Das Salz der Erde und des Himmels Die Rückkehr der Jedi

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095-047
FILM
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häufigen Lacher lassen jeweils vermuten, dass die
zu sexueller Enthaltsamkeit während der Reise
verpflichteten Salzmänner sich an den erotischen
Anspielungen ergötzen, wie sie für diese Sprache
charakteristisch sein sollen.
Gefährdete Tradition
Die Gefährdung einer Tradition ist denn auch
nebst ihrer Dokumentation
das implizit bedeutsamste Thema. Ulrike Koch hat nicht nur den
vermutlich ersten, bestimmt aber umfassendsten
Film zu diesem Gegenstand gemacht; die Dinge
stehen schlecht genug, dass es auch der letzte sein
konnte. Dem Film haftet nicht im geringsten
etwas Larmoyantes an, dennoch senkt sich im
Fortgang des Geschehens allmählich eine stille
Trauer auf diese Bilder von Menschen, die unter
härtesten Bedingungen so heiter-selbstzufrieden
leben. Die Zeichen dafür, wie bedroht dieses zutiefst in geistigen und religiösen Bezügen verankerte Brauchtum ist, sind eher banal denn ominös. Wiederholt sieht man Lastwagen, die ohne
jedes Zeremoniell beladen werden und wegfahren, während bei den Salzmännern von der Gewinnung des Salzes bis zum Zunähen der Säcke
jeder Arbeitsgang und, wie es scheint, fast jeder
Handgriff von einer rituelle
Handlung mit
n
Sprechgesang begleitet ist. So werden denn zum
Abschluss der Göttin des Sees die meisterhaft aus
geröstetem Gerstenmehl und Butter geformten
Yakfigürchen als Opfergaben dargebracht.
Die systematische Modernisierung trage dazu
bei, dass die Daseinsberechtigung der Salznomaden Tibets und damit das letzte Gefühl von Freiheit in diesem Land ernsthaft bedroht seien, sagt
die Autorin: «Mit dem Untergang der Tradition
der Salzmänner wird ein weiteres Stück kultureller Identität des tibetischen Volks verlorengehen», heisst es zum Schluss. Wer den Film gesehen hat, verstellt auch, warum. Eine schöne
Konjunktion ist immerhin, dass er das Gespräch,
das «Das Wissen vom Heilen» eröffnet hat, Franz
Reichles beziehungsreiche Ergründung der Welt
auftibetischer Heilkunde, nun so substantiel
l
nimmt und weiterträgt. Im Film findet sich ein
einzigartiges Bild, nachdem die Karawane die
Felsformation «Die Steinziege» passiert hat, den
Punkt, von dem an «die Regeln eingehalten werden müssen»: Wir sehen sie in den gewaltigen,
von Wolkenschattenbändern durchwellten Landschaften des Chantang, der «Ebene des Nordens», als sie, mitten im Bild, durch eine Geländefalte wie vom Erdboden verschluckt wird.
Aus dem Sinnbild der Transformation wird dasjenige für den Sachverhalt des Verschwindens.
(Kino Alba in Zürich)
_.
Egger
Christoph
-
Gabe der Göttin, Arbeit der Menschen: Salzgewinnung am Tsatso-See. (Bild pd)
Das Salz der Erde und des Himmels
Auftakt in Nyon: Ulrike Koclis «Die Salzmänner von Tibet»
Das Dokumentarfilmfestival Nyon hat ihn diese Woche zum Eröffnungsfilm gekürt: Ulrike Kochs
Nachvollzug einer Salzkarawane in Nordtibet ist ein schönes Beispiel jener «Visions du
reel», wie das Festivalkonzept sie sucht.
filmischer
Die «Salzmänner», so erfahren wir in diesem
ruhig-schönen, genauen Dokumentarfilm, sind
Hirtennomaden Nordtibets, die alljährlich in
einer rund dreimonatigen Reise ihre weit über
hundert Köpfe zählende Yak- Karawane zu einem
der zahlreichen Natronseen des Hochlands führen, um dort das Salz zu gewinnen, das sie vor
allem brauchen werden, um es gegen Gerste und
Doch zu den Salzmännern
Tee einzutauschen.
fährt man nicht einfach hin. Erst muss man überhaupt Kenntni
s
von ihrer Existenz erhalten. Hierauf muss man herauszufinden suchen, wo genau
sie leben. Ist das gelungen, gilt es, ihr Vertrauen
zu gewinnen, um sie dereinst vielleicht einmal filmen zu können. Ist man schliesslich so weit gekommen, kann es leicht geschehen, wie es der in
Zürich lebenden deutschen Sinologin, Dolmetscherin und Filmschaffenden Ulrike Koch 1992
bei ihrer Recherchenreise widerfuhr, dass die
Regierung der Autonomen Region Tibet soeben
ein unbeschränkt geltendes Verbot für ausländische Filmproduktionen erlassen hat.
Und was ist zu tun, wenn man diesen Film,
nach weiterer, jahrelanger Vertiefung ins Thema,
dennoch unbedingt machen will? Man bildet
eben eine minimale kleine Equipe, die als Touristengruppe getarnt ist und anstelle der professionellen 16-mm -Ausrüstung bloss mit winzigen
Digitalvideokameras reist
So etwas klingt in der
.
Theorie meist besser, als die Praxis es später erlauben wird. Wenn man diesem Film seine technischen Beschränkungen jedoch praktisch nicht
ansieht, dann ist das wohl wesentlich dem Können des Kameramanns Pio Corradi zu danken,
der selbst Landschaftstotalen für den Transfer ins
Kinoformat zuzubereiten weiss. Nur noch beim
Flattern einer Gebetsfahne oder etwa im Flimmern der «skyline» einer Bergkette im Gegenlicht
verraten sich manchmal die Schwierigkeiten des
Videobilds mit der Auflösung.
-
Dramaturgie der Langsamkeit
Die Dramaturgie ist durch den Gegenstand
vorgegeben: Es ist diejenige der Reise und damit
der Langsamkeit. Vorbereitung und Aufbruch,
Zug der Karawane, Rast und Nachtlager, Ankunft
der Film
am Ziel und schliessliche Rückkehr
folgt der Chronologie der Abläufe und Ereignisse,
wobei er ganz unangestrengt hier bei einem Detail
wie der Anbindeanordnung für die Tiere verweilt,
dort einen Aspekt wie etwa die Organisationsstruktur der Karawane vertieft. Doch nie geht dabei der epische Erzählgestus verloren, der jedem
Nachvollzug einer solchen Reise innewohnen
muss. Noch betont wird er durch den Vortrag
einer Gesar-Sängerin aus Zentraltibet. Das GesarEpos erzählt die Heldentaten eines legendären,
vorbuddhistischen Königs; die ausserordentliche
Bedeutung, die die Rezitation des Nationalepos
für tibetische Kultur und Identität hat, können
wir freilich höchstens erahnen. Durchaus bemerkenswert ist, wie es Ulrike Koch und ihrer ausgezeichneten Cutterin, Magdolna Rokob, gelungen
ist, den Film ganz ohne Kommentar auskommen
zu lassen; äusserst subtil setzt die Musik von Stef a und Frank Wulff ihre Akzente.
n
Die Sängerin, die ihrer ungewöhnlichen Popularität wegen von den chinesischen Behörden
offenbar argwöhnisch observiert wird, erscheint
zweimal mit längeren Passagen im Bild. Zu Beginn sehen wir vier ihrer Zuhörer
es sind die
Salzmänner. Später werden sie sich selbst vorstellen, das heisst, sie werden ebenfalls anonym bleiben und einzig ihre Funktionsbezeichnungen
während der Reise verwenden: Margen, «die alte
Mutten), der Anführer und für die Teezubereitung
Verantwortliche, Pargen, «der alte Vater», der für
Rauchopfer und das Aufteilen des Reischs zuständig ist, Zopön, «der Herr der Tiere», dem die
Sorge um das Wohlergehen der 160 Yaks obliegt,
sowie Bopsa, «der Neuling», der erstmals an
einer Salzkarawane teilnimmt und in die Geheimnisse des Salzholens erst eingeweiht werden wird.
Eindrücklich wird zu sehen sein, wie Zopön mit
einem kranken Tier leidet, das dann nicht geschlachtet wird, sondern sterben dürfen soll; rüh-
-
-
rend, wie er sich vorstellt, was die Yaks nach der
so denken, die erfahrenen und
die Neulinge, während Margen dazu lacht.
Nicht von ungefähr sind es vier Manner, die
das Salz holen. Frauen ist es verboten, auch nur
in die Nähe des Tsatso-Sees zu kommen, dessen
Herrin eine Frau ist, die Göttin Matsenten
Gyalmo. Daran hatte sich auch die Regisseurin zu
halten. Wie Ulrike Koch sagt, war sie heilfroh,
ihren Film in einem derart guten Salzjahr realisieren zu können; bei schlechten Verhältnissen wäre
vermutlich ihre Präsenz an der Missernte schuld
gewesen. Gegenüber Unbefugten sind aber noch
weitere Schranken errichtet worden. Die wichtigste ist zweifellos die «Salzsprache» Tsage, eine
Geheimsprache, deren sich nur Eingeweihte bedienen können und die folgerichtig in den Untertiteln in Form von nicht dechiffrierbaren Ideogrammen erscheint, die Loten Dahortsang, der
tibetische Sachverständige, gefunden hat. Die
Ankunft nun wohl
-
Freitag, 25. April 1997
Nr. 95
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Unabhängig und erfolgreich
Viel Engagement für Schweizer Kinokultur
(sda) 26 Kinos in der deutschen und französischen Schweiz sind vom Schweizer StudiofilmVerband (SSV) mit Prämien zwischen 5000 und
25 000 Franken ausgezeichnet worden. Der Wettbewerb soll die Kinobetreibenden dazu ermun-
tern, qualitativ hochstehende Produktionen ins
Programm aufzunehmen. Für die zum zweitenmal
durchgeführte Prämierung bewarben sich 55
Kinos, die zugunsten der Chancengleichheit in
die drei Kategorien «Grossstadt», «Mittelstadt»
und «Land» eingeteilt wurden. Die Qualitätsprämien sollen das finanzielle Risiko abfedern,
das mit der vermehrten Programmierung von
europäischen und schweizerischen Filmen verbunden ist. Finanziert wurde die Aktion vom
Bundesamt für Kultur; insgesamt standen
249 000 Franken aus dem europäischen Fonds
zur Verfügung.
Zur Förderung des kulturell wertvollen Films
hatte der SSV zudem vor einem Jahr die Kampagne «Independent Pictures» lanciert, die noch
mindestens ein Jahr weitergeführt werden soll. Sie
dient der Unterstützung von unabhängigen Filmproduktionen mit kleinen Werbebudgets und wird
gesponsert von der Schweizerischen Bankgesellschaft sowie diversen Medienpartnern. Wie an
der Jubiläumsveranstaltung vergangene Woche in
Zürich ausgeführt wurde, sind im ersten Jahr der
Kampagne insgesamt elf Kinofilme unter anderem mit Plakaten, Flugblättern und Inseraten
unterstützt worden.
Schweizer Filmpreis
Ernennung der Jury
für 1998
(sda) Die 79jährige Reni Mertens, die grosse
alte Dame des Schweizer Dokumentarfilms, wird
die Jury für den neugeschaffenen Schweizer Filmpreis präsidieren, wie das Bundesamt für Kultur
mitteilte. Ihr zur Seite stehen der Waadtländer
Schriftsteller Etienne Bariliier, der Tessiner
Kameramann Carlo Varini, der deutsche Regisseur Wolfgang Panzer, die Kunstwissenschafterin
Elisabeth Grossmann sowie Tiziana Mona von
der Generaldirektion der SRG. Die Jurymitglieder werden für ein Jahr gewählt, sind aber wiederwählbar. Der Preis, der erstmals an den Solothurner Filmtagen im Januar nächsten Jahres verliehen wird, wird für einen Spielfilm, einen Dokumentarfilm und einen Kurzfilm vergeben. Er ist
mit insgesamt 120 000 Franken dotiert: je 50 000
Franken
für Spielfilm und Dokumentarfilm,
20 000 Franken für den Kurzfilm.
Die Rückkehr der Jedi-Ritter
George Lucas* «Star Wars» -Trilogie
- digital rezykliert
Vor zwanzig Jahren, im Mai 1977, erlebte «Star Wars», der Auftakt zu George Lucas' späterer
Weltraummärchen-Trilogie, seine Uraufführung. Nun legt Lucas eine digital
aufbereitete Neugefallene Schnipsel
fassung der Trilogie vor, die nicht
einfach seinerzeit unter den Schneidetisch
hervorholt, sondern neue Elemente digital ins bestehende Material hineingearbeitet hat - Film
als «unendliche Geschichte». In der Schweiz bereits angelaufen sind «Star Wars» und «The
Empire Strikes Back»; am Freitag kommt «The Return
Jedi» in die Kinos.
ofthe
Trotz dem Angebot von Francis Ford Coppola,
die Regie bei «Apocalypse Now» zu übernehmen,
entschied sich George Lucas 1973 für sein eigenes
Projekt. Schon lange hatte sich der 1944 geborene
Regisseur mit dem Gedanken getragen, einen aufwendigen Science-fiction-Film zu drehen, und
alle relevanten Vorbilder von «Metropolis» bis
«Forbidden Planet» gesichtet. Das Resultat seiner
filmischen Zukunftsschau war ein Oseitiges Expose, zusammengebastelt aus mehr oder minder
bekannten Science-fiction-Versatzstücken. Entsprechend unbeeindruckt waren dann auch die
Hollywood-Produzenten, die sein Projekt einer
nach dem anderen abwiesen. Erst die Twentieth
Century-Fox erlag Lucas' Überredungskunst und
war schliesslich bereit, dem Kino den «Krieg der
Steme» zu erklären, denn so sollte die Space
Opera heissen. Nun schrieb Lucas ein Drehbuch
nach dem anderen. Doch erst die vierte Version,
entstanden im Herbst 1975, stiess auf Zustimmung und wurde mit einem 10-Millionen-DollarBudget ausgestattet.
Als der mit grossem tricktechnischem Aufwand
realisierte Film am 25. Mai 1977 endlich Premiere
feierte, wurde das Publikum gleichsam mit einem
dramaturgischen und visuellen Querschnitt durch
das populäre Genre und seine mythologischen
Bezugspunkte konfrontiert. Ob mit LaserschwerRoboter, übere
tern bewaffnete Ritter, humanoid
lichtschnelle Raumkreuzer oder ebensogut aussehende wie integre «space heroes»
Lucas hatte
nichts ausgelassen. Selbst eine pseudoreligiöse
Botschaft hatte er, in Form der nur ansatzweise
erklärten «Macht», in sein Werk eingesponnen.
-
Triumph des Eklektizismus
Erzählt wird die alte Geschichte des ewigen
Kampfes zwischen Gut und Böse, situiert in einer
fernen und märchenhaften Zukunft. Ein greiser,
machthungriger Imperator und Lord Darth Vader, sein stets schwarz vermummter und behelmter Famulus, wollen mit Hilfe des «Todesstems»,
eines kugelförmigen Mega-Raumschiffs, ein totarl i t ä regiertes Imperium im All errichten. Wie zu
erwarten, sind die Guten, Prinzessin Leia Organa
und Luke Skywalker, auf der Seite der Rebellen
zu finden. Dabei kommt dem Jedi-Ritter Ben
Obi-Wan Kenobi (Sir Alec Guinness) eine
Schlüsselrolle zu, denn er hat Zugang zur
«Macht». Hinter diesem diffusen Begriff verbirgt
sich ein nur Jedi-Rittern verfügbares allgegen-
wärtiges Energiefeld, das eine bedingte Herrschaft über Geist und Materie verleiht.
Am Ende, nach allerlei galaktischen Vexierspielen, archaischen Zweikämpfen und für das universale Vakuum verblüffend lauten Weltraumschlachten, siegt das Gute. Mit Hilfe der Macht
gelingt es Luke Skywalker (Mark Hamill) in der
üblichen letzten Sekunde, den Todesstern zu vernichten. Während die Helden feiern, entwischt
lediglich Darth Vader in die unendlichen Weiten,
um sich dort für die Fortsetzung zu präparieren.
Pionierleistungen
Obwohl «Star Wars» kaum Marktchancen attestiert worden waren, wurde er mit einem Einspielergebnis von 323 Millionen Dollar zum
erfolgreichsten Film aller Zeiten, der erst 1982
von Spielbergs «E. T.» entthront wurde. Von
diesem Triumph beflügelt, produzierte Lucas
noch die Fortsetzungen «The Empire Strikes
Back» (1979) und «The Return of the Jedi»
(1982) und sicherte sich zudem durch ein geschickt arrangiertes Vertragswerk umfassende
Merchandising-Rechte. Nicht zuletzt die nun
folgende Vermarktung in Form von Spielfiguren,
Büchern und Videospielen legte den Grundstein
für Lucas' auf rund vier Milliarden Dollar geschätztes Vermögen. So befinden sich die Steme
bis heute im Kriegszustand, der angesichts der
Rüstungsausgaben der Konsumenten auch weiterhin andauern wird.
Zumal derzeit die «Star Wars»-Trilogie, zwanzig Jahre nach der Premiere des ersten Teils, ein
erstaunliches Comeback in unseren Kinos feiert.
Dieser Erfolg ist nicht zuletzt einer bis anhin
einzigartigen Massnahme zu verdanken, mit der
George Lucas sein Werk quasi noch einmal neu
inszeniert hat: Für rund 15 Millionen Dollar und
mit Hilfe modernster Computertechnologie wurde die Trilogie digital bearbeitet und heutigen
Sehgewohnheiten angepasst. Auch der Sound des
Films wurde um exotische Geräusche und AlienLaute ergänzt und entspricht mit THX-Dolby den
Hörerwartungen der Techno-Generation.
Wieder einmal hat sich so der Computer als
Schlüsseltechnologie der modernen Bilderzeugung und -bearbeitung erwiesen, ohne die keine
Grossproduktion Hollywoods mehr auskommt.
Bisher kamen jedoch nur zwei Anwendungen
zum Einsatz. Entweder wurden reale oder com-
Neue Zürcher Zeitung vom 25.04.1997
puteranimierte Elemente digital in einen Realfilm
eingefügt, wie etwa die Dinosaurier in «Jurassic
Park» oder die Lava in «Dante's Peak», oder der
ganze Film wurde, wie Disneys «Toy Story», per
Computer erzeugt. Lucas' filmische wie kommerzielle Pionierleistung besteht darin, eine dritte
Möglichkeit gefunden zu haben, nämlich die digitale Aktualisierung bereits vorhandener Filme.
Somit gewährt er doch einen Blick in die Zukunft
zumindest des Kinos. Denn er hat nicht einfach
nur seine Filme neu geschnitten, sondern vielmehr auch inhaltlich in bestehende Einstellungen
eingegriffen.
Beispielsweise wurde der Raumflughafen Mos
Eisley, einer der Schauplätze des ersten Teils, zum
Teil neu entworfen und mit frischen, computeranimierten Aliens bevölkert, die im Original fehlen. Lucas hat die neuen Monster Pixel für Pixel
an jenen Stellen im Film eingefügt, die entweder
unbedeutende Statisten oder beigen Wüstensand
gezeigt haben. In derselben Einstellung sieht man
heute also mehr und vor allem andere Figuren als
vor zwanzig Jahren. An dieser Erhöhung und Verdichtung der visuellen Reize ist die Adaption des
Films an heutige Sehgewohnheiten besonders klar
zu erkennen. Doch auch gänzlich neue Szenen
wurden in den Film eingefügt, wie das Gespräch
zwischen Han Solo und dem interstellaren Gangsterboss Jabba the Hutt, das aus 1977 nicht verwendetem und neuem, computeranimiertem -M a
terial besteht. Daher kann man tatsächlich von
einer Art Neuinszenierung sprechen, wie sie
eigentlich dem Theater vorbehalten ist. Nun ist
auch der Film nicht mehr länger ein für alle Zeiten gültiges (künstlerisches) Endprodukt, sondern
kann beliebig entsprechend dem Zeitgeist adaptiert werden.
Billiges Recycling
Eindrucksvoll belegt das Einspielergebnis in
den USA, 116 Millionen Dollar innerhalb von
vier Wochen, dass diesem postmodernen Recycling-Kino wohl die Zukunft gehört. Auch
andere Produzenten haben jetzt, aufgeschreckt
von Lucas' Erfolg, digitale Aktualisierung angekündigt. Wolfgang Petersens «Das Boot» oder
Joel Schumachers «St. Elmo's Fire» (mit einem
digital vergrösserten Busen von Demi Moore)
werden von Fachmagazinen bereits avisiert. Recycling ist billiger und lukrativer als ein Remake,
argumentieren Insider, und manche sehen bereits
digitale Begegnungen zwischen Marilyn Monroe
und Humphrey Bogart (die nie gemeinsam vor
der Kamera gestanden haben). Derweil bereitet
George Lucas in den britischen Leavesden-Studios die Dreharbeiten für eine neue «Star Wars»Trilogie vor, die die Vorgeschichte des ersten
Dreier-Packs erzählen und 1999 in die Kinos
kommen soll.
Bernd FU,sn
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