Tischvorlage Nr. 0117/2016

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Tischvorlage
Nr. 0117/2016
Filderstadt, 14. Januar 2016
Aktenzeichen: 103.53
Wohnraum in Filderstadt - Flüchtlinge in Filderstadt
- Sachstandsbericht und Ausblick 2016/2017
- Festlegung von Standorten
Amt:
Referat für Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung
Sachbearbeitung:
Haigis, Thomas
Beteiligte Ämter:
Amt für Sicherheit, Ordnung und Soziales, Amt für Bildung, Kunst und Kultur, Amt für Familie, Schulen und
Vereine, Frauenbüro - Referat für Chancengleichheit,
Stadtplanungsamt, Hochbauamt, Baurechts- und Bauverwaltungsamt, Stadtkämmerei, Referat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing
Beratungsfolge:
Gemeinderat
Gemeinderat
Termin
18.01.2016
15.02.2016
öffentlich
öffentlich
Beschlussvorschlag:
1. Der Gemeinderat nimmt den Sachvortrag der Verwaltung zur Kenntnis.
2. Der Gemeinderat stimmt den im Sachvortrag aufgeführten Standortvorschlägen zu.
3. Insbesondere wird die südwestliche Teilfläche des Festplatzes Bernhausen (P2
FILharmonie, Wohnmobilfläche) als weiterer provisorischer Übergangsstandort zur vorläufigen Unterbringung mit einer winterfesten Zelthalle für 100 Plätze an das Landratsamt Esslingen gemeldet.
Stimmt mit Zielen im ISEK überein:
ja x
nein
In folgenden Handlungsfeldern (Leitzielnummer und Kurzbeschreibung)
Leitzielnummer 1: Fördern und gestalten des interkulturellen Miteinanders Integration von
Migrantinnen und Migranten
Kurzzusammenfassung:
Durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus
West- und Nordafrika, steht die Stadt Filderstadt vor ihrer bislang größten Herausforderung.
In diesem Jahr müssen nach den aktuellen Prognosen für über 2.400 Menschen vordringlich
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und provisorisch (Not-) Unterkünfte geschaffen und diese mit einer Basisversorgung versehen werden. Parallel hierzu muss durch weitere Maßnahmen die Integrationsarbeit verstärkt
werden. Kein Handlungsfeld der Stadt bleibt von dieser Aufgabe unberührt. Hierzu war eine
Neuorientierung der Aufgabenschwerpunkte der Verwaltung, die Neuschaffung von Stellen
und neue integrierte Formen der Zusammenarbeit sowohl intern als auch in der Zusammenarbeit mit Behörden und ehrenamtlichen Organisationen sowie eine neue, intensivierte
Kommunikation in die Bevölkerung hinein erforderlich. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe kann nur in enger Abstimmung aller Akteurinnen und Akteure in der Stadt bewältigt
werden.
Die Ungewissheit des Verlaufs der Zuwanderung bezogen auf die Anzahl der Menschen, die
Zuweisungsdynamik, die Herkunft, die sozioökonomischen Voraussetzungen, die kulturellen
Hintergründe, die Integrationsbereitschaft als auch was den unbestimmten Faktor des Familiennachzugs anbelangt, machen die Planungen und die Entwicklungssystematik zu einer
besonderen Herausforderung. Umso mehr ist ein flexibles, eng zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung abgestimmtes Handlungskonzept „Flüchtlingskonzeption und –
koordination“ und eine parallel dazu entstehende Konzeption zur Schaffung bezahlbaren
Wohnraums notwendig, das jeweils transparent kommuniziert und umgesetzt werden muss.
Und das nicht nur über einige wenige Halbjahres-Arbeitsprogramme, sondern über einen
langen Zeitraum von schätzungsweise 10 -15 Jahre.
Verweis auf die bisherigen Vorlagen:
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0314/2015 Unterbringung und Wohnraum in Filderstadt
Flüchtlinge in Filderstadt
Sozialer Wohnungsbau und bezahlbarer Wohnraum
Sachbericht und Darstellung des weiteren Vorgehens sowie Ermächtigungsbeschluss
0289/2015 Standortuntersuchung für die Unterbringung von Flüchtlingen – Neue Standorte für die Erstunterbringung (Aktualisierung)
0182/2015 Neubau Anschlussunterkunft für Flüchtlinge
La Souterrainer Straße in Filderstadt-Bernhausen
Grundsatz- und Baubeschluss
0277/2015 Standortsuche für die Unterbringung von Flüchtlingen - Aktualisierung unter
Berücksichtigung der Standortvorschläge der Initiative 'mündige Bürger'
0273/2015 Erwerb des Flst. Nr. 176, Sielminger Hauptstraße 66 und 66/1, Gebäudeund Freifläche mit insgesamt 804 m², Gemarkung Filderstadt Sielmingen
0252/2015 Standortsuche für die Unterbringung von Flüchtlingen
0004/2015 Neubau Wohnraum für Flüchtlinge und Obdachlose
Weidacher Straße 11 in Filderstadt-Bernhausen
Baubeschluss
0242/2014 Grundsatzbeschluss zum Bau der Weidacher Straße
0308/2013 Sachstand zur Unterbringung von Flüchtlingen in Filderstadt
Sachverhalt:
1. Vorbemerkung
Angesichts der nach heutiger Prognose zu uns kommenden Flüchtlinge bzw. Asylsuchende
wird sich Filderstadt verändern. Diesen Veränderungsprozess geht die Stadt Filderstadt mit
einer offenen und zugewandt positiven Grundhaltung an. Dies mit dem Ziel, dass dieser
Prozess für alle, also alle in Filderstadt lebenden Menschen, in positiver Weise gestaltet und
umgesetzt werden kann.
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Um den vor uns liegenden Weg positiv gestalten zu können bedarf es einer breit angelegten
Konzeption. Diesem Erfordernis trägt diese Vorlage Rechnung, kann aber – und darauf wird
ausdrücklich hingewiesen – nach dem Gebot der Stunde zunächst nur der Darstellung der in
Zukunft zu behandelnden Themenfelder dienen. Die sich daraus entwickelnde Konzeption
wird kontinuierlich Fortgeschrieben und in gleichfalls kontinuierlichen Abständen in die Gremienberatung eingebracht.
Vorrangig sind mit dieser Vorlage und in der näheren Zukunft die Fragen der Unterbringung
zu klären, ebenfalls der Auftakt zu machen für eine parallel entstehende Konzeption zur
Schaffung bezahlbaren Wohnraums.
Daraus abgeleitet lassen sich inhaltlich folgende Begriffe als Themenfelder festhalten, die
mit der Vorlage näher definiert und ausgeführt werden:
a)
b)
c)
d)
e)
Unterbringung und Schaffung von Wohnraum
Betreuungsintegration
Bildungsintegration
Wohnumfeldintegration
Arbeitsplatzintegration
Auch in Anbetracht der immensen Herausforderungen und Aufgabenstellungen macht diese
Vorlage keine Aussage zu den finanziellen Auswirkungen und sieht auch keine diesbezüglichen Beschlussfassungen vor. Die finanziellen Auswirkungen sind Stand heute schlicht nicht
absehbar. Die Vorlage zeigt in finanzieller Hinsicht aber auf, dass die Stadt Filderstadt (wie
andere Kommunen) diese Herausforderung ohne Unterstützung von Bund und Land diese
Aufgabe in finanzieller Hinsicht nicht wird bewältigen können.
2. Aktueller Stand Flüchtlingsaufnahme | Prognose
Im Jahr 2015 sind über 1,1 Mio Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Nach dem Königssteiner Schlüssel sind in Baden-Württemberg den Erstaufnahmeeinrichtungen über
130.000 Flüchtlinge (12,86%) zugeteilt worden. Der nach der Bevölkerungszahl festgelegte
Zuteilungsschlüssel an den Landkreis Esslingen liegt derzeit bei 5,71%. Im Jahr 2015 erwartet der Landkreis für das Jahr 2016 eine Zuteilung von bis zu 10.000 Personen. Aktuell werden von den Landeserstaufnahmeeinrichtungen pro Woche ca. 270 Flüchtlinge an den
Landkreis übergeben. Dies würde auf das Jahr hochgerechnet in Summe jedoch 14.000
Flüchtlinge bzw. Asylsuchende für den Landkreis Esslingen in der vorläufigen Unterbringung
ergeben. Der Aufnahmeanteil für Filderstadt beträgt 8,7% der dem Landkreis zugewiesenen
Flüchtlinge bzw. Asylsuchende. Hieraus ergibt sich, dass in Filderstadt im Jahr 2016 1.200
Plätze in der vorläufigen Unterbringung benötigt würden. Ende Dezember 2015 hatte der
Landkreis ca. 210 Plätze, dazu kamen im Januar 2016 weitere 140 Plätze in den Sporthallen.
Die Anschlussunterbringung ist auf Grund des Familiennachzuges schwer kalkulierbar und
ist vor allem vom Faktor „Bleibewahrscheinlichkeit“ abhängig und wird davon bestimmt, in
welchem Alter und in welcher Familienphase die männlichen Flüchtlinge sich befinden. Experten raten den Städten, einen Faktor 3-4 auf einen Teil (der wiederum nicht bestimmt
werden kann) der zugewiesenen Flüchtlinge zu beaufschlagen. Die Stadt Filderstadt nimmt
derzeit an, dass in gleicher Höhe zur vorläufigen Unterbringung mit 1.200 Flüchtlingen in der
Anschlussunterbringung zu rechnen ist.
Insgesamt schätzen wir nach der oben beschriebenen Prognoseberechnung, dass Filderstadt bis zum Jahresende 2016 für etwa 2.400 Flüchtlinge bzw. Asylsuchende einen Wohnplatz bereithalten muss.
2.1 Vorläufige Unterbringung durch den Landkreis
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Bis Ende Oktober 2015 bestanden 208 Plätze für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen durch den Landkreis Esslingen in Filderstadt. In Planung sind weitere 112 Plätze in
Harthausen und Bonlanden (Quelle: Anlage 1: Asylbewerber- und Flüchtlingsunterbringung
im Landkreis Esslingen; zur Vorlage Nr. 137/2015 des Sozialausschusses der Landkreises
Esslingen). Darüber hinaus sollen im Rahmen von Zelt- und Hallenbelegungen zu Beginn
des Jahres 2016 weitere Unterbringungskapazitäten geschaffen werden. Aktuell wurden im
Januar weitere 140 Plätze in der Weilerhauhalle und Gotthard-Müller-Halle belegt.
Nach den neuesten Zahlen, verlassen seit Oktober 2015 jede Woche rund 4.500 Personen
die Landeserstaufnahmeeinrichtungen des Landes-Baden Württemberg. Bei einer Aufnahmequote des Landkreises Esslingen von 5,71 % und eines Unterbringungsanteils von 8,7 %
der Stadt Filderstadt im Landkreis Esslingen, muss mit dem oben beschriebenen Platzbedarf im Jahr 2016 gerechnet werden.
2.2 Anschlussunterbringung der Stadt Filderstadt
In der Folge zu den voran genannten Zahlen der vorläufigen Unterbringung von Flüchtlingen, wird sich die Anzahl der Menschen in der Anschlussunterbringung in den nächsten
Jahren deutlich erhöhen.
Jahr
Zugewiesene
Flüchtlinge
Aufgenommene
Flüchtlinge
2011
4
4
2012
20
20
2013
12
12
2014
23
23
2015
60
60
2016
Prognose
Landkreis
10/15
262
11
2016
Schätzung
mit Familiennachzug
1200
11
Die Stadt Filderstadt hat die bisherigen Aufnahmequoten erfüllt und bereits im Vorgriff auf
2016 elf Flüchtlinge in städtischen Unterkünften aufgenommen.
Wie in der Vergangenheit dargestellt, ist für Menschen im Sozialleistungsbezug der Wohnungsmarkt auf den Fildern sehr angespannt, trotzdem konnten in 2015 18 von 71 Personen
private Wohnräume finden.
3. Neue Struktur | optimierte Verwaltungsabläufe | Bestandteil vom ISEK (011)
Zur Bewältigung der Flüchtlingsunterbringung und der Sicherstellung der Basisversorgung in
der ersten Zeit musste die Verwaltung schnell handeln und hat deshalb Mitte Oktober 2015
die Leitung des Referats für Bürgerbeteiligung und Stadtentwicklung mit der Sonderaufgabe
Flüchtlingskoordination und -konzeption beauftragt. Die wesentliche Aufgabe der Stabsstelle
beim Oberbürgermeister ist die Koordination der zuständigen Fachämter und Referate, die
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mit den verschiedensten Handlungsfeldern im Zusammenhang mit der kurz-, mittel und
langfristigen Flüchtlingsunterbringung und -integration beschäftigt sind.
Die entscheidende, neu geschaffene Struktur innerhalb der Verwaltung bildet zum einen der
Runde Tisch Asyl, in dem fast alle Fachämter/Referate zur gegenseitigen Abstimmung vertreten sind, sowie eine kleine Steuerungsgruppe um die Verwaltungsspitze, die Entscheidungen trifft und Aufträge erteilt. Für beide sich wöchentlich treffende Gremien hat der
Flüchtlingskoordinator die Geschäftsführung übertragen bekommen.
Die komplexen Verwaltungsaufgaben zur Flüchtlingskoordination und -konzeption erfordern
ein hohes Maß an integriertem, fach- und ämterübergreifenden Knowhow sowie erfolgsentscheidende Kompetenzen sowohl zur Bürgerbeteiligung als auch zur Engagementförderung.
Diese Prozessabläufe kennt die Verwaltung schon aus der Integrierten Stadtentwicklungsplanung der letzten Jahre. Schließlich ist in der aktuellen Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung und -integration eine originäre Kernaufgabe des ISEK zu sehen und ist somit eindeutig
Bestandteil des ISEK.
Den direkten Kontakt mit Flüchtlingen pflegen die Bürgerämter, die Ausländerbehörde, die
Ortspolizeibehörde, der Soziale Dienst, die Ehrenamtskoordinatoren für Flüchtlingsangelegenheiten, die Integrationsbeauftragte und die Volkshochschule.
4. Wohnen | Unterbringung | Versorgung | Bedarfsplanung
4.1 Vorläufige Unterbringung durch den Landkreis
Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe zugewiesenen Asylbewerber und Asylfolgeantragsteller muss der Landkreis Esslingen vorläufig aufnehmen und in Gemeinschaftsunterkünften bzw. in Wohnungen, soweit sie zur Verfügung stehen, unterbringen (§ 8 FlüAG). Der
Landkreis kann von den kreisangehörigen Kommunen verlangen, dass diese bei der Beschaffung geeigneter Grundstücke und Gebäude mitwirken. Die Gemeinschaftsunterkünfte
werden vom Landkreis errichtet, verwaltet und betrieben, der Kreis hat auch das notwendige
Personal hierfür zu stellen.
Für die vorläufige Unterbringung sind folgende Standorte verfügbar bzw. vorgesehen.
Notunterbringung (VU) in Hallen und Zelten
Stadtteil Bernhausen:
Gotthard-Müller-Halle vom 04.01.2016 – 30.04.2016
Festplatz Bernhausen (P2, anteilig), Zelthalle ab 01.05.2016
60 Plätze
100 Plätze
Stadtteil Plattenhardt:
Weilerhau-Halle vom 04.01.2015 – 19.02.1016
Weilerhauparkplatz, Zelthalle ab 20.02.1016
100 Plätze
100 Plätze
Vorläufige Unterbringung in Gebäuden
Filderstadt-Bernhausen, Aicher Str.
Filderstadt-Bernhausen, Aicher Str.
Filderstadt-Bernhausen, Aicher Str.
Filderstadt-Bernhausen, Fröbelstr.
Filderstadt-Bonlanden, Mesnerwiesenstr.
Filderstadt-Sielmingen, Seestr.
10 Plätze
12 Plätze
12 Plätze
20 Plätze
12 Plätze
153 Plätze
Die Errichtung weiterer Gemeinschaftsunterkünfte mit jeweils ca. 100 Plätzen ist nach
mündlicher Mitteilung der Landkreisverwaltung vom 21.12.2015 auf folgenden Flurstücken in
2016 geplant:
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-
Flurstück 991 in der Robert-Bosch-Str. 5+7 in Filderstadt-Harthausen
Flurstück 7719 im Gewerbegebiet Augenloch in Filderstadt Bernhausen
Flurstück 4321-4325 („Schinderbuckel“) in Filderstadt-Bonlanden
Flurstück westlich Festplatz in Filderstadt-Bernhausen
4.2 Anschlussunterbringung von Flüchtlingen durch die Stadt Filderstadt
Der Landkreis Esslingen teilt die in die Anschlussunterbringung einzubeziehenden Personen
den Städten und Gemeinden im Kreis mit.
2015 waren 60 Personen in die Anschlussunterbringung aufzunehmen. Für 2016 sollte sich
die Zahl der Aufzunehmenden auf 262 Flüchtlinge erhöhen. Nach Schätzung der Stadtverwaltung ist aufgrund des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen und einem zu erwartenden
Familiennachzug für 2016 mit einem Bedarf von rund 1.200 Plätzen zu rechnen.
Nach der Zuweisung der Flüchtlinge im Rahmen der Anschlussunterbringung, sind die
Kommunen für die endgültige Unterbringung zuständig (§ 18 Abs. 2 FlüAG).
Jede Gemeinde ist gesetzlich verpflichtet, ausreichend bzw. angemessenen Wohnraum für
die Unterbringung von wohnungslosen Menschen zur Verfügung zu stellen. D.h. nach der
Rechtsprechung, abhängig von der Dauer der Unterbringung, ist ein Wohnraum von acht bis
zehn Quadratmeter pro Person vorzusehen.
Die Kapazität der vorhandenen Obdachlosenunterkünfte reicht zwischenzeitlich nicht mehr
für die Anzahl der von der Stadt Filderstadt unterzubringenden Personen aus. Es besteht ein
dringender Bedarf an weiterem Wohnraum. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden,
sind die Schaffung von neuem Wohnraum und die Umnutzung von bereits vorhandenen
Gebäuden als Obdachlosenunterkünfte dringend notwendig.
Entwicklung der Personenzahlen (IST-Belegung) in Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften im Zeitraum 2011 - 2015
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
Durchschnittliche Belegung der vorhandenen
Notunterkünfte inkl. Anschlussunterbringung
73 Personen
75 Personen
97 Personen
102 Personen
176 Personen
Ende 2015 waren neben Notfallzimmern für Einzelpersonen zur kurzfristigen Unterbringung
von Wohnungsnotfällen durch die Landespolizei etwa 20 Plätze für Wohnungsnotfälle, wie
Wohnungsräumungen, insbesondere von Familien, verfügbar. Darüber hinaus wird laufend
neuer Wohnraum gesucht und erschlossen.
Trotz der bereits im Jahr 2013 erkannten Zunahmen von Flüchtlingen und der weiteren
Schritte, wie dem Baubeschluss zur Erstellung der Objekte Weidacher Straße und La
Souterrainer Straße, konnte der eingetretene Zustrom von Flüchtlingen, zu diesem Zeitpunkt, nicht in der exponentiellen Dynamik erwartet werden. Daher könnte trotz der Anmietung und dem Kauf von weiteren Gebäuden bereits ab März 2016 die Kapazitätsgrenze für
die städtische Anschlussunterbringung erreicht werden. Bis dahin sind Behelfsbauten in
Form von Container oder Systembauten noch nicht erstellt und es könnte - einen deutlich
erhöhten Zustrom unterstellt - zu einer vorübergehenden Belegung von Notunterkünften
durch die Stadt kommen. Die Stadt bereitet sich daher auf eine Belegung von zwei Hallen
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für die Anschlussunterbringung vor. Parallel wird mit Hochdruck nach weiteren Lösungen zur
Vermeidung einer erneuten bzw. weiteren Hallenbelegung gesucht.
Derzeit stehen folgende Unterkünfte zur Obdachlosen- und Flüchtlingsunterbringung zur
Verfügung:
Stadtteil
Bernhausen
Bonlanden
Harthausen
Plattenhardt
Sielmingen
Unterkünfte
Ludwigstraße
Weidacher Straße
Nürtinger Straße - ab 03/2016
Gutenhalde Gebäude 1
Gutenhalde Gebäude 2
Gutenhalde Gebäude 3
Bonländer Hauptstraße
Ringstraße
Unterdorfstraße - ab 03/2016
Hebbelstraße - Whg. rechts
Hebbelstrstraße - Whg. links
Grötzinger Straße
Nordheimstraße
Spitzäckerstraße
Römerstraße
Mercedesstraße – Gebäude 1
Mercedesstraße – Gebäude 2
Bei einer Vollbelegung können in den o.g. Gebäuden ca. 260 Personen untergebracht werden.
Die Kapazität der vorhandenen Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte reicht zwischenzeitlich nicht mehr für die Anzahl der von der Stadt Filderstadt unterzubringenden Personen
aus. Es besteht ein zwingender Bedarf an weiterem Wohnraum.
Hinsichtlich der Art von Wohnraum für Flüchtlinge differenziert die Verwaltung drei Kategorien. Diese unterscheiden sich zum einen in der Dauer der Unterbringung von Flüchtlingen
in einer Unterkunft, zum anderen unterscheiden sie sich in der Nutzungsdauer der Einrichtung selbst:



Kategorie 1: Notunterbringung
Kategorie 2: kurzfristige und mittelfristige Unterbringung
Kategorie 3: langfristige Unterbringung
Notunterbringung
Kapazitäten für Notunterbringung sind für solche Fälle erforderlich, in denen der Stadt vom
Landkreis (kurzfristig) Personen für die Anschlussunterbringung zugewiesen werden, die
bestehenden Kapazitäten für die Anschlussunterbringung jedoch nicht ausreichen. In solchen Fällen bedarf es der kurzfristigen (Not)Unterbringung von Flüchtlingen in Hallen oder
Zelten. Diese Form der Unterbringung dient lediglich der zeitlichen Pufferung, bis andere
Unterkünfte bezogen werden können; entsprechend gering ist hier der Ausstattungsstandard
(z.B. Privatsphäre, verfügbare Fläche pro Person). Daher sollen Flüchtlinge nur Wochen
oder wenige Monate in eine Notunterbringung einquartiert werden.
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Kurzfristige und mittelfristige Unterbringung
Diese Form der Unterbringung erfolgt beispielsweise in Wohncontainern oder angemieteten
Wohnungen. Im Vergleich zur Notunterbringung weisen diese Unterkünfte bessere Rahmenbedingungen in Bezug auf die zur Verfügung stehende Fläche je Person oder die Wahrung der Privatsphäre innerhalb der Unterkünfte auf. Dementsprechend kann die Unterbringung in Einrichtungen dieser Kategorie durchaus auch mehrere Jahre andauern. Die Unterkünfte selbst sind von einer Art, dass sie für die gesamte Dauer der Flüchtlingsaufgabe genutzt werden können; anschließend ist jedoch ein Rückbau vorgesehen (insb. bei Containern).
Dauerhafte Unterbringung
Standorte der dauerhaften Unterbringung zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl das
Wohnobjekt (z.B. neu zu errichtende Modul- oder Massivbauten), als auch die Lage des
Standortes eine langfristige Wohnnutzung ermöglichen (siehe auch Kapitel 4). Standorte der
dauerhaften Unterbringung erfüllen alle Anforderungen, die seitens der Stadt grundsätzlich
an (neue) Wohnstandorte des sozialen Wohnungsbaus gestellt werden, z.B. integrierte Lage, angemessenes Wohnumfeld, Nähe zu Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, des
ÖPNV sowie zu Einkaufsmöglichkeiten. Diese Standorte sollen nach Bewältigung der
Flüchtlingsaufgabe dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden, z.B.
für den sozialen Wohnungsbau.
Aufgrund des deutlich hören Aufwands wird für die dauerhafte Unterbringung, im Unterschied zu den Unterbringungsformen der Kategorie 1 + 2, ein deutlich längerer zeitlicher
Vorlauf benötigt, bis dort tatsächlich Flüchtlinge und/oder (anschließend) Obdachlose bzw.
sozial Schwache untergebracht werden können. Für den zeitlichen Aufwand maßgeblich
sind Aspekte wie Standortsuche, Grunderwerb, Schaffung von Planungsrecht sowie die Planung und der Bau der Objekte.
Um dem anhaltenden Flüchtlingsstrom und der damit verbundenen hohen Anzahl an unterzubringende Flüchtlingen im Rahmen der Anschlussunterbringung durch die Kommunen gerecht zu werden, werden folgende Ansätze zur Schaffung von Unterkünften praktiziert (Kapitel 4.3 bis 4.7):
4.3 Die Stadt als Zwischenmieter
In den letzten Monaten hat die Stadt Filderstadt 37 Objektangebote geprüft.
Stadtteil
Bernhausen
Bonlanden
Harthausen
Plattenhardt
Sielmingen
Gesamt
Objektangebote
11
8
7
7
4
37
In 7 Fällen konnten die Vertragsgespräche / Verhandlungen mit einem positiven
Ergebnis abgeschlossen werden.
Zudem wurden auch alle von der Initiative „Mündige Bürgerinnen und Bürger“ vorgeschlagenen Standorte abgefragt und überprüft. Ein positiver Vertragsabschluss konnte jedoch in
keinem der genannten Möglichkeiten/Standorte realisiert werden.
Derzeit sind noch weitere Standorte zum Erwerb bzw. Anmietung in Abklärung.
Insofern diese erfolgreich verhandelt werden könnten, würden voraussichtlich weitere
110 Plätze für die Anschlussunterbringung zur Verfügung gestellt werden.
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4.4 Unterkünfte für Notunterbringung, sowie kurz- und mittelfristige Unterbringung
Notunterbringung
Für die Notunterbringung von Flüchtlingen im Anschlussverfahren werden Hallen als Notquartier vorgesehen. Planungen für eine evtl. Nutzung der Hallen in Bonlanden
(Uhlberghalle) und Harthausen (Brandfeldhalle), werden derzeit vorbereitet.
Entgegen des bisherigen Gemeinderatsbeschlusses, dem Landratsamt Esslingen zur vorläufigen Unterbringung die Fläche westlich des Festplatzes Bernhausen zur Errichtung einer
Zelthalle für 100 Plätze zu benennen, sollte die Fläche stattdessen auf dem Festplatz (P2
FILharmonie, anteilig) selbst (konkret auf dem Wohnmobileplatz) angeboten werden. Die
Fläche westlich des Festplatzes hat sich nach genauer Prüfung als zu klein erwiesen. Diese
Fläche ist jedoch als Standort für einen modularen Zweckbau geeignet. Der Landkreis beabsichtigt eine entsprechende Nutzung und hat bereits eine darauf gerichtete Planung vorgelegt. Nach positiver Beschlussfassung können die weiteren dahingehenden Planungen
unverzüglich fortgeführt werden.
Kurzfristige Unterbringung und mittelfristige Unterbringung
Festplatz Bonlanden
90 Plätze
Platz nördlich der Jahnhalle
100 - 150 Plätze
Flurstücke im Gewerbegebiet Augenloch
150 Plätze
Westlich Festplatz Bernhausen (Wohncontainer zur vorläufigen Unterbringung
90 Plätze
Festplatz Bernhausen (P2 FILharmonie,
anteilig), Interimslösung bis westlich Festplatz Bernhausen fertiggestellt ist, siehe
Plan in der Anlage
100 Plätze
Weidacher Str. 11/1 *
40 Plätze
La Souterrainer Str 16 *
52 Plätze
Fröbelstr. 3 *
30 – 40 Plätze
*Die Inbetriebnahme dieser Objekte soll im Januar 2017 erfolgen
Die Stadtverwaltung geht aufgrund der Hinweise und Prognosen davon aus, dass die bislang ins Auge gefassten Standorte nicht ausreichen werden, um ausreichend Unterkünfte
zur Verfügung stellen zu können.
Weitere Bemühungen und Prüfungen hinsichtlich weiterer Standorte sind daher unabdingbar.
Eine kleine Arbeitsgruppe innerhalb der Verwaltung ist derzeit dabei, mit Hilfe von Kriterien
weitere Vorschläge zu Flächen zu erarbeiten, die für den sozialen Wohnungsbau und für die
Flüchtlingsunterbringung (sowohl für die vorläufige als auch für die Anschlussunterbringung)
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geeignet sind. Diese Flächen werden im Laufe des Prozesses dem Gemeinderat noch detailliert dargestellt, diskutiert und eventuell beschlossen werden.
4.5 Kampagne zur Aktivierung privaten Wohnraums
Die Verwaltung erarbeitet derzeit eine Kampagne zur Aktivierung privaten Wohnraumes.
Hierbei ist geplant, über
-
die Erstellung eines Flyers
Aufrufe im Amtsblatt- /Presse
die Bevölkerung zu sensibilisieren, privaten, leer stehenden Wohnraum an die Stadt zu vermieten, die dann diese angemieteten Räume zur Flüchtlingsunterbringung weiternutzen
kann.
Sobald der Stadt Wohnraum für Flüchtlinge angeboten wird, wird wie folgt vorgegangen:
-
Entweder tritt die Stadt Filderstadt als Zwischenmieter auf, oder
es erfolgt die Vermietung von Wohnraum zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümer und den Flüchtlingen direkt.
Insoweit die Stadt als Zwischenmieter auftritt, haben die Eigentümerinnen und Eigentümer
keinen Einfluss darauf wie die Unterkünfte belegt werden. Aufgrund der finanziellen Sicherheit wird von Seiten der Eigentümerinnen und Eigentümer ein Zwischenmietverhältnis mit
der Stadt Filderstadt angestrebt.
Bei einer Direktvermietung des Wohnraums durch die Eigentümerinnen und Eigentümer an
die Flüchtlinge, entscheiden die Eigentümerinnen und Eigentümer über die Wohnungsbelegung. Die Stadtverwaltung ist bei der Benennung von Interessentinnen und Interessenten
sowie Rechtsfragen gerne behilflich.
Anforderungsprofil für eine Anmietung durch die Stadt Filderstadt:
-
Orientierung am örtlichen Mietspiegel
Vertragslaufzeit von mindestens 2 Jahren
Die Verkehrssicherheit des Gebäudes muss gewährleistet sein
Wohnungen müssen die baurechtlichen Anforderungen erfüllen
Die Heizung sowie die Warmwasserversorgung muss gewährleistet sein
In der Wohnung muss mindestens eine Dusche und/oder Badewanne vorhanden sein
In der Küche soll
ein Starkstromanschluss (für Herd mit Backofen)
ein Spülanschluss (Wasseranschluss vorhanden sein
4.6 Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
Neben der Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen forciert die Stadt Filderstadt
auch ihr Engagement in der Beschaffung und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum.
Die Stadt Filderstadt hat hierzu in 2015 zwei Gebäude mit jeweils zwei 4-ZimmerWohnungen in Filderstadt-Sielmingen erworben.
Weiter wird im Stadtteil Sielmingen derzeit ein Kinderhaus errichtet. In diesem Gebäude
entstehen außerdem zwei 3-Zimmer-Wohnungen und zwei 4-Zimmer-Wohnungen.
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Folgende Standorte sind zur Schaffung von weiterem bezahlbarem Wohnraum (auch Sozialem Wohnungsbau) vorgesehen und werden derzeit überprüft.
Stadtteil
Bernhausen
Harthausen
Plattenhardt
Sielmingen
Grundstück
Festplatz (bei gleichzeitiger Verlegung des Festplatzes)
Im Feuerhaupt 11 (ehem. Kindergarten) mittelfristig
Grünfläche vor Höhenrestaurant
Heußstraße/Wielandstraße (Flst: 4371)
Langestraße (Flst: 5911/0)
Festplatz (bei gleichzeitiger Verlegung des Festplatzes)
sowie Anschlussfläche an das Kinderhaus, die bislang für
zwei DHH vorgesehen war
4.7 Nachhaltige Objektplanung
Schon in der Vergangenheit waren für Gemeinderat und Stadtverwaltung nachhaltige Konzepte die Leitlinie für sämtliche baulichen Entwicklungen. Bedingt durch das
Kindertagesstättenausbaugesetz und die damit verbundenen zeitlichen Vorgaben haben in
der Stadt dazu geführt, dass in der Vergangenheit häufig Wohnungen zu Betreuungsplätzen
für Kinder umgenutzt wurden. Deshalb hat die Stadt in den vergangenen Jahren eigenen
Wohnraum verloren. Die heute sehr zugespitzte Situation der Wohnungssuchenden, überlagert mit der Dringlichkeit der Flüchtlingsunterbringung, hat die Lage auf dem Wohnungsmarkt extrem verschärft.
Deshalb muss nunmehr bei der Schaffung von Wohnraum mehrgleisig gefahren werden. Im
Rahmen der Vorläufigen Unterbringung sollen größere Standorte auch an Siedlungsrandlagen oder in Gewerbegebieten zeitlich befristet errichtet werden. Diese Einrichtungen dienen
mehrheitlich den Pflichtaufgaben des Landkreises und leiten sich aus den Lockerungen des
§ 246 BauGB ab.
Kommunale Bauwerke, wie in der Weidacher- oder der La Souterrainer Straße werden bereits heute nachhaltig geplant und gebaut. Diese Einrichtungen sollen längerfristig den Belangen des sozialen Wohnungsbaus und der Unterbringung von Obdachlosen gerecht werden. Deshalb wurden in beiden Einrichtungen Grundrisse geschaffen, um flexibel auf unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer reagieren zu können. So können in diesen Gebäuden Einzelpersonen, aber auch Familien, in überschaubaren Einheiten untergebracht werden.
Auch die Standortdiskussion und die Einrichtungsgröße sollen dem Integrationsgedanken
folgen. Diese Vorgehensweise soll auch weiterhin Leitgedanke für die Unterbringungen in
der Stadt sein. Allerdings sei eines erwähnt, diese Vorgehensweise erfordert Zeit und ist
deshalb bis zum Bau einer Einrichtung ein langer Prozess. Sollten die Flüchtlingsströme und
die Zuweisungen auch weiterhin so anhalten, kann dieses Verfahren nicht immer zur Anwendung kommen. Vermutlich muss auch dann nach Übergangslösungen gesucht werden,
die nur einen ersten Schritt der Integration in die Stadtgesellschaft abbilden kann.
Nichts desto trotz will die Stadt an einer verträglichen Eingliederung von allen Bevölkerungsgruppen – Wohnungssuchende, Obdachlose und Flüchtlinge – gleichermaßen in unsere Stadtgesellschaft festhalten und Gebäude schaffen, die nachhaltig und zukunftsfähig
sind.
5. Flächennutzungsplanfortschreibung, städtebauliche Aspekte
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5.1 ISEK und FNP
Stadtentwicklung und Stadtplanung zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Gesicht einer
Stadt über Jahre hinaus prägen. Bewusst oder unbewusst ist daher jede Bürgerin und jeder
Bürger Filderstadts, aber auch Besucher und hier arbeitende Menschen von den Maßnahmen betroffen, die in Abstimmung zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung im Zuge
der Stadtentwicklung umgesetzt werden.
Eine nachhaltige und erfolgreiche Stadtentwicklung kann jedoch nur gelingen, wenn diese
durch eine strategische und geordnete Vorgehensweise gekennzeichnet ist und die Stadtgesellschaft in die Planungsprozesse intensiv eingebunden wird. Um dies zu gewährleisten
haben der Gemeinderat und die Stadtverwaltung den Prozess zur Erarbeitung eines integrierten Stadtentwicklungskonzepts angestoßen (ISEK). Auf das ISEK aufbauend wird derzeit ein räumliches Leitbild erarbeitet, das wiederum als Grundlage für die Neuaufstellung
des Flächennutzungsplanes (FNP) dient.
Die Erarbeitung des ISEK, des räumlichen Leitbilds und des neuen FNP war bzw. ist durch
ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung gekennzeichnet, denn nur eine transparente Planung
wird nach ihrer Umsetzung auch angenommen. Diese intensive Abstimmung erfordert jedoch einen langen Atem, da Partizipation immer auch Zeitaufwand bedeutet.
Nun stellt sich mit der Flüchtlingsthematik eine gesellschaftliche Aufgabe, deren Bewältigung ein zügiges und schnelles Vorgehen erfordert. Die eingangs dieser Vorlage geschilderten Zahlen verdeutlichen die dramatische Entwicklung. Die hilfesuchenden Menschen sind
bereits da, sie brauchen schon jetzt eine sichere Unterkunft. Die Diskussion über die Unterbringung in Hallen oder Zelten verdeutlicht, dass die vorhandenen Kapazitäten schon längst
nicht mehr ausreichen, um die schutzbedürftigen Personen sicher unterzubringen.
Des Weiteren rückt die Flüchtlingssituation verstärkt das Thema „bezahlbaren Wohnraum“ in
den Fokus, was in der Region Stuttgart – ganz unabhängig der Flüchtlingssituation – für Teile der Gesellschaft schon längst existenzielle Bedeutung hat. Gerade im Zusammenhang
mit der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen wird vielerorts eine Wiederaufnahme bzw.
die Forcierung des sozialen Wohnungsbaus gefordert. Damit sollen neben Kapazitäten für
Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung auch für einkommensschwache Haushalte adäquate Wohnangebote geschaffen werden.
Es muss jedoch gewährleistet werden, dass bei der Schaffung neuer Kapazitäten für die
dauerhafte Anschlussunterbringung und den sozialen Wohnungsbau die Entwicklung neuer
Wohnstandorte auf eine Art und Weise erfolgt, die gewährleistet, dass die neuen Wohnstandorte verträglich in das bestehende Siedlungsgefüge integriert und später auch akzeptiert
werden.
Mit Blick auf die Realisierung von dauerhaft genutzten Standorten, die in vielen Fällen nur
mit dem Einverständnis der meist privaten Grundstückseigentümer möglich sein dürfte, ist
die geordnete und somit auch transparente Standortsuche im Zuge der Flächennutzungsplanaufstellung zwingend erforderlich.
Daher ist aus Sicht der Stadtverwaltung die Standortsuche für die langfristige Anschlussunterbringung und den sozialen Wohnungsbau ein wesentlicher Baustein bei der Aufstellung
des neuen FNP. Nur im Rahmen der Flächennutzungsplanung lässt sich die Aufgabe bewältigen, Wohnstandorte für Menschen in der Größenordnung eines Stadtteils verträglich in Filderstadt und den fünf Stadtteilen zu entwickeln.
5.2. Weitere Instrumente zur Wohnraumschaffung erforderlich
Allerdings reichen für diese Zukunftsaufgaben die Instrumente einer abgestimmten Flächennutzungsplanung noch nicht weit genug.
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Um eben auch für den oben genannten Personenkreis neue Wohnbauflächen zu erschließen oder innerörtliche Potenziale zu entwickeln – also zur Umsetzung der Flächennutzungsplanung –, ist auch eine modifizierte Grundstücks- und Bodenpolitik erforderlich. Diese
hat das Ziel, dass die konkreten Flächenentwicklungen nach ihrer Baureifmachung auch
unmittelbar bebaut werden. Nur so kann dem bestehenden und dem steigenden Wohnbaudruck nachhaltig begegnet werden. Rein erschlossene aber nicht bebaute, private Grundstücke sind hierbei nicht von Nutzen.
Hier muss die Kommune unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklungsflächen bekommen, so
dass die Stadt selbst oder die Stadt in Verbindung mit privaten Trägern integrierbare und
größere Wohnbauprojekte verwirklichen kann.
Vor diesem Hintergrund macht sich die Stadtverwaltung über neue Entwicklungsmodelle bereits heute Gedanken. Diese sollen im Laufe des Frühjahres 2016 mit dem Gemeinderat
diskutiert und beschlossen werden.
6. Sicherheit innerhalb und außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften
Die Stadt Filderstadt hat gemeinsam mit dem Landratsamt und der Landespolizei für alle
größeren Unterbringungen von Flüchtlingen ein integriertes Sicherheitskonzept abgestimmt.
Absicht dieser Konzeption ist die Sicherheit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Einrichtungen zu gewährleisten. Zentrale Voraussetzung dieser Konzeption ist die Begleitung
und Betreuung der Flüchtlinge innerhalb und außerhalb dieser Einrichtungen. Darauf aufbauend findet eine intensive und integrierte Zusammenarbeit mit den privaten und staatlichen Sicherheitsinstitutionen statt.
Die größeren Flüchtlingsunterkünfte verfügen über technische, bauliche oder organisatorische Voraussetzungen, die eine Alarmierung der zuständigen Polizeidienststelle, der Feuerwehr, des Notarztes und der unteren Unterbringungsbehörde ermöglichen. Dies wird
durch entsprechende technische Alarmierungssysteme oder die vor Ort tätigen Mitarbeiter
des Sicherheitsdienstes gewährleistet. Darüber hinaus stehen den Bewohnern die Heimleitung und die Sozialbetreuung (AWO) zur Verfügung.
Zur Wahrung der Sicherheit werden weiterhin die Bewohner beim Aufnahmegespräch über
einschlägige Sicherheitsvorkehrungen einschließlich des Brandschutzes, des Fluchtwegeplanes und der Hausordnung mittels mehrsprachiger Materialien informiert.
Ferner wird jede Einrichtung vor Inbetriebnahme gemeinsam mit dem Betreiber, der Landespolizei und der Ortspolizeibehörde besichtigt. Etwaige Sicherheitsdefizite werden dabei
erörtert und geeignete Maßnahmen ergriffen.
Der Betreiber Landkreis oder die Betreiberin Stadt stellt im „Runden Tisch Sicherheit“ seine
Sicherheitskonzeption vor, welches zu allen Einrichtungen maßgebliche Daten und Informationen zur Einrichtung, der Belegung, personellen Besetzung und geeignete Präventionsund Schutzmaßnahmen beinhaltet. Der „Runde Tisch Sicherheit“ setzt sich zusammen aus
Vertretern des Betreibers, der Sozialbetreuung, der Landespolizei und der Ortspolizeibehörde. Diese Treffen finden mehrfach im Jahr statt, zusätzlich werden bei der Einrichtung neuer
Objekte gesonderte Sitzungen einberufen.
Selbstverständlich tritt das Gremium bei auftretenden Problemen unverzüglich zusammen
und wird geeignete Maßnahmen ergreifen.
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Da sich die Unterkünfte in der Nähe von Wohnquartieren und öffentlichen Einrichtungen befinden, ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster Religionen, Sprachen und Kulturen friedlich mit- und nebeneinander leben. Die Flüchtlinge sind an dieselben
gesetzlichen Regelungen gebunden, wie alle Bürgerinnen und Bürger. Es ist ein wesentliches Anliegen, die von Bürgerinnen und Bürgern geäußerten Sorgen in Bezug auf diese
Konflikte ernst zu nehmen. Diese Sorgen wurden auch in den Bürgerinformationsveranstaltungen im vergangenen Jahr deutlich. Für die Sicherheit außerhalb der Einrichtungen ist das
Polizeirevier Filderstadt zuständig, das sich mit der Ortspolizeibehörde Filderstadt im ständigen Austausch zur objektiven Analyse der Sicherheitslage befindet.
Dabei wird auch das Fachteam Asyl und das Referat Prävention des Polizeipräsidiums
Reutlingen einbezogen.
Darüber hinaus ist es der Landkreisverwaltung und der Stadtverwaltung sehr wichtig, die
Flüchtlinge zu betreuen und zu begleiten. Deshalb spielt in diesem Zusammenhang die ehrenamtliche Betreuung und Begleitung durch den Arbeitskreis Asyl eine wesentliche Rolle
zur Integration der Flüchtlinge in unsere kulturellen Begebenheiten, aber auch in unsere Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Leitlinie des integrierten Filderstädter Sicherheitskonzeptes:
Das integrierte Filderstädter Sicherheitskonzept soll für Bewohner der Einrichtungen und
Nachbarn der Einrichtungen ein hohes Maß an Sicherheit schaffen. Es fußt auf den Attributen „Betreuen, Begleiten und Beschützen“. Es besteht aus folgenden Bausteinen:
1. Erster Baustein: Betreuung und Beratung der Flüchtlinge vor Ort durch die Arbeiterwohlfahrt (AWO)
2. Zweiter Baustein: Betreuung, Begleitung und Beratung der Flüchtlinge durch Ehrenamtliche und neuen Nachbarschaften (Schule, Vereine, etc.).
3. Dritter Baustein: Im Übergang von der vorläufigen zur Anschlussunterbringung Betreuung und Beratung durch den kommunalen sozialen Dienst gemeinsam mit der Ausländerbehörde, dem Bürgeramt und Amt für Familie Schulen und Vereine.
4. Vierter Baustein: Ein enges Netzwerk zwischen dem Betreiber und dessen Sicherheitsdienst (7/24), der Landespolizei und der Ortspolizeibehörde.
5. Fünfter Baustein: Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger werden aufgegriffen und
fließen in die Konzeption mit ein.
6.1 Unterkünfte zur vorläufigen Unterbringung des Landkreises
Die Begleitung der Bewohner in der vorläufigen Unterbringung in Unterkünfte des Landkreises Esslingen in Filderstadt, erfolgt durch Hausmeister, Wohnheimleitungen und Mitarbeiter
der Arbeiterwohlfahrt Esslingen. Im Rahmen des Ehrenamts wird die Zusammenarbeit mit
Kirchen, Vereinen und Schulen in einem Arbeitskreis gefördert und innerhalb der Stadtverwaltung koordiniert. Mit dem Ziel die Bewohner zu unterstützen und in die Gemeinschaft
einzubinden. Es werden Regeln für die Unterkunft, für den Zugang, für das Zusammenleben
erstellt. Weiter wird die Stadt Filderstadt, gemeinsam mit dem Landkreis und der Landespolizei die Sicherheitslage beobachten und gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen ergreifen.
6.2 Unterkünfte zur Anschlussunterbringung durch die Stadt Filderstadt
Durch einen möglichst hohen „Integrationsansatz“ soll eine Teilhabe der Menschen in den
städtischen Unterkünften am „Filderstädter-Leben“ erreicht werden. Dies soll durch mehrere
Bausteine bestehend aus der gemeinsamen psychosozialen Begleitung durch die Flüchtlingssozialarbeiter und den Hausmeistern der Flüchtlingsunterkünfte - als „erste Ansprechpartner vor Ort “ - und über die Kooperation mit den Ehrenamtskoordinatoren für Flüchtlingsangelegenheiten unter Einbindung des ehrenamtlichen Engagements des Arbeitskreis
Asyl gelingen. Ferner bestehen viele Kontakte von Flüchtlingen zu den Mitarbeiterinnen und
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Mitarbeitern der Ortspolizeibehörde, der Ausländerbehörde, der Bürgerämter und der Wohnungs- und Gebäudeverwaltungen. Diese sind alle über die besondere Lage im Bilde und
setzten sich bei Bedarf kurzfristig mit dem Sozialen Dienst, dem Ehrenamtskoordinator und koordinatorin für Flüchtlingsangelegenheiten und weiteren Behörden und Diensten in Verbindung, mit dem Ziel einer möglichst niederschwelligen Hilfestruktur.
Insbesondere werden dabei die Zielgruppen der alleinstehenden Frauen, mit und ohne Kinder, der Familien, der Kinder und Jugendlichen sowie älteren Menschen Berücksichtigung
finden. Schutz und Hilfe für Frauen und Kinder vor geschlechtsbezogener Gewalt in Flüchtlingsunterkünften genießt hohes Augenmerk. Gewaltschutz wird innerhalb der Einrichtungsstruktur verankert. Ehrenamtliche Helfer und Helferinnen bedürfen in diesen Fällen Unterstützung. Gleichzeitig bedarf es Maßnahmen wie Informationen, Sensibilisierungen und
Fortbildungen. Unterkünfte und Schutzwohnungen für Frauen und ihre Kinder sollen möglichst zur Verfügung gestellt werden.
Mit den Bausteinen des integrierten Filderstädter Sicherheitskonzepts soll für die Bewohner,
als auch für die Nachbarn der Unterkünfte, ein gutes Miteinander und damit ein hohes Maß
an Sicherheit für alle geschaffen werden.
6.3 Fazit zur Sicherheit
Mit dem integrierten Sicherheitskonzept Filderstadt und dessen fünf Bausteine sollen präventiv Konflikte und Probleme innerhalb und außerhalb der Einrichtungen vorgebeugt werden. Diese Aufgabe ist eine gemeinsame Aufgaben mit allen sicherheitsrelevanten Akteuren
und der Bürgerschaft zusammen. Ein umfassendes Nachbarschaftskonzept an jedem
Standort wirkt auf jeden Fall vorsorglich befriedend und deeskalierend und wird als Teil eines Sicherheitskonzeptes gesehen. Die Stadt Filderstadt hat mit dem Aufbau eines solchen
Netzwerkes aus AK Asyl, Vereinen, Kirchen, Schulen, Elternvertretungen und Einzelbürgern
bereits begonnen. Stadtverwaltung und Gemeinderat sind der Überzeugung, dass nur mit
einer sehr frühen Integrationsarbeit und Kommunikation ein friedliches Miteinander gelingen
kann. Trotzdem wurden in Sicherheitskonzepten selbstverständlich Maßnahmen definiert,
die einer Eskalation schnell und wirksam entgegen wirken. Ganz im Sinne von „Betreuen,
Begleiten und Beschützen“.
7. Nachbarschaftskonzepte
7.1 Was soll mit Nachbarschaftskonzepten erreicht werden?
Die Stadt Filderstadt verfolgt das Anliegen, Menschen, die sich in Filderstadt niederlassen
oder hier leben, gleich welcher Herkunft, Kultur, Religion oder Nationalität, willkommen zu
heißen und ihnen gute Bedingungen für Integration und Chancengleichheit zu ermöglichen.
In dieses Bekenntnis zum Willkommen sind auch Flüchtlinge (Asylbewerberinnen und Asylbewerber) eingeschlossen.
In Filderstadt stehen sehr viele Bürgerinnen und Bürger dem Thema „Asyl-Flüchtlinge“ offen
und aufgeschlossen gegenüber. Eine breite Akzeptanz gegenüber den Flüchtlingen ist in
den vergangenen Monaten in der Bevölkerung festzustellen.
So hat sich bereits Ende 2013 der AK Asyl Filderstadt gebildet, deren Mitglieder das Ziel
verfolgen, Asylbewerberinnen und Asylbewerber und Flüchtlinge bei ihrem Einleben in
Deutschland zu unterstützen.
Besonders im Umfeld der angekündigten Standorte gibt es viele ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer. Auch bei Bürgerversammlungen, in denen die Verwaltung über die
Einrichtung geplanter Unterkünfte informiert ist diese Hilfsbereitschaft deutlich zu beobach-
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ten. Hier melden sich auch Menschen zu Wort, die schon im Vorfeld ihre aktive Unterstützung für die Neuankömmlinge anbieten.
Andererseits trifft die Unterbringung von Flüchtlingen in größeren Unterkünften auch immer
wieder auf Sorgen, Ängste und Bedenken von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Umfeld.
Besonders in der Phase der Planung zur Einrichtung einer neuen Unterkunft wird oftmals
Kritik an der Standort-Wahl laut.
Durch die Einrichtung einer neuen Unterkunft werden Anwohnerinnen und Anwohner mit einer für sie ungewohnten Situation konfrontiert. Unbekannte Menschen, die aus anderen Kulturkreisen mit möglicherweise fremden Lebensgewohnheiten kommen und vermutlich nicht
deutsch sprechen, sollen nun in der Nachbarschat wohnen. Unterschiedliche Ängste vor
dem Unbekannten entstehen: Manche haben die Sorge, dass die Lebensqualität im Umfeld
sinken könnte; andere befürchten, dass neben Flüchtlingen, die hier Schutz suchen, auch
Kriminelle einziehen könnten.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass solche Ängste nach einiger Zeit weitgehend verschwinden, weil sich die Neuankömmlinge in der Regel als eher unaufällige Nachbarn erweisen, die vor allem Ruhe und Sicherheit suchen. Auch jene Flüchtlingsunterkünfte, die
vorher stark kritisiert wurden, konnten nach ihrer Einrichtung weitgehend problemlos betrieben werden.
Akzeptanz und Aufnahmebereitschaft können jedoch nur dann auf Dauer erhalten bleiben,
wenn geeignete Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Aufgabe der Stadtverwaltung ist es, solche Rahmenbedingungen zu schaffen und sie bedarfsgerecht an neue Anforderungen anzupassen.
Für die Stadtverwaltung sind dabei folgende Überlegungen maßgebend:
7.2 Die Sorgen und Bedenken aus der Bürgerschaft gegenüber Flüchtlingsunterkünften müssen ernst genommen, aufgegriffen und geklärt werden.
Die Stadtverwaltung führt daher im Umfeld geplanter Flüchtlingsunterkünfte ausführliche Informationsveranstaltungen durch und stellt so bald wie möglich konkrete Daten zur Planung
vor. Sachkundige Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Fachbereiche der Kommune
beantworten bei den Veranstaltungen die Fragen aus der Bürgerschaft und nehmen Hinweise und Anregungen auf.
7.3 Rechtzeitige, sachgerechte und transparente Information ist Voraussetzung zur
Akzeptanz von Flüchtlingsunterkünften
Die Anwohner/innen einer geplanten Flüchtlingsunterkunft wollen häufig möglichst frühzeitig
und schon im Vorfeld der Planung informiert werden.
Zugleich haben die Anwohnerinnen und Anwohner das Interesse, umfänglich und im Detail
unterrichtet zu werden und konkrete Daten zu erhalten. Die Verwaltung sieht es als ihre
Aufgabe an, diese unterschiedlichen Bedürfnisse aufzugreifen und den Dialog mit den Anwohner/ innen offen und transparent zu gestalten. Rechtliche Vorschriften und Rahmenbedingungen, die Kriterien für die Standortwahl sowie die Vorgehensweise der Verwaltung sollen verständlich vermittelt werden.
7.4 Die Unterstützung durch Ehrenamtliche ist ein zentraler Baustein der
kommunalen Flüchtlingsarbeit.
Lokale Initiativen (Arbeitskreise) und ehrenamtlich engagierte Einzelpersonen tragen maßgeblich dazu bei, die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen zu fördern und zu erhalten. Die Stadt Filderstadt sieht es daher als ihre Aufgabe an, ehrenamtli-
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ches Engagement zu unterstützen. In der Verwaltung wurde im Dezember 2015 die Stelle
eines Ehrenamtskoordinators in Flüchtlingsangelegenheiten beim Amt für Familie, Schulen
und Vereine eingerichtet, damit die unterschiedlichen Hilfsangebote und die Bedürfnisse der
Flüchtlinge gut aufeinander abgestimmt werden und die gewünschte Wirkung erzielen können. Die Koordinierungsstelle gewährleistet außerdem einen engen Kontakt der Verwaltung
mit Vertretungen ehrenamtlicher Institutionen sowie mit ehrenamtlich tätigen Einzelpersonen.
7.5 Was gibt`s bis heute in dem jeweiligen Themenfeld?
Es ist ein wesentliches Anliegen der Stadtverwaltung, die von Bürgerinnen und Bürgern geäußerten Sorgen ernst zu nehmen.
Insbesondere in den Stadtteilen, in denen größere Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet werden, soll der Kontakt zur Wohnbevölkerung aufgebaut und gepflegt werden. Dies soll das
gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Achtung und Akzeptanz befördern.
Kultur-, Sport- und andere Vereine, Schulen, Kindergärten und Kirchen in der Nachbarschaft
sollen ebenfalls einbezogen werden.
In Bürgerversammlungen im November 2015 und Januar 2016 wurde die Bevölkerung jeweils konkret vor Ort informiert über den Stand der Flüchtlingsunterbringung. Außerdem gab
es ausreichend Raum für einen Dialog mit der Verwaltung und der Bevölkerung untereinander.
Daneben fanden bereits erste konkrete Nachbarschaftsgespräche zu den geplanten Notunterkünften in Bernhausen, Bonlanden und Plattenhardt statt, zu denen das Amt für Familien,
Schulen und Vereine eingeladen hatte.
Anwesend waren Vertreterinnen und Vertreter der Schulen, Vereine, Kirchen, Kindertagesstätten, sowie Elternbeiräte und Vertreter der Mobilen Jugendarbeit.
Eckpunkte der bisherigen Gespräche waren:
1. Sorgen und Bedenken
2. Vorschläge zur Einbringung in die Arbeit mit Flüchtlingen ( z.B. Räumlichkeiten der Kirchen für offene Treffs, Sprachkurse und dergl., Sportangebote der Vereine, Nähkurse ,
Bastelkurse für Kinder, Arbeitsangebote, Schulische Angebote)
Die Gespräche verliefen durchweg konstruktiv und waren geprägt von Hilfsbereitschaft und
Verständnis für die Flüchtlinge, ohne allerdings die Ängste und Sorgen zu verdrängen.
Die Fortführung der Nachbarschaftsgespräche ist geplant.
Insgesamt müssen Nachbarschaftskonzepte folgenden Zielen genügen
-
Förderung von Kontakten zur Wohnbevölkerung zur Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses, Toleranz und Akzeptanz
Aufbau von Netzwerken in den jeweiligen Stadtgebieten mit den Einrichtungen und Vereinen zur Unterstützung der Integration der Asylbewerberinnen und Asylbewerber
schulische Förderung der Kinder und Jugendlichen
Unterstützung des Spracherwerbs
Begleitung und Orientierung im Wohnumfeld
Informationen zur sozialen und kulturellen Infrastruktur
Treffpunkte schaffen und erhalten
8. Ehrenamtliche Begleitung
8.1 Was gibt es bis heute in dem jeweiligen Themenfeld?
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Vor rund zwei Jahren haben sich freiwillige Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingsarbeit
zum AK Asyl Filderstadt zusammengeschlossen. Dadurch konnte den Ehrenamtlichen, die
Flüchtlinge betreuen, eine erste richtungsweisende Struktur zur Verfügung gestellt werden.
Derzeit sind im AK Asyl ca. 80 – 100 Ehrenamtliche aktiv tätig, wobei Art und Umfang des
Engagements von Person zu Person variiert.
Der AK gliedert sich in verschiedene Ebenen: Geleitet wird der AK von einem Sprecher bzw.
stv. Sprecher. Dieser ist zentrale Ansprechperson für alle Belange rund um organisatorische
Fragen. Darüber hinaus ist der AK in folgende Arbeitsgruppen unterteilt:
-
Begleitung & Integration
Kleiderkammer & Teestube
Freizeit & Sport
Sachspenden & Transport/Lagerung
Dolmetscher-Pool
Sprachkurse & Hausaufgabenbetreuung
Öffentlichkeitsarbeit
Entscheidergruppe Finanzen
8.2 Problemfelder
Auch wenn es viele motivierte und engagierte Helfer sowie Interessenten für eine ehrenamtliche Tätigkeit gibt, gestaltet es sich oftmals schwierig, die einzelnen Tätigkeitsfelder zu koordinieren. Hier müssen zusätzliche Wege gefunden werden, die vagen Vorstellungen des
ehrenamtlichen Engagements zu konkretisieren.
Ebenso bezieht sich die Bereitschaft für Engagement manchmal nur auf einen speziellen
Stadtteil, was erschwerend für die Koordination hinzukommt. Hinsichtlich der dispersen Lage sollte die Struktur des AK Asyl und anderer ehrenamtlicher Initiativen eine lokale Unterteilung/Verankerung.
8.3 Was soll damit erreicht werden?
Ziel der ehrenamtlichen Begleitung ist eine aktive Förderung einer Willkommenskultur und
wichtiger Grundbaustein für einen erfolgreichen Integrationsprozess.
Die Flüchtlingsthematik ist derzeit so sensibel wie kaum eine andere Debatte. Auch wenn
die Akzeptanz und die Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge in Filderstadt groß ist, sollte
man Sorgen und Ängste von Bürgerinnen und Bürgern ernst nehmen. Ehrenamtliches Engagement hilft hier, das Zusammenleben von Flüchtlingen und Anwohnerinnen und Anwohner zu verbessern.
Um die bereits bestehenden Strukturen besser miteinander zu vernetzen, wurde seitens der
Stadt die Stelle eines Ehrenamtskoordinators geschaffen. Dieser soll einerseits die Aktivitäten des AK Asyl unterstützend mitgestalten und andererseits auch Ansprechperson sein für
Ehrenamtliche, die außerhalb des AK Asyl organisiert sind. Hierunter fallen beispielsweise
Kirchengemeinden, Schulen oder Vereine.
8.4 Zielvorstellungen
Vernetzung:
- Austausch der AG des AK Asyl untereinander festigen
- Austausch zwischen AK Asyl und anderen Gruppierungen ausbauen
- Austausch auf kommunaler Ebene fördern (Kreisarbeitsgemeinschaft „Netzwerk
Flüchtlinge“)
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Begegnung:
- Organisation von Veranstaltungen, die Bürgerinnen und Bürger und Flüchtlinge zusammenbringt (z. B. jährliches Sommerfest)
Qualifizierung:
- Organisation von Fortbildungsmaßnahmen für Ehrenamtliche (z. B. Interkulturelle Trainings; Vorträge von Fachleuten; Beispiele aus der Praxis)
9. Anerkennungskultur
Sowohl die kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen als auch ihre Integration in die Gesellschaft und Stadtgesellschaft kann nur gelingen, wenn diese über Bevölkerung aktiv angeboten und von den zu Integrierenden ebenso aktiv aufgegriffen wird. Dieser gegenseitige
Prozess muss zudem von hauptamtlichen Fachkräften initiiert, unterstützt und dauerhaft begleitet werden. Im Laufe der Jahre muss eine stabile Anerkennungskultur weiterentwickelt
werden.
Das Wesen einer Anerkennungskultur
Freiwillig Engagierte erfahren eine besondere Anerkennung, wenn Politik, Gesellschaft angemessene Wege des "Zurückgebens" finden, die sich nicht auf ein einmaliges "Dankeschön" beschränken. Angemessene Formen der Wertschätzung basieren darauf, dass Anerkennung ein wesentlicher kultureller Bestandteil unserer Stadtgesellschaft ist.
Wichtige Elemente einer Kultur der Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements sind:
-
Freiräume, in denen Engagierte ihre Fähigkeiten und Talente, Neigungen und Stärken
zur Entfaltung bringen können (und ihre Schwächen toleriert werden),
-
Möglichkeiten der Mitwirkung an relevanten Entscheidungen,
-
Förderung, die Engagierte durch fachliche Beratung, Begleitung, Bildung und Reflexion
ihrer Arbeit erfahren,
-
Ausgleich von Kosten und Risiken, die ihnen bei ihrem bürgerschaftlichen Engagement
entstehen,
-
Zuwendung und Freundlichkeit, die ihnen in der Gruppe und von Verantwortlichen entgegen gebracht werden,
-
Kontinuität in der Anerkennung und Betreuung, die ihnen in ihrem Engagement zuteilwerden.
-
Fort-, Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote
Der Nutzen und der Sinn ihres Wirkens erschließt sich für Ehrenamtliche im größeren Zusammenhang insbesondere dann, wenn Engagierte:
-
die Gesellschaft den geleisteten Beitrag der Freiwilligen (offen oder anonym erbracht)
als nutzbringend und hilfreich bewertet,
-
die Freiwilligen erfahren, dass ihr Engagement nicht ausgenutzt, sondern wertgeschätzt
wird,
-
für die Freiwilligen erkennbar wird, dass sie sowohl für andere als auch für sich selbst
mehr Lebensqualität erzielen.
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Das können ehrenamtlich Tätige erwarten:
Vereinbarungen über Aufgaben
Engagierte und Institutionen sollten die wahrzunehmenden Tätigkeiten – und damit auch die
freiwillig eingegangenen Verpflichtungen – gemeinsam beschreiben. Die Freiwilligen wissen
so genau, was ihre Aufgaben sind und können sie in der vereinbarten Qualität und Quantität
erbringen. Das Engagement sollte von Beginn an mit deutlicher Wertschätzung verbunden
sein.
Aus- und Weiterbildung
Engagierte sollen die Ziele, Aufgaben und Wertvorstellungen ihrer jeweiligen Gruppen und
Einrichtungen möglichst frühzeitig und umfassend kennen lernen. Für die Tätigkeit notwendige professionelle Kenntnisse müssen durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt werden, um dadurch auch die Qualität der im Engagement erbrachten Leistungen sicher
zu stellen.
Für ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit sind folgende Themen von Bedeutung:
-
Rechtliche Rahmenbedingungen und Verfahrensfragen
Behördenstrukturen und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner
Integrationsarbeit
Interkulturelles Training
Ehrenamtlicher Sprachunterricht
Genderfragen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Flüchtlingen
Versicherungen
Alle Engagierten in Baden-Württemberg sind über die kommunalen Versicherungen abgesichert.
Die erste Veranstaltung
Die erste Anerkennungsveranstaltung in Filderstadt für alle Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit findet am 26.2.2016 im Saal der Waldorfschule auf der Gutenhalde, Bonlanden
statt. Die Waldorfschule hat sich für die Bewirtung bereiterklärt und die städtische Musikschule sorgt für die Unterhaltung. Weitere Veranstaltungen mit unterschiedlichen Formaten
werden folgen.
10. Soziale Betreuung
10.1 Vorläufige Unterbringung durch den Landkreis
Der Sozialausschuss hat bereits mehrere Bausteine zur Weiterentwicklung der Flüchtlingshilfe im Landkreis Esslingen beschlossen, die von der Verwaltung derzeit sukzessive umgesetzt werden. Hierzu gehören
- die Gründung eines Amts für Flüchtlingshilfe,
- die Verbesserung des Betreuungsschlüssels für die soziale Betreuung der Arbeiterwohlfahrt (AWO),
- eine finanzielle Förderung von Koordinatoren-Stellen in den Kommunen und die Einrichtung einer zentralen Koordinatoren-Stelle beim Landkreis zur Unterstützung des Ehrenamts,
- die Bildung einer Kreisarbeitsgemeinschaft „Netzwerk Flüchtlinge“,
- eine Sprachkonzeption,
- den Aufbau eines Dolmetscherpools,
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-
ein Bündnis zur Fachkraftsicherung.
Ziel all dieser Maßnahmen ist die nachhaltige Unterstützung der Flüchtlinge bei ihrer gesellschaftlichen Integration.
10.2 Anschlussunterbringung durch die Stadt Filderstadt
Bisher werden alle Menschen in städtischen Unterkünften durch den Sozialen Dienst der
Stadt Filderstadt begleitet. Zusätzlich gibt es ein zeitlich begrenztes Angebot für das Männerwohnheim Gutenhalde in Form einer Kooperation mit Heimstatt e.V..
Die soziale Beratung und Betreuung der Flüchtlinge obliegt auch in der Anschlussunterbringung grundsätzlich dem Landkreis (§ 18 Abs. 2 FlüAG). In der Verordnung des Integrationsministeriums über die Durchführung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (DVO FlüAG)
wurden in der Anlage zum § 6 Ziele und Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeit während der
vorläufigen Unterbringung formuliert. Die Fortführung der dort formulierten Aufgaben bleibt
auch in der Anschlussunterbringung zunächst wesentlich. Der Landkreis geht in der Kreistags-Vorlage Nr. 137/2015 vom 9. November 2015 davon aus, dass im Vergleich zur vorläufigen Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften, in der Anschlussunterbringung weniger Betreuungsbedarf auf der Basis einer Komm-Struktur ausreichend sein wird. Es wurden im Vorgriff auf eine durchzuführenden Evaluierung ein Personalkostenzuschuss für 3,5
Stelle ab 2016 befristet für fünf Jahre für die Großen Kreisstädte (Filderstadt 0,5) im Landkreis Esslingen bewilligt.
Diese Sichtweise wird dem voraussichtlichen Beratungs- und Betreuungsbedarf in der Anschlussunterbringung, besonders in großen Unterkünften, nicht gerecht. Tatsächlich müssen
hier mit den Flüchtlingen zusammen soziale und berufliche Perspektiven entwickelt werden.
Diese sind einerseits als Grundlagen für die erfolgreiche Integration unverzichtbar und andererseits von ihnen selber ohne Kenntnis der örtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge des Zusammenlebens kaum ohne sozialpädagogische Hilfe planbar.
Der Anteil der sozialen Betreuung von Flüchtlingen, wie er für die vorläufige Unterbringung
beschrieben ist, wurde bei Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung bisher vom Sozialen
Dienst der Stadt Filderstadt (mit 2,1 Sozialarbeiterstellen) im Rahmen der Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen geleistet. Die in der Anlage der Verordnung des Integrationsministeriums über die Durchführung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (DVO
FlüAG) vom 8. Januar 2014 aufgeführten Ziele und Aufgaben konnten mit dem Personalschlüssel des Sozialen Diensts nur in absoluten Ausnahmefällen wahrgenommen werden.
Dies sind:
1. Mitwirkung bei der Identifizierung und Betreuung schutzbedürftiger Personen sowie
Angebote für diese Personengruppe, Ziel all dieser Maßnahmen ist die nachhaltige Unterstützung der Flüchtlinge bei ihrer gesellschaftlichen Integration
2. Mitwirken an der Erarbeitung einer Lebensperspektive des Flüchtlings für die Zeit des
Aufenthaltes im Inland
3. Durchführung von pädagogischen und sozialen Aktivitäten mit Flüchtlingen und Bürgern
aus dem Umfeld der Einrichtung,
4. Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Hinwirken auf ein friedvolles Miteinander zwischen Flüchtlingen und Aufnahmegesellschaft,
5. Gewinnung, Begleitung und Schulung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Für die aufgeführten Ziele und Aufgaben war bisher die Integrationsbeauftragte und Ehrenamtskoordinatorin für Flüchtlingsangelegenheiten aktiv. Sie hat jetzt mit dem Ehrenamtskoordinator für Flüchtlingsangelegenheiten Herrn Manal (100%) Unterstützung erhalten.
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Für die soziale Betreuung von Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung ist ab 1. Januar
2016 Herr Ott mit 100 % als Flüchtlingssozialarbeiter abgeordnet. Ab 11. Januar 2016 wird
ihm für die technische Organisation und Begleitung und Anleitung der Bewohner in den Unterkünften ein Hausmeister mit 100% zur Seite stehen. Darüber hinaus ist geplant, ab März
2016 eine weitere Sozialarbeiterin bzw. einen Sozialarbeiter und einen weiteren Hausmeister einzustellen.
Vor dem Hintergrund der bisher schon untergebrachter Flüchtlinge und der abzusehenden
weiteren Zuweisungen wird der Stellenschlüssel 1:100, den die AWO mit dem Landkreis im
Rahmen der vorläufigen Unterbringung vereinbart hat, nicht erreicht werden. Dass dieser
Stellenschlüssel realistisch ist, soll die Aufgabenbeschreibung für die Stellen in der Flüchtlingssozialarbeit (siehe 11.4.) deutlich machen.
10.3 Aufgaben der sozialen Betreuung
Die Milderung der Fluchterfahrungen aus dem Herkunftsland und des persönlichen Schicksals sind vorrangiges Ziel der sozialen Betreuung. Dies beinhaltet einzelfallbezogene Unterstützung und Krisenintervention sowie ggf. Vermittlung an spezielle Beratungs- und Hilfeangebote, die Unterstützung bei der Eingewöhnung in eine veränderte Lebensweise sowie die
Sicherung der gesundheitlichen und hygienischen Grundversorgung, die Förderung von
Selbsthilfeaktivitäten, die Alltagsbewältigung, geschlechtsspezifische psychosoziale Unterstützung, besonderer Beistand der Kinder und Jugendlichen, sowie eine aufsuchende und
geschlechtsspezifische Beratung.
10.4 Aufgabenbeschreibung für die soziale Betreuung von Flüchtlingen in der
Anschlussunterbringung
10.4.1 Präsenz
Mit der Besetzung von Anlaufstellen für Bewohner und Bewohnerinnen in den Flüchtlingsunterkünften soll gewährleistet werden, dass Ziele und Aufgaben besonders nach Nr.1 der
DVO zeitnah erfolgen können. Wichtig ist die einfache Erreichbarkeit der Sozialarbeiter und
Sozialarbeiterinnen ohne Termin am besten zu regelmäßigen Präsenzzeiten in jeder Unterkunft. Erwartet werden vielfältig notwendige Hilfen bei der Antragsstellung für Versorgung
und Aufenthalt, die Klärung von Multiproblemlagen und evtl. die Einleitung medizinischer
Versorgung oder die Motivation zur Selbstorganisation in den Unterkünften.
10.4.2 Anleitung und Organisation
Die Organisation einer Tagesstruktur für die Flüchtlinge wirkt gegen die vielfältigen Probleme von Lagerverhalten (Aggression, Depression, Vereinsamung durch Abgrenzung, Mobbing, Sucht usw.). Dies können gemeinnützige Tätigkeiten, Gruppenangebote (z.B. Sport,
Musik oder Sprachkurse) nach längerem Aufenthalt auch Arbeitsgelegenheiten sein. Dazu
gehört speziell die Förderung der Motivation zur Nutzung angebotener tagesstrukturierender
Maßnahmen. Tagesstrukturierende Maßnahmen werden über die Zeit zu wichtigen Pfeilern
auf denen eine Integration im Gemeinwesen stattfinden kann.
10.4.3 Konfliktbefriedung
Das Leben in den Unterkünften bietet vielfältiges Konfliktpotential. Bewohner und Bewohnerinnen, Helfer und Helferinnen Nachbarschaft, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Behörden, Ehrenamtliche, Handwerkerinnen und Handwerker usw. agieren in einem ungewohnten
System. In diesem definieren sie ihr Rollenverhalten oft zum ersten Mal. Dies lässt erwarten,
dass Konflikte wahrscheinlicher sind und härter ausgetragen werden, als in gewohnten Zusammenhängen. Die präventive und proaktive Intervention der Sozialarbeiter und Sozialar-
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beiterinnen sowie ein mediativer Einsatz in schwelenden Konflikten sind dabei eine wichtige
Konstante für das friedliche Zusammenleben
10.4.4 Schnittstellen
Die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen sind die Drehscheibe zu Kontakten der Flüchtlinge mit allen betroffenen Behörden, zu Ärzten oder Fachdiensten. Dazu gehört die Kontaktanbahnung und das Vereinbaren von Terminen und im Einzelfall auch die Begleitung dorthin, sofern dies nicht an Ehrenamtliche weitergegeben werden kann. Auch die Stelle zur
Begleitung und Organisation der Ehrenamtlichen ist ein wichtiger Kooperationspartner
10.4.5 Gremienarbeit / Kooperationen
Flüchtlingssozialarbeit kann nicht stattfinden ohne die Einbindung in institutionelle Strukturen. Dort sollte eine intensive Vernetzung mit dem dazugehörigen Informationsfluss selbstverständlich sein.
11. Die Deutschkurs-Angebote der Volkshochschule
Interessentinnen und Interessenten, die in Filderstadt einen Deutsch-Kurs besuchen möchten, haben – je nach Aufenthaltsstatus im Land und Aufenthaltsdauer, verschiedene Optionen oder auch die Verpflichtung, an einem Sprachkurs teilzunehmen. Für Studenten, Aupairs, nach Deutschland übersiedelnde Verlobte, hier stationierte Soldaten und ihre Familienangehörigen, aus geschäftlichen Gründen übersiedelnde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, als Selbstzahlerin oder Selbstzahler an einem Deutsch-Kurs
teilzunehmen. Hierfür bietet die VHS Kurse auf den Niveaus A1.1 bis B2.2 an.
Auf dem Niveau B2 wird ab 2016 ein geförderter Kurs mit Geldern des Europäischen Asyl-,
Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) durchgeführt, der sich vorwiegend an Drittstaatenangehörige richtet. Der AMIF-Kurs „Niveau B2 als Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe“ bietet für teilnahmeberechtigte Personen und Selbstzahlerinnen und Selbstzahler die
Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse über das Niveau B1 hinaus zu verbessern und zu erweitern, auch in Hinblick auf Studium oder Beruf.
Des Weiteren für die VHS seit 2005 Integrationskurse für das Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) durch, die in siebenteiligen Reihen aufgebaut sind.
Pro begonnener Reihe werden sechs Sprachkurs-Module à 100 Unterrichtsstunden und ein
Kursmodul „Leben in Deutschland“ à 60 Unterrichtsstunden durchgeführt. Die Sprachkurse
beginnen auf dem Basis-Niveau A1.1 des europäischen Referenzrahmens und enden mit
der Erfüllung des Niveaus B1.2.Die Teilnehmer schließen die Sprachkursreihe mit dem
„Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) auf Niveau B1 ab.Das Kursmodul „Leben in
Deutschland“ hingegen vermittelt den Teilnehmenden Kenntnisse aus den Themenbereichen Geschichte, Politik und Staatsbürgerkunde und schließt mit der „LiD“- Prüfung ab.Seit
Januar 2015 sind an der VHS insgesamt 13 Integrationskurs-Module durchgeführt worden
bzw. haben begonnen.
Seit Oktober 2014 hat die VHS außerdem vier Deutsch-Kurse mit Geldern aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAg) durchgeführt. Für Asylbewerber aller Nationen wurden so bislang 360 Unterrichtseinheiten Deutsch angeboten. Neue FlüAg-Kurse wurden von der AWO
Mitte Dezember 2015 angefragt.
Ein ganz neues Deutsch-Kursmodell mit großer beruflicher Komponente hat am 11.11.2015
an der VHS Filderstadt begonnen. Der Kurs „Wege in Ausbildung und Arbeit – Chancen
gestalten“, der durch das baden-württembergische Integrationsministerium und das Landratsamt Esslingen finanziert wird. Hier werden jüngere Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus bestimmten Herkunftsländern mit guter Bleibeperspektive, die in Deutschland eine
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Ausbildung beginnen wollen, über insgesamt 700 Stunden in Deutsch, berufsbezogenem
Deutsch und Softskills für ein Bewerbungsverfahren und einen Einstieg in die Ausbildung
unterrichtet. Dieser Kurs endet im Juli 2016.
Am 15.12.2015 hat ein weiterer neuer Kurstyp begonnen, gefördert durch die Bundesagentur für Arbeit (BA). Zugelassen sind dafür aktuell Asylbewerber aus vier definierten Herkunftsländern (Syrien, Iran, Irak, Eritrea), die auf dieser Förderbasis 320 Unterrichtsstunden Deutsch erhalten sollen. Nach Beendigung dieses BA-Kurses ist ein Überstieg für diesen Teilnehmerkreis in einen Integrationskurs vorgesehen.
12. Kinderbetreuung
Kinder aus Flüchtlingsfamilien haben - ab Vollendung des ersten Lebensjahrs - genauso wie
Kinder aus ortsansässigen Familien einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege (§ 24 SGB VIII). Dieser Anspruch gilt ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in die vorläufige Unterbringung.
Damit sind bei der Vergabe von freien Betreuungsplätzen alle Kinder grundsätzlich gleich zu
behandeln. Da fast alle Kinder mit Fluchterfahrung große Verluste erlebt haben (vertraute
Dinge, Rituale, Traditionen), muss von Beginn an bei der Aufnahme der Kinder einer Kindertageseinrichtung bzw. in der Kindertagespflege, eine sensible Haltung und interkulturelle
Kompetenz mitgebracht werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist unerlässlich.
Hierbei kommt besonders einer behutsamen und sensiblen Eingewöhnung eine große Bedeutung zu.
Um auf diese individuellen Bedürfnisse besser eingehen zu können sollen – neben der
Schulung des pädagogischen Fachpersonals – die Kinder wenn möglich dezentral in den
städtischen, kirchlichen und freien Kindertageseinrichtungen mit freien Plätzen sowie in der
Kindertagespflege untergebracht werden. Dadurch haben die Kinder und ihre Eltern von Anfang an Kontakt zur deutschen Sprache und der Einstieg in ein anderes Umfeld wird erleichtert.
Auf Grundlage der derzeitigen Zahlen aus der Bedarfsplanung 2015/2016 muss davon ausgegangen werden, dass zukünftig der Standard „alle Kinder über drei Jahre sind in ihrem
Stadtteil unterzubringen“ nicht gehalten werden kann. Eine Prognose über die Entwicklung
der Kinderzahlen und die Auswirkung auf die Platzkapazitäten kann derzeit noch nicht aufgestellt werden.
13. Schulische Bildung
13.1 Schulpflicht
Auf Grund der bestehenden Schulpflicht in Deutschland sind alle Kinder und Jugendlichen,
die ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Arbeits- oder Ausbildungsstätte
in Baden-Württemberg haben, schulpflichtig. Die Schulpflicht wird in §72 Schulgesetz geregelt und umfasst die Teilnahme am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule sowie die Einhaltung der Schulordnung der besuchten Schulart. Für Kinder aus Flüchtlingsfamilien entsteht die Schulpflicht nach sechs Monaten.
In besonderen Härtefällen kann die Schulaufsichtsbehörde ausländische Jugendliche, die
mindestens 14 Jahre alt sind, auf Antrag von der Schulpflicht zeitweilig oder auf Dauer befreien, insbesondere, wenn wegen der Kürze der verbleibenden Schulbesuchszeit eine sinnvolle Förderung nicht erwartet werden kann.
In Filderstadt werden alle Schularten, ab dem Schuljahr 2016/2017 voraussichtlich einschließlich der neuen Schulart Gemeinschaftsschule angeboten. Für die Grundschülerinnen
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und Schüler soll in der Regel der Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“ gelten, das heißt,
die Kinder besuchen bevorzugt die Grundschule in ihrem Stadtteil. Mit dem vielfältigen Angebot der weiterführenden Schulen werden alle Schulabschlüsse der allgemein bildenden
Schulen in Filderstadt gewährleistet.
Der Besuch einer Berufsschule ist in umliegenden Städten mit Berufsschulen wie zum Beispiel Nürtingen, Böblingen, Esslingen oder Stuttgart möglich. Die Schulen sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Filderstadt gut zu erreichen.
13.2 Aktuelle Situation
Derzeit werden nach bisherigen Rückmeldungen von den Schulen insgesamt 10 Kinder aus
Flüchtlingsfamilien in Filderstädter Schulen unterrichtet. Die oft ohne jegliche deutsche
Sprachkenntnisse ankommenden Kinder können oft nicht direkt in eine Regelklasse eingeschult werden. Auf Grund der fehlenden Sprachkenntnisse ist meist geboten, die Kinder in
den sogenannten Vorbereitungsklassen speziell zu beschulen. Im Schuljahr 2015/2016 sind
an folgenden Filderstädter Schulen Vorbereitungsklassen (VKL-Klassen) eingerichtet:
GWRS
Gotthard-Müller-Schule
Grundschule Bonlanden
WRS BiZe Seefälle
GWRS Jahnschule
Grundschule Wielandschule
1 VKL-Klasse Grundschule
2 VKL-Klassen Werkrealschule
1 VKL-Klasse Grundschule
1 VKL-Klasse Werkrealschule
1 VKL-Klasse Grundschule
1 VKL-Klasse Grundschule
Die VKL-Klassen werden von insgesamt 123 Kindern und Jugendlichen besucht. Im Grundschulbereich sind es 77 Kinder, durchschnittlich 19 Kinder pro VKL-Klasse. Die VKL-Klassen
im Werkrealschulbereich werden von 46 Jugendlichen belegt, somit durchschnittlich 15 Jugendliche pro Klasse.
Die bewährte Differenzierung des Angebotes der Vorbereitungsklassen sollen laut Staatlichen Schulamt Nürtingen im Landkreis Esslingen fortgeführt werden. Hinsichtlich der Zahl
der Vorbereitungsklassen und der Standorte wird es aufgrund zunehmender Schülerinnen/Schülerzahlen Veränderungen geben. Auch an anderen Schularten werden voraussichtlich
Vorbereitungsklassen erforderlich.
Ergänzend zu den VKL-Klassen führt die Stadt Filderstadt seit April 2010 Sprachförderung
an Grundschulen, Werkrealschulen sowie an der Pestalozzischule durch. Von ursprünglich
durchschnittlich 8 Gruppen pro Schuljahr werden im Schuljahr 2015/2016 insgesamt 25
Gruppen koordiniert und durchgeführt. Durchschnittlich arbeiten die 15 Sprachhelferinnen
und 2 Sprachhelfer in klassenhomogenen Kleingruppen. Sprachlich gefördert werden auf
diese Weise etwa 120 Schülerinnen und Schüler. Überwiegend sind dies Schülerinnen und
Schüler mit Deutsch als Zweitsprache. Für Schülerinnen und Schüler aus Flüchtlingsländern
können mittlerweile eigene Kleingruppen gebildet werden, sofern personelle Ressourcen zur
Verfügung stehen.
Neben den Angeboten zum Erlernen der deutschen Sprache können die Schülerinnen und
Schüler zur Förderung in der Herkunftssprache auch vom jeweiligen Konsulat/Generalkonsulat in eigener Verantwortung angebotene Unterrichtskurse besuchen (Muttersprache, Geschichte, Landeskunde). Auch in diesem Bereich können mittelfristig weitere
Angebote erforderlich werden. Derzeit ist die Nachfrage für weitere Angebote zur Vermittlung und Pflege der Herkunftssprache auf Grund fehlender konsularischer Vertretung noch
gering.
Die Filderstädter Schulen empfangen die Kinder und Jugendlichen mit Offenheit und
Freundlichkeit und begleiten sie pädagogisch, um ihnen den Einstieg in das neue Leben in
Deutschland zu erleichtern. Die Schulen sind jedoch fast alle räumlich gut ausgelastet, zum
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Teil sogar über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus. Eine Ausweitung der vorhandenen Angebote
durch verstärkte Nachfrage und Notwendigkeit zieht räumliche, aber auch schulorganisatorische Herausforderungen nach sich. Dies gilt es bei den weiteren Ausweitungen oder zusätzlichen Unterstützungsangeboten zu beachten.
14. Berufliche Qualifizierung
Um eine berufliche Qualifizierung der Asylbewerber und Asylbewerberinnen zu ermöglichen
und zu unterstützen sowie den Bedarf aus der Wirtschaft aufzugreifen, wäre ein Dialog und
Netzwerk von Wirtschaft, Kammern und ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen in der Zukunft erstrebenswert. Die berufliche Integration kann nur durch Qualifizierung und Weiterbildung gelingen. Hierbei wäre ein Patenschaftskonzept zu ermöglichen. Die Anerkennung der
Abschlüsse und das Erlernen der Sprache sind notwendige Voraussetzungen für die schnelle Integration auf dem Arbeitsmarkt.
15. Beschäftigung
Abgrenzung des Personenkreises: Hier ist zwischen Asylsuchenden mit einer Aufenthaltsgestattung, anerkannten Flüchtlingen mit Aufenthaltserlaubnis sowie geduldeten Personen
zu unterscheiden. Anerkannte Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis dürfen jede Beschäftigung annehmen – hier müssen Betriebe keine Besonderheiten beachten.
Vereinfacht dargestellt kann für alle übrigen Gruppen gesagt werden, dass die Ausländerbehörde nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis erteilen kann. Es besteht grundsätzlich ein
nachrangiger Arbeitsmarkt-Zugang. Die Bundesagentur für Arbeit prüft, ob die angebotene
Stelle nicht durch einen Deutschen, EU-Staatsbürgerinnen und EU-Staatsbürger oder einen
anderen Staatsbürger und Staatsbürgerin mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus besetzt
werden kann. Es handelt sich hierbei die sogenannte Vorrangprüfung. Für Asyl suchende
und geduldete Personen, die seit 15 Monaten ununterbrochen in Deutschland sind, entfällt
diese Vorrangprüfung. Nach vier Jahren Aufenthalt muss die Bundesagentur für Arbeit bei
der Entscheidung der Ausländerbehörde nicht mehr beteiligt werden.
Weitere und detaillierte Informationen bietet die Agentur für Arbeit unter
www.arbeitsagentur.de an. Insbesondere der Ratgeber „Potenziale nutzen – geflüchtete
Menschen beschäftigen; Informationen für Arbeitgeber“ kann hier empfohlen werden.
Generell sind nur Beschäftigungen im Sinne des Vierten Buches Sozialgesetzbuch genehmigungspflichtig. Ob es sich bei einer angefragten Tätigkeit um eine Beschäftigung in diesem Sinne handelt, richtet sich danach, wie die Tätigkeit ausgestaltet sein soll, also nach
den tatsächlichen und objektiven Gegebenheiten. Entscheidend ist nicht, wie eine Tätigkeit
vom Betrieb bezeichnet wird. Erfahrungsgemäß sollte es zu keinem Wettbewerb zwischen
bestehenden Angeboten eines Unternehmens und den Angeboten, die für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und geduldete Personen eingerichtet werden, kommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zusätzliche Angebote geschaffen werden sollten.
Zu unterscheiden ist zwischen einer Hospitation, einem Praktikum, einer Einstiegsqualifizierung sowie einer Probebeschäftigung. Um einen Hospitanten handelt es sich nur, wenn Personen lediglich als „Gast“ Kenntnisse über den betrieblichen Ablauf erlangen wollen. Ein
Hospitant arbeitet nicht aktiv mit. Eine Hospitation stellt somit keine Beschäftigung dar. Deshalb bedarf es bei der Hospitation keiner Genehmigung bei der Ausländerbehörde und keiner Zustimmung bei der Agentur für Arbeit. Allerdings ist darauf zu achten, dass insbesondere bei längeren Hospitationen keine Probebeschäftigung entsteht, die wiederum genehmigungspflichtig ist.
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Ein Praktikum ist hier schon konkreter. Es stellt eine Eingliederung in den Betriebsablauf
dar, deshalb muss immer vor Antritt die Erlaubnis der Ausländerbehörde beantragt werden.
Für ein Orientierungspraktikum von mehr als drei Monaten ist auch die Zustimmung der
Agentur für Arbeit erforderlich; dieses unterliegt auch dem gesetzlichen Mindestlohn.
Beim Thema Einstiegsqualifizierung müssen insbesondere die Kapitel zur beruflichen Qualifizierung sowie den Spracherwerb berücksichtigt werden. Strebt ein Asylbewerber oder eine
geduldete Person eine betriebliche Berufsausbildung an, kann eine durch die Agentur für
Arbeit geförderte Einstiegsqualifizierung erfolgen. Dabei können Betriebe Interessenten heranführen, wenn diese aktuell noch nicht in vollem Umfang für eine Arbeitstätigkeit geeignet
sind. Voraussetzung ist der Abschluss eines Vertragsverhältnisses, in welchem insbesondere die Inhalte der Einstiegsqualifizierung definiert und die Vergütung festgelegt werden.
Asylbewerber oder geduldete Personen müssen für die Tätigkeit die Genehmigung der Ausländerbehörde einholen. Die Volkshochschulen im Landkreis Esslingen und insbesondere
die Volkshochschule der Stadt Filderstadt sind in diesem Bereich bereits sehr aktiv. Insbesondere die sprachliche Qualifizierung hat einen hohen Stellenwert.
Die Probebeschäftigung soll die Eignung für eine Integration in einen Betrieb ermitteln. Der
oder die betroffene Person arbeitet für eine bestimmte Dauer in der später angestrebten Tätigkeit tatsächlich probeweise mit. Dies hat nichts mit einem „Schnupperpraktikum“ zu tun.
Dies gibt es in der Realität so nicht. Für eine (Probe-) Beschäftigung ist die Genehmigung
der Ausländerbehörde einschließlich der Zustimmung der Agentur für Arbeit erforderlich.
Probebeschäftigungen sind mit dem tariflichen oder dem ortsüblichen Entgelt zu vergüten.
Für die Integration und Beschäftigung von Flüchtlingen sowie deren Koordination ist eine detaillierte Kenntnis über die Fähigkeiten und Herkunft der Personen notwendig. Deshalb
strebt die Stadt Filderstadt an, gemeinsam mit den Unternehmensverbänden der Stadt sowie interessierten Kammern und der Agentur für Arbeit Informationen auszutauschen. Diese
Veranstaltung wird vom Referat für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing koordiniert
werden, sobald Kenntnisse über den Personenkreis, der in Filderstadt untergebracht sein
wird, vorliegen.
16. Maßnahmen zur Förderung der Integration von Flüchtlingen
16.1 Integrationsmaßnahmen
In Filderstadt leben derzeit Menschen aus 119 Nationen. Knapp 30 Prozent der Bevölkerung, das heißt 13.500 Einwohnerinnen und Einwohner, haben einen Migrationshintergrund.
Die Aufnahme von Asylbewerberinnen und Asylbewerber und Flüchtlingen wird die Gesellschaft Filderstadts noch vielseitiger machen.
Viele der in Filderstadt lebenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber, und Flüchtlinge haben Erfahrung mit Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt gemacht. Die Entwurzelung, die
ihre Flucht aus dem Heimatland mit sich bringt, die Sorge um zurückgebliebene Familienmitglieder und Freunde, die gefühlte Überforderung, sich in einer ganz neuen und ungewohnten Umgebung zurechtfinden zu müssen, die mit der erschwerten Kommunikation verbundene Isolation und die oft noch fehlenden Zukunftsperspektiven belasten diese Menschen sehr.
Damit diese Neubürgerinnen und Neubürger Filderstadts ihre Potenziale entfalten und in
unsere Gesellschaft einbringen können, müssen ein paar grundlegende Voraussetzungen
geschaffen werden, angefangen bei einer menschenwürdigen Unterbringung und Versorgung, über die Möglichkeit, schnellstmöglich die deutsche Sprache erlernen sowie deutsche
Gepflogenheiten, Werte und Lebensweisen kennenlernen zu können, bis hin zu alltagsstrukturierenden Angeboten und der Chance, über die Eingliederung in das Schulsystem bzw.
den Arbeitsmarkt schnellstmöglich zu einem selbstverantwortlichen Leben zurückzufinden.
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Die gesellschaftliche Teilhabe betreffend sollten folgende vier Bereiche in Betracht gezogen werden: Zum einen die kulturelle Teilhabe durch die möglichst zeitnahe Aufnahme eines Deutschkurses, in dem neben der Sprache auch über grundlegende deutsche Werte
und Lebensweisen informiert wird, und zum anderen die soziale Teilhabe, die nur dann gelingt, wenn Begegnung mit der ortsansässigen Bevölkerung ermöglicht wird, aus der Kontakte und Freundschaften entstehen können. Überaus wichtig ist zudem die (ökonomisch)strukturelle Teilhabe. Dies bedeutet, Neubürgerinnen und Neubürger (so früh wie möglich)
in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt einzugliedern. Nur wenn dies gelingt, werden
sich die Zuwanderer willkommen, angenommen und gleichberechtigt behandelt fühlen, und
sie können beginnen, sich mit ihrer neuen Heimat zu identifizieren. Dies ist die Grundvoraussetzung für ein zufriedenes Leben in Deutschland und somit die Erfüllung der vierten,
der identifikatorischen Dimension.
In Filderstadt gibt es bereits eine Vielzahl von punktuellen bzw. regelmäßig laufenden Angeboten und Maßnahmen, die zum Ziel haben, den hier lebenden Personen mit Migrationshintergrund die gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu
ermöglichen bzw. zu erleichtern. Um diese so gut wie möglich auf den bestehenden Bedarf
auszurichten, werden bei deren Schaffung immer auch die Personen, für die die Angebote
ins Leben gerufen werden, in die Planung sowie die Gestaltung mit einbezogen.
16.1.1 Bildungsbereich
Zweimal pro Woche findet in Filderstadt die kostenlose „Gedichte für Wichte“-Gruppe für
Kinder im Alter von einem bis drei Jahren statt. Unter Anleitung einer geschulten Gruppenleiterin (mit Migrationshintergrund) werden gemeinsam Lieder gesungen, Fingerspiele ausprobiert und Kinderbücher angeschaut. Durch dieses Angebot sollen Kinder so früh wie
möglich sprachlich gefördert werden.
Ergänzt wird dieses Angebot durch die Buchstarttasche, die seit 2009 bei der Gesundheitsuntersuchung U6 über die Kinderärzte an die Eltern herausgegeben wird. Dieses Lesestart-Set mit mehrsprachigen Hinweisen zum Umgang mit Büchern sowie zu kindgerechten
Angeboten in Filderstadt soll ebenso den Spracherwerb unterstützen wie auch die Lesebegeisterung wecken.
Zur Förderung der deutschen Sprache im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und
Erziehung wurde im September 2015 in allen städtischen Kindergärten die alltagsintegrierte Sprachförderung eingeführt. Um die Qualität der sprachlichen Förderung der Kinder, die
einen städtischen Kindergarten besuchen, zu verbessern, werden die Erzieherinnen und Erzieher durch eine Fachkraft, den Sprachcoach, geschult und betreut.
Zusätzlich werden die pädagogischen Fachkräfte im Bereich der vorurteilsbewussten Erziehung geschult, um ihre interkulturelle Kompetenz weiterzuentwickeln und auf diese Weise die Akzeptanz und Toleranz kultureller und ethnischer Vielfalt zu unterstützen.
Darüber hinaus findet seit Oktober 2015 alle zwei Wochen der Kultur-Treff für kosovarische
Mütter statt. Bei diesen Treffen bekommen die Teilnehmerinnen wichtige Informationen zu
verschiedenen Themen den Kindergartenalltag wie auch das Bildungssystem oder beispielsweise eine ausgewogene Ernährung betreffend von einer Mentorin kosovoalbanischen Ursprungs. Ziel ist, den Kindern die Integration in die bestehenden Gruppen zu
erleichtern und den Eltern mehr Sicherheit im Kindergartenalltag sowie in der Kommunikation mit den Erzieherinnen zu geben. Zudem soll durch diese Treffen die Kommunikationsfähigkeit der Mütter auf der deutschen Sprache verbessert werden. Das u.a. durch das BAMF
mitfinanzierte Projekt läuft vorerst bis Juli 2016.
Da Bildung ein bedeutender Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe darstellt, ist es wichtig, die Eltern als Partner im Erziehungs- und Bildungswesen zu gewinnen. Damit sie besser
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an der Bildungsbiographie ihrer Kinder mitwirken können, wird zudem durch Informationsveranstaltungen und Workshops dem teilweise fehlenden Systemwissen entgegengewirkt.
Die Veranstaltung "Grundschule – was dann?" hat zum Ziel, Eltern mit Migrationshintergrund (bei Bedarf auch auf ihrer Muttersprache) zusätzliche Informationen zu den verschiedenen Schularten sowie dem anstehenden Wechsel auf die weiterführende Schule zu geben
und Fragen zu beantworten. Sie wird jedes Jahr im Januar angeboten.
Zur Förderung der Elternbeteiligung an Schulgremien lädt die Stadt Filderstadt in Kooperation mit der Elternstiftung Baden-Württemberg jedes Jahr im Herbst interessierte Eltern (mit
Migrationshintergrund) zu einer einführenden Schulung für Elternvertreterinnen und Elternvertreter ein, bei der u.a. Informationen zu Rechten und Pflichten sowie Möglichkeiten
der Mitgestaltung aufgezeigt werden. Ziel ist, möglichst viele Eltern mit Migrationshintergrund für die Aufgabe des Elternvertreters bzw. der Elternvertreterin zu gewinnen, um die in
den Schulen vorhandene kulturelle Vielfalt auch in den Gremien widerzuspiegeln.
Für Eltern ausländischer Herkunft, die Unterstützung und Beratung in Erziehungs- und Bildungsfragen ihre Kinder betreffend suchen, stehen zudem durch Integra e.V. ausgebildete
Elternlotsinnen und -lotsen zur Verfügung. 2016 sollen in Kooperation mit der Integrationsbeauftragten weitere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren anderer Herkunftssprachen
(u.a. Arabisch) qualifiziert werden.
Des Weiteren nahmen Ende 2015 die Filderstädter Schulsozialarbeiterinnen und arbeiter an dem Fachtag „Traumapädagogischer Umgang mit traumatisierten Kindern
und Jugendlichen in der Schule“ teil.
16.1.2 Sprache
(vgl. hierzu auch Kapitel 10 – Deutschkurse an der Volkshochschule)
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge wie auch Asylbewerber und Geduldete mit guter
Bleibeperspektive (d.h., die aus einem Herkunftsland stammen, das eine Schutzquote von
über 50 Prozent aufweist, also Syrien, Irak, Iran, Eritrea) dürfen einen Integrationskurs besuchen. Um auch all den anderen in Filderstadt lebenden Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerber (u.a. aus Afghanistan und Pakistan) die Möglichkeit zu geben, die
deutsche Sprache schnellstmöglich zu erlernen, bietet u.a. der Arbeitskreis Asyl Filderstadt
sprachliche Unterstützungsangebote an.
Von städtischer Seite besteht weiterhin das Angebot „Wir trinken Tee und sprechen
Deutsch“, in dem sich derzeit vier Frauen (mit Migrationshintergrund) in zwei Gruppen engagieren, um zweimal pro Woche ein kostenloses, niederschwelliges Sprachtraining für zugewanderte Frauen, die die deutsche Sprache erlernen möchten, anzubieten. Bei diesen
Treffen steht vor allem die Alltagskommunikation in der deutschen Sprache sowie die Orientierung im neuen Lebensumfeld im Vordergrund. Zu diesem Angebot können die Frauen
auch ihre kleinen Kinder mitbringen.
Das Angebot „Wir kochen gemeinsam und sprechen Deutsch“ dient neben dem Kennenlernen und Austausch vor allem auch dem Erwerb bzw. der Verbesserung der Kommunikation in der deutschen Sprache. Migrantinnen aus unterschiedlichen Herkunftsländern
treffen sich in regelmäßigen Abständen, um den Anlass des gemeinsamen Kochens zu nutzen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen.
16.1.3 Sport
Sport ist ein sehr wichtiger Bestandteil im Integrationsprozess. Er fördert die Begegnung von
Personen unterschiedlicher Herkunft, schafft Verständigung auch über Sprachgrenzen hinweg und baut wechselseitige Vorurteile im gemeinsamen Erleben ab. Außerdem vermittelt
er Werte wie Regelakzeptanz, Fair Play und Teamgeist.
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Neben dem schon im zweiten Jahr beim TSV Sielmingen erfolgreich laufenden Pilates-Kurs
für Frauen unterschiedlicher Herkunft, startete im September 2015 ein Mutter-KindSchwimmkurs, an dem insgesamt sieben Kinder, vier Mütter und eine Großmutter teilnahmen. Nach dem Motto „Gleiches wo möglich, Besonderes wo nötig“, wurden die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, um muslimischen Frauen und ihren Kindern die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Wasser vertraut zu machen und schwimmen zu lernen. So
wurde u.a. eine Übungsleiterin mit dem Kurs beauftragt, darauf geachtet, dass das Bad
während der Kurszeiten nicht von Männern besucht wurde und zudem von außen nicht einsehbar war. Aufgrund der positiven Resonanz dieses in Kooperation mit der Sportgemeinschaft Filderstadt e.V. und dem Landessportverband durchgeführten Kurses von zehn
Übungsstunden, ist geplant, auch in 2016 erneut einen Schwimmkurs für (muslimische)
Frauen anzubieten. Das Ziel dieser niedrigschwelligen Angebote besteht darin, Mädchen
und Frauen mit Zuwanderungsgeschichte durch den gezielten Abbau von Teilnahmebarrieren dafür zu gewinnen, aktiv Sport zu treiben, sie an den Vereinssport heranzuführen und
dadurch den Anteil von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im organisierten
Sport zu erhöhen. Zahlen belegen, dass bei verhaltensbedingten Erkrankungen wie der
Adipositas insbesondere Migrantinnen ab 45 Jahren stark betroffen sind.
16.1.4 Begegnung
Für die Aufnahmegesellschaft ist das Zusammenleben mit zunächst unbekannten Menschen
aus fremden Kulturkreisen, die andere Lebensweisen mitbringen und meist die deutsche
Sprache noch nicht sprechen, in der Regel mit Sorgen und Ängsten verbunden. Ob das Zusammenleben von einheimischer und zugewanderter Bevölkerung gelingt, entscheidet sich
in erster Linie dort, wo die Menschen leben und arbeiten. Allein die Vermittlung von Wissen
über den anderen reicht nicht aus, um Vorurteile abzubauen. Es muss auf den direkten, persönlichen Austausch gesetzt werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erhalten
bzw. zu verbessern.
Eines der wichtigsten Feste Filderstadts, die dieses Ziel verfolgen, ist das alle zwei Jahre
stattfindende Interkulturelle Filderstädter Familienfest. In diesem Rahmen stellen sich
Filderstädter Vereine, Institutionen und Gruppierungen vor und laden mit vielfältigen Angeboten zum Mitmachen ein. Neben kulturellen Darbietungen sowie internationalen Speisen
und Getränken gibt es ausreichend Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich
kennenzulernen und sich über die Arbeit der (sowie die Mitarbeit in den) teilnehmenden
Vereine (oder auch dem Forum Interkulturelles Miteinander) zu informieren.
Auch das interkulturelle Boule-Turnier, das in Kooperation mit der Boule-Abteilung des
TSV Plattenhardt am 3. Sonntag im Juli jeden Jahres stattfindet, sowie das Fest der Nachbarn, das jedes Jahr im September die Bürgerinnen und Bürger der fünf Stadtteile zum Beisammensein einlädt, bieten wichtige Begegnungsmöglichkeiten in Filderstadt. Letzteres hat
zum Ziel, über die Förderung einer guten Nachbarschaft zum friedlichen und sozialen Miteinander und somit zum Zusammenhalt der Stadtgesellschaft beizutragen.
Ein weiteres Fest, das den Dialog zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit und ohne
Migrationshintergrund intensivieren und verbessern möchte, ist das Begegnungsfest, das
seit 2002 einmal im Jahr begangen wird. Unter dem Motto „Menschen bauen Brücken zwischen den Religionen“ feiern Menschen unterschiedlichen Glaubens dieses Fest, um miteinander ins Gespräch zu kommen und mehr über die religiösen Inhalte, Werte und Rituale
der anderen zu erfahren. Dies soll zu einem verständnisvolleren, respektvollen und friedlichen Miteinander in unserer Stadt beitragen. Um die Akzeptanz und den Respekt vor den
religiösen Überzeugungen anderer wie auch das tolerante Miteinander zu stärken, wird zudem auf die Pflege des interreligiösen Dialogs im Rahmen eines regelmäßig stattfindenden
Gesprächskreises gesetzt, an dem die christliche Kirchen wie auch die muslimischen Religionsgemeinschaften Filderstadts aktiv teilnehmen.
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Auch der interkulturelle Garten in Sielmingen bringt Personen unterschiedlicher Herkunft
über verbindende Interessen, z.B. das Gärtnern, zusammen.
Des Weiteren organisiert der Arbeitskreis Asyl Filderstadt in Kooperation mit der Stadtverwaltung das alljährlich an der Gemeinschaftsunterkunft in Sielmingen stattfindende Sommerfest, das darauf setzt, durch Begegnung Berührungsängste wie auch Vorurteile ab- und
Kontakte aufzubauen.
16.1.5 Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
Im Herbst 2014 bekam die Stadt Filderstadt als bundesweit erste Kommune das Zertifikat für
"Interkulturelle Öffnung" des Instituts für interkulturelle Management- und Politikberatung
(imap) verliehen.
Um den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Stadtverwaltung weiter zu
erhöhen - um letztendlich als Spiegelbild der Filderstädter Gesellschaft gelten zu können -,
wird beispielsweise verstärkt bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund für die jährlich
stattfindende Informationsveranstaltung zu den Ausbildungsberufen bei der Stadtverwaltung geworben. Ziel dieser Veranstaltung ist, sie über Ausbildungsmöglichkeiten und voraussetzungen zu informieren und ihnen bewusst zu machen, welche Perspektiven der öffentliche Dienst seinen Beschäftigten bietet. Im Einstellungsverfahren wird die interkulturelle
Kompetenz als wichtige zusätzliche Qualifikation gesehen und, gemeinsam mit der sprachlichen Kompetenz, angemessen berücksichtig.
Da es sich bei der Interkulturellen Öffnung um eine gesamtstädtische Aufgabe handelt, an
der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung beteiligt sind, wird viel Wert darauf
gelegt, einen Wissens- und Kompetenzerwerb bzw. -zuwachs bei allen Beschäftigten zu erreichen, um die Wertschätzung von Vielfalt sowie die Kommunikationsfähigkeit (und somit
die Kundenfreundlichkeit) im Umgang mit der vielfältigen Gesellschaft zu fördern. Daher
werden jedes Jahr hausinterne Schulungen zum Thema interkulturelle Sensibilisierung
bzw. zur interkulturellen Kommunikation angeboten.
Darüber hinaus bietet die Stadtverwaltung mehrsprachiges Informationsmaterial an und
verfügt über einen gut aufgestellten Dolmetscher-Pool, der derzeit über 30 Personen und
20 Sprachen (u.a. Arabisch, Dari, Farsi, Urdu, Kurdisch, Amharisch, Tigrinya, Rumänisch)
umfasst.
16.1.6. Willkommens- und Anerkennungskultur
Grundlage einer Willkommens- und Anerkennungskultur ist der gleichberechtigte Zugang aller zu allen gesellschaftlichen Bereichen (Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Wohnraum,
Gesundheitsversorgung, Kultur, politische Partizipation). Mit dem Leitsatz der Stadt Filderstadt, der im Rahmen einer Zukunftswerkstatt des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes
im Jahr 2011 erstellt wurde, wird deutlich, dass Filderstadt in der Vielfalt der Kulturen, Ethnien, Sprachen und Religionen eine Bereicherung sieht und die sozialen, kulturellen und
ökonomischen Potenziale und Leistungen der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund anerkennt:
"Filderstadt ist eine ethnisch, kulturell und religiös vielfältige Gesellschaft.
Alle Bürgerinnen und Bürger gehen respektvoll miteinander um, bemühen
sich um Offenheit, Verständnis und Verständigung und lernen voneinander.
Die Stadt Filderstadt fördert die chancengerechte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.
Sie ermöglicht allen Filderstädterinnen und Filderstädtern ihre Chancen und Potenziale zur
Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens zu nutzen."
Ein sehr gutes Beispiel hierfür stellt das 2004 gegründete Forum Interkulturelles Miteinander (FIM) dar, das monatlich zusammenkommt, um die Kompetenzen, Sichtweisen so-
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wie das Wissen und die Erfahrung von in Filderstadt lebenden Personen mit und ohne Migrationshintergrund in die gemeinsame Gestaltung des Integrationsprozesses einzubringen.
Als wichtiger Impulsgeber und Kooperationspartner setzt sich das FIM durch die Entwicklung von Projekten, Planung von Festen und Veranstaltungen sowie die Qualifizierung durch
Sachbeiträge für die Anerkennung, Wertschätzung und Förderung der Vielfalt in Filderstadt
ein.
Da der offene, respektvolle Umgang miteinander und das Gelingen eines friedlichen und positiven Zusammenlebens in Filderstadt von der Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger abhängt, wird neben zahlreichen Begegnungsmöglichkeiten, bei denen Information und Austausch im Vordergrund stehen, u.a. auch viel Wert auf die Vernetzung und Weiterqualifizierung gelegt. So wird beispielsweise im Februar 2016 eine eintägige Schulung zum Management von Projekten, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert werden
können, und im Herbst 2016 ein Workshop zur Qualifizierung in der Vereinsarbeit, für
Migrantenselbstorganisationen angeboten, um das (ehrenamtliche) Potenzial der Personen
mit Migrationshintergrund durch Professionalisierung zu fördern. Des Weiteren bieten
Workshops zum Thema "Umgang mit Mehrsprachigkeit" (Oktober 2015) sowie das sich
daraus entwickelnde Netzwerk Mehrsprachigkeit Möglichkeiten des Austausches und der
Entwicklung von Ideen zur Würdigung der Herkunftssprache sowie der Wertschätzung von
Mehrsprachigkeit als Bestandteil einer weltoffenen Gesellschaft.
16.2. Weiterbildung, Kunst und Kultur
In allen Einrichtungen von Amt 43 herrscht eine weltoffene Atmosphäre in denen Menschen
anderer Herkunft, Muttersprache oder Religion willkommen sind. Dies spüren die Menschen
und wissen die Offenheit zu schätzen.
Volkshochschule
Die Volkshochschule hat – neben den zahlreichen Deutschkursen – verschiedene Veranstaltungskonzepte zur Integration im Angebot. Generell findet in jedem VHS-Kurs Integration
statt, schlicht über das gemeinsame Tun. Ob es sich dabei um Kurse der Gesundheitsbildung, den Kreativbereich oder die Allgemeinbildung handelt ist nachrangig. Konkret hat die
VHS gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten, Frau Scheubert, im Dezember einen langen Informationsabend für in der Flüchtlingshilfe aktive Menschen angeboten, der mit
rund 80 Besuchern eine beachtliche Nachfrage erzeugte. Auch ein aktuell geplanter Arabisch-Kurs hat schnell großes Interesse gefunden. Ziel dieses Kurses ist nicht das Erlernen
der arabischen Schriftzeichen oder der komplexen Grammatik. Ziel ist vielmehr in kurzer
Zeit gängige Redewendungen und Grußformeln zu lernen, die es uns erlauben, arabisch
sprechende Flüchtlinge in ihrer Sprache bei uns Willkommen zu heißen.
Kunstschule
Die Kunstschule ist traditionell für ihren integrativen Charakter bekannt. Exemplarisch zu
nennen ist das Projekt „Essen und Kunst“. Für ein weiteres ab Februar 2016 geplantes
Theaterprojekt mit Flüchtlingskindern an der Gotthard-Müller-Schule wurde dieser Tage
ein Landeszuschuss gewährt, sodass das Projekt auf die ebenfalls interessierte Wielandschule ausgeweitet werden kann. Flüchtlingskinder und Kinder mit und ohne Migrationshintergrund werden über sechs Monate, betreut durch eine Theaterpädagogin, ein Theaterstück erarbeiten und einstudieren und am Ende der Öffentlichkeit vorführen. Der Druck der
Premierenplakate wird durch die Kinder im Rahmen eines Siebdruckworkshops erfolgen.
Weitere Projekte für und mit Flüchtlingen sind in Vorbereitung. Noch nicht finanziert, aber
fertig geplant ist beispielsweise der Bau von öffentlichen Bücherschränken mit Flüchtlingen in den verschiedenen Ortsteilen.
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Stadtbibliothek
Asylbewerber, die den Filderstädter Familienpass 1.2. besitzen, bekommen einen kostenlosen Bibliotheksausweis.
Desweiteren ist gerade für Flüchtlinge die Nutzung des kostenlosen WLAN in der Bibliothek von großer Bedeutung. Flüchtlinge können die Lese- und Arbeitsplätze nutzen, Selbstlern-Deutschkurse leihen, Romane in einfacher deutscher Sprache lesen, Führungen durch
die Bibliothek wahrnehmen oder Spielfilme leihen, die in verschiedenen Sprachen angeschaut werden können. Speziell für Kinder bietet die Bibliothek zahlreiche Kindermedien, die
die Integration erleichtern und die Sprachbarriere abbauen.
Musikschule
Neben dem vielleicht bekanntesten Beispiel – dem interkulturellen Ensemble – bietet die
Musikschule die großartige Gelegenheit, Integration durch gemeinsames Musizieren zu
gestalten. Unabhängig von einer Sprachbarriere gelingt sehr schnell die Schaffung einer
gemeinsamen Basis. Insbesondere für die Kinder von Flüchtlingen können hier wertvolle
Angebote konzipiert werden. Ein weiteres Plus in diesem Zusammenhang: Sprachförderung über Musik gelingt ungleich leichter und schneller!
16.3 Genderaspekte
Die Maßnahmen werden sich im Einzelnen an die Zielgruppe – sei es geschlechts-, altersund kulturspezifisch – orientieren und von niederschwelligen bis zu ausdifferenzierten Angeboten geprägt sein. Wie zum Beispiel:
in den Freizeitgestaltungen, bei sportlichen Aktivitäten, bei der Berücksichtigung eines Patenprogramms, besonderen Bildungsmaßnahmen, geschlechtsspezifischen Angeboten oder
insbesondere eines Teilhabeprojektes für Frauen.
17. Dialog zur Wohnraumschaffung, Integration und Stadtentwicklung
17.1 Masterplan Flüchtlinge und sozialer Wohnungsbau als Grundlage für die
Fortschreibung des FNP / Landschaftsplanes und des räumlichen
Entwicklungsleitbildes
Der Dialog zur Wohnraumbeschaffung ist als Grundlage für die Formulierung des räumlichen Entwicklungsleitbilds sowie als Teil des ISEK als auch des FNPs und des Landschaftsplanes zu sehen. Hier ist vor allem der Beteiligungsprozess angesprochen. Die Inhalte hierzu werden von den Fachämter eingespeist bzw. sind diese auch federführend verantwortlich. Die inhaltliche Umsetzung erfolgt über die Fortschreibung des FNP/Lapla und über
Bebauungspläne oder andere anderen Fachpläne (siehe Punkt 4).
17.2 Planung für 2016
Strategiegipfel (Stufe 1)
Schwerpunktthema: „Flüchtlinge | sozialer Wohnungsbau“
nichtöffentlich
Frühsommer 2016
GR, Verwaltung und Akteure; Schwerpunkt Flächenentwicklung
Vertreter der Landwirtschaft, der Grundstücksbesitzer, der Investoren, des Naturschutzes.
Stadtkonferenz (Stufe 2)
Thema: „Flüchtlinge | sozialer Wohnungsbau | Integration | Dialog“
Öffentlich; mit den TN der Stufe 1 als aktive Partner die Konferenz gestalten
Herbst 2016
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Vorbereitungsgruppe einrichten (der erste Schritt)
Jeweils eine Vorbereitungsgruppe aus GR, Verwaltung und Bürgerschaft
Ziel (definieren)
Stadtentwicklung insgesamt neu denken
bisherige Ziele (Leitbilder /strategische Ziele in obiger Hinsicht) überdenken /anpassen
Integriert und dialogisch die Stadt weiterentwickeln
18. Finanzierung
Im Jahr 2016 sind für den Ausbau von Flüchtlingsunterkünften bislang 5,2 Mio. Euro an Investitionsauszahlungen eingeplant. In der Fortschreibung des Doppelhaushalts 2016/2017
wurden für den Neubau von Wohnungen an zwei Standorten nochmals 5 Mio. Euro in den
Finanzhaushalt aufgenommen. Für fünf weitere Flüchtlingsunterkünfte wurden 10 Mio. Euro
zusätzlich finanziert. Die damit korrespondierenden unmittelbaren Folgekosten wurden vereinfacht und pauschal ermittelt und eingearbeitet.
Bislang ist im Jahr 2016 eine Kreditaufnahme von 6 Mio. Euro eingeplant. Allein die bislang
vorgenommene Fortschreibung wird zu einer deutlichen Erhöhung der Kreditaufnahme und
in den Folgejahren zu einer laufenden Belastung des Haushalts durch den Schuldendienst
führen.
Durch die in dieser Tischvorlage aufgezeigten Dimensionen der von der Stadt Filderstadt zu
leistenden Anschlussunterbringung von Flüchtlingen und den damit verbundenen Anstrengungen, eine sinnvolle Integrationsarbeit für Erwachsene, Einzelpersonen und Familien mit
Kindern leisten zu können, wird der Haushalt der Stadt Filderstadt durch weitere, insbesondere laufende Aufwendungen im Personalbereich, belastet.
Auch angesichts des massiven Erfordernisses weitere Flüchtlingsunterkünfte zu erstellen,
scheinen die für 2016 im Landeshaushalt vorgesehenen Fördermittel von 30 Mio. Euro für
ganz Baden-Württemberg viel zu knapp bemessen zu sein. Es muss hervorgehoben werden, dass Investitionszuschüsse in Höhe von 20 % bis 25 %, die für Investitionen in Wohnraum zur Unterbringung der Flüchtlinge, für Schulumbauten oder –erweiterungsbauten oder
evtl. notwendigen Neubauten von Kinderbetreuungseinrichtungen von Bund oder Land gewährt werden, bei weitem nicht ausreichen werden, um die investiven Belastungen von Filderstadt und aller anderen Kommunen aufzufangen.
Auch die derzeitigen Zuweisungen des Landes für den laufenden Betrieb sind bezüglich ihrer Höhe nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der in dem bislang gewährten Ausmaß nur
einen Bruchteil der anfallenden Folgekosten decken wird. Ohne massive Erhöhung der Förderung von Bund und Land wird Filderstadt, wie auch alle anderen Kommunen, diese Aufgaben nicht bewältigen können. Ohne die deutliche Erhöhung der Förderprogramme droht
den Kommunen die Zahlungsunfähigkeit. Von einer intergenerativen Gerechtigkeit braucht
in diesem Zusammenhang überhaupt nicht mehr gesprochen werden.
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