THEMA Ganz schön nachhaltig I N D U S T R I E B A U T E N Immer mehr Architekten verstehen «Ökologisches Bauen» als integralen Teil ihrer ­Arbeit. Zwei Beispiele zeigen, dass Schönheit, Nutzen und Nachhaltigkeit in der modernen Industrie- und ­Gewerbearchitektur kein Widerspruch sein müssen. TEXT INÈS DE BOEL Kürzer werdende Produktlebenszyklen und ein verstärkter globaler Wettbewerb stellen Industriebetriebe vor neue Herausforderungen. Auch das Fabrikgebäude wird zu einem relevanten Wettbewerbsfaktor, da es massgeblich dazu beiträgt, wie der Industriebetrieb auf veränderte Anforderungen reagieren kann und welche Investitionen dafür erforderlich sind. Ein entscheidender Faktor hierbei sind die Kosten über den Lebenszyklus des Gebäudes. Firmen lassen sich bei ihren Investitionsentscheidun­gen nicht nur vom Faktor Rentabilität leiten, sondern setzen sich auch zunehmend mit dem Thema der «ökologischen Nachhaltigkeit» auseinander. So tragen Architekten immer öfter dem Wunsch von Bauherren Rechnung, im gewerblichen Bereich ökologisch und kostengünstig in Herstellung und Unterhalt zu bauen. Neben dem Aspekt, die 10 l ZHKMU l Nr. 4 l 2016 l Natur für unsere und künftige Generationen zu erhalten, können Ressourcen mit wirksamen architektonischen Konzepten effizient genutzt werden. Der Trend, nach umweltfreundlichen Gesichtspunkten zu bauen, hat sich in den letzten Jahren vor allem bei Gewerbebauten noch verstärkt. Dass industrielle Gebäude darüber hinaus auch noch schöne Architektur in sich vereinen können, sollen nachfolgend zwei verschiedene Beispiele aus der Praxis veranschaulichen. Beide Projekte wurden vom Architekturbüro «HZDS Architektur für die Arbeitswelt» geplant und realisiert. Sie erfüllen immer die drei Kriterien: Nützlichkeit, Nachhaltigkeit und Schönheit. Heimisches Holz und viel Tageslicht Mit der Produktionshalle und dem ­in­­tegrierten Verwaltungsbau der Esch­ bal AG, einer Herstellerin von Komponenten und Systemen für den Fensterbau, ist ein modernes und zeitloses Gebäude von schlichter Schönheit entstanden. Den Bauherren war es sehr wichtig, ökologisch zu bauen – trotz des hohen Kosten- und Zeitdrucks. Ein ­weiteres Ziel war es, den Bau sowohl den neuen Bedürfnissen als auch hinsichtlich einer möglichen Umnutzung anzupassen. Gelungen ist dies mit Hilfe des Dachs der Produktionshalle, das mit einer Grundfläche von 40 mal 40 Metern und einer Höhe von sechs Metern auf nur Bilder: zVg vier baumartigen Stützen ruht. Somit können die Produktionshalle und das Bürogebäude – obwohl zusammengebaut – unabhängig voneinander erweitert werde­n, und ermöglichen eine flexible Nutzung. Der Clou: Die meiste Zeit im Jahr kann ohne Kunstlicht gearbeitet werden. Streifen- und Punktoberlichter sorgen nämlich für gleichmässiges Tageslicht in der Halle. Beim Bau sind überwiegend erneuerbare und einfach wiederverwendbare Materialien verarbeitet worden. Das Heizsystem mit Holzpellets als erneuerbare Ener­gie­ quelle sorgt für die Wärmeerzeugung. Nicht nur nachhaltig, sondern auch gleichzeitig schön zeigt sich dem Be­trachter die Aussenfront des Gebäudes. Nachwachsende Rohstoffe – hier aus heimischer Weisstanne – verschaffen ihr einen ebenso langlebigen wie typischen Charakter. Und ab geht die Post! Innen ­natürlich ­belichtet und belüftet, ­aussen schwungvoll: Das ­Logistikzentrum Post in ­Wädenswil. l ZHKMU l Nr. 4 l 2016 l 11 THEMA Reduzierte Form- und Farbwahl Die Planer standen vor der Aufgabe, ein Logistikzentrum für die Post zu entwerfen. Das Gebäude sollte zwei eigenständige Postbereiche mit gemeinsamen Schulungs- und Aufenthaltsräumen unterbringen. Gar nicht so leicht: Denn die beiden Bereiche PostMail (Briefe) und PostLogistics (Pakete) stellten hinsichtlich Raumbedarf, Flächen und Logistik nicht nur ganz unterschiedliche Anforderungen, sondern sollten ebenso bei Bedarf die Kapazitäten erweitern können. Im Ergebnis präsentiert sich dem Betrachter ein futuristisches, innovatives und sehr dynamisch wirkendes Bauwerk, das sich mit seiner ausgefallenen Grundform und den grossen zusammenhängenden Flächen – sowohl in Höhe wie Breite – in vielfältiger Weise gewerblich nutzen lässt. Obwohl jeder Bereich dank vertikaler Trennung separat funktioniert, kann die Nutzfläche jederzeit horizontal und vertikal verdoppelt werden. Interessant ist auch hier das Energiekonzept der Architekten. Sie nutzen einen saisonalen Felsspeicher, der mit Hilfe von Erdsonden effizient die Einlagerung und Entnahme der gespeicherten Wärme steuert. Das Resultat: Der Elektrizitätsbedarf der Wärmepumpen wird dadurch um 30 Prozent verringert. Im Übrigen sind alle Räume natürlich belüftet und belichtet. Besonders hervorzuheben ist der schlichte Baukörper, der durch die reduzierte Farbgebung in warmen Erdtönen und den umlaufenden Chromstahlbändern der ins Auge stechenden Lammellenfassade einen schwungvollen Ausdruck verleiht. Produktionshalle und Verwaltungstrakt der Eschbal AG in Seuzach: Ökologische Baustoffe schaffen eine gute Arbeitsumgebung. HZDS AG Architektur für die Arbeitswelt HZDS sind Architekten und Generalplaner. Das Team mit zwölf ­Mit­arbeitenden plant und realisiert Bauten für die Arbeitswelt, die n ­ achhaltig, funktionell und schön sind. www.hzds.ch. 12 l ZHKMU l Nr. 4 l 2016 l Schönheit im Industriebau Schönheit ist gut für die Psyche. Wir Ist ein schöner Industriebau nicht glauben daran, dass es Menschen besreiner Luxus? ser geht, wenn sie von schönen Dingen Heinz Zimmermann Leider gelten umgeben sind. Wenn Mitarbeitende Gewerbe- und Industriebauten als das Gebäude, in dem sie arbeiten, Zweckbauten, die nicht schön sein als schön empfinden, entwickeln sie müssen: Sie sollen keine Prunkbaueinen gewissen Stolz. Diese positive ten sein. Dagegen gibt es zweierlei Identifikation ist gut für die Arbeitsleiseinzuwenden. Erstens: Alles, was gebaut wird, ist Zweckbau – vom tung und die Gesundheit. Wer sich in Kunstmuseum übers Schulhaus bis seiner Arbeitsumgebung wohlfühlt, ist zum Einfamilienhaus. Ein Gebäude ist motivierter und produktiver, weniger immer eine Hülle für eine bestimmte anfällig für Krankheiten etc. Schönheit Nutzung. Und die wird vom Bauherrn zahlt sich also auch auf dieser ökonofestgelegt. Das Gebäude mischen Ebene aus. Lichtist dann gut, wenn es führung und der Umgang funktioniert und seinen mit Tageslicht gehören zu Zweck erfüllt. Das allein diesem Schönheitsempfinaber genügt im 21. Jahrden, aber auch der erlebbare Bezug zum Aussenhundert nicht mehr. Ein raum. Für die Kundschaft Gebäude muss auch schön wird der Besuch in einem und nachhaltig sein. Zweitens: Schöne Bauten attraktiven Gebäude zum sind nicht teurer, nur besErlebnis, während neue Mitarbeitende und Kunden ser gestaltet. durch ein schönes ÄusseHeinz Zimmermann, Bringen schöne Gebäude Dipl. Architekt ETH/SIA, res auf ein Unternehmen denn einen konkreten ist geschäftsführender aufmerksam werden. Nutzen? Partner bei HZDS AG. Natürlich gibt es SkepDie Architekten und Was sind die VorausGeneralplaner bauen setzungen für schöne tiker, die den Nutzen nachhaltige Projekte Bauten? und die Leistung von für Industrie und Je klarer die Wünsche und Schönheit hinterfragen. Gewerbe. Vorgaben des Bauherrn, Doch Schönheit ist noch desto besser. Diese Wünauf ganz andere Art und Weise nützlich. Denn sie ist nie bloss sche nehmen wir hundertprozentig visuell oder äusserlich, sondern ernst. Wie ich die Vorgaben aber immer auch innerlich und emotional. umsetze, liegt kraft meiner architektoSchönheit hat mit Haltungen und Wer- nischen Kompetenz allein bei mir. Ich kann der Schönheit nur Raum geben, ten zu tun. Darum bedingt Schönheit heute Nachhaltigkeit. Ich würde Nach- wenn der Bauherr mir diese Freiheit zugesteht. Deshalb spielt er bei einer haltigkeit sogar als die Ethik unserer schönen Lösung eine zentrale Rolle Zeit bezeichnen. Hier geht es mir und trägt entscheidend zum Projekbesonders um die soziale Dimension der Nachhaltigkeit, die ganz konkret terfolg bei. Die ideale Bauherrschaft den Menschen betrifft. macht uns klare, präzise Vorgaben, lässt uns aber bei der Umsetzung Inwiefern ist Schönheit auch bei grosse Freiheit. Das sind die besten Gewerbebauten wichtig? Bedingungen, um Schönheit zu bauen.