Lokales S A/ S O/MO, 01./02 . / 0 3 . OKT OB E R 201 6 17 Neues Leben für ein altes Haus: „Die Drogerie“ am Eingang zur Senftenberger Innenstadt ist nach historischem Vorbild liebevoll saniert und erweitert worden. Ein modernes Restaurant mit gesunder Frische-Küche folgt einer Legende. „Lebensmittel sind eine Sache des Vertrauens" Steffen Hofmann (53) aus Senftenberg setzt mit „Die Drogerie” auf regionale Produkte Ein Senftenberger Traditionshaus wird zu neuem Leben erweckt. Mit Genuss. Denn Steffen Hofmann (53), Gastronom mit Leib und Seele, will „Die Drogerie“ mit einer frischen regionalen Küche zum modernen Gasthaus mit altem Charme machen. Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Kochen? Das kann ich gar nicht sagen. Ich bin weder familiär vorbelastet, noch kann ich mich an einen besonderen Einfluss auf mich erinnern, in dem mein Berufswunsch begründet liegen könnte. Ich hatte ihn einfach schon immer. Nur meine Oma hat’s natürlich noch eher gewusst. Bei ihr habe ich als Kind vor allem in den Ferien gern und viel Zeit verbracht. Als ich am Herd mit lockerer Hand meine erste Götterspeise angerührt habe, hat sie gesagt: Junge, du wirst mal Koch. Und ich wurde es in der Tat. In einer Zeit, in der dieser Beruf hier zu Lande als weniger attraktiv galt. Von meinen Freunden und Mitschülern hat das damals auch keiner verstanden. Die meisten von ihnen wollten in den Bergbau, Geld verdienen. Für mich aber war das nichts. Ich hatte nur einen Traumberuf. Als Alternative zum Koch habe ich in der Schule zwangsweise Friseur angegeben. Denn etwas Kreatives musste es sein. Aber ich habe in der Mitropa zum Glück bei einem grandiosen Lehrmeister, Fritz Hemmann, gründlich Kochen lernen dürfen. Zur rein französischen Küche habe ich damals auch meine Prüfung abgelegt. Französische Küche in der Bahnhofsgaststätte – für den gelernten DDR-Bürger klingt das absurd. Die gehobene französische Küche (Haute Cuisine) gilt in unseren Breitengraden nach wie vor als die am weitesten entwickelte Art der Zubereitung von Speisen und der Tischkultur. Auf die Grundlagen greife ich bis heute immer wieder zurück. Fonds und Brühen, Gulasch und andere deftige Gerichte koche ich nach wie vor so, wie ich das damals in den Mitropa-Küchen in Lübbenau und Cottbus, übrigens ein Restaurant der Preisstufe S (höchste in der DDR vergebenen Preiskategorie), und in der Raststätte Freienhufen gelernt habe. Fertiggerichte gab es nicht. Wenn Kroketten auf die Teller kommen sollten, haben wir 1000 Stück per Hand gerollt und paniert – ganz frisch und lecker serviert. Ist das heute überhaupt noch zu schaffen? Sicher, nur anders als früher. Die Küche hat sich verändert, sie ist wesentlich technischer geworden. Ständige Veränderungen und die Suche nach Neuem machen die Gastronomie ja so interessant. Ich habe aber auch viele Entwicklungen miterlebt, die für den Genuss und vor allem auch eine gesunde Ernährung verzichtbar sind. Die Molekularküche beispielsweise. Hier wird auf biochemische und physikalischchemische Prozesse beim Kochen gezielt Einfluss genommen, um mit gewünschten Konsistenzen ein bestimmtes Mundgefühl zu erzeugen und durch Aromaextrakte den Geschmack zu verstärken. Das ist nicht mein Ding. Ich will eine klare, ehrliche Küche mit richtig gutem Essen. Das heißt konkret? Wir werden frisch und gesund kochen – und das mit so vielen regionalen Zutaten wie möglich. Die woher kommen? Unser Rindfleisch werden wir zum Teil von Holger Gehm aus Laubusch beziehen. Die Welsh Black grasen ganzjährig auf naturbelassenen Weiden und geben Fleisch von bestem Aroma mit feinster Faser und ausgewogener Fetteinlagerung. Die Qualität des Welsh Black-Fleisches hat dem Englischen Roastbeef seinen legendären Weltruf beschert und zählt auch zu den begehrtesten Beefsorten von Spitzenköchen. Hier wird es ganz in der Nähe produziert. Auch Wild werden wir aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Alt Laubusch erhalten. Aus Ogrosen holen wir Geflügelfleisch und Ziegenkäse. Der Geflügelhof Mario Steinert in Niesky ist ein weiterer Partner. Gemüse und Eier kommen vom Bauernhof Domanja aus Wittichenau. Kartoffeln, Möhren, Poree, Zwiebeln, Sellerie und Äpfel sind ganzjährig vom heimischen Produzenten zu haben. Ich habe mir die Höfe alle selbst angesehen. Das Wissen und die Energie, mit der die Leute hier arbeiten, haben mich tief beeindruckt. Wir bekommen beste Produkte. Auch von den heimischen Fischern. Lebensmittel sind eine Sache des Vertrauens. Und das ist hier bei jedem Lieferanten garantiert. Davon und auch von weiteren Möglichkei- Steffen Hofmann aus Senftenberg ist Gastronom mit Leib und Seele. ten, saisonal frisch einzukaufen, habe ich mich über Wochen bei allen überzeugen können. Die Gärtnerei „Kleiner Waschbär“ in Laubusch ist auch offen für Neues, würde für uns Kresse und weitere Kräuter über das eigene, schon sehr umfangreiche Sortiment hinaus anbauen. „Ich will eine klare, ehrliche Küche mit richtig gutem Essen.“ Steffen Hofmann Normalerweise arbeiten Gaststätten mit sechs bis acht Lieferanten. Wir werden 20 bis 30 haben, um etwa zur Hälfte ausschließlich mit Zutaten aus der Region kochen zu können. Das ist ein großer Aufwand. Aber wir haben Produkte, von denen wir genau wissen, woher sie kommen. Das will der Gast übrigens zunehmend auch wissen. Profitieren Sie vom großen Trend zur gesunden Ernährung? Als Trend sehe ich das eigentlich gar nicht. Ich freue mich darüber, dass das Bewusstsein für gute Lebensmittel und gesundes Essen wieder stärker in die Köpfe der Menschen einzieht. Und das ist hoffentlich von Dauer. Denn von XXL-Tellern mit Mahlzeiten, mit denen sich Gäste nur vollstopfen, halte ich überhaupt nichts. Neben der reinen Nahrungsaufnahme ist Essen schließlich Genuss und emotionales Erlebnis, Kultur und Geselligkeit. Wie soll das in der neuen Drogerie aussehen? Wir werden einen Deli-Bereich (Feinkost/Delikatessen) mit schnellen Gerichten zum Mitnehmen haben. Das ist ein Wunsch vieler Senftenberger, die vor allem in der Mittagspause frisch und gesund essen möchten. Aus der Dresdner Kaffee und Kakao Rösterei kommt unsere eigene Kaffee-Hausmarke, das dürfte hier einmalig sein. Guten Tee beziehen wir aus der Schweiz. Mit einem extra gesunden Paleo-Frühstück kann der Tag bei uns gern beginnen. Dieses am Zeitraum des Paläolithikums, der Altsteinzeit, orientierte Angebot folgt der ursprünglichen Ernährung des Menschen mit unverarbeiteten und nährstoffreichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Nüssen und Samen, Eiern und gesunden Fetten. Aber auch das täglich Brot, klassische Sauerteig-Stullen verschieden belegt von vegetarisch bis deftig, werden zu haben sein. Vegane Gerichte sind Teil unserer Karte. Denn auch dafür nimmt die Nachfrage zu. Die Gerichte werden allerdings gänzlich frei sein von ungesunden Ersatzsstoffen aus schlechten Pflanzenfetten und Geschmacksverstärkern, die tierische Produkte nachahmen sollen. Die persönliche Entscheidung zur verganen Ernährung ist meist ethisch begründet und künstlich nachgeahmter Fleischgeschmack schon allein deshalb Quatsch. Auf eine schöne Steakkarte und den klassischen Sonntagsbraten wie bei Muttern können sich die Gäste freuen. Wir werden die interessanteste Weinkarte der Lausitz haben. Und in der Cocktailbar spielen wir auch gern „Deine Platte“ – von Vinyl. Mit Chansons ist mir übrigens dabei eine Freude zu machen. Oder eher dem Barkeeper. Da bin ich den Musikgeschmack betreffend noch leicht überfragt. An der Bar werden wir international. Ein Kubaner, der selbst Musiker und ausgebildeter Tanzlehrer ist, hat sich um den Job beworben. Lazaro Danger Villar passt gut in das Team, auf das ich mich sehr freue. Welsh Black grasen ganzjährig auf Weiden bei Lauta und geben Fleisch von bestem Aroma. Foto: str1 Das es mit dem wunderschön sanierten alten Haus aber nicht leicht haben dürfte. Das Bedienen ist vor allem viel Laufarbeit. Denn es ist nicht möglich gewesen, in der Drogerie einen Aufzug einzubauen. Wein- Foto: Steffen Rasche/str1 keller, Küche und Gasträume liegen auf drei Etagen, die nur über Treppen erreichbar sind. Da sparen die Kellner das FitnessStudio? Wir haben keine Kellner, wir haben Geschmacksträger. Als ein an guter Nachbarschaft interessiertes Haus werden wir ab nächstem Jahr mit dem nahe gelegenen Vital-Fitnessstudio beim Thema „Gesunde Ernährung“ zusammenarbeiten. Denn wir können in unserer Kochschule zeigen, wie Gerichte vor- und zubereitet werden. Mit Elena Leopold haben wir übrigens auch eine ausgebildete Ernährungsberaterin im Restaurant-Team. Das beliebte „Kochen für Männer“ nehmen wir auch gern wieder ins Programm. Der lustige Abend am Herd für ein leckeres Drei- bis Vier-Gänge-Menü und süffige Weine in geselliger Runde wird ebenso wie ein Tapas-Seminar bereits angemahnt. 20 Themen vom Fisch bis zum Barbecue werden wir auch in der Kochschule mit viel Spaß gern lehren. Was verbinden Sie mit dem alten und neuen Haus „Die Drogerie“? Eher als Mutprobe als wegen des tatsächlichen Bedarfes habe ich hier die ersten Kondome gekauft. Drogerist Strotzer im weißen Kittel ist in Senftenberg eine Legende. Nachdem er lautstark nachgefragt hatte, ob es wirklich diese sein sollten, hat er die Ware diskret in Zeitungspapier eingewickelt. Für Heranwachsende war es spannend, in das Geschäft zu gehen. Der Name des Restaurants ist eine Referenz an das alte, stadtbildprägende Haus. Und ich finde es toll, dass Eigentümer Mario Klemann sich in allen Details wie den Jugendstil-Wandmalereien in der Kochschule, die erst in der Bauphase auftauchten, konsequent dafür entschieden hat, den alten Charme auch zu erhalten. In „Die Drogerie“ kommen ab Mitte Oktober hoffentlich viele Gäste gern auch mit knurrendem Magen hinein, um nach einem gemütlichen Abend bei einem guten Essen in stilvollem Ambiente mit einem zufriedenen Lächeln wieder nach Hause zu gehen. Mit Steffen Hofmann sprach Kathleen Weser. I m I nt ernet : A l l e I nt erv i ews können S i e noch ei nma l na chl esen unt er www. l r-onl i ne. de/i nt erv i ew ZUR PE RSO N .................................. Steffen Hofmann (53) aus Senftenberg ist gelernter Koch, Küchenmeister und Restaurantfachmann. Kurz vor der Wende nach einem Ausreiseantrag noch des Landes verwiesen, ist er in Lübeck und Hamburg gestrandet – 1992 aber zurückgekehrt, um in Lauta die erste eigene Gaststätte zu eröffnen. In Senftenberg ist der Gastronom mit Leib und Seele für die kulinarische Reise von spanischen Spezialitäten bis zum traditionellen knusprigen Geflügel aus der „Ho. Broilerbar“ bekannt. Wegen einer schweren Krankheit hat Hofmann die Selbstständigkeit aufgeben müssen. Nach einem Abstecher zurück ins Angestelltenverhältnis tritt er nun an, um aus einem Senftenberger Traditionshaus, der Drogerie Strotzer, eine moderne Gaststätte mit historischem Charme und frischer Küche für gesundheitsbewusste Genießer zu machen. HISTO RISC HE S HAUS .................................. Das Gebäude der Drogerie Strotzer am Jüttendorfer Anger in Senftenberg stammt aus dem Jahr 1905. 1948 hatte der stadtbekannte Drogerist das Geschäft von seinem Lehrmeister Max Hensel übernommen und bis Ende der 90er-Jahre geführt. Viele Jahre stand das Wohn- und Geschäftshaus dann leer. Jetzt ist es denkmalgerecht saniert und erweitert worden – vom Weinkeller bis unters Dach. LE SE R-AUFRUF .................................. Kennen auch Sie Persönlichkeiten, die etwas zu sagen haben? Dann schlagen Sie uns Gesprächspartner vor: Lausitzer Rundschau, Straße der Jugend 54, 03050 Cottbus, oder per E-Mail an die Adresse: [email protected]