitsdynamiken auf das Bewusstsein hin durch ihre Universalisierung des Systembegriffs auf psychische wie auch soziale Sachverhalte und formuliert die Idee der operativen Geschlossenheit wohl in ihrer entschiedensten Form (Kap. 1.3). Sichtbar wird damit vor allem die Perspektivität allen Beobachtens. Diesen ersten Teil abschließend wird explizit herausgestellt, was unter der Dynamik der Geschlossenheit als einer theorieästhetischen Figur der späten Moderne zu verstehen ist (Kap. 1.4). 18 Im zweiten Teil wird diese Figur einer Dynamik der Geschlossenheit in der kulturphänomenologischen Anthropologie von Hans Blumenberg aufgezeigt. Versuchsweise stelle ich dazu die Arbeiten Blumenbergs– in Anlehnung an Blumenbergs Arbeit am Mythos (1990) – unter den Titel Arbeit am Dasein (Kap. 2). Nach einer notwendigen Vorbemerkung (Kap. 2.1) wird die Philosophie von Blumenberg als eine phänomenologische Anthropologie gezeichnet, die das menschliche Dasein im Spannungsfeld jenseits der Selbstverständlichkeit der Lebenswelt und je diesseits der Übermächtigkeit der Wirklichkeit beschreibt (Kap. 2.2). Im Rekurs auf die kopernikanischen und neuzeitlichen Studien Blumenbergs wird die humane Selbstbehauptung als Daseinsprogramm des Menschen hervorgehoben. Mit einem Blick auf Blumenbergs Metaphorologie, seine Arbeit am Mythos oder seine Schriften zu Wissenschaft und Technik, wird deutlich, dass das menschliche Dasein auf Distanzierungsleistungen wie Mythen, Metaphern oder Wissenschaft – im Gesamten auf Kultur – angewiesen ist, die für die humane Selbstbehauptung die Funktion der Distanznahme erfüllen (Kap. 2.3). Von hier aus kann die Anthropologie Blumenbergs als eine kulturphänomenologische Anthropologie verstanden werden, welche die symbolischen Weisen der Daseinserzeugung als operativ geschlossene Verweisungszusammenhänge darstellt (Kap. 2.4). Die einende Formel für ein Dasein, das sich nicht selbstverständlich gegeben ist, sondern sich konstruktiv in spezifischen kulturellen Verfahren je hervorbringen muss, lautet: Arbeit am Dasein. In einem abschließenden Kapitel werden die theoretischen Ansätze von Luhmann und Blumenberg unter dem Titel Reproduktion (Kap. 3) anhand zentraler Analogien noch einmal explizit miteinander ins Gespräch gebracht. Mit einem theorieästhetischen Blick auf die Form des Theoretisierens selbst, lässt sich eine erstaunliche Ähnlichkeit ausmachen. Indem sich auch die kulturphänomenologische Anthropologie von Blumenberg unter dem modernen Signum einer Dynamik der Geschlossenheit verstehen lässt, können die Arbeiten Blumenbergs nicht nur als Beitrag zur Neuzeit, sondern auch zur späten Moderne gesehen werden. Die tragende Idee dieser Überlegungen ist die der operativen Geschlossenheit allen Geschehens; die soziologische Systemtheorie Niklas Luhmanns bildet insofern die immanente theorieästhetische Referenz. Damit ist in der vorliegenden Arbeit eine Perspektive eingenommen, die sich für die Plausibilisierungsfiguren und Prinzipien des Theoretisierens selbst interessiert. Es geht also um die Form, mit der Theorien ihren Gegenstand und damit sich selbst in Form bringen. Mit Blick auf die Form der Form in unterschiedlichen theoretischen Kontexten – u.a. im Kontext der Tradition – die Figur der operativen Geschlossenheit zu entfalten, erfordert ein eher induktives Vorgehen, das die einzelnen theoretischen 19 Ansätze immanent darstellt. Dynamik der Geschlossenheit als Theoriefigur soll nicht einfach behauptend und durch systemtheoretische Verfremdungen gesagt werden, sondern an den jeweiligen Plausibilisierungsprinzipien gezeigt werden. Der vorliegenden Arbeit ist damit selbst so etwas wie eine Ästhetik der empirischen Beobachtung theoretischer Formungsprozesse zu eigen. Die entscheidende Frage ist, wie mit der radikalen Perspektivität und Selbstbezüglichkeit allen Geschehens ohne Möglichkeit der Ausflucht an externe Standpunkte umgegangen wird. Das muss letztlich auch der Autor für die eigene Arbeit in Rechnung stellen. Die Ästhetik dieser Arbeit ist insofern zugleich eine Ästhetik der Selbstanwendung: auch hier wird nichts anderes als eine Kontextur gebildet, die unterscheidet, was sie unterscheidet und damit unweigerlich in ihr eigenes Beobachtungsgeschehen eingeschlossen bleibt. 20