A R B E I T S W E LT G E S E L L S C H A F T S W I S S E N S C H A F T E N Gesellschaft und Geschichte KURZ & KNAPP Ausgeübter Beruf: Referentin Tätigkeitsfelder: Lobbyarbeit; Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Abgeschlossenes Studium in: Geschichte und Deutsche Literatur (Bachelor); Internationale Beziehungen (Master) BERUFENET-Suchbegriff: Politologe/Politologin Menschenrechte durchsetzen Marie Lucas (32) will einen Beitrag zur positiven Veränderung der Welt leisten. Für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) erstellt die Politologin Presseberichte, entwickelt Kampagnen und betreibt politische Lobbyarbeit. w elche Ziele kann man mit welchen Methoden verfolgen und erreichen? Vor dieser Frage steht Marie Lucas tagtäglich. Sie ist bei Amnesty International als Referentin für den Regionalbereich Europa und Zentralasien tätig. Die NGO setzt sich weltweit für Menschenrechte ein. Gemeinsam mit ihren Kollegen macht Marie Lucas in Deutschland auf Menschenrechtsverletzungen in dem von ihr betreuten Regionalbereich aufmerksam. Konkrete Informationen, die die Grundlage ihrer Arbeit sind, bekommt sie von Amnesty-Mitarbeitern, die direkt in den einzelnen Ländern Forschungen anstellen und Berichte dazu schreiben. „Meine Arbeit besteht aus drei Teilbereichen“, sagt Marie Lucas. „Auf politischer Ebene mache ich Lobbyarbeit und spreche mit den Referatsleitern der Parteien und Zuständigen aus den Ministerien. Der zweite Teilbereich ist die Pressearbeit: „Ich liefere den Inhalt für Pressemitteilungen 12 und gebe Interviews zur Menschenrechtssituation in Europa und Zentralasien. Und schließlich entwickle ich mit Kollegen Kampagnen.“ Sie trägt die Informationen zu den jeweiligen Ländern zusammen, die Kollegen entwerfen Konzepte für Aktionen und für deren Umsetzung. „In meinem Beruf muss ich sehr flexibel sein. Ich arbeite an sehr unterschiedlichen Themen zu unterschiedlichen Ländern und muss mich schnell in neue Sachverhalte einarbeiten können“, sagt Marie Lucas. Einstieg über Praktika Für das Thema Politik hat sich Marie Lucas schon früh interessiert. Der Kontakt zu ihrem heutigen Arbeitgeber entstand über Praktika: Marie Lucas hatte zunächst auf Bachelor Geschichte und Deutsche Literatur studiert. Daran schloss sie den viersemestrigen Masterstudiengang Internationale Beziehungen an – eine Teildisziplin der Politikwissenschaft –, den die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Universität Potsdam gemeinsam anbieten. Parallel zum Studium hat sich Marie Lucas ehrenamtlich engagiert und in diversen Organisationen hospitiert: „Den Menschenrechtsschwerpunkt habe ich mir durch Praktika erobert und bin mit dem Thema durch den Einblick, den ich in unterschiedlichen Organisationen gewonnen habe, immer vertrauter geworden.“ Nach 4.2 Gesellschaft und Geschichte 2016 :: interview Offenheit ist wichtig Interview mit Bernd Vonhoff, erster Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen e.V. (BDS) An ihrem Computer recherchiert Marie Lucas Aktuelles zur Menschenrechtssituation in verschiedenen Ländern. Herr Vonhoff, in welchen Bereichen arbeiten Gesellschaftswissenschaftler? Bernd Vonhoff: Gesellschaftswissenschaftler arbeiten in allen Bereichen der privaten und öffentlichen Wirtschaft, bei denen Kenntnisse über das Zusammenleben von Menschen nötig sind. Warum steht Sozialwissenschaftlern ein so breites Berufsfeld offen? Bernd Vonhoff: Nahezu immer, wenn es sich um Probleme in sozialen Gemeinschaften, in Unternehmen, Verbänden oder politischen Systemen handelt, sind dies nicht rein technische oder ökonomische Fragestellungen, sondern oft organisatorische oder kommunikative. Die Kommunikation zwischen Menschen, egal in welchem Bereich, ist das Arbeitsfeld der Sozialwissenschaftler – und das Wissen um die speziellen dahinterliegenden Mechanismen ist ihre Stärke, mit der sie in diesem Fall anderen Disziplinen überlegen sind. Immer im Kontakt: Die Referentin tauscht sich mit ihren Kollegen vor Ort persönlich und weltweit über Kanäle wie E-Mail und Telefon aus. Abschluss des Masterstudiums vertrat sie zunächst eine Kollegin bei Amnesty. Dann arbeitete sie anschließend im Bundestag ebenfalls zum Thema Menschenrechte, um dann schließlich zu Amnesty zurückzukehren. Welche weiteren Qualifikationen können den Berufseinstieg erleichtern? Bernd Vonhoff: Offen zu sein für weitere Fachdisziplinen und sich darin einzuarbeiten – so kann in interdisziplinären Teams die Stärke über das Wissen der kommunikativen Prozesse zielgerichtet eingesetzt werden. << Die Welt positiv verändern Marie Lucas will etwas verändern: „Ein klares Berufskonzept hatte ich aber nicht schon immer und konnte mir auch genauso gut vorstellen, Journalistin oder Entwicklungshelferin zu werden.“ Als Absolventin der Politikwissenschaft könnte sie beispielsweise auch in Ministerien oder in der Politikberatung arbeiten. Woher sie die Motivation nimmt, sich beruflich mit sehr ernsten und oft negativen Themen auseinanderzusetzen? „Es ist die Motivation, die viele haben: einen kleinen Beitrag zu einer positiven Veränderung in der Welt zu leisten. Ich habe eine Arbeit, die einen Nutzen hat, in dem ich einen direkten Sinn sehe“, sagt Marie Lucas. << Wie ist das Individuum in die Gruppe eingebunden? Soziologen und Soziologinnen veranschaulichen gesellschaftliche Prozesse. 4.2 Gesellschaft und Geschichte 2016 13