Grundlagen bakterieller Gen-Regulation

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5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
1. Infektionszyklus
2. Infektionszyklus
Rekombination ?
0
0
Abb. 5.16 Transduktion.
1. Infektionszyklus: Eine Bakterienkultur wird mit
transduzierenden Phagen (etwa mit dem Phagen
P1) infiziert. Whrend der Infektion kommt es
zur Zerstckelung des Bakterienchromosoms
und – natrlich – zur Vermehrung der PhagenDNA. Im weiteren Verlauf der Infektion werden
die Strukturproteine der Phagenhllen gebildet,
die die vorhandenen DNA-Molekle einschließen. Auch Bruchstcke des Bakterienchromosoms werden in die Phagenhlle gepackt, u. a.
das Bruchstck, das den genetischen Marker X
enthlt.
2. Infektionszyklus: Bakterien mit der Mutation 0
werden infiziert. In den meisten Zellen der Kultur luft ein gewhnlicher Infektionszyklus ab.
Ein Teil der Zellen wird jedoch durch Partikel infiziert, die statt des Phagengenoms Bruchstcke
des Bakterienchromosoms enthalten. So wird in
einigen Fllen auch das Fragment mit dem Marker X bertragen. Findet man unter den berlebenden Zellen Rekombinanten vom Typ X0,
dann kann man schließen, dass die Mutation X
sich an einer anderen Stelle auf dem Bakteriengenom befindet als die Mutation 0. Hufig
wird die Cotransduktion als Maß fr die rumliche Nhe von genetischen Markern bestimmt.
Dabei wird die Frage gestellt, wie oft zwei genetische Marker gemeinsam auf einem Chromosomenfragment in einer Population transduzierender Phagenpartikel angetroffen werden. Je
hufiger ein solches Zusammentreffen zweier
Marker auf einem Chromosomen-Bruchstck
ist, desto nher benachbart mssen beide Marker auf dem Bakterienchromosom liegen.
Der Nachteil wurde schon frh erkannt und durch das Verfahren der
Transduktion teilweise ausgeglichen (Abb. 5.16).
Einige Bakteriophagen, z. B. P 22 bei Salmonella typhimurium oder P1
bei E. coli, bertragen genetisches Material der Wirtszelle von einer
Bakterienzelle in eine andere („allgemeine“ Transduktion; N. Zinder
und J. Lederberg, 1952).
Wenn sich diese Phagen in einer Bakterienzelle vermehren, packen
sie nicht nur, wie bei einem normalen Infektionszyklus, virale DNA,
sondern gelegentlich auch ein Stck des Wirtszell-Genoms in die Virushlle ein. Die Lnge des eingepackten Stcks Bakterien-DNA entspricht
der Lnge des Virusgenoms. Bei P1 sind das ungefhr 90 103 Basenpaare. Wenn ein Phagenpartikel mit einem Stck Wirtszell-DNA eine
andere Zelle infiziert, wird dort dieses DNA-Stck aus der frheren
Wirtszelle freigesetzt und kann nun dort mit dem Chromosom rekombinieren (Abb. 5.16).
Trotz aller offensichtlichen Einschrnkungen haben Konjugation und
Transduktion wesentliche Informationen ber die Organisation des E. coli-Genoms geliefert, lange vor Abschluss des E. coli-Genomprojektes. Die
Bestimmung der Gesamtsequenz der mehr als 4,6 Millionen bp hat im
Wesentlichen die biologische Gen-Karte besttigt, aber zugleich viele zustzliche Informationen geliefert, insbesondere ber die vielen Gene, von
deren Existenz man vor Abschluss des Sequenzierprojektes nichts ahnte.
Aber viel wichtiger ist, dass sich inzwischen die Praxis der molekularen Genetik grundlegend gendert hat. Forscher knnen sich jedes
Gen und jeden beliebigen Abschnitt des E. coli-Genoms auf den Monitor
ihres Computers holen und mit Hilfe und unter Bercksichtigung der
Sequenzinformationen ihre Experimente planen.
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Nur ein Teil der Gene des E. coli-Genoms ist stndig aktiv, auch in
Bakterien, die sich gut und schnell vermehren. Viele Gene sind verschlossen und werden erst bei Bedarf angeschaltet, etwa wenn sich
die Umweltbedingungen oder die Angebote an Nhrstoffen ndern. In
der Fachsprache ausgedrckt: Ein Teil der Gene wird konstitutiv exprimiert, andere Teile unterliegen der Regulation.
Eine wichtige Erkenntnis der Forschungsgeschichte – nicht nur von
E. coli, sondern von allen anderen Organismen – besagt, dass jedes Gen
auf seine eigene Art reguliert wird. Im Laufe der Evolution hat sich mit
dem Gen der passende Mechanismus seiner Regulation entwickelt.
Trotz der verwirrenden Vielfalt erkennt man einige verbreitete Prinzipien, die wir im Folgenden, aber auch in spteren Kapiteln (Kap.12,
Kap.13 u. a.) an Beispielen vorstellen.
Regulons: Gen-Gruppen unter gemeinsamer Kontrolle
Als Reaktion auf Vernderungen in der Umwelt werden manchmal viele
E. coli-Gene gleichzeitig angeschaltet. Auslsende Faktoren knnen z. B.
Mangel an stickstoffhaltigen oder phosphathaltigen Verbindungen im
Nhrmedium, Schdigung der DNA (SOS-Reparaturweg, S. 284) oder
eine pltzliche Erhhung der Temperatur sein. Funktionell zusammengehrende Gene knnen oft weit verteilt auf dem Bakteriengenom vorkommen, aber unterliegen trotzdem einer gemeinsamen Kontrolle. Eine
solche Gruppe gemeinsam regulierter Gene bildet ein Regulon.
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100
101
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Wir whlen als Beispiel das Hitzeschock-Regulon, um die Verhltnisse nher zu betrachten. Dies ist besonders interessant, weil die Antwort einer Zelle auf eine Erhhung der Temperatur in der Evolution
hochkonserviert ist. Viele der im Zuge dieser Antwort gebildeten Proteine findet man nmlich nicht nur in Bakterien, sondern in abgewandelter Form auch in Tier- und Pflanzenzellen.
6
Syntheserate
5
Beispiel: Hitzeschock-Gene
3
DnaK
2
GroEL
1
0
5
Zeit [min]
Abb. 5.17 Synthese von Hitzeschock-Proteinen.
Die Abbildung zeigt die Zunahme von Syntheseraten (Menge an Protein, gebildet innerhalb von 45
Sekunden) in der Zeit nach Erhhung der Temperatur von 30C auf 42C [nach 41].
groESL, lysU
dnaKJ
10
90
80
20
70
30
rpoH
rpoD
60
40
50
grpE
Abb. 5.18 Lage einiger Hitzeschock-Gene auf
der E. coli-Gen-Karte (Erklrung s. Tab. 5.4).
Abb. 5.19
–10-Region
Standard-Promotor:
TCTTGAC —16–18 bp —TATAAT
Hitzeschock-Promotor:
CCTTGAA —13–15 bp —CCCCAT
lon
htpG
100
Konsensus-Sequenzen
–35-Region
10
Vergleich von Promotor-Sequenzen.
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Innerhalb weniger Minuten nach der Erhhung der Temperatur von
30 C auf 42 – 45 C werden in E. coli mehr als 40 verschiedene Proteine
mit zum Teil stark erhhter Rate synthetisiert. Aber bald fllt die Syntheserate auf einen Wert zurck, der meist dem Zwei- bis Vierfachen
des Wertes bei niedriger Temperatur entspricht (Abb. 5.17). Nach der
Rckkehr zur Ausgangstemperatur wird rasch wieder der Normalwert
erreicht. Der gleiche Effekt wird nicht nur nach Temperaturerhhung,
sondern auch nach anderen schdlichen Einwirkungen beobachtet, z. B.
bei Vernderungen des pH-Wertes, bei manchen Antibiotika, nach Zusatz von Ethanol oder Schwermetallen u. a. Manchmal spricht man
deshalb von einer Stressreaktion. Wir bleiben hier jedoch bei der Bezeichnung Hitzeschock-Reaktion, weil diese auch die Nomenklatur beeinflusst hat.
Die Ursache fr die vermehrte Synthese der Hitzeschock-Proteine ist
eine gesteigerte Transkription von Genen, die an ganz verschiedenen
Stellen des E. coli-Genoms lokalisiert sind (Abb. 5.18). Die gesteigerte
Transkription wird von einer starken Zunahme eines Regulators hervorgerufen, dem alternativen Sigma-Faktor mit der Bezeichnung Sigma-32
(s32). Die Zahl 32 entspricht der ungefhren Molmasse von 32 kDa.
Der Faktor Sigma-32 nimmt auf der RNA-Polymerase die Stelle des
Standard-Sigma-Faktors Sigma-70 (s70) ein. Mit Hilfe von Sigma-32 erkennt die RNA-Polymerase die Hitzeschock-Promotoren, die eine andere
Nucleotid-Sequenz als normale Promotoren haben (Abb. 5.19), und die
deswegen einer RNA-Polymerase mit dem Sigma-70-Faktor verschlossen bleiben. Umgekehrt bindet eine RNA-Polymerase mit Sigma-32 nur
schlecht an Promotoren von Genen, die nicht zum Hitzeschock-Regulon
gehren.
Die Zunahme der Zahl von normalerweise etwa 30 auf mehr als 500
Sigma-32-Molekle pro Bakterienzelle hat drei Grnde:
1. Eine Aktivierung des Gens rpoH, das den Transkriptionsfaktor Sigma32 kodiert.
2. Eine Steigerung der Translation der betreffenden mRNA.
3. Die Stabilisierung des Proteins: Bei niedriger Temperatur wird die
Hlfte des gebildeten Sigma-32-Proteins innerhalb einer Minute wieder abgebaut, aber bei hoher Temperatur ist das Protein ungefhr
zehnmal stabiler.
HtpG
4
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Wenn eine dieser drei Reaktionen gestrt ist, verringert sich die Menge
an Sigma-32. Dementsprechend fllt die Hitzeschock-Reaktion schwcher aus oder fehlt ganz. Das verringert dann drastisch die Chancen der
Bakterienzelle, bei erhhter Temperatur zu berleben. Wenn das Sigma32-Protein ganz fehlt, etwa bei Verlust des Gens rpoH, sind Temperaturen ber 30 C tdlich fr E. coli.
Eine Schlsselrolle hat der Sigma-32-Faktor auch bei der weiteren
Regulation der Hitzeschock-Antwort. Wir hatten in der Abb. 5.17 gesehen, dass nach anfnglich starker Aktivierung der Synthese von Hitzeschock-Proteinen eine Phase der Adaptation eintritt, bei der die
Synthese der Proteine kaum hher als normal ist. Dies beruht auf einer
Inaktivierung von Sigma-32 ber eine negative Rckkopplung. Eines der
Hitzeschock-Proteine (das DnaJ-Protein) bindet an Sigma-32 und blockiert damit dessen Funktion (Abb. 5.20). Mit anderen Worten: Sigma32 aktiviert die Hitzeschock-Gene, aber sobald gengende Mengen an
Hitzeschock-Proteinen vorhanden sind, regulieren sie selbst ihre Produktion durch Blockade des Aktivators.
So kommen wir schließlich zur Frage nach der Natur und Funktion der
Hitzeschock-Proteine. Dabei mssen wir uns zwei Punkte klarmachen:
Erstens werden diese Proteine in geringen Mengen auch bei normaler
Temperatur gebildet (s. Abb. 5.17) und ben deshalb auch eine Funktion
unter Normalbedingungen aus. Zweitens hat eine Erhhung der Temperatur oder andere Umstnde, die zur Hitzeschock-Antwort fhren knnen, eine Denaturierung von Proteinen zur Folge. Tatschlich ermglichen viele Hitzeschock-Proteine eine korrekte Faltung von Polypeptid-
P1 P3 P4 P5
rpo H-Gen
mRNA
Abbau
negativer Effekt
auf Translation
Sigma-32
hemmt die Bindung von
Sigma-32 an RNA-Pol.
fördert den
Abbau
RNA-Polymerase
Hitzeschock-Gene
PHS
Hitzeschock-Proteine,
u. a. DnaJ
Abb. 5.20 Selbstregulation. Das Ausmaß der Hitzeschock-Antwort hngt von
verfgbarem Sigma-32-Faktor ab. Wenn die Menge des Hitzeschock-Proteins
DnaJ einen kritischen Wert berschreitet, bindet es an Sigma-32. Die Konsequenzen sind eine Blockade der Wechselwirkung von Sigma-32 mit der RNA-Polymerase und eine Beschleunigung des Abbaus von Sigma-32. Die Regulation der
Sigma-32-Mengen ber einen gesteuerten Abbau ist ein Beispiel fr ein weit
verbreitetes Regulationsprinzip: Viele Transkriptionsfaktoren in E. coli werden
ber diesen Mechanismus kontrolliert. Mit anderen Worten, Sigma-32 reguliert
sich sozusagen selbst. brigens keine Besonderheit von Sigma-32: Die Mengen
vieler anderer Transkriptionsfaktoren in E. coli werden auf hnliche Weise ber
„Selbst-Regulation“ eingestellt [nach 38].
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Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Plus 5.3
berblick ber die Funktion von
Hitzeschock-Proteinen / molekulare Chaperone
Hsp70
(DnaK)
5'
103
N
3'
N
3'
5'
+
ATP
ATP
(DnaJ)
(GrpE)
ADP
(DnaJ)
(GrpE)
ATP[N]
ADP
ADP[N]
gefaltetes
Monomer
+
+
Hsp60
(GroEL)
ATP[N]
Hsp10
(GroES)
ADP[N]
+
+
zusammengefügtes
Oligomer
Die Abbildung gibt eine Vorstellung von der Wirkungsweise der Hitzeschock-Proteine als „molekulare Chaperone“. Im oberen Teil sehen wir
den Verlauf von Faltungsreaktionen bei der Proteinsynthese. Dabei ist
zu bedenken, dass der Austrittskanal am Ribosom (S. 68) eine wachsende Polypeptid-Kette von wenigstens 30 Aminosuren enthlt, die
sich nicht korrekt falten kann, einfach weil der Kanal zu eng ist. Deshalb
ist Hilfe erforderlich. Die beginnt mit der Anlagerung eines Proteins,
Trigger Factor (in der Abb. nicht gezeigt), gefolgt von der Bindung des
DnaK-Proteins und assistiert von den Proteinen DnaJ und GrpE. Zusammen fhren die Proteine unter Verbrauch von zellulrer Energie (Spaltung von ATP) korrekte Faltungen ein.
Ein Teil (10 – 15 %) der neuentstehenden Proteine wird an die GroE-Chaperon-Maschine (Chaperonin) geleitet. Aber vor allem gelangen dorthin
denaturierte Proteine, die bei erhhten Temperaturen oder anderen
Stress-Reaktionen entstehen.
– Denaturierte oder falsch gefaltete Proteine binden sich an das Innere
des Doppelringes aus je 7 GroEL-Moleklen;
– daran lagert sich dann der Ring aus 7 GroES-Moleklen;
– im Innern des GroE-Zylinders werden in einer Serie von Bindungen
und Freisetzungen schrittweise die korrekten Faltungen in das Polypeptid eingefhrt. Dafr ist die Spaltung von ATP als der energieliefernde Prozess notwendig.
Wie unterscheiden Chaperone entfaltete oder denaturierte Proteine (an
die sie binden) von gefalteten oder nativen Proteinen (an die sie nicht
binden)? An Bereichen mit hydrophoben Aminosuren (Tab. 3.1) – zugnglich bei denaturierten Proteinen, aber im Innern verborgen bei
korrekt gefalteten Proteinen.
Ketten. Eine kurze Zusammenfassung vieler Untersuchungen auf diesem
aktuellen Gebiet der Biochemie findet man in der Box Plus 5.3.
Die Tab. 5.4 zeigt einige (nicht alle) Proteine, die im Zuge der Hitzeschock-Antwort vermehrt gebildet werden. Dazu gehren die Hitzeschock-Proteine (Plus 5.3), aber zustzlich auch eine Protease, die in
Gegenwart von ATP falschgefaltete Proteine abbaut, aber auch der Stan-
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gefaltetes
Monomer
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Hitzeschock-Proteine sind hochkonserviert. Sie
kommen nicht nur bei Bakterien vor, sondern auch
in Hefe-, Tier- und Pflanzenzellen. Die E. coli-Proteine haben jedoch besondere Bezeichnungen, die
historisch sind: Die Gene dnaK und dnaJ wurden bei
Untersuchungen der DNA-Replikation von Bakteriophagen entdeckt. Die Gene groEL, groES und grpE
beeinflussen die Vermehrung (growth) von Bakteriophagen. Sie tragen den Zusatz E, weil die entsprechenden Gen-Produkte mit dem GenE-Protein
des Phagen Lambda reagieren. S und L stehen fr
small und large als Hinweise auf die Grße der betreffenden Proteine. Ein molekulares Chaperon ist
ein Protein-Komplex, der die korrekte Faltung von
Polypeptid-Ketten ermglicht. Ein solches Chaperon
„begleitet“ sozusagen die Polypeptid-Kette vom Ort
ihrer Synthese bis zum Ort ihrer Funktion in der Zelle.
(Chaperon: „… ltere Dame, die eine jngere als Beschtzerin begleitet“, aus: Meyers Enzyklopdisches
Lexikon, 1972).
Tab. 5.4
Gen
Einige Hitzeschock-Gene und Hitzeschock-Proteine von E. coli
Protein
Funktion
±±
±±
±±
±
±±
±±
±
±±
±
±±
±
dnaK
DnaK (Hsp70)
dnaJ
DnaJ (Hsp40)
diese 3 Proteine bilden zusammen
eine funktionelle Einheit, die als
Chaperon die native Faltung von
Polypeptiden frdert
grpE
GrpE
groEL
groES
GroEL (Hsp60)
GroES (Hsp10)
htpG
hnlich dem eukaryotischen
Protein Hsp90
lon
ATP-abhngige Protease
lysU
Lysyl-tRNA-Synthetase, Form II
rpoD
Sigma-70-Faktor
auch diese Proteine bilden ein
Chaperon, das die native ProteinFaltung frdert
dard-Sigma-70-Faktor, dessen Synthese wohl als Vorbereitung auf die
Zeit nach Normalisierung der Temperatur verstanden werden kann,
sowie eine Lysyl-tRNA-Synthetase mit einer noch unbekannten Rolle
in der Hitzeschock-Reaktion.
Alternative Sigma-Faktoren
Die meisten Gene, die whrend der normalen exponentiellen Vermehrung von E. coli exprimiert werden, bentigen den Standard-Sigma-Faktor: Sigma-70 (70s) (S. 52). Aber einige Gruppen von Genen sind auf
andere, „alternative“ Sigma-Faktoren angewiesen. Als Beispiel haben
wir die Hitzeschock-Gene kennengelernt. Deren Promotor-Sequenzen
weichen deutlich von denen der Standard-Gen-Promotoren (Abb. 5.19)
ab. Deswegen brauchen sie einen eigenen Sigma-Faktor, Sigma-32. Dieser und einige zustzliche Sigma-Faktoren sind in der Tab. 5.5 aufgefhrt. Die Sigma-Faktoren unterscheiden sich in der Grße und an
vielen Stellen in der Primrstruktur, aber sie besitzen auch konservierte
Bereiche mit hnlichen Aminosure-Folgen, was man ja auch erwarten
wrde, denn alle Sigma-Faktoren haben trotz der Unterschiede im Detail eine gemeinsame Aufgabe, nmlich eine Vermittlung der Wechselwirkung zwischen der RNA-Polymerase und den Anfngen von Genen.
Tab. 5.5
Einige Sigma-Faktoren von E. coli
Bezeichnung
Molmasse Gen
Funktion
Sigma-70 (70s)
70 kDa
rpoD
Standard- oder Haupt-Sigma-Faktor
Sigma-32 ( s)
32 kDa
rpoH
Hitzeschock-Reaktion
Sigma-54 (54s)
54 kDa
proN
Mangel an Stickstoff-Verbindungen
Sigma-28 (28s)
28 kDa
flaI
Synthese von Flagellen
Sigma-24 (24s)
24 kDa
rpoE
Aktivierung des rpoH-Promotors
(Abb. 5.20)
Sigma-38 (38s)
38 kDa
rpoS
Aktivierung von Genen, die beim bergang in die stationre Wachstumsphase
exprimiert werden
32
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Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
105
Bakterien in rasch wachsenden Kulturen verwenden den grßten Teil
ihrer Zeit und Energie fr die Synthese von Proteinen. Deshalb bentigen sie große Mengen von Ribosomen. Unter optimalen Wachstumsbedingungen besteht mehr als ein Viertel der gesamten Zellmasse aus
Ribosomen. Doch verringert sich die Menge an Ribosomen bei niedrigeren Vermehrungsraten.
Die Beziehungen zwischen Zellvermehrung und Ribosomen-Bildung
ist auf komplexe Weise reguliert. In diesem Abschnitt geht es um die
Synthese von ribosomaler RNA (rRNA) und von ribosomalen Proteinen,
unter besonderen Umweltbedingungen, nmlich bei einem Mangel an
Aminosuren.
Unter diesen Bedingungen wird die Synthese von rRNA, aber auch
von tRNA stark verringert, whrend die Transkription proteinkodierender Gene, also die Synthese von mRNA, zumindest teilweise weiterluft,
ja, bei einigen Genen sogar gesteigert ist. Die komplizierte Antwort der
Bakterien auf Aminosure-Mangel bezeichnet man als „stringente Kontrolle“. Bevor wir die Grundlagen der stringenten Kontrolle besprechen,
ist ein Blick auf die rRNA-Gene und die tRNA-Gene notwendig.
Gene fr ribosomale RNA: Wie schon bei der Besprechung der Abb. 5.4
erwhnt, trgt das E. coli-Genom sieben Gene fr rRNA, die zwar verteilt
auf dem Genom vorkommen, aber einer gemeinsamen Regulation unterworfen sind.
Die rRNA-Gene sind sehr hnlich aufgebaut (Abb. 5.21):
– Jedes Gen enthlt hintereinander liegende Abschnitte fr die
16S rRNA, die 23S rRNA und die 5S rRNA mit kurzen Trennstrecken
(spacer) dazwischen.
– Im Spacer zwischen dem 16S rRNA-Gen-Abschnitt und dem 23S rRNAGen-Abschnitt liegen ein oder zwei Gene fr tRNAs. Manche rRNAGene tragen zustzlich noch tRNA-Gene im 3¢-Bereich stromabwrts
vom 5S rRNA-Gen (Tab. 5.6).
– Die rRNA-Gene besitzen zwei Promotoren: Der Promotor P1 liegt
etwa 300 bp, der Promotor P2 etwa 200 bp vor dem Beginn des
16S rRNA-Gen-Abschnitts. Der Promotor P1 ist mehrfach „strker“
1
1000
2000
3000
4000
5000
6000
bp
P1
P2
5'
RNase III
16S rRNA
23S rRNA
tRNA
präRNA
5S rRNA
Abb. 5.21 Aufbau eines bakteriellen rRNAGens. Die obere Linie gibt die Lnge des Gens in
Basenpaaren (bp) an. Von einem der beiden Promotoren (P1, P2) wird ein langes primres Transkriptionsprodukt hergestellt, das dann in weiteren Einzelschritten in die Bestandteile zerlegt wird:
1. Die Endonuclease RNase III trennt die einzelnen
Abschnitte voneinander.
2. Einige Nucleotide in der 16S rRNA und der
23S rRNA werden durch Methylierung „modifiziert“.
3. Die noch unfertigen rRNAs lagern sich an ribosomale Proteine. Dann entfernen weitere RNasen endstndige Nucleotide, um die 5¢-Enden
und 3¢-Enden der reifen rRNAs zu bilden.
Die Reifung der tRNA erfolgt ber einen besonderen Mechanismus (s. Abb. 5.22).
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Stringente Kontrolle
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5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Tab. 5.6 Gene fr tRNAs in den rRNA-Transkriptionsabschnitten
Gen
tRNA zwischen 16Sund 23S-rRNA-Gen
tRNA im 3¢-Ende
des Gens
rrnA
tRNAIle1; tRNAAla1B
–
rrnB
tRNAGlu2
–
rrnC
tRNAGlu2
tRNAAsp1; tRNATrp
rrnD
tRNAIle1; tRNAAla1B
tRNAThr1
rrnE
tRNAGlu2
rrnG
tRNAGlu2
rrnH
tRNAIle1; tRNAAla1B
tRNAAsp1
Gene fr tRNA: Das E. coli-Genom enthlt 83 tRNA-Gene, von denen 14
in den Transkriptionsabschnitten der rRNA-Gene vorkommen (Tab. 5.6).
Die brigen tRNA-Gene kommen entweder einzeln vor, jedes mit einem
eigenen Promotor versehen, oder als Operons in Folgen, die gemeinsam
von einem Promotor aus transkribiert werden. In diesen Fllen mssen
die einzelnen tRNAs aus den primren Transkriptionsprodukten ausgeschnitten werden, vergleichbar der Reifung der rRNAs (Abb. 5.21).
Aber in keinem Fall ist damit die Bildung der tRNAs abgeschlossen.
Die RNA-Produkte tragen noch berstehende Sequenzen am 5¢-Ende
und meist noch einige Nucleotide am 3¢-Ende. ber die Herstellung
der „fertigen“ tRNA informiert die Legende zur Abb. 5.22.
Die Zahl von 83 tRNA-Genen erscheint hoch, wenn man die Zahl der
notwendigen Anticodons und den Wobble bei der Codon-Anticodon-Erkennung bercksichtigt (S. 81). Tatschlich kommen einige tRNA-Gene
in bis zu vierfacher Ausfhrung vor, wie auch die Tab. 5.6 an einigen
Beispielen zeigt. Andere tRNA-Gene sind dagegen nur ein- oder zweimal
vertreten. Ein Grund dafr ist ein hherer Bedarf an tRNAs, die zu hufig
vorkommenden Codons passen, und ein geringerer Bedarf an tRNAs fr
seltenere Codons (S. 84).
„Stringent factor“ und die Synthese von ppGpp: Wir haben gesagt, dass
die stringente Kontrolle bei Aminosure-Mangel einsetzt und zu einer
starken Abnahme der Synthese von rRNA und tRNA fhrt. Die Erforschung dieser Regulation begann mit der Untersuchung einer E. coliMutante, bei der diese Antwort nicht auftritt (Abb. 5.23). Die Kontrolle
bei dieser Mutante ist nicht mehr „stringent“, sondern „relaxiert“. Daher
stammt die Bezeichnung rel fr diese Mutante, oder genauer relA.
Abb. 5.22 Vorlufer-Sequenz einer tRNA. Der
nach innen gerichtete rote Pfeil gibt die Schnittstelle fr das Enzym RNase P an. Die bakterielle RNase
P ist ein Ribonucleoprotein, aufgebaut aus einem
basischen Protein (ca. 120 Aminosuren) und einer
RNA (377 Nucleotide). Der RNA-Baustein von RNase
P vermittelt die Spaltung der Vorlufer-RNA, whrend das Protein nur eine stabilisierende Funktion
hat. Die RNA in RNase P ist ein Beispiel fr katalytisch wirkende RNA. Andere Beispiele lernen wir
spter kennen (S. 413).
Die berschssigen Nucleotide am 3¢-Ende des
tRNA-Vorlufers werden durch konventionelle RNasen entfernt. Dabei entsteht die charakteristische
CCA-Folge am 3¢-Ende der tRNA. Hier ist der Hinweis angebracht, dass dies eine Spezialitt von Bakterien, genauer von E. coli, ist, denn bei vielen anderen Organismen, insbesonders bei Eukaryoten,
wird die CCA-Folge erst nachtrglich mit eigenen
Enzymen an die 3¢-Enden von tRNA geheftet (s.
S. 364). Schließlich muss die fertig geschnittene
tRNA noch modifiziert werden (s. Abb. 4.14) [10].
RNase
5'
RNase P
A
C
C
3'
bis zu 150 Nucleotide
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(S. 54) als der Promotor P2, und die meisten Regulationsvorgnge
betreffen die Aktivitt des Promotors P1.
– Das gesamte rRNA-Gen wird in Form einer langen RNA transkribiert
(„primres Transkriptionsprodukt“), die durch Einwirkung von Ribonucleasen in ihre Bestandteile, die drei rRNAs und tRNAs, zerlegt
werden.
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
b
J-53
4 800
+ Met
+ Met
1200
58-161
– Met
600
+ Met
3 200
1 600
58-161
– Met
J-53 –Met
0
1,0
1,5
2,0
2,5
Zellgenerationen
1,0
1,5
2,0
(bei ausreichenden Mengen an Aminosäuren)
Abb. 5.23 Stringente und relaxierte Kontrolle.
a Effekt eines Aminosure-Entzuges auf die RNA-Synthese. Der E. coli-Stamm J-53
ist methioninbedrftig. In Gegenwart von gengenden Methionin-Mengen baut er
das radioaktive [14C]-Uracil in RNA ein (rote Linie). Bei Methionin-Entzug sinkt die
Rate des [14C]-Uracil-Einbaus und damit die Menge an synthetisierter RNA drastisch
(orange Kurve). Der E. coli-Stamm 58-161 ist ebenfalls methioninbedrftig (blaue
Kurve). Im Kontrollexperiment mit gengendem Methionin-Angebot unterscheidet er sich nur unwesentlich vom Stamm J-53. Anders bei Methionin-Entzug (grne
Kurve): Der Einfluss auf die RNA-Synthese ist bei weitem nicht so ausgeprgt wie
beim Stamm E. coli J-53. Der Stamm 58-161 ist eine rel-Mutante.
b Dies ist ein Kontrollexperiment. Es zeigt, dass durch Methionin-Entzug die Proteinsynthese (gemessen am Einbau von [14C]-Leucin) erwartungsgemß gehemmt
wird. Einbau von [14C]-Leucin in Protein in Gegenwart von Methionin (blaue Kurve).
Einbau in Abwesenheit von Methionin (grne Kurve) [nach 36].
ATP
In relA-Mutanten ist ein Gen fr ein Enzym ausgefallen, das man
zuerst als „stringent factor“ bezeichnet hatte. Bald lernte man, dass
dieses Enzym locker an Ribosomen gebunden vorkommt und dort normalerweise in einem nichtaktiven Zustand verbleibt. Wenn als Konsequenz eines Aminosure-Mangels unbeladene tRNAs an das Ribosom
gelangen, wird das Enzym aktiv und stellt nun mit Hilfe von ATP aus
GTP die Verbindung pppGpp her, welche in einem zweiten Schritt in
ppGpp (Guanosin-3¢,5¢-bis-diphosphat) berfhrt wird (Abb. 5.24).
Das Ausmaß der stringenten Regulation und die Menge an produziertem ppGpp sind eng korreliert. Große Mengen ppGpp (0,5 – 1 mM)
gehen mit einer kompletten Hemmung der rRNA-Synthese einher, whrend die Reduktion der ppGpp-Konzentration rasch wieder zu einer
Zunahme der rRNA-Bildung fhrt.
Wie ppGpp seinen Effekt auf die Synthese von rRNA und tRNA ausbt, ist immer noch nicht ganz geklrt. Offensichtlich ist die PromotorStruktur von Bedeutung. Tatschlich zeichnen sich die Promotoren, die
im Zuge der stringenten Kontrolle negativ reguliert werden, durch Folgen von GC-Basenpaaren stromabwrts vom – 10-Erkennungselement
und durch andere Merkmale aus. Und an diesen Promotoren beeinflusst
ppGpp irgendwie den bergang vom geschlossenen zum offenen Promotor-Komplex und zum ersten Syntheseschritt (S. 54). Dazu bindet
ppGpp an eine Stelle in der Nhe des aktiven Zentrums der RNA-Poly-
AMP
pppG
pppGpp
„stringent factor“
1
(Guanosin-5'(Guanosin-5'triphosphat)
triphosphat-3'diphosphat)
2
ppG
(Guanosin-5'diphosphat)
3
ppGpp
(Guanosin-5'-diphosphat-3'-diphosphat)
Abb. 5.24 Synthese von ppGpp.
1. Bei Aminosure-Mangel wird der „stringent factor“ (pppGpp-Synthetase; ATP: GTP-Pyrophosphat-Transferase) aktiv und bertrgt eine Pyrophosphat-Gruppe von ATP auf die 3¢-OH-Gruppe
der Ribose des GTP.
2. Das entstandene pppGpp wird in ppGpp umgewandelt (durch das Enzym pppGpp-5¢-Phosphohydrolase).
3. Nach Zusatz von Aminosure zur Bakterienkultur
wird ppGpp rasch in ppG berfhrt (durch das
SpoT-Protein, die ppGpp-3¢-Pyrophosphohydrolase).
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1800
14C-Leucin
14C-Uracil eingebaut in RNA [cpm]
a
107
108
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Gene fr ribosomale Proteine: Die meisten Gene fr ribosomale Proteine von E. coli sind als Transkriptionseinheiten oder Operons zusammengefasst, d. h. die Gene werden in Form von langen, polygenischen
mRNAs abgelesen. Aber ein Blick auf die Abb. 5.25 zeigt, dass die Struktur und Anordnung der Gene fr ribosomale Proteine alles andere als
einheitlich sind.
Interessanterweise enthalten manche Transkriptionseinheiten auch
Gene fr nichtribosomale Proteine, etwa fr die Untereinheiten der
RNA-Polymerase u. a. (Tab. 5.7). Mit anderen Worten, ribosomale und
nichtribosomale Proteine knnen koordiniert exprimiert werden.
Abb. 5.25 Gene fr ribosomale Proteine in
E. coli. Die meisten Transkriptionseinheiten werden
nach einem der beteiligten Gene bezeichnet (S1,
S2, S20, L11 und L10 usw.).
Die Lngen der Gene sind (ungefhr) maßstabsgerecht wiedergegeben. Die Promotoren sind mit P
(blau) bezeichnet, d. h. die Transkription erfolgt in
der gewhlten Darstellung von links nach rechts.
Neben den Promotoren am Beginn einer Gen-Folge
kommen auch „interne“ Promotoren vor. So kann
die Transkriptionseinheit L11 – L10 sowohl vom links
außen gelegenen Promotor oder vom "internen"
Promotor vor dem L10-Gen transkribiert werden.
In manchen Einheiten kann die Transkription an inneren Terminationsstellen (t) vorzeitig zum Halt
kommen. Manche polygenischen mRNAs knnen
durch RNase III in Einzelstcke zerlegt werden
(grn, III). Ein Anteil der gezeigten Transkriptionseinheiten enthlt außer den Genen fr ribosomale
Proteine auch Gene fr andere Proteine (Tab. 5.7)
[nach 42].
P1
P2
P1
P2
P1
III
S20
S2
S2
S20
P
t
L20
L20
Phe S
P1 P2
PHS
t
DNA-Primase
S21
S21
P
P
L13
L13 S9
str S12
S10
spc
P
L3
S10
L24
P
L4
L5
S7
S19
L6 S18 S5
S13
P
L11+L10 L11
P2
L1
L17
III
L10 L12
EF-TuA
S17
L29
L15
L30
P
L28
S15
S15
L16
L36
sec y
L33
L28
P1
L34
beta
beta'
S6
P
0
S6 X
S18
L9
1 000
2 000
3 000
4 000
L19
Trm D
X
PTuA
S3
L22
alpha
S4
S16
EF-G
S14
S11
t
III
S1
P
Sigma-70
L2
S8
S1
S16
L23
L14
alpha
EF-Ts
P2
Basenpaare
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P2
Rnp A
L34
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merase und behindert die Aufnahme und Verwendung des ersten Ribonucleosidtriphosphates.
Die Wirkung des ppGpp hngt von einem Hilfsprotein ab, genannt
DksA (DnaK suppressor A), das ebenfalls mit der RNA-Polymerase Kontakt aufnimmt.
Jedenfalls ist die stringente Kontrolle eine sinnvolle Reaktion der
Zelle auf einen Mangel an Aminosuren. Denn wenn Aminosuren fehlen, bleiben Ribosomen unbeschftigt, und die Synthese von rRNA wre
eine nutzlose Verschwendung zellulrer Energie.
Das trifft natrlich auch auf die Synthese von ribosomalen Proteinen
zu. Tatschlich ist ihre Synthese eng an die von rRNA gekoppelt, wie im
folgenden Abschnitt beschrieben.
109
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Transkriptionseinheiten fr ribosomale Proteine
Bezeichnung
der Transkriptionseinheit
Lage auf der
E. coli-Gen-Karte
Zahl der Gene
pro Einheit
davon nichtribosomale Proteine
S10
72
11
–
spc
73
12
SecY (Funktion beim Export von Proteinen durch die Zellmembran); Protein unbekannter Funktion
alpha
72
5
alpha (Untereinheit der RNA-Polymerase)
str
73
4
EF-G und EF-Tu (Faktoren fr die Proteinsynthese)
L28
81
2
–
82
2
RnpA (Protein-Bestandteil der RNase P, Abb. 5.22)
90
6
b und b¢ (Untereinheiten der RNA-Polymerase)
S2
4
2
EF-Ts (Faktor fr die Proteinsynthese)
L20
37
2
PheS (Phenylalanyl-tRNA-Synthetase)
S21
67
3
DNA-Primase (DnaG-Protein, S.182), Sigma-70
S16
57
4
TrmD (tRNA-Methyltransferase)
S15
68
2
Polynucleotid-Phosphorylase (eine 3¢-Exonuclease, die am Abbau von
mRNA beteiligt ist)
Wie solche Vorgnge zu einer Kopplung zwischen der Synthese von
rRNA und ribosomalen Proteinen beitragen knnen, zeigt beispielhaft
die Abb. 5.26. Die Struktur am 5¢-Ende der mRNA des spc-Operons hat
hnlichkeit mit der Bindestelle des Proteins S8 auf der 16S rRNA, und
Experimente haben gezeigt, dass das Protein S8 gut an jede der beiden
RNA-Arten bindet.
Aus diesen und hnlichen Beobachtungen lsst sich ein (vielleicht zu
einfaches) Modell ableiten:
– Die regulatorischen Proteine der Abb. 5.25 binden direkt an rRNA.
Normalerweise kommen deswegen freie ribosomale Proteine in nur
sehr geringen Mengen in Bakterien vor.
– Wenn im Zuge der stringenten Regulation keine rRNA gebildet wird,
sammeln sich freie ribosomale Proteine in der Zelle an. Diese Pro-
...
–10
...
...
Diese Wechselwirkung kann sich folgendermaßen auswirken:
– Regulation der Einleitung der Translation: Ein regulatorisches Protein
heftet sich in die Nhe der Ribosomen-Bindestelle auf der mRNA
(Abb. 5.26) und verhindert damit die Ausbildung eines Initiationskomplexes (s. Abb. 4.25).
– Kontrolle der Stabilitt der mRNA: Das gebundene Protein verringert
die Ribosomen-Dichte auf der mRNA, die damit vermehrt dem Angriff von Nuclease ausgesetzt ist.
A
A
A
A 630
A C
C-U
. . . C U G GG-C AU G AU G AG G U . . .
UG
G-C
C-G
U-A +1
U-A
U
A-U
C-G
G-C
C-G
600 A-U
C
C-G
C-G
U-A U640
U-A
A
G
G
A
A
A C
A
C +10
A-U
A-U
+80
U-G
C-G
U-G
G-C
U-A
G-C
U-A
A-U
590 U-A
C-G
U-A
G
U UAC U . . .
+90
.
Jedes regulatorische Protein geht eine Wechselwirkung mit seiner
eigenen (polygenischen) mRNA ein.
b
a
..
In vielen Operons nimmt eines der Gene eine Sonderstellung ein
(hervorgehoben in Abb. 5.25). Das Produkt solcher „Sonder-Gene“ ist
fr die Regulation des betreffenden Operons verantwortlich. Wir knnen hier nicht alle bekannten Einzelheiten der Regulation beschreiben,
aber es lsst sich ein gemeinsames Prinzip benennen.
...
L34
L11 – L10
+20
spc-mRNA
16S rRNA
Abb. 5.26 Bindestellen fr das ribosomale Protein S8.
a Eine vom Computer ermittelte Sekundrstruktur
der mRNA des spc-Operons. Die Ribosomen-Bindestelle und das Start-Codon AUG sind orange eingerahmt. Die Nummerierung beginnt mit +1 am AUG.
Die Nucleotide 23 – 73 sind nicht angegeben. Die
experimentell ermittelte Bindestelle fr S8 ist grn
hervorgehoben.
b Ein Abschnitt aus der 16S rRNA (Nummerierung
s. Abb. 4.21). Die Bindestelle fr das Protein S8 in
der 16S rRNA gleicht der Bindestelle in der mRNA
[nach 42].
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Tab. 5.7
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Plus 5.4 Anmerkungen ber
Gene fr ribosomale Proteine
Viele Transkriptionseinheiten werden nach
einem der beteiligten Gene bezeichnet, als
S1-, S2-, L20-Operon usw. (s. Abb. 5.25). Aus
historischen Grnden werden aber zwei
Operons nach Antibiotika benannt, das str(Streptomycin-) und das spc-(Spectromycin-)Operon. Sie wurden bei E. coli-Mutanten entdeckt, die gegenber den genannten Antibiotika resistent sind. Es zeigte sich
bei einer genaueren Untersuchung, dass
Streptomycin z. B. mit dem ribosomalen
Protein S12 reagiert und dadurch eine ungenaue Proteinsynthese verursacht. Entsprechendes gilt fr Spectromycin.
Noch einige Bemerkungen zum S21-Operon, das gelegentlich auch MMS-Operon genannt wird. MMS ist die Abkrzung fr „macromolecular synthesis“ und bedeutet, dass
die Gene in diesem Operon die Information
fr Proteine tragen, die jeweils eine Schlsselrolle bei der Synthese von genetisch interessanten Makromoleklen tragen:
– Protein S21 hat eine Schlsselrolle in der
Proteinsynthese, indem es sich durch
Bindung der mRNA an der Ausbildung
des Initiationskomplexes beteiligt.
– Der Sigma-70-Faktor ist fr die Synthese
der RNA wichtig.
– Die DNA-Primase hat eine Funktion bei
der Synthese von DNA (S.182).
Das S21/MMS-Operon ist exquisit reguliert:
1. Es enthlt mehrere Promotoren, die unterschiedlich auf Regulationssignale reagieren.
2. Hinter dem S21-Gen liegt eine Terminationsstelle (Abb. 5.25). In mehr als 90 %
aller Transkriptionsvorgnge kommt es
hier zu einem Stopp. Das ist sinnvoll,
weil in schnell wachsenden Bakterienzellen viele zehntausend S21-Molekle,
aber nur einige hundert Sigma-70- und
Primase-Molekle bentigt werden.
3. Schließlich liegt direkt vor dem Sigma70-Gen noch ein Extra-Promotor
(Abb. 5.25), der nur bei der Hitzeschock-Reaktion aktiv ist (s. Tab. 5.4).
teine binden an definierte Stellen auf der eigenen mRNA und verhindern damit ihre Synthese und die Synthese der anderen Proteine des
Operons.
Dieses Modell der Autoregulation hat den Vorteil einer einfachen Erklrung fr einen komplexen Sachverhalt. Es schließt jedoch andere
Regulationsvorgnge nicht aus. Zum Beispiel lassen einige Experimente
den Schluss zu, dass die ppGpp-vermittelte Hemmung der RNA-Polymerase sich auch bei der Transkription von Genen fr ribosomale Proteine auswirkt (Plus 5.4).
Negative und positive Gen-Regulation:
das lac-Operon als Bezugssystem
J. Monod hat in grundlegenden Arbeiten seit 1945 die Schaltmechanismen an einer experimentell gut zugnglichen Gen-Gruppe untersucht.
Im Jahre 1961 konnte er gemeinsam mit F. Jacob in einer einflussreichen
Arbeit ein umfassendes Modell der Gen-Regulation vorstellen, das bis
heute als ein wichtiges Bezugssystem fr berlegungen ber die Regulation genetischer Aktivitt gilt. Die Wertschtzung des Modells von
Jacob und Monod zeigt sich auch darin, dass ihre Terminologie bis heute
fr die Beschreibung von Gen-Regulationen verwendet wird.
Die beiden Forscher fhrten ihre Untersuchungen an einem wohldefinierten experimentellen System durch: an den Genen, die die Information zur Synthese von Enzymen des Lactose-Stoffwechsels tragen.
Die Aktivitt dieser Gene unterliegt einer genauen Regulation, denn
im lactosefreien Nhrmedium werden in einer Bakterienzelle nur wenige Molekle der lactoseverwertenden Enzyme gebildet, aber in Gegenwart von Lactose als einziger Kohlenstoff-Quelle nimmt die Menge
an Lactose-Enzymen um das mehr als 1 000fache zu. Der Grund dafr
ist, dass die von der Zelle aufgenommene Lactose bzw. ein Umwandlungsprodukt die Transkription der Lactose-Gene anregt. Dieses Regulationsphnomen wollen wir im Folgenden genauer beschreiben.
Die Gen-Produkte
Schon 3 Minuten nach Zusatz von Lactose zu einer Bakterienkultur kann
eine Zunahme der intrazellulren Menge des Enzyms b-Galactosidase
gemessen werden. In Gegenwart von Lactose als einziger KohlenstoffQuelle nimmt die Zahl der Enzymmolekle von 60 bis auf 60 000 pro
Zelle zu. Nach Entfernung der Lactose sinkt die Konzentration rasch
wieder auf den Ausgangswert ab.
b-Galactosidase, ein Tetramer aus vier gleichen Untereinheiten mit je
1023 Aminosuren, spaltet das Disaccharid Lactose in Glucose und Galactose, die dann jeweils ber eigene Stoffwechsel-Wege zur Gewinnung
zellulrer Energie abgebaut werden.
Zugleich mit der b-Galactosidase wird die Synthese von zwei anderen Proteinen induziert:
– Permease, ein membrangebundenes Protein, das die Aufnahme von
Lactose in die Zelle erleichtert.
– Transacetylase, das die Anheftung von Acetyl-Gruppen an Phenyl-,
Thiophenyl- und Nitrophenyl-Galactosiden katalysiert. Die physiologische Bedeutung dieses Enzyms fr den Bakterienstoffwechsel
ist noch nicht abschließend erforscht.
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110
111
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Zunchst noch eine Bemerkung zur genetischen Organisation der
lac-Gene. Die Gene der drei koordiniert exprimierten Proteine haben
die Bezeichnungen lacZ (b-Galactosidase), lacY (Permease) und lacA
(Transacetylase). Die Gene liegen eng hintereinandergeschaltet als
Operon im lac-Locus bei etwa 8 Minuten auf der Gen-Karte, und zwar
in der Reihenfolge lacZ, lacY, lacA. Die drei Gene werden nach der
Induktion in Form einer langen polygenen mRNA transkribiert.
Lactose
HO
4
OH
O
HO
b
OH 1
HO
O
1
OH
OH
O
Glucose
Galactose
b-galactosidische Bindung; wird durch
das Enzym b-Galactosidase gespalten
Isopropyl-thiogalactosid
HO
HO
OH
O
HO
CH3
S CH
CH3
Diese Bindung kann nicht durch
E. coli-Enzyme gespalten werden
Abb. 5.27
(IPTG).
Lactose und Isopropyl-thiogalactosid
Mutanten mit vernderter Gen-Regulation
A. B. Pardee, F. Jacob und J. Monod (1959) entdeckten eine E. coli-Mutante, die auch in Abwesenheit eines Induktors maximale Mengen an
b-Galactosidase, Permease und Transacetylase produzierte („konstitutive Synthese“). Das fr diese so genannte I – -Eigenschaft verantwortliche
Gen lacI wurde nahe vor dem Gen lacZ lokalisiert (Plus 5.5).
Die entscheidende Information ber die Funktion des lacI-Gens
brachte folgende experimentelle Anordnung:
In die I – -Mutante wurde ein F¢-Plasmid eingefhrt, das alle drei Gene
des Lactose-Operons und außerdem ein funktionierendes lacI-Gen trug
Plus 5.5
4
HO
Bakterien-Genetik: frher und heute
Auf diesen Seiten geht es um Forschungsarbeiten, die mehr als vierzig
Jahre zurckliegen. Damals und noch bis zur Mitte der siebziger Jahre
begannen genetische Untersuchungen mit der Isolierung von zufllig
auftretenden Bakterienmutanten, gefolgt von einer genauen Beschreibung ihrer Phnotypen und der Einordnung der betreffenden Genein
die biologische Gen-Karte durch Konjugation und Transduktion.
Heute sind die Nucleotid-Sequenzen aller Gene von E. coli bekannt.
Wenn sich Molekularbiologen fr die Auswirkungen von Nucleotid- oder
Aminosure-Austuschen interessieren, isolieren sie zunchst das betreffende Gen mit Hilfe gentechnischer Verfahren (s. Kap.10). Dann
werden durch eine Kombination biochemischer und mikrobiologischer
Maßnahmen gezielt Vernderungen an der Gen-Sequenz vorgenommen
(site directed mutagenesis; ortsspezifische Mutagenese). Schließlich wird
das vernderte Gen in Bakterien bertragen und der Phnotyp registriert
– Reverse Genetics: „Umgekehrte“ Genetik.
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Außer Lactose knnen mehrere andere Galactoside die Synthese der
drei Proteine induzieren, darunter sind auch solche Galactoside, die
von der b-Galactosidase nicht gespalten werden. Der strkste Induktor,
Isopropyl-b-D-thiogalactosid (IPTG), gehrt zu dieser Gruppe von Galactosiden (Abb. 5.27). Diese Tatsache hat in der Geschichte der Regulationsforschung eine große Rolle gespielt. Denn, wenn Induktoren wie
IPTG nicht vom Enzym b-Galactosidase als Substrat erkannt werden,
kommt das Enzym nicht als Kontrollelement seiner eigenen Synthese
in Betracht. Es kann daher auf ein besonderes Kontrollelement geschlossen werden, das zugleich die Synthese der Permease und Transacetylase
reguliert. brigens ist auch nicht die Lactose selbst der natrliche Induktor, sondern das intrazellulre Umwandlungsprodukt Allolactose
(„1,6-O-b-D-Galactopyranosyl-D-glucose“). Wir werden gleich sehen,
dass genetische Untersuchungen die Existenz eines eigenen Kontrollelementes direkt beweisen.
112
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Konstitutive Synthese der b-Galactosidase (Teil I)
Stamm
Genotyp
Phnotyp b-Galactosidase-Aktivitt
nichtinduziert
Wildtyp
i-Mutante
Merodiploid
Merodiploid
Merodiploid
I+Z+
I – Z+
I – Z+/F¢I+Z+
I+Z+/F¢I – Z+
I – Z+/F¢I – Z+
< 0,1
140
< 0,1
< 0,1
195
induziert
(durch 10 – 4 IPTG)
100
130
280
240
190
Anmerkung: Die b-Galactosidase-Aktivitt ist in relativen Einheiten angegeben:
100 bedeutet die b-Galactosidase-Aktivitt in maximal induzierten Wildtyp-Zellen.
Die Expression des lacA- und des lacY-Gens ist hier nicht dargestellt [nach 11].
F'-Plasmid (I+ P+ O+ Z+ Y+ A+)
PO
lac-Gene
Z
Y A
DNA
Bakterienwand
lac-Gene
Z
PO
YA
Chromosom (I– P+ O+ Z+ Y+ A+)
Abb. 5.28 Merodiploide Zelle vom Typ I – /F¢I+.
Das lac-Operon ist im Verhltnis zu groß gezeichnet. Es nimmt in Wirklichkeit nur den Platz von
etwa 0,15 % des E. coli-Chromosoms ein. Das Wildtyp-lacI-Gen des Plasmids produziert einen aktiven
Repressor (grne Kugeln), der sich frei in der Zelle
befindet und deshalb sowohl am chromosomalen
lac-Operator als auch am plasmidalen lac-Operator
angreifen kann. Zur Bedeutung der genetischen Elemente P und O siehe Text.
(Abb. 5.28). Diese Bakterienzelle war also, in Bezug auf das LactoseSystem, diploid: Je eine Kopie der Gen-Gruppe befindet sich auf dem
Haupt-Chromosom und auf dem F¢-Plasmid. Der Phnotyp (Tab. 5.8):
Die merodiploiden Zellen zeigen die normale lac-Gen-Regulation. Daraus folgt, dass das Gen lacI auf dem F¢-Plasmid ein Produkt herstellt,
welches die Gen-Aktivitt auf dem Haupt-Chromosom regulieren kann.
Die Kontrollen zu diesem Experiment sind ebenfalls in der Tab. 5.8
gezeigt:
1. Mutationen sowohl im lacI-Gen des Plasmids als auch im lacI-Gen
des Haupt-Chromosoms fhren zur konstitutiven lac-Gen-Expression.
2. Das lacI-Produkt des Haupt-Chromosoms kann die lac-Gene des F¢Plasmids regulieren.
Die Kontrollen zeigen, dass das Produkt des lacI-Gens frei durch das
Cytoplasma der Zelle diffundieren kann. In der Sprache der klassischen
Genetik heißt das: Der I+-Genotyp ist dominant ber den I – -Genotyp.
Man spricht deswegen von trans-dominanten oder – allgemein –
trans-wirkenden Faktoren, weil sie ihre Funktion nicht im Bereich ihres
Gens, sondern an rumlich getrennten Genen im Genom der Zelle ausben (trans, lat. jenseits).
Da das Produkt des lacI-Gens die Expression einer Gen-Folge unterdrckt, wurde es als Repressor bezeichnet.
Außer I-Mutanten wurde noch eine andere Klasse von konstitutiven
Mutanten (Oc) gefunden, die ebenfalls in Abwesenheit eines Induktors
große Mengen an b-Galactosidase herstellen, sich aber in folgenden
Eigenschaften von den I – -Mutanten unterscheiden:
1. Der Phnotyp „konstitutive Gen-Expression“ wird nicht durch Einfhren eines intakten lacI-Gens auf einem F¢I+-Plasmid beeinflusst.
2. Der Gen-Ort fr die Mutation Oc liegt nicht im Bereich des lacI-Gens.
3. Die Mutation Oc ist ebenfalls dominant, im Unterschied zur I-Mutation
jedoch cis-dominant. Man spricht von cis-Dominanz oder von ciswirkenden Elementen, wenn deren Funktion nur die Expression der
Gene auf dem gleichen Chromosom beeinflusst (cis, lat. diesseits).
Die cis-Dominanz konnte mit folgendem genetischem Experiment nachgewiesen werden: Merodiploide Zellen werden hergestellt, bei denen
das Haupt-Chromosom eine Oc-Mutation hat und zugleich eine Mutation im lacZ-Gen, die die Synthese einer abartigen b-Galactosidase zur
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Tab. 5.8
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
Tab. 5.9
113
Konstitutive Synthese der b-Galactosidase (Teil II)
Stamm
Genotyp
Phnotyp
b-Galactosidase
normal
b-Galactosidase
abnormal (CRM)
Wildtyp
O+Z+
< 0,1
100
–
–
merodiploid
O+Z+/F¢O+ZCRM < 0,1
105
< 0,1
310
c
O -Mutante
c +
OZ
merodiploid
O+Z+/F¢OcZ+
mit Oc-Mutation
25
95
–
–
70
220
–
–
90
30
180
merodiploid
O+Z+/F¢OcZCRM < 0,1
mit Oc-Mutation
Beachte:
1. Die Expression der Z-Gen-Aktivitt in Oc-Mutanten ist nicht so ausgeprgt wie in I-Mutanten (Tab. 5.8).
2. CRM bedeutet „cross reacting material“. Diese
Bezeichnung bezieht sich auf die immunologische Methode zum Nachweis der abartigen bGalactosidaseCRM.
3. Alle Stmme enthalten ein aktives lacI-Gen
[nach 24].
Folge hat. Diese abartige b-Galactosidase ist enzymatisch nicht aktiv,
lsst sich aber mit immunologischen Methoden als Protein nachweisen
(b-GalactosidaseCRM). In den gleichen Zellen befindet sich ein F¢-Plasmid
mit normalen lac-Genen (Tab. 5.9).
In Abwesenheit eines Induktors ist (wegen der Oc-Mutation) nur das
b-Galactosidase-Gen des Haupt-Chromosoms aktiv. Entsprechend wird
die b-GalactosidaseCRM gebildet. In Gegenwart von IPTG findet man auch
normale b-Galactosidase in der Zelle, weil nun auch das Gen auf dem F¢Plasmid exprimiert wird (Tab. 5.9).
Rekombinationsanalysen zeigen, dass der Gen-Ort fr die Oc-Mutation unmittelbar vor dem Gen lacZ liegt.
Das Modell
Aus den Eigenschaften der beiden Mutationen I – und Oc wurde ein
Modell der Lactose-Gen-Regulation abgeleitet (Abb. 5.29). Dieses Modell
besagt folgendes:
1. Das lacI-Gen stellt einen Repressor her, der sich im nichtinduzierten
Zustand an einen DNA-Abschnitt vor der Gen-Folge lacZ-lacY-lacA
bindet und dadurch deren Transkription verhindert.
2. Ein Induktor wie IPTG heftet sich an den Repressor, der dadurch
seine Bindungseigenschaften ndert und von der DNA abfllt. Die
lac-Gene sind nun frei fr die Transkription.
Die DNA-Bindungsstelle vor den lac-Genen ist durch die oc-Mutation
charakterisiert, bei der die Struktur der DNA so verndert ist, dass eine
Repressor-Anheftung nicht mehr stattfindet. Diese Bindungsstelle nennt
man Operator. Die gesamte Regulationseinheit, bestehend aus dem
Operator und der Folge der Strukturgene, wird als Operon bezeichnet.
Wo liegt der Promotor? Der Promotor P fr die lac-Gene liegt direkt
vor dem Operator, wie zuerst Studien an Promotor-Mutanten und dann
spter biochemische Untersuchungen gezeigt haben. Diese Ergebnisse
werden wir uns bald genauer ansehen.
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nichtinduziert
nichtinduziert
induziert 10 – 4 M IPTG induziert 10 – 4 M IPTG
114
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Zusammenfassend knnen wir also die Organisation des lac-Operons
folgendermaßen notieren: Promotor – Operator – lacZ – lacY – lacA
(P-O-Z-Y-A).
Aus dem Modell der Abb. 5.29 folgern wir, dass der Repressor zwei
Bindungsstellen hat: eine fr den Operator und eine zweite fr den
a
Promotor Operator
lacI
5'
lacZ
lacY
lacA
DNA
mRNA
3'
Protein
monomer tetramer
b
5'
lacI
DNA
5'
3'
3' mRNA
Protein
Permease
b-Galactosidase
Induktor
(IPTG)
Transacetylase
Methode: Farbreaktionen zur einfachen Identifizierung von
Bakterienkolonien mit Mutationen im lac-Operon und im lacIRegulator-Gen.
Solche Verfahren sind bei Forschungen zum lac-System unentbehrliche
Hilfsmittel, weil sie rasch zur Isolierung und ersten Charakterisierung
einer Mutante fhren.
Von den Frbeverfahren erwhnen wir die beiden gebruchlichsten:
– Neutralrot plus Kristallviolett (McConkey-Agar). Auf Agar-Platten,
die neben dem Zucker Lactose diese beiden Farbstoffe enthalten,
bilden lac+-Bakterien tiefrote Kolonien. Der Grund dafr ist die Tatsache, dass durch die Fermentierung von Zuckern, wie der Lactose,
der pH-Wert abnimmt.
– X-Gal [(5-Brom-4-chlor-3-indolyl-b-D-galactosid]. MinimalmediumAgar-Platten, die außer Glucose diesen Farbstoff enthalten, ermglichen die Identifizierung von konstitutiven Mutanten. X-Gal ist kein
Induktor der Lactose-Gene. Die Verbindung ist normalerweise farblos. Wenn sie jedoch durch b-Galactosidase gespalten wird, entsteht
das tiefblaue 5-Brom-4-chlor-indigo.
Farbreaktionen zur einfachen Identifizierung von lac-Mutanten
Indikatorplatte
McConkey (Lactose)
X-Gal
X-Gal (plus IPTG)
Genotypen
I+O+Z+
I+O+Z –
I – O+Z+
I+OcZ+
rot
weiß
blau
rot
blau
blau
rot
hellblau
dunkelblau
weiß
weiß
weiß
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Abb. 5.29 Repression und Expression des lacOperons.
a In Abwesenheit eines Induktors bindet sich der
Repressor an die Operator-Sequenz und blockiert
damit den Zugang der RNA-Polymerase zum Promotor. Das lac-Operon ist geschlossen.
b Ein Induktor wie Allolactose oder IPTG bindet an
den Repressor, der dabei seine Konformation verndert und die Fhigkeit zur DNA-Bindung verliert.
Die RNA-Polymerase kann nun die Synthese von
mRNA durchfhren. Das lac-Operon wird exprimiert.
115
Induktor. Gen-Mutationen, die die erste der beiden Bindungsstellen
verndern, haben den I – -Phnotyp zur Folge. Wir knnen aber ebenso
gut Mutanten erwarten, bei denen die zweite Bindungsstelle ausgefallen ist. Solche Mutanten sollten auch in Gegenwart eines Induktors die
lac-Gene nicht exprimieren knnen. Entsprechende Mutanten sind gefunden worden: I s-Mutanten, deren Repressor kein IPTG binden kann
und die deswegen „superreprimiert“ sind.
Die Abb. 5.29 entspricht im wesentlichen dem Modell des lac-Operons von J. Monod und F. Jacob aus dem Jahre 1961. Das Modell erlaubt
eine einfache und einleuchtende Erklrung fr die Repression: Ein LacRepressor am Operator schließt eine Bindung der RNA-Polymerase an
den Promotor aus, einfach weil sich Operator- und Promotor-Sequenzen
teilweise berlappen und der gebundene Repressor den Promotor versperrt.
Im Laufe der Zeit ist das Jacob-Monod-Modell berprft und in
vielen Punkten ergnzt, erweitert und verfeinert worden. Interessierte
Leser finden einen sehr lebhaften Bericht der Forschungsgeschichte –
mit allen Erfolgen und vielen Irrwegen – im Buch von B. Mller-Hill
„The lac Operon. A Short History of a Genetic Paradigm“ (1996).
Auf den folgenden Seiten werden einige der wichtigsten Ergebnisse
beschrieben.
Der Lac-Repressor
Expression: Wie gesagt, wird der Lac-Repressor vom Gen lacI kodiert
(I, Induktion: das lac-Operon wird „induziert“, wenn das Gen lacI durch
Mutation geschdigt ist). Der Kodierungsregion ist ein Promotor vorgeschaltet, der in mehreren Punkten vom Ideal- oder Standard-Promotor
(S. 53) abweicht (Abb. 5.30):
– Zwischen dem Startpunkt der Transkription und der – 10-Region
befinden sich ausschließlich GC-Basenpaare, whrend ein „starker“
Promotor hier bevorzugt AT-Basenpaare hat.
– Eine typische – 10-Region ist gekennzeichnet durch die Sequenz:
TATAAT. Aber im lacI-Promotor wird die Sequenz durch GC-Basenpaare unterbrochen.
– Auch die – 35-Region des lacI-Promotors weicht erheblich von der
eines Standard-Promotors ab.
Die Konsequenz ist, dass der Promotor des lacI-Gens „schwach“ ist und
die RNA-Polymerase mit geringer Effizienz bindet. Aber das reicht aus,
um eine Bakterienzelle mit der notwendigen und ausreichenden Menge
von 10 – 20 Lac-Repressor-Moleklen zu versorgen.
Man kennt Mutanten, die weit mehr Repressor-Molekle herstellen
als Wildtyp-Bakterien, Iq-Mutanten (q, quantity). Die Ursache dafr ist
ein Basenaustausch in der Promotor-Region (Abb. 5.30), die sich damit
der Sequenz des Standard-Promotors nhert.
–50
–40
–30
–20
–10
Abb. 5.30 Der Promotor des lacI-Gens. Die wichtigen Regionen um die Nucleotide – 35 und – 10
sind hervorgehoben. Durch den Austausch des CGBasenpaars gegen ein AT-Basenpaar bei der Position – 36 erfolgt eine Annherung an die Sequenz
eines Konsensus-Promotors. Damit steigt die Effizienz der Transkription. Das Ergebnis ist der Phnotyp einer Iq-Mutation: vermehrte Bildung des Repressors [nach 14].
10
20
30
40
G A C A C C A T C G A A T G G C G C A A A A C C T T T C G C G G T A T G G C A T G A T A G C G C C C GG A A G A G A G T C A A T T C A G G G T G G T G A A T G T G A A A C C A G T A A C G
C T G T G G T A G C T T A C C G C G T T T T G G A A A G C G C C A T A C C G T A C T A T C G C GGG C C T T C T C T C A G T T A A G T C C C A C C A C T T A C A C T T T G G T C A T T G C
Iq
T
A
ppp GGAAGAGAGUGAAU U CAGGGUGGU A A UGUGA A A C C AGUA A C G
Met . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
116
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Die Iq-Mutanten waren sehr wichtig bei den frhen Arbeiten ber
den Lac-Repressor, weil mit ihrer Hilfe große Mengen an Repressor
produziert werden konnten, als Voraussetzung fr biochemische Untersuchungen. Heute stellen Molekularbiologen große Mengen eines seltenen Proteins mit gentechnischen Verfahren her (S. 311).
IPTG
C
Abb. 5.31 Dreidimensionale Struktur einer Untereinheit des Lac-Repressors. Beschreibung der
Domnen im Text. Beachte, dass der aktive Repressor aus zwei Dimeren, also insgesamt vier Untereinheiten besteht [nach 28, 33].
Struktur: Ein intakter Lac-Repressor ist ein Tetramer, zusammengesetzt
aus zwei Dimer-Komponenten, also aus insgesamt vier gleichen Untereinheiten. Jede Untereinheit besteht aus 360 Aminosuren, die sich zu
Domnen falten (Abb. 5.31):
– Das „Kopfstck“, die aminoterminale Domne mit den ersten 50
Aminosuren, besteht aus drei a-Helices, die sich in einer charakteristischen Form anordnen und die Bindung des Lac-Repressors an
die Operator-Sequenz vermitteln.
– Das „Kopfstck“ der DNA-Bindedomne steht ber ein kurzes flexibles Zwischenstck mit der großen zentralen Domne aus den Aminosuren 62 – 324 in Verbindung. Die zentrale Domne besteht aus
zwei hnlich aufgebauten Teilen oder Subdomnen, getrennt durch
einen Spalt mit der Bindestelle fr den Induktor IPTG. Bereiche in
beiden Subdomnen vermitteln Wechselwirkungen mit dem DimerPartner.
– Die carboxyterminale Domne mit einer a-Helix zwischen den Aminosuren 340 und 357 ist fr die Ausbildung des Tetramers verantwortlich: Jede Untereinheit beteiligt sich mit ihrer carboxyterminalen Domne an einem Bndel aus vier a-Helices. Aus einigem Abstand betrachtet, hat ein nativer Lac-Repressor die Form des
Buchstabens V, wobei jeder Schenkel aus einem Dimer und das Verbindungsstck aus dem Vier-a-Helix-Bndel besteht.
Bindung an DNA: Das aminoterminale Kopfstck vermittelt die Bindung
an DNA. Die Struktur besteht aus drei kurzen a-Helix-Bereichen, die
durch Drehungen (turns) in der Polypeptid-Kette miteinander verbunden sind (Abb. 5.31). Sie bilden das bei Bakterien weit verbreitete
Helix-Turn-Helix-Motiv DNA-bindender Proteine.
Eine zentrale Funktion hat die Helix II mit den Aminosuren 17 – 26,
die Erkennungshelix. Sie legt sich in die große Rinne der DNA, whrend
die beiden anderen a-Helix-Bereiche quer zur Erkennungshelix liegen
und die Protein-DNA-Wechselwirkung stabilisieren (Abb. 5.32).
Zwei Arten von DNA-Bindung mssen unterschieden werden:
– Unspezifische Bindung an beliebige DNA-Sequenzen, hauptschlich
vermittelt durch elektrostatische Wechselwirkungen zwischen den
positiv geladenen Seitenketten von Arginin und Lysin (s. Tab. 3.1,
S. 39) sowie Histidin mit der DNA. Diese Bindungen sind verhltnismßig schwach. Aber wichtig, denn in der Zelle geht der Lac-Repressor zuerst unspezifische Kontakte mit der DNA ein und gleitet dann
sozusagen an der DNA entlang, bis er auf den Operator trifft, an den
er sehr viel fester bindet.
– Spezifische Bindung an die Sequenz des Operators. Die Spezifitt der
Wechselwirkung beruht auf Wasserstoffbrcken zwischen hydrophilen Aminosuren (Arginin, Glutamin, Serin, Tyrosin) und Basenpaaren im Operator (Abb. 5.32).
Die Ergebnisse der Strukturuntersuchungen finden eine eindrucksvolle
Besttigung durch die Sequenzanalyse von I – -Mutanten. Beispielsweise
fhrt ein Austausch des Tyrosins an Stelle 17 oder des Glutamins an
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N
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
1
5
10
15
20
Met-Lys-Pro-Val-Thr-Leu-Tyr-Asp-Val-Ala-Glu-Tyr-Ala-Gly-Val-Ser-Tyr-Gln-Thr-ValHelix II
Helix I
21
25
30
35
40
Ser-Arg-Val-Val-Asn-Gln-Ala-Ser-His-Val-Ser-Ala-Lys-Thr-Arg-Glu-Lys-Val-Glu-AlaHelix III
41
45
50
Ala-Met-Ala-Glu-Leu-Asn-Tyr-Ile-Pro-Asn-Argb
Abb. 5.32 Das Helix-Turn-Helix-Motiv DNA-bindender Proteine.
a Aminosure-Sequenz, „Kopfstck“ des Lac-Repressors mit der Position der a-Helices und der Position von Aminosure-Austusche, die zum Verlust
der DNA-Bindung fhren (I-Mutationen).
b Die drei a-Helices an der DNA: Helix II ist die
Erkennungshelix.
c Die Skizze erinnert daran, dass die aktive Form
des Repressors ein Dimer ist.
d Einige Mglichkeiten fr Wasserstoffbrcken zwischen Aminosure-Seitenketten und reaktiven
Gruppen in der großen Rinne der DNA [26, 32, 33].
d
kleine Rinne
II
O
T
III
N
N
N
A
N
N
H
O
H3C
I
N
N
H
H
H
O
N H
C
H2C
CH2
Gln
kleine Rinne
c
O
T
N
N
N
A
N
N
H
O
H3C
N
N
H
H
H
O
CH2
Ser
kleine Rinne
H
H
O
C
N
N
N
H
H
N
N
N
N
N
O
H
H
H
N
H2C
H2C
C H2
G
C
N H
N
Arg
H
Stelle 18 durch andere Aminosuren (Abb. 5.32) zu einem Verlust der
spezifischen DNA-Bindung und zum Phnotyp einer konstitutiven lacGen-Expression (Tab. 5.9).
Die Abb. 5.32 ist eine abstrakte Darstellung mit dem Vorteil einer
einfachen Einfhrung in das Prinzip der spezifischen Protein-DNA-
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I-Mutationen
Val Ala
a
117
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Wechselwirkung – und dem Nachteil, dass sie die wirklichen Verhltnisse nur als Ausschnitt zeigt. Denn aufgrund der Abb. 5.32 wrden wir
schließen, dass die Repressor-Bindestelle nur etwa einer halben Drehung der Doppelhelix entspricht. Aber in Wirklichkeit umfasst ein Operator zwei komplette Doppelhelix-Drehungen und besteht aus 21
palindromisch angeordneten Basenpaaren (in der Abb. 5.33 mit lacO1
bezeichnet). Demnach existieren im Operator zwei Bindestellen, je eine
fr ein Kopfstck in einem der beiden Dimer-Partner. Jedes Kopfstck
bindet als Helix-Turn-Helix an seine Stelle, aber gemeinsam ndern sie
den Lauf der DNA, indem sie eine Beugung von 60 in der Mitte des
Operators induzieren (Abb. 5.32).
Demnach reicht ein Dimer aus zwei Repressor-Untereinheiten fr
eine effiziente Bindung an den Operator aus. Warum ist dann ein normaler Repressor ein Tetramer, aufgebaut aus zwei Dimeren? Um diese
Frage zu beantworten, mssen wir die einfache Skizze vom lac-Operon
(Abb. 5.29) ergnzen, und zwar durch Eintragen von zwei weiteren Repressor-Bindestellen: Eine der beiden Bindestellen mit der Bezeichnung
lacO2 liegt etwa 400 bp stromabwrts vom klassischen oder HauptOperator, lacO1, also innerhalb der Kodierungssequenz fr die b-Galactosidase; die zweite Bindestelle, lacO3, liegt etwa 90 bp stromaufwrts
(Abb. 5.33). Die Neben- oder Hilfs-Operatoren binden im biochemischen
Versuch den Lac-Repressor weniger gut als der Haupt-Operator, aber fr
die Regulation des lac-Operons ist das Vorhandensein mindestens eines
Hilfs-Operators wichtig. Das zeigt folgender Zahlenvergleich: Mit intakten Kontrollelementen, also mit allen drei Operator-Sequenzen, wird
nach Entzug des Induktors oder der Lactose im Nhrmedium die Expression des lac-Operons auf 0,1 % des Wertes im vollinduzierten Zustand zurckgedreht. Wenn aber nur der Haupt-Operator, lacO1,
vorhanden ist, betrgt die Expression der Gene unter den gleichen Bedingungen immerhin noch 2,5 % des maximalen Wertes.
Experimente zeigen, dass der tetramere Lac-Repressor gleichzeitig an
zwei Operatoren binden kann, je ein Dimer-Paar an einen der beiden
Operatoren. Der dazwischen liegende DNA-Abschnitt bildet eine Schleife, was zu einem effektiven Verschluss des gesamten Regulationsbereiches, einschließlich des Promotors, beitrgt (Abb. 5.33).
Im klassischen Jacob-Monod-Modell (Abb. 5.29) war das Modell fr
die Repression des lac-Operons einfach: Der operatorgebundene Repressor hlt Teile des Promotors besetzt und blockiert damit den Zugang fr
die RNA-Polymerase. Aber das gibt nur einen Teil der Wirklichkeit wieder. Ein anderer Teil ist die Bildung der DNA-Schleife, die insbesondere
die „positive Regulation“ beeinflusst, von der im nchsten Abschnitt die
Rede sein wird. Aber zuerst noch einige Bemerkungen zur Induktion.
Induktion: Bei der Bindung eines Induktors (IPTG) ndert sich die Lage
der beiden Subdomnen in der zentralen Domne einer Untereinheit,
zugleich verschieben sich auch die beiden Untereinheiten des Repressor-Dimers. Diese molekularen Bewegungen werden ber die Zwischenstcke (Abb. 5.31) zu den aminoterminalen DNA-Bindedomnen
bertragen. Als Konsequenz verndern sich deren Konformation und
deren Anordnung zueinander, so dass der Repressor seine Affinitt zur
DNA verliert und den Operator frei gibt (Abb. 5.33).
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Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
A
A
T
T
G
T
G
A
G
C
G
G
A
T
A
A
C
A
A
T
relative Affinität
zum
Repressor
T
1
T
T
A
A
C
A
C
T
C
G
C
C
T
A
T
T
G
T
T
A
A
A
A
A
T
G
T
G
A
G
C
G
A
G
T
A
A
C
A
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C
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T
T
T
A
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C
G
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C
A
T
T
G
T
T
G
G
G
G
C
A
G
T
G
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C
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A
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C
A
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T
T
C
C
G
T
C
A
C
T
C
G
C
G
T
T
G
C
G
T
T
A
A
a
lacO2
lacO3
b
O3 O1
0,12
Abb. 5.33 Die lac-Operatoren und das lac-Operon.
a Der Lac-Repressor bindet mit hchster Affinitt an
das (fast) perfekte Palindrom des lacO1-Operators.
b Die Lage der Operator-Sequenzen im lac-Operon,
einschließlich der Transkriptionsprodukte (monogenische lac I-mRNA; polygenische lac-mRNA) und der
kodierten Proteine.
c Die Bindung eines Repressor-Tetramers erzeugt
eine DNA-Schleife [nach 27, 31].
0,005
O2
DNA
1080 bp
mRNA
Pi
I
Lac-Repressor
3072 bp
1251 bp
609 bp
Z
Y
A
b-Galactosidase
Permease Transacetylase
c
DNA-Schleife zwischen zwei lac-Operator-Stellen:
O2
P1
Operator
Positive Regulation: das CAP-Protein
Die Dissoziation des Lac-Repressors reicht fr eine volle Expression des
lac-Operons nicht aus. Dazu ist die Anwesenheit eines positiv wirkenden Transkriptionsfaktors notwendig.
Dieser Faktor wurde im Verlauf der Analyse eines eigentmlichen
und, wie sich herausstellte, beraus sinnvollen Regulationsvorgangs
entdeckt. Dieser Vorgang wird als Katabolit- oder Glucose-Repression
der Lactose-Verwertung bezeichnet. Man beobachtet ihn, wenn als
Kohlenstoff-Quelle außer Lactose noch Glucose im Medium vorhanden
ist. Unter diesen Bedingungen sind die lac-Gene nur sehr wenig, wenn
berhaupt, aktiv. Das ist fr die Bakterien konomisch sinnvoll, denn
eine energetisch aufwendige Synthese von Lac-Enzymen wre in Gegenwart der leichter verwertbaren Glucose berflssig. Die „KatabolitRepression“ betrifft nicht nur die Expression der Gene des Lactose-Stoffwechsels, sondern auch die Expression der Gene fr die Verwertung
anderer Zucker: Galactose, Arabinose, Maltose u. a.
Der Nachweis von cAMP (zyklisches AMP; Adenosin-3¢-5¢-Monophosphat) in Bakterien fhrte auf die Spur, die dann schließlich zu einer
Klrung der Situation beitrug. Es zeigte sich nmlich, dass in Gegenwart
von Glucose die Konzentration an cAMP in Bakterien sehr niedrig ist,
aber nach Entzug von Glucose stark ansteigt.
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lacO1
119
120
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Die Erhhung des cAMP-Spiegels ist der eine Teil des Geschehens. Der
zweite Teil ist die Bindung des cAMP an ein Protein, das als CAP (catabolite activator protein) oder als CRP (cAMP receptor protein) bezeichnet
wird. Ein aktives CAP-Protein besteht aus zwei Untereinheiten mit je
209 Aminosuren (s. Abb. 3.13). Jede Untereinheit kann ein Molekl
cAMP binden. Die Bindung verndert die Konformation des Proteins,
das nun in der Lage ist, sich mit hoher Spezifitt an einen DNA-Abschnitt direkt vor dem Promotor des lac-Operons zu binden.
Jede Untereinheit des CAP-Proteins bindet an eine Hlfte des palindromischen DNA-Bindeorts und induziert eine krftige Beugung der
DNA mit einem Winkel, der zwischen 90 und 130 liegen kann
(Abb. 5.34). Die Beugung der DNA ist fr die Funktion wichtig, denn
sie frdert die Kontaktaufnahme des CAP-Proteins mit einer a-Untereinheit der RNA-Polymerase. Dies ist der entscheidende Punkt bei der
positiven Wirkung auf die Transkription, sehr wahrscheinlich weil gebundenes CAP-Protein die Affinitt der RNA-Polymerase zum Promotor
erhht.
Im brigen ist eine CAP-Bindestelle keine Besonderheit des lac-Operons: Alle Operons, die der Regulation durch Katabolit-Repression un-
Abb. 5.34 Der Transkriptionsfaktor CAP an der
DNA. Das Protein CAP hat uns im Kap. 3 als Beispiel
fr ein Protein mit Domnen-Struktur gedient. Ein
Blick auf die Abb. 3.13 ist ntzlich, bevor man sich
in das hier gezeigte Bild vertieft. Denn dieses Bild
gibt die aktive Dimer-Form des Proteins wieder (mit
gebundenem cAMP, rechts als Kugeln). Die Erkennungshelix des Helix-Turn-Helix-Motivs liegt in der
grossen Rinne. Die Bindung des Dimers verursacht
eine Beugung der DNA [nach 18, 35].
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Der Grund dafr ist eine Vernderung der Aktivitt des Enzyms
Adenylat-Cyclase, das aus ATP das regulatorische cAMP herstellt. Die
Aktivitt der Adenylat-Cyclase wird durch ein membrangebundenes
Glucose-Transportsystem gesteuert:
– Eine Komponente des Transportsystems befindet sich in einer Art
Ruhezustand, wenn Glucose in der Umgebung der Bakterien fehlt.
Unter diesen Umstnden ist das Protein phosphoryliert und aktiviert
als Phosphoprotein die Adenylat-Cyclase.
– Umgekehrt, wenn Glucose in die Zelle transportiert wird, gibt das
Transportprotein seine Phosphat-Gruppe an Glucose weiter. Das dephosphorylierte Protein verliert seinen Einfluss auf die Adenylat-Cyclase: Die Bildung von cAMP unterbleibt, und die intrazellulre
Konzentration an cAMP fllt.
Grundlagen bakterieller Gen-Regulation
121
Kontrollelemente des lac-Operons: Ein Blick auf die Sequenz der promotornahen Kontrollelemente des lac-Operons (Abb. 5.35) mag bei der
Zusammenfassung dieses Abschnitts ntzlich sein:
– In Abwesenheit von Lactose oder eines anderen Induktors (IPTG) ist
der Operator durch den Lac-Repressor besetzt. Da Operator und Promotor teilweise berlappen, erschwert der Repressor die Bindung
der RNA-Polymerase. Aber dies reicht fr die vollstndige Repression
nicht aus. Dazu ist mindestens einer der beiden Hilfs-Operatoren
(lacO2 oder lacO3 der Abb. 5.33) notwendig. Wegen der eigentmlichen tetrameren und V-frmigen Struktur kann der Lac-Repressor
zugleich Kontakt mit dem Haupt-Operator (lacO1) und einem der
Hilfs-Operatoren aufnehmen. Es kommt zur Schleifenbildung und
zum effektiven Verschluss des Promotors, auch und vor allem im
Hinblick auf die korrekte Lage des aktivierenden CAP-Proteins.
– In Gegenwart von Lactose lst sich der Repressor von seinen Bindestellen, aber fr eine volle Expression des lac-Operons muss ein
aktives CAP-Protein an seiner Bindestelle gleich stromaufwrts von
der – 35-Region des Promotors sitzen. Dadurch wird aus dem an sich
schwachen Promotor ein starker Promotor mit der Konsequenz, dass
schließlich mehr als 20 RNA-Polymerase-Molekle gleichzeitig und
in enger Folge mit der Transkription des lac-Operons beschftigt
sind. Als Ergebnis wird dann eine E. coli-Zelle schließlich mit vielen
Moleklen des Enzyms b-Galactosidase ausgestattet.
Ende des l-Gens
GG A A A G C GGG C A G T G A G C G C A A C G C A A T T A A T G T GAG T T AG C T C A C T C A T T
C C T T T CGCGCG T C A C T CGCG T T GCG T T A A T T A C A C T C A A T C GA G T GAG T AA
Glu
Ser Gly Gln Stop
–80
–70
–60
CAP-Bindungsstelle
Promotor
A GG C A C C C C A GG C T T T A C A C T T T A T G C T T C C GG C T C G T A T G T
T C C G T GGGG T C C G A A A T G T G A A A T A C G A A G G C C G A G C A T A C A
–50
–40
–20
–30
RNA-Polymerase-Bindungsstelle
–10
Abb. 5.35 Kontrollelemente des lac-Operons.
Beachte die Lage der CAP-Bindestelle und die Lage
des Operators relativ zum Promotor mit der – 10und der – 35-Region. Das CAP-Protein dient als positiver Regulator fr viele E. coli-Gene, aber seine
Bindestelle liegt nicht immer vor den PromotorGrundelementen, sondern oft auch an anderen
Stellen vor dem Transkriptionsstart. CAP-Stellen
ebenso wie Operator-Sequenzen sind als Palindrome organisiert. Im Bild wird das Zentrum des
Palindroms durch eine grne Wellenlinie gekennzeichnet. Jede Palindromhlfte wird durch einen
Partner im dimeren DNA-Bindeprotein besetzt
[nach 17].
Beginn
des Z-Gens
Operator
T G T G T G G A A T T G T G A G C G G A T A A C A A T T T C A C A C A GG A A A C A G C T A T G A C C A T G
A C A C A C C T T A A C A C T C G C C T A T T G T T A A A G T G T G T C C T T T G T C G A T A C T GG T A C
1
10
mRNA
20
30
fMet Thr Met
40
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terworfen sind, also alle Operons mit Genen fr zuckerverwertende
Enzyme, enthalten eine oder auch mehrere CAP-Bindestellen, meist in
enger Nhe zur – 35-Region ihrer Promotoren.
Schließlich wollen wir noch vermerken, dass das Phnomen der
Katabolit-Repression mit der Beschreibung des CAP-Proteins und seiner
Rolle als Transkriptionsfaktor lngst nicht komplett beschrieben ist. Ein
Beispiel zustzlicher Regulation ist, dass ein aktives Glucose-Transportsystem die Lac-Permease hemmt, und damit die Menge an verfgbarem
Induktor herabsetzt.
5 Escherichia coli und der Bakteriophage Lambda: Gene und Gen-Expression
Verallgemeinerungen: Das Kennzeichen des E. coli-Genoms – und
berhaupt der Genome von Bakterien – sind Operons: Folgen von Genen, die von einem Promotor aus als polygenische mRNA transkribiert
werden. Diese Anordnung garantiert die koordinierte Expression zusammengehrender Gene.
Unter guten Nhrstoff- und Umweltbedingungen wird eine Reihe von
Operons und von einzelnen Genen konstitutiv exprimiert. Die Effizienz
der Expression hngt dabei im Wesentlichen von der Sequenz des Promotors ab:
– RNA-Polymerasen haben eine hohe Affinitt zu „starken“ Promotoren, deren Struktur der Standard- oder Konsensus-Sequenz (S. 53)
nahe kommt, und eine geringe Affinitt zu „schwachen“ Promotoren,
die entsprechend seltener transkribiert werden. Der Promotor des
lacI-Gens hat uns als Beispiel fr einen schwachen Promotor gedient
(Abb. 5.30).
Viele Operons des E. coli-Genoms werden reguliert exprimiert:
– Sigma-Faktoren erkennen jeweils eigene Promotor-Sequenzen: Die
meisten Gene sind auf den Sigma-70-Faktor angewiesen, andere Gene bentigen einen der alternativen Sigma-Faktoren (Tab. 5.5).
– Viele der Sigma-70-abhngigen Promotoren stehen unter der Kontrolle von Repressoren. Man spricht von negativer Regulation. Ein
spezifischer Repressor ist jeweils fr einen zugehrigen Promotor
zustndig. Im Einzelnen unterscheiden sich die Strukturen der verschiedenen Repressoren, aber alle besitzen zumindest zwei gemeinsame Merkmale, nmlich eine DNA-Bindedomne (meist in Form
einer Helix-Turn-Helix-Anordnung) und eine Stelle fr den jeweiligen Induktor.
Etwa die Hlfte der repressorkontrollierten Promotoren haben zwei
oder mehr Bindestellen fr den passenden Repressor. hnlich wie beim
lac-Operon liegt eine der Bindestellen in der Nhe der Eintrittsstelle fr
die RNA-Polymerase, die anderen Bindestellen sind weiter entfernt. In
diesen Fllen mssen fr eine vollstndige Repression beide Bindestellen vom Repressor besetzt sein.
Andere Promotoren haben nur eine Repressor-Bindestelle. Sie liegt
an der Eintrittsstelle fr die RNA-Polymerase und blockiert die Initiation
der Transkription.
Zahlreiche Promotoren stehen zustzlich oder manche sogar ausschließlich unter positiver Regulation. Signale, die an der Oberflche
etwa als Vernderungen im Nhrstoffangebot registriert werden, gelangen in das Innere der Bakterienzelle und aktivieren Transkriptionsfaktoren. Ein gut untersuchtes Beispiel ist das cAMP/CAP-Protein-System.
Dutzende von Promotoren haben CAP-Bindestellen. Oft liegen sie wie
beim lac-Promotor (Abb. 5.34) unmittelbar stromaufwrts von der – 35Region, auf jeden Fall aber mit der RNA-Polymerase auf der gleichen
Seite der DNA-Doppelhelix, so dass die CAP-Protein-induzierte DNABeugung zu direkten Kontakten zwischen CAP-Protein und RNA-Polymerase fhrt. Nicht wenige Promotoren besitzen zustzlich noch Bindestellen fr das Protein IHF (S. 90), welches die Beugung der DNA
begnstigt oder stabilisiert.
Regulationen ber Repressor und Aktivator sind bei weitem nicht die
einzigen Mechanismen der Gen-Regulation bei Bakterien. Leser mgen
sich an die „stringente Kontrolle“ oder die Hitzeschock-Antwort erin-
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Aus Knippers, R.: Molekulare Genetik (ISBN 9783134770094) © 2006 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
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nern. Andere Mechanismen betreffen die Elongation der Transkription
und die Regulation der Translation. Wir nennen einige Beispiele in
Stichworten:
– Die Regulation der Elongation wird durch das N-Protein des Phagen
Lambda und durch die Nus-Proteine von E. coli vermittelt (s. Plus 5.6).
– Die Translation kann durch spezifisch gebundene Proteine blockiert
werden, aber auch durch die Annahme spezieller SekundrstrukturSchleifen besonders im 5¢-Bereich. Zum Beispiel knnen diese Schleifen unter gegebenen physiologischen Bedingungen die Form von
Terminationsschleifen (s. Abb. 4.10, S. 58) annehmen und dann frh
die Synthese der mRNA zum Halt bringen. Aber unter anderen
Bedingungen bilden sie andere Formen, die keine Blockade der
Transkription verursachen. Unter bestimmten Bedingungen kann auch
eine Ribozym-artige Spaltung (Abb. 5.22) der eigenen mRNA von entsprechend gefalteten 5¢-Nicht-Kodierungssequenzen ausgehen.
– In einigen Genen kann unter bestimmten Bedingungen auch der
Gegenstrang transkribiert werden. Es entsteht eine „Antisense“RNA, die sich mit der mRNA zu einem RNA-Doppelstrang zusammenlegt und dadurch die Einleitung der Translation verhindert. Solche
RNA-Doppelstrang-Strukturen begnstigen den Abbau der mRNA.
berhaupt kann die Stabilitt von mRNAs ber eine Aktivierung
oder Hemmung spezieller RNA-abbauender Enzyme (RNasen) reguliert werden. Nebenbei bemerkt, ist die (post-transkriptionale) Regulation der Gen-Aktivitt ber komplementre (Antisense-)RNA und
den darauf folgenden Abbau von mRNA ein Mechanismus, der bei
Eukaryoten eine große Bedeutung hat – und ein erhebliches Interesse unter Molekular- und Zellbiologen findet. Darber spter mehr
und ausfhrlich (S. 431 ff.).
Aber nicht nur die Stabilitt von mRNA, sondern auch die Stabilitt von
Proteinen steht im Dienste der Regulation genetischer Aktivitt. Als
Beispiel verweisen wir auf den Abbau des Sigma-32-Proteins bei der
Regulation von Hitzeschock-Genen (Abb. 5.20). Ein anderes Beispiel lernen wir kennen, wenn auf den folgenden Seiten die Regulation der Gene
des Bakteriophagen Lambda zur Sprache kommen wird.
Zwischenstck: Bakteriophagen
Bakteriophagen – oder kurz: Phagen – sind Viren, die Bakterien infizieren (Box Plaque-Assay). Wie die Viren, die Tier- oder Pflanzenzellen
infizieren, bestehen Bakteriophagen aus zwei Komponenten, aus einem
Nucleinsure-Molekl und einer Hlle aus zahlreichen Protein-Bausteinen. Man kennt viele verschiedene Bakteriophagen, die E.coli-Zellen
infizieren. Eine erste Einteilung orientiert sich nach der Art der Nucleinsure:
– DNA-haltige Bakteriophagen wie T2, T4, T7, Lambda (l), M13 oder fd.
– RNA-haltige Bakteriophagen mit Bezeichnungen wie f2, MS2, R17
und Qb.
Experimente mit Bakteriophagen, insbesondere mit den beiden sehr
nahe verwandten Phagen T2 und T4 (T steht fr Typ), haben in den Jahren
zwischen 1945 und 1965 sehr entscheidend zur Entwicklung der modernen Genetik beigetragen. Bis heute bleiben sie ein faszinierendes Objekt
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