Gestaltungsratgeber Hinweise und Empfehlungen für die Gestaltung von Haus, Hof und Garten – Maßnahmen nach den Grundsätzen der Dorferneuerung – Stand: 25. Mai 2007 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Inhalt 1 Einleitung.............................................................................................................................2 2 Grundsätze der Erneuerung ................................................................................................3 3 Gestaltung von Gebäuden ...................................................................................................4 3.1 Der Baukörper..............................................................................................................4 3.2 Die Baustoffe ...............................................................................................................4 3.3 Das Dach .....................................................................................................................5 3.3.1 Dachfenster und Gauben .....................................................................................6 3.3.2 Dachmaterial ........................................................................................................6 3.3.3 Dachrinnen...........................................................................................................7 3.4 4 3.4.1 Mauerwerk ...........................................................................................................9 3.4.2 Holzverkleidungen.............................................................................................. 10 3.4.3 Aussenputz ........................................................................................................ 10 3.4.4 Fenster............................................................................................................... 11 3.4.5 Tore und Türen .................................................................................................. 12 3.4.6 Fassadenbegrünung .......................................................................................... 13 Allgemeine Empfehlungen zur Gestaltung von Gärten und Freianlagen ............................ 14 4.1 5 Die Fassade.................................................................................................................8 Die Einfriedungen ...................................................................................................... 14 4.1.1 Hecken............................................................................................................... 14 4.1.2 Zäune................................................................................................................. 15 4.1.3 Mauern............................................................................................................... 15 4.2 Die Hofbefestigung .................................................................................................... 16 4.3 Der Garten ................................................................................................................. 17 4.3.1 Bauerngarten ..................................................................................................... 19 4.3.2 Hausbäume........................................................................................................ 19 4.3.3 Obstbäume......................................................................................................... 20 4.3.4 Sträucher ........................................................................................................... 20 4.3.5 Todholzhaufen ................................................................................................... 21 4.3.6 Wildwiesen ......................................................................................................... 21 Literaturhinweise ............................................................................................................... 22 mensch und region 1 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 1 Einleitung Das heutige Bild von Altenboitzen ist in mehr als 200 Jahren Entwicklung entstanden. An den Gebäuden im Ortskern, den Platz- und Straßenräumen sowie an dem alten Baumbestand spiegelt sich diese Zeitspanne. Dieses Bild zu erhalten ohne die gesellschaftliche Entwicklung zu verleugnen, ist das Ziel der Dorferneuerung. Viele Menschen wollen gern in Altenboitzen leben, davon zeugt der Zuzug in den letzten Jahren. Um die Identifikation der Bewohner mit ihrem Ort zu erhalten, ist es sinnvoll und wünschenswert, sowohl die natürliche als auch die bauliche Substanz zu erhalten. Um dabei nicht ein Museumsdorf entstehen zu lassen, sind moderne Wohn- und Nutzungsansprüche unverzichtbar. Besonderes Augenmerk wird dabei auf der Sanierung und gegebenenfalls Umnutzung der alten Hofstellen liegen. Hier gilt es, die erforderlichen Änderungen so vorzunehmen, dass die Merkmale der Höfe und des Ortsbildes erhalten bleiben. Diese Gestaltungsfibel kann dazu Vorschläge und Anregungen liefern – das Ortsbild und der Charakter entstehen aber nur durch motivierte Mitarbeit der Bewohner, wie es hier im Dorf eine gute Tradition ist. Denn ohne die Vorleistung unserer Vorväter wäre weder das Dorfbild noch das Lebensgefühl so ausgeprägt, wie wir es heute vorfinden. Sabine Axt für die Arbeitsgruppe Gebäude Bei dieser vorliegenden Broschüre handelt es sich um einen Ratgeber, der nicht verbindlich ist. Örtliche Bauvorschriften mit Gestaltungsregeln sind dagegen rechtsverbindlich. mensch und region 2 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 2 Grundsätze der Erneuerung Prof. Wilhelm Landzettel, Universität Hannover, einer der geistigen Väter der niedersächsischen Dorferneuerung, hat bereits 1975 in seinem Buch „Das Dorf, in dem wir leben" die Grundsätze einer dörflichen Gestaltung wie folgt beschrieben: „Hier muss überlegt werden, was dem Dorf angemessen ist und wie das Angemessene erreicht werden kann. Niemand wird ernstlich fordern, neue Häuser sollten in Eichenfachwerk gebaut und mit Reet eingedeckt werden. Wohl aber kann versucht werden, das Neue nach den Proportionen der Baukörper und in ihrer Farbgebung einzugliedern in die ortsbildprägende Architektur. Von schöner alter Bausubstanz sollte soviel wie möglich erhalten werden bei der inneren Modernisierung der Gebäude. Gerade das schöne Alte setzt Maßstäbe für die Gegenwart, bindet diese ein und lässt den Menschen sich selbst bewusst werden. Wenn neue Materialien an den Außenseiten verwendet werden, sollten solche in der Oberflächenwirkung vorgezogen werden, die in Harmonie zum Ortsüblichen und Ortsbildprägenden stehen." Es ist ein Grundanliegen der Dorferneuerung, dass Erneuerungs- und Umbaumaßnahmen soohl auf das Konzept der jeweiligen Bauaufgabe (z.B. Gebäudeanordung, Nutzungszonierung etc.) als auch hinsichtlich der baugestalterischen Details (Materialien, Farbgebung etc.) auf die örtliche Baukultur Bezug nehmen. Dabei ist ausdrücklich zu betonen, dass neben der Sanierung und Rekonstruktion der Altsubstanz auch moderne Gestaltungsansätze verfolgt werden können. Doch wird erwartet, dass sich diese hinsichtlich Maßstäblichkeit, Materialverwendung und Farbgebung in den örtlichen Bestand einfügen. Dies gilt auch und gerade bei den angesichts des Strukturwandels erforderlichen Umnutzungen landwirtschaftlicher Gebäude zu Wohnzwecken oder anderen Nutzungen. Abb. 1 Altenboitzer engagieren sich mensch und region 3 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 3 Gestaltung von Gebäuden 3.1 Der Baukörper In den niedersächsischen Dörfern der Region sind als historische Grundrissform die langgestreckten rechteckigen Baukörper mit einem gleichseitigen Satteldach vorherrschend. Der lagerhafte Baukörper zeichnet sich durch eine verhältnismäßig große Dachfläche aus, die auf eine relativ niedrige Traufe führt. Die heute typischen modernen Siedlungshäuser mit hohem Sockel und verhältnismäßig flach geneigtem Dach gelten innerhalb der historisch gewachsenen Ortslage sowie für die niedersächsischen Dörfer als untypische Hausformen und sollten vermieden werden. Der gestalterische Rückgriff auf die bewährte alte Bautradtion sollte gegeüber dem sich stetig wandelnden Zeitgeschmack bestehen. Anzustreben ist ein den traditionellen Hofanlagen verwandtes "Baukörperprinzip" (langgestreckte Form, Satteldach). Ein gutes Abb. 2 Typischer Zweiständerbau – lagerhaftes Mittel, um einen Neubau einzubinden, ist es, Wohn-Wirtschaftsgebäude auch neue Nebengebäude wie Garagen in der Proportion der Haupthäuser auszubilden. So wirkt letztendlich ein kleines Haus im Vergleich zu seinem Nebengebäude größer. Neubauten sollten Wesensmerkmale traditioneller Häuser der Region in unsere zeitgemäße Bauweise übernehmen. 3.2 Die Baustoffe Heute kann man, wenn man es will, ohne eine Einschänkung durch die allenthalben verfügbaren Materialen, überall alles bauen - oder überall das gleiche. In früheren Zeiten musste man sich auf die Baumaterialien der näheren Region beschränken. Holz war schon damals fast überall zu bekommen und ist bis heute einer der wenigen weltweit gebräuchlichen Baustoffe. In frühreren Zeiten wurden auf den niedersächsischen Hofstellen Eichen unter anderem auch als Bauholz für spätere Generationen gepflanzt. Andere Baustoffe mussten von weit her transportiert werden und waren entsprechend teuer. Sie wurden deshalb nur sehr selten und dann nur vom „betuchten“ Bauherrn sehr sparsam eingesetzt. Durch die beliebige Verfügbarkeit des Materials entsteht heute ein wahlloses Durcheinander bzw. ein „graues“ Einerlei und es ist Schluss mit jeder regionalen Besonderheit. Da wir dies nicht wollen, gilt es, den alten Bestand an Gebäuden, der die regional ortstypischen Eigenheiten noch am deutlichsten zeigt, soweit wie möglich zu erhalten und mit Neu- und Ersatzbauten doch wenigsten in Umrissen zu versuchen, die Hauptmerkmale dieser Besonderheiten aufzunehmen. mensch und region 4 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Im norddeutschen Raum war neben Holz der Ziegel das bevorzugte Baumaterial. Der gebrannte Lehm wurde vor Ort abgebaut und zu Ziegelsteinen und Dachzielgel in der typisch matt-roten Farbgebung gebrannt. Anfangs handeformt und unregelmäßig wurden schnell Verfahren zu einer industiellen Herstellung in den Ziegeleien entwickelt. Mittlerweile werden alte Baustoffe schon auf speziellen Baustoffbörsen gehandelt. Hier bekommen Sie z.B. Natursteine für Fundamente, alte Tröge, Eichenbalken, Haustüren, Fenster, Dachziegel und Ziegelsteine in verschiedenen Formaten. 3.3 Das Dach Das Dach eines Hauses ist wohl das prägendste Element. Es ist schon von weitem zu sehen. Am Dach lässt sich die Form der Häuser, ihre Größe, ihre Höhe, ihre Länge und wie sie zueinander in der Gruppe stehen, ablesen. Satteldach Walmdach Krüppelwalm modernes Pultdach Abb. 3 Typische Dachformen Die Dachform des norddeutschen Bauernhauses ist ausschließlich das gleichschenklige Satteldach mit Dachneigungen zwischen 42° und 50°. Auch Nebengebäude sowie jüngere, oft kleinere Neubauten haben diese Dachform übernommen. Sie unterscheiden sich lediglich durch den Grad der Abwalmung an den Giebelenden (Walm/Halb- oder Krüppelwalm). Bei kleineren, neueren Wohnhäusern wirken Walmdachformen oftmals überzogen. WalmAbb. 3a Das Satteldach aus rotem Tonziegel und Krüppelwalmdächer entsprechen mehr bestimmt das Bild in Norddeutschland dem großvolumigen Bauernhaustyp und sollten bei Neubauten vermieden werden. Die Dachformen von Haupt- und Nebengebäuden sollten aufeinander abgestimmt werden. Bie den Neigungen sind unterschiedliche Neigungen möglich. Flachdächer, auch bei Garagen, passen nicht in das Ortsbild. mensch und region 5 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 3.3.1 Dachfenster und Gauben Eigentlich sollte man auf Dachaufbauten verzichten. Die alten Bauernhäuser haben so wenige Aufbauten wie möglich, da alles, was die Dachfläche unterbricht, Angriffsstelle für Schnee und Regen darstellt. Abb. 4 Typische Dachaufbauten Schleppgaube Giebelgaube / Zwerchgiebel Skizze - Größe von Gauben Große ruhige Dachflächen prägen das Dorf. Vor allem zu große und unförmige Gauben und Dachflächenfenster zerstören die alte, ruhige Dachlandschaft der Dörfer. Erst die Umnutzung der Dachgeschossräume für höherwertige Nutzungen als für Lagerzwecke machte zusätzliche bauliche Maßnahmen erforderlich. Die Zimmer unter dem Dach haben zumeist einen besonderen Charme. Mit dem Ausbau der Räume unter dem Dach kann also wertvoller Wohnraum gewonnen werden. Zur Belichtung und Belüftung sollte in der Regel auf Dachflächenfenster, die in der Dachfläche eingelassen werden, verzichtet werden. Neben der Möglichkeit das Licht über Fenster in den Giebelfassaden zu führen, lassen sich auch Gauben und Zwerchgiebel einfügen. Schleppgauben passen sich dem Dach an, während die Giebelgaube bzw. Zwerchgiebel einen klaren Kontrast zur Dachfläche bildet. Dachgauben dürfen im Verhältnis zur Dachfläche nicht zu groß werden. Die Länge der Gaube sollte 1/3 der Gesamtfirstlänge nicht überschreiten. Der seitliche Abstand zur Giebelwand sollte mindestens 2 m betragen, um den Eindruck einer höheren Geschossigkeit zu vermeiden. Ansonsten verliert das Dach seine einheitlich behütende Wirkung. Sind mehrere Gauben vorgesehen, sollte man sie zu Gruppen (bis max. 3 Gauben) zusammenfassen bzw. rythmisch gliedern. Unterschiedliche Arten von Dachaufbauten und Dachfenster sollten vermieden werden. Gebäude die früher landwirtschaftlich genutzt wurden, waren oftmals in Wohnbereiche und z.B. Stallbereiche gegliedert. Bei einem Dachausbau sollte man diesen ehemaligen Nutzungsstrukturen Rechnung tragen. Über den Wohnbereichen sollten sich die Gauben konzentrieren. Über den ehemaligen Wirtschaftsbereichen sollten keine oder nur wenige kleinere Schleppgauben angeordnet sein. 3.3.2 Dachmaterial Mit dem Dachmaterial bestimmt man auch den Charakter des Gebäudes. Im norddeutschen Raum war in früheren Zeiten das dicke, graue Reetdach die übliche Dacheindeckung. Aufgrund des hohen Unterhaltungsaufwandes, der Brandanfälligkeit und den damit verbundenen hohen mensch und region 6 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Versicherungsbeiträgen, ist das Reetdach – wie in Altenboitzen – in den vergangenen 200 Jahren nach und nach verschwunden. Es wurde zunächst durch rote Tonziegel (Hohlpfannen) ersetzt. Später kamen dann schwarze und graue Betonpfannen, graue Wellplatten und Alubleche auf, die nicht dorftypisch sind. Dächer sollten grundsätzlich mit roten Ziegelpfannen eingedeckt werden, weil diese im Laufe der Jahre Patina ansetzen und so viel lebendiger altern als z. B. Betondachsteine. Die bereits angesprochene Ruhe und Geschlossenheit von Dächern sollte sich auch in Struktur und Farbigkeit wiederspiegeln. Das muss nicht heißen, dass alle Teile durchgängig gleich sind. Abb. 5 Die Hohlpfanne als synonym einer langlebigen Dacheindeckung Die Anwendung neuzeitlicher Materialien kann, wenn sie im richtigen Zusammenhang erfolgt, auch im dörflichen Rahmen ohne weiteres möglich sein. Verzichten Sie jedoch auf hochglänzende oder engobierte Ziegel in schillerndem Grün, Blau und ähnlichen „Kaugummifarben“ die immer aussehen, als wenn es gerade geregnet hätte. Bei großen Dachflächen von z. B. landwirtschaftlich genutzten Gebäuden ist eine Eindeckung mit roten Ziegeln aufgrund der Tragkonstuktion und/oder der Kosten nicht immer möglich. Bei einigen Dachflächen können daher ausnahmsweise auch ziegelrote Wellzementplatten angemessen sein. Als Leitlinie sollte folgende Regel gelten: Kleine Flächen, die dem Betrachter nahe sind, sollten mit Ziegeldachpfannen gedeckt werden - große Dachflächen können sich in Ausnahmefällen auch anderer Texturen oder Matreialten bedienen. Die Förderfähigkeit genannter Materialien im Rahmen der Dorferneuerung wird in einem Gespräch mit dem Amt für Landentwicklung vor Ort geklärt. Aus ökologischer Sicht sind auch speziell ausgeführte Dachziegel und Vorrichtungen, die eine gelenkte Zugangsmöglichkeit z.B. für Fledermäuse und Schleiereulen (Uhlenflucht) zum unbewohnten Dachraum schaffen, sinnvoll und damit i.d.R. förderfähig. Abb. 6 Gehört nicht ins Dorf! Blaulasierte Pfannen und weiße Klinker 3.3.3 Dachrinnen Dachrinnen und Zubehörteile sollten aus Materialien bestehen, die Patina ansetzen können (Zinkblech, Kupfer). Bei Anstrichen sind matte, elastische Farben zu verwenden. Zudem belasten Kunststoffbauteile die Umwelt und sind von ihrer Haltbarkeit und ihrem Aussehen nicht von gleicher Werthaltigkeit. Sie werden durch die Dorferneuerung nicht gefördert. mensch und region 7 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 3.4 Die Fassade Unsere norddeutschen Dörfer sind im Wesentlichen durch zwei historische Bauweisen für die konstruktive Ausbildung der Außenwände geprägt: Das Fachwerk (in der Regel Eiche) mit ausgemauerten Gefachen, die bei manchen Nebengebäuden noch als Lehmausfachung mit Außenverstrich überlebt haben und die massive Ziegelbauweise mit roten Ziegelsteinen. Auf die Verschalungen und Verkleidungen von Fassadenteilen und Nebengebäuden wird später noch eingegangen. Fachwerkgiebel Altenboitzen Nr. 16 Backsteingiebel Altenboitzen Nr. 31 Abb. 7 Fassaden aus Altenboitzen Die Fassaden weisen zumeist nur wenige Schmuckelemente auf. Ihre symmetrische Flächigkeit strahlt Ruhe aus und folgt den Vorgaben des Baukörpers. Lediglich der Giebel zur Hof/Straßenseite wurde zur Repräsentation aufwendiger gestaltet, wobei sich die Schmuckelemente i.d.R. auf die große Eingangstür beschränken. So z.B. mit Bibelsprüchen versehene Sturzbalken oder über der Tür eingesetzte Sandsteinblöcke mit Namen und Datum des Erbauers. Gerne werden hier auch die runden hölzernen Schützenplaketten aufgehängt. Auch mit Farbe wurde und sollte sparsam umgegangen werden. Türen, Tore und Fensterläden sind überwiegend in einem dunklen Grünton gehalten, der das Grün der Umgebung aufnimmt. Die Außenwände von Gebäuden dienen in erster Linie als Witterungsschutz. Anzahl und Größe von Türen und Fenster sollten, unter Beachtung des Grundrisses und der Nutzungen, auf das Notwendige beschränkt werden. Die Anzahl der Fassadenöffnungen sollten im Erdgeschoss überwiegen. Damit betonen Sie die „Bodenständigkeit“ des Gebäudes. Verwenden Sie nur wenige unterschiedliche Formate. Alles andere wirkt unruhig und verwirrend. Der Haupteingang sollte der Hauptfassade zugeordnet werden. Wenn dies nicht möglich ist, kann der Haupteingang auch baulich betont werden (z.B. durch einen Windfang oder eine darüberliegende Giebelgaube). Die Botschaft der Fassade soll halten, was sie verspricht: Wände, Pfeiler, Stützen leiten Lasten ab; diese Fassadenelemente tragen die Gebäudekonstruktion. Verkleidungen halten die Wittemensch und region 8 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen rung vom Haus fern, bewahren die hinterliegenden Tragwerkskonstruktionen vor Durchfeuchtung und die Räume vor Auskühlung. Vorgeblendete Bohlenkonstruktionen als Fachwerkersatz, bedruckte Bitumenpappe oder vorgeklebte Riemchen als „Mauerwerkstapete“, Sprossenfenster „in Aspik“ u.ä. bewahren kein handwerkliches Erbe. Beachten Sie: Ehrlichkeit statt Nachahmung – Werkgerechtigkeit statt Vorspiegelung falscher Tatsachen! Eine Dämmung der Außenwände ist als ökologischer Aspekt sicherlich sinnvoll. Zu unterscheiden sind die Innendämmung und Außendämmung. Während die Innendämmung vielfach aus bauphysikalischer Sicht problematisch ist und an dieser Stelle nicht weiter besprochen wird, kommt der AußendämAbb. 8 Aufgeklebtes Pseudomung im Rahmen der Dorferneuerung insofern eine besonfachwerk dere Bedeutung zu, da in Folge einer Dämmmaßnahme regelmäßig das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes betroffen ist. Sowohl die gestalterischen Anforderungen, als auch die technischen Details sind wichtige Themen bei der Beratung der Maßnahme. Die Dämmung wird im Rahmen der Dorferneureung nicht gefördert. 3.4.1 Mauerwerk Der Mauerziegel unserer Dörfer ist ziegelrot (nicht weiß, gelb oder braun) mit Unregelmäßigkeiten und Farbschattierungen des Brandes, besitzt eine rauhe Oberfläche, hat das Normalformat (L/B/H = 24/11,5/7,1 cm) und wird zumeist im „laufenden“ Verband gemauert. Alte Ziegelwände bestechen durch kunstvolle Mauerwerksverbände, reiche Ornamentik und handwerkliches Können ihrer Erbauer. Durch das lebendige Farbenspiel der alten Steine haben vor allem die großen Giebel eine besonders wohltuende Wirkung und erscheinen durch ihre Feingliedrigkeit längst nicht so massig und unmaßstäblich wie eine neu vorgemauerte glatte Klinkerwand. Beschädigte alte Ziegelfassaden sollten deshalb ausgebessert werden und als besondere Werte im Ortsbild erkennbar bleiben. Ziegelwände können mit Wasser und Bürste oder einem Hochdruckwasserstrahler gereinigt werden. Um Ausblühungen zu vermeiden, ist ein zu fetter Mörtel zu verhindern. Die Fugenfarbe mag als unwichtig erscheinen, sie ist jedoch prägendes Element einer Ziegelwand. Generell sind helle Fugen ortstypisch in unserer Region. Abb. 9 Mauerwerksfassade mensch und region 9 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 3.4.2 Holzverkleidungen Fachwerk und mitteldickes Ziegelmauerwerk, kann durch Schlagregen durchnässen. Insbesondere bei Nebengebäuden hat man die „Wetterseiten“ mit einer Holzverbretterung versehen, ausgeführt als senkrechte Spund – Nut und Feder – oder Boden-Deckelschalung (in Lärche oder Kiefer). Abb.10 Boden-Deckelschalung Wenn die Feuchtigkeit schnell abfließen kann, steht einer Langlebigkeit des Holzes nichts im Wege. Gerade Lärchenholz muss nicht behandelt werden. Es nimmt nach einiger Zeit eine silbergraue Patina an, wird Witterungseinflüssen gegenüber relativ unempfindlich. Ein weiterer Vorteil einer „Regenhaut“ aus Brettern ist, dass Reparaturen stückchenweise erfolgen können und entsprechend preiswerter sind. 3.4.3 Aussenputz Gebäude mit verputzten Aussenwänden sind selten in unserer Region. Häufig vertreten waren früher verputzte Gefache von Nebengebäuden. Diese wurden jedoch im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte durch Ziegelgefache ersetzt. Sollten Sie noch ein solches „Schätzchen“ besitzen, scheuen Sie sich nicht, es wieder herzustellen. Seit vielen Jahren wird der Lehmputz als ökologisches Baumaterial wieder eingesetzt. Zu beachten ist allerdings, dass die Putzfassade nicht in hellem Weiß – wie bei Neubauten – sondern grau, patiniert und damit gedämpft erscheinen sollte. Des Weiteren darf der Putz nicht perfekt glatt und scharfkantig wirken. Er sollte aufgerauht mit gebrochenen Kan- Abb.11 traditionelle Putzfassade (Lehmputz) ten sein. mensch und region 10 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 3.4.4 Fenster Fenster, Türen und Tore sind Schwachstellen im Haus. Hier hat man die größten Wärmeverluste im Winter. Öffnungen in den Gebäuden wurden früher deshalb in Größe und Anzahl nur sparsam verwendet. Glasscheiben konnten nur bis zu einer bestimmten Größe hergestellt werden und waren teuer. So entstanden Sprossenfenster durch Zusammensetzen einzelner, kleiner Scheiben. Erst die Industrialisierung und die fortschreitende Technik machten große Fensterflächen und Doppelglasscheiben möglich. Abb.12 Fenster im Fachwerk Neue Fensteröffnungen in alten Bauernhäusern sollten sich in die Maßstäblichkeit den ursprünglichen Fenstern anpassen. Vor allem bei charaktervollen Ziegel- und Fachwerkwänden ist das stehende Fensterformat der alten Fenster beizubehalten und darauf zu achten, daß die Dominanz der geschlossenen Wandflächen gegenüber dem geringen Fensterflächenanteil gewahrt bleibt. Sprossenfenster sollten nach Möglichkeit erhalten werden. Sie können zur besseren Wärmedämmung nach innen großflächige Einsatzfenster bekommen (Kastenfensterkonstruktion). Sprossenfenster gliedern eine Fassade besonders angenehm, lassen die maßstäblichen Abstufungen eines Hauses oft reichhaltiger erscheinen. Deshalb sollte bei neuen Fenstern zumindest eine symmetrische Zwei- oder Dreiteilung des Fensters Abb.13 historische Fensterteilungen angestrebt werden (nach Außen schwenkbare Flügel), falls die alte Feingliedrigkeit der Sprossenteilung bei einer Renovierung nicht erhalten werden kann. Verwenden sie Fensterprofile aus Holz und versuchen Sie auf echte Sprossenfenster zurückzugreifen. Der verhältnismäßig höhere Pflegeaufwand von Holzfenstern im Vergleich zu den in der Regel dünneren und auch teilweise innerhalb der Isolierverglasung liegenden Kunststoffprofilen, wird durch die Materilaqualität und die schöne Fernwirkung von Sprossen und deren Schattenwürfen wettgemacht. Die sog. „Sprossen in Aspik“ haben keine Tiefenwirkung. Es gilt aber auch, die Sprossung der Elemente nicht zu übertreiben. Es genügt i.d.R. das einfache Fensterkreuz. Ein Kunststoff in einer Fachwerkkonstruktion führt bei Feuchtigkeitsstau zudem fast zwangsläufig zu Bauschäden! Kunststoffenster sind nicht förderfähig. Abb.14 Fenster im Mauerwerk mensch und region Bei Mauerwerksbauten übernehmen die Fenster die Gliederung der Fassade. Ungesproßte Fenster wirken 11 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen hier lochartig und vereinzelt. Verzichten Sie auf große, liegende Fensterformate. Wenn aber doch ein Panoramafenster eingebaut wurde, so wird es schwierig und teuer die alten Fensteformate wieder herzustellen. Oft reicht es schon, das liegende Format durch stehende Rechteckelemente zu gliedern. Lassen Sie die Glasbausteine im Baumarkt liegen! Sie wirken wie Eiswürfel und gehören nicht in ein dörfliches Gestaltungsumfeld. Abb.15 Sprossen ohne Tiefenwirkung 3.4.5 Tore und Türen Die „Groot Dör“ ist eines der wichtigsten Merkmale des Niederdeutschen Hallenhauses. Sie diente bzw. dient auch heute noch als großes Einfahrtstor zur Erschließung der dahinterliegenden Diele. Sie ist der wichtigste Eingang des Haupthauses. Die einfache Holzkonstruktion der „Groot Dör“ mit den zwei sich nach innen öffnenden Torflügeln wirkt sehr geschlossen und ruhig. Teilweise sind Oberlichtbänder oder kleine Fensteröffnungen vorhanden. Die senkrechte, breite Holzlattung ist meistens grün, teilweise auch braun gestrichen. Der Dössel (herausnehmbarer Mittelbalken) und die Einfassung der Glasflächen sind häufig weiß abgesetzt. Bei Fachwerkbauten wird die „Groot Dör“ von verzierten Fachwerkhölzern eingerahmt. Bei jüngeren Ziegelbauten Abb.16 Systemskizze „Groot Dör“ werden diese Gestaltungselemente durch aufwendig gemauerte Stürze und Leibungen ersetzt. Durch den Wandel in der Landwirtschaft wird die Diele häufig zu Wohnzwecken umgenutzt und die „Groot Dör“ verliert ihre ursprüngliche Funktion. Bei der Umnutzung bzw. dem Umbau der „Groot Dör“ sollte zur Erhaltung der Torwirkung folgendes beachtet werden: Nehmen Sie Rücksicht auf den Gesamtcharakter des Giebels. Sie sollten eine Material- und Farbwahl entsprechend der ursprünglichen Lösung wählen. Abb.17 als Wirtschaftstor, als Hauseingang (mit Vorschauer) mensch und region 12 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Die alte Toröffnung und ihre Anschläge sollten erhalten bleiben. Die symmetrische Aufteilung und Gliederung der Torfläche sollte den alten Türflügeln entsprechen. Neue Tür- oder Fensterelemente sind eventuell in das Gebäude hinein zu verleAbb.18a Beispiel aus Altengen (Vorschauer). Die Haustür ist die „Visitenkarte“ des Hauses und Ausdruck der Persönlichkeit der Bewohner. Besonders auf die Details, Abb.18 Beispiel aus Altenboitzen (Nr. 7) von der Farbgebung bis hin zur Türklinke, sollte ein Augenmerk gelegt werden. Alte Haustüren wirken, obwohl sie den Übergang zum Privaten darstellen, durch ihre Gestaltung zumeist einladend. boitzen (Nr. 41) Erhalten Sie Ihre alte Haustür solange wie möglich. Haustüren sind sehr stabil und können mit handwerklichen Mitteln – meistens auch kostengünstig – wieder instandgesetzt werden und sollten nicht leichtfertig durch gesichtslose Massenware aus dem Baumarkt ersetzt werden. Ist eine Erneuerung unumgänglich, sollte die neue Tür so ausgewählt werden, dass sie in Material, Form und Farbe dem Charakter der alten Tür entspricht und der Besonderheit des GeAbb.19 Nebentür bäudes gerecht wird. Auch Nebentüren und Türen von Nebengebäuden sind wichtig. Achten Sie darauf, diese im Zusammenhang mit der Gesamtgestaltung des Gebäudes oder des Hofes zu sehen. Die Gestaltung sollte der untergeordneten Funktion entsprechend zurückhaltend sein. 3.4.6 Fassadenbegrünung Fassadenbegrünungen beziehen sich neben den ökologischen auch auf gestalterische Aspekte. Vernachlässigte Rückseiten, langweilige Fassaden und ortsuntypische Klinkerwände werden durch grün erträglich. Abb.20 Begrünte Fassade Altenboitzen (Nr. 37) Noch um 1900 waren Hausberankungen weit verbreitet. Die verbreiteten Befürchtungen, Kletterpflanzen würden Hauswände angreifen, sind unbegründet. Im Gegenteil: Pflanzen führen zu einem Temperaturausgleich, halten Regen von der Wand ab und schützen sie damit. Die Wurzeln haften nur oberflächlich und dringen kaum in die Wand ein sofern der Putz bzw. die Steine und Fugen intakt sind. Wenn abgestorbene Kletterpflanzen unsachgemäß entfernt werden, kann es zu oberflächlichen Putzschäden kommen. Berankte Wände sind zudem ideale Nistplätze für Vögel, die das übermäßige Aufkommen von Insekten verhindern. Von Zeit zu Zeit ist allerdings ein Rückschnitt der Pflanzen erforderlich, um Fensterlaibungen und Dach zu schützen. mensch und region 13 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4 Allgemeine Empfehlungen zur Gestaltung von Gärten und Freianlagen 4.1 Die Einfriedungen Einfriedungen waren früher in den Dörfern selten vorhanden. Sie dienten für das Vieh als Abgrenzung. Sie waren aus einfachen, vorhandenen Materialien, meistens Holz mit oder ohne senkrechter Lattung und geschnittene Hecken. Sie folgten dem Gelände und nicht dem rechten Winkel und der Wasserwaage. Es waren einfache Einfriedungen und keine Absperrungen aus Ornamentsteinen, vorgefertigten Betonsteinen oder gar holzimitierenden Plastikplanken auf Betonsockeln. Gerade Einfriedungen prägen das Ortsbild entscheidend mit und verdienen daher eine besondere Aufmerksamkeit. 4.1.1 Hecken Definition: Hecke – (Pldt. Hecken) von althochdeutsch: hegga = hegen, einhegen, ist ein Aufwuchs dicht beieinander stehender und stark verzweigter Sträucher oder Büsche. Dabei bedeutet die Silbe „heck“ beschützen, behüten und beschreibt die Abgrenzung eines Ortes. Überall dort, wo auf engem Raum wirksamer Sichtschutz und Trennung gefordert sind, sind Hecken ideal. Hecken machen Arbeit – sie müssen zur rechten Zeit geschnitten werden. Seitdem es elektrische Heckenscheren gibt, ist das Heckenschneiden durch den überschaubaren Aufwand eine akzeptable Freizeitbeschäftigung geworden. Abb.21 Belaubte Rotbuchenhecke im Winter Geeignete Heckengehölze aus heimischen Straucharten sind: Für hohe immergrüne Hecken: Eibe (Taxus) (giftig!) Für hohe sommergrüne Hecken: Hainbuche Rotbuche (hält trockenes Laub) Liguster (hält lange grünes Laub) Feldahorn mensch und region Für niedrige immergrüne Hecken: Buchsbaum Berberitze 14 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.1.2 Zäune Man könnte fast meinen, dass Jägerzaun und Maschendraht ortstypisch sind, so oft sind sie in unseren Dörfern zu finden. Aber auch in den Städten, in Gewerbegebieten... und in Hessen, Bayern...! Der Jägerzaun gehört in den Schwarzwald und der Maschendrahtzaun gehört mit einer Hecke hinterpflanzt und zwar beidseitig. Genauso wie der nahe Verwandte, der Doppelstabmattenzaun mit z.B. Efeu oder Knöterich zu beranken ist. Gerade bei Zäunen gilt: „Weniger ist mehr!“ Abb.22 Zaunbeispiele Verzichten Sie auf Formsteine, Bonanzazäune oder gar verschnörkelte schmiedeeiserne Gitterelemente. Der senkrechte Latten- oder Staketzaun ist dorftypisch und zwar nach Möglichkeit naturbelassen - nicht bunt gestrichen. Zäune sollen Ruhe ausstrahlen und kommen sehr gut ohne Bögen innerhalb der Zaunelemente und ohne Schnörkel aus. Sie sollen sich dem Geländeverlauf anpassen. Vermeiden Sie gestufte oder abgetreppte Zäune. 4.1.3 Mauern In den Geestbereichen im norddeutschen Raum wurden Abb.23 Lattenzaun (Eichenholz) die in der Landwirtschaft anfallenden Feldsteine häufig nicht nur zur Pflasterung der Hofflächen (s.u.) sondern auch zum Bau von Mauern verwendet. Da der Bau von Staketzäunen – gerade über längere Strecken – einfacher war und ist, finden sich Feldsteinmauern nur im repräsentativen Bereich der Wohnhäuser. Gleiches gilt für Mauern, die im gleichen Material wie die Hauptgebäude z.B. aus rotem Ziegel erstellt wurden. Bleiben sie bei diesen Materialien, berücksichtigen Sie die ursprünglichen Stilememente wie schlichte, einfache Verzierungen, Mauervorsprünge, Verstärkungen und Mauerabschlüsse bzw. Mauerabdeckungen. Abb.24 Backsteinmauer teilweise erneuert mensch und region 15 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.2 Die Hofbefestigung Neue, den heutigen Ansprüchen gerechte landwirtschaftliche Gebäude und neue Wohnhäuser haben das Verhältnis von überbauten und freien Grundstücksteilen verändert. Mit steigendem Maschineneinsatz in der Landwirtschaft sind auch der Flächenbedarf und die Belastungsanforderungen für den befestigten Wirtschaftshof gewachsen. Die ehemals kleinflächigen Hofzufahrten sind oft durch maschinengerechte, besenfreundliche, ungegliederte Asphalt- und Betonverbundsteinflächen ersetzt worden. Als Grundprinzip gilt, die Anzahl unterschiedlicher Materialien zur Freiflächengestaltung zu begrenzen. Traditionelle Pflasterflächen sind in Altenboitzen mit Lesesteinpflaster befestigt. Die- Abb.25 Lesesteinpflaster an der Bäkschün in Altenboitzen se sollten, wo es geht, ausgebessert oder erneuert werden. Gleichwertig kann auch auf ein anderes Natursteinpflaster zurückgegriffen werden. Befestigen Sie nur die unbedingt erforderlichen Flächen der Wirtschaftshöfe sowie die notwendigen Wege und Zufahrten der Grundstücke. Wählen Sie als Befestigungsmaterial Natursteinpflaster oder als Alternative Betonsteinpflaster mit gebrochenen Kanten. Dieses gerumpelte Betonsteinpflaster bekommen Sie mittlerweile in verschiedenen Formaten und Farbschattierungen. Für besonders stark beanspruchte Flächen gibt es Pflaster, das vertikal und horizontal miteinander verbunden ist und so gegen Verschiebungen geschützt ist. Vermeiden Sie große ungegliederte Flächen und gestalten Sie die Randzonen umso lebendiger. Diese sind Lebensgrundlage der natürlichen Vegetation. Denken Sie daran, dass kleinteiliges Pflaster sich Unebenheiten besser anpasst als großformatige Gehwegplatten. In den verbleibenden fugen kann sich eine attraktive Spontanvegetation (z.B. Mauerpfeffer) entfalten. Offenporige Materialien und Materialien mit hohem Fugenanteil (Rasenfugenpflaster) erreichen eine besonders hohe Versickerungsfähigkeit und dienen im Sinne des Hochwasserschutzes einer ökologischen Zielsetzung. Eine weitgehend wasserdurchlässige, versickerungsfähige Alternative kann Schotter oder ein Schotterrasen sein. Abb.26 Beispiele verschiedener dorfgerechter Pflasterungen Betonrechteckpflaster abgegrenzt mit rotem Klinker mensch und region Kombination von Naturstein und rotem Backstein 16 Natursteinweg und offenporige Schotterfläche • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.3 Der Garten Jahrhundertelang haben unsere Vorfahren das auf den Hofstellen gepflanzt, was von Nutzen war. Eine Vielzahl von Beerensträuchern und Büschen wuchs auf den Hofstellen. Die Früchte wurden teilweise direkt verzehrt oder dienten häufig als Wintervorrat und Arznei in der Hausapotheke. Diese Kleingehölze markieren häufig Grenzen zum Nachbarn, sie stehen an den Gebäuden und sind Sicht- und Windschutz, Nahrungsquelle und Nistplatz für viele heimische Insekten, Kleintiere und Vogelarten. Früher reichten Grasflächen und Wiesenblumen bis nahe an das Haus heran. Sie waren vielleicht zweimal im Jahr zu mähen und damit wirklich pflegeleicht. Überall blühten die Wildkräuter. Es wimmelte von Insekten, die wiederum Nahrungsgrundlage der Vögel waren. Rasenflächen am Haus waren unbekannt. Seitdem hat sich die Bedeutung der Gärten gewandelt. Früher entsprachen die Gärten der Notwendigkeit der Selbstversorgung der ländlichen Bevölkerung. Großflächige Nutzgärten mit allen heimischen Gemüsesorten, Obstgärten mit vielfältigem Baum- und Strauchbestand prägten das Bild der Dörfer durch das Wechselspiel von Bäumen, Sträuchern, Hecken, Gemüse- und Blumenbeeten sowie Wiesen- und Grasflächen. Abb.27 Staudengarten Heute ist auch in den Dörfern der kahle Ziergarten häufiger zu sehen: Gartenzwerge im Koniferenland, Blumen in Betonschalen und Autoreifen, kurzgeschorene Rasenflächen. Mit dem Verschwinden der Pflanzenvielfalt wird auch der Lebensraum der Kleintierwelt zerstört. Pflegeleicht aber leblos: die neue Gartenkultur. Mit den anschließend aufgeführten Beispielen zur Gartengestaltung und –pflege möchten wir Ihnen Anregungen liefern, einerseits das Ortsbild zu pflegen und andererseits mit der Natur zu leben. Verzichten Sie auf eine eine übermäßige Düngung und RundAbb.28 Gartentristesse umschläge bei der Schädlingsbekämpfung im Garten. Neue Lebensstätten für Tiere und heimische Pflanzen können in einer Blumenwiese, einer freiwachsende Hecke sowie einem Stein- und Totholzhaufen entstehen. Es ist nicht schwer, einen Garten anzulegen, der Ökologie und Freizeit miteinander verbindet. Spezielle Fachbroschüren informieren Sie über die Techniken zur Gartengestaltung und geben praktische Tipps zur Arbeitsweise. Sie können über das Internet bestellt oder „downgeloadet“ werden. Zu nennen sind beispielsweise folgende Quellen: - AID - Siftung Kulturlandpflege - BUND für Umwelt und Naturschutz (BUND) mensch und region http://www.aid.de/landwirtschaft/haus_und_kleingarten.php http://www.stiftungkulturlandpflege.de http://www.bund.net/Publikationen zur Gartengestaltung 17 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Auf der folgenden Übersicht finden Sie standortorientierte Artenlisten, die einen Überblick über heimische und standortgerechte Gehölze geben. mensch und region 18 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.3.1 Bauerngarten Der Bauerngarten, der Gemüse und Kräuter für den Eigenbedarf liefert, wird in den letzten Jahren wieder neu entdeckt. Seine Ursprünge liegen in dem Klostergarten, von dem auch das Wegeachsenkreuz mit Rundbeet und Rosenstock im Kreuzungspunkt übernommen wurde. Die klassische Pflanze zur Wegebegrenzung und Beeteinfassung ist der Buchsbaum. Im Bauerngarten werden Nutz- und Zierpflanzen sinnvoll miteinander kombiniert, so dass auf natürliche Weise Schädlinge ferngehalten werden. Abb.29 Klassischer Bauerngarten 4.3.2 Hausbäume Hausbäume sind in der Regel Laubbäume. Sie gehören genauso selbstverständlich zum Grundstück wie Gebäude. Große Bäume sind über Jahrhunderte gewachsen – wir haben sie geerbt. Sie sind Kostbarkeiten von unersetzlichem Wert, bedeutend für das Ortsbild, verantwortlich für das Kleinklima, Lebensraum für Mensch und Tier. Leider werden sie heute vielfach als störend empfunden und häufig gedankenlos und ersatzlos gefällt. Denken Sie auch an die Bedeutung der Bäume für die heimische Tierwelt. Wussten Sie, dass die Eiche Lebensraum für 45 Vogel- und 300 verschiedene Insektenarten ist? In Erinnerung an alte Traditionen können wir für uns und unsere Nachkommen Laubbäume zu Anlässen wie Hochzeit Abb.30 Große Eiche als Haus und Geburt pflanzen. Auf einer Flächen von ca. 300 m² könbaum Altenboitzen Nr. 13 nen mindestens ein großkroniger, standortgerechter Laubbaum wie Eiche, Linde, Esche, Buche oder Kastanie als Einzelbaum oder zu mehreren in Baumgruppen gepflanzt werden. Hochwüchsige Laubbäume zeigen nicht nur in jeder Jahreszeit ein neues Bild, sie binden die Häuser in die Landschaft ein, sie begrünen leere und unansehnliche Flächen, unterbrechen langweilige Fassaden und verbinden Bauten, die ohne Beziehung nebeneinander stehen. Nadelbäume sind als Hausbäume nicht geeignet: Viele sind krankheitsanfälliger als Laub bäume. Die Nadeln versauern die Böden und sind schlecht kompostierbar. Sie verschatten ihre Umgebung, vor al lem auch im Winter. mensch und region 19 Sie bieten im Vergleich zu Laubbäumen nur wenigen Tierarten Nahrung und Lebensraum. Sie sind als Kletterbäume ungeeignet. Ihre strenge Form prägt das Ortsbild ungünstig. • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.3.3 Obstbäume Mit keinem Baum lebt man so intensiv durch alle Jahreszeiten wie mit einem Obstbaum. Er bereitet Freude, blüht, trägt Früchte und ist nützlich. Obstbäume beleben und verschönern das Ortsbild. Sie bieten vielen Tieren Nahrung und Unterschlupf. Pflanzen und erhalten Sie hochstämmige Obstbäume wie Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgenbaum. Altbewährte Lokalsorten werden auch in den hiesigen Baumschulen wieder angeboten. Obstbäume können überall stehen – auch dort, wo für Großbäume wirklich der Platz fehlt. Ein hochstämmiger Apfelbaum hat Platz in jedem Garten und er lässt gleichzeitig Platz zum Leben, Sitzen, Gehen und Spielen. Das Obst bietet vielfältige Verwendung. Abb.31 Streuobstwiese Benötige Grundfläche für Obstbäume: Zwetschge Birne Apfel Süßkirsche Sauerkirsche ca. ca. ca. ca. ca. 30 m² 20 – 50 m² 50 – 110 m² 80 – 110 m² 15 m² Abb. 32 Süßkirsche 4.3.4 Sträucher Als Ergänzung zu den Haus- und Obstbäumen eignen sich auch strauchartige Gehölze. Viele der heute angebotenen Ziergehölze sind exotisch und standortfremd. Sie sind verhältnismäßig teuer und entsprechen nicht der ursprünglichen Vegetation, sie bedürfen aufwendiger Pflege und bieten der heimischen Tierwelt nur selten den notwendigen Lebensraum. Zur Auswahl steht eine Vielzahl von unterschiedlichen Kleingehölzen. Denken Sie an besonders dichte, undurchdringliche Sträucher, die mit Stacheln und Dornen ausgerüstet sind, sie dienen den Vögeln als ideale Niststätten und ersetzen pflegeaufwendige künstliche Nisthilfen. Alte heimische Straucharten wie Heckenrose, Schlehe, Hasel, Holunder und Feldahorn sind eine nützliche Bereicherung für Hof und Garten. Holunderbeeren Heckenrose Schlehe Abb.33 Beispiele heimischer Straucharten mensch und region 20 Ahorn Blattknospe Hasel • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen 4.3.5 Totholzhaufen In einer ruhigen Gartenecke werden auf einer Grundfläche von mindestens 1,5 m x 2,0 m dicke Äste und Reisiggewirr aufgeschichtet. Totes Holz ist in vielerlei Formen für Pflanzen und Tiere als Standort, Brut- und Lebensstätte sowie als Versteck von Bedeutung. So gedeihen auf abgestorbenen Bäumen, Ästen und Zweigen Pilze, Flechten, Algen und Moose. In alten Stämmen und Wurzelstöcken leben viele Käferarten. In dichten Reisighaufen finden Kleinvögel Deckung und Brutplatz. Unter Bretterstapeln verstecken sich Erdkröten und bauen Igel ihre Wohnstätten. Im Mulm von Totholz verbringen oftmals Blindschleichen und Eidechsen den Winter. An einem sonnigen Platz daneben sind sie auf einem aufgeschichteten Lesesteinhaufen oder einer Trockenmauer gut zu beobachten. Abb.34 Laubhaufen und sein Wintergast 4.3.6 Wildwiesen Hummeln und Bienen, Schmetterlinge und Käfer, mehr als ein Dutzend Vogelarten, Frösche, Reptilien und Kleinsäuger tummeln sich im Blumen- und Pflanzenreichtum einer naturbelassenen Wiese. Hier können sie leben, finden Futter, Unterschlupf und Nistmöglichkeiten. Die Wildwiese macht nur wenig Arbeit, verursacht kaum Kosten, ist aber biologisch wertvoll. Auf dem englischen Rasen sieht es leider anders aus. Nur ein paar Vogelarten, insbesondere Amseln kommen hin und wieder vorbei. Die meisten anderen Tiere können sich für den artenarmen, kurzgeschorenen grünen Teppich nicht begeistern. Die Unterhaltung dieser toten Fläche bedarf Zeit und Geld: Sie mähen alle 7 – 14 Tage. Sie düngen bis zu 10 kg pro Jahr und 100 m². Sie wässern im Hochsommer oft täglich. Sie bekämpfen Unkraut, stechen Ränder ab. Ob Sie sich für eine Wiese oder einen Rasen entscheiden, wird von ihren Nutzungsansprüchen abhängen. Zweifellos ist die Wiese ökologisch wertvoller als der Rasen aber leider weniger belastbar. Deshalb wird man für Sitz-, Spiel- und Wegeflächen wahrscheinlich dem robusten Rasen den Vorzug geben, sollte Abb.35 pflegeleichte Wiese aber als Kompromiss Gänseblümchen, Löwenzahn und andere Wiesenblumen belassen und so der grünen Fläche ein natürliches Aussehen geben. Dieser Blumenrasen könnte an weniger belasteten Flächen in eine Blumenwiese übergehen. Hat man die Wiese erst einmal angelegt, so ist sie äußerst pflegeleicht. Ein- bis zweimal im Jahr muss sie mit dem Balkenmäher oder der Sense gemäht werden. Mehr Aufwand erfordert sie nicht: Kein Wässern, kein Düngen, kein Jäten, kein vertikutieren. Mit dem Mähgut können sie die randlichen Sträucher mulchen. Für das Anlegen ihrer Naturwiese gibt es zwei Möglichkeiten: mensch und region 21 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Sie lassen das Gras einfach wachsen. Aus dem Umland wandern standortgerechte Gräser und Pflanzen ein und die Naturwiese entwickelt sich über einen Zeitraum von 5 – 10 Jahren nach und nach. Sie graben ihre gesamte Rasenfläche, bzw. über die ganze Fläche verteilte Teilflächen von ca. 1 m² um und säen eine Naturwiesen-Samenmischung ein. Abb. 36 und 37 Impression zum Abschluss: Kräuter, Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten 5 Literaturhinweise Arbeitsgemeinschaft „Grün in der Stadt“: „Grün im Städtebau“, Hrsg.: Niedersächsischer Sozialminister, Druckhaus EA Quensen GmbH, Lamspringe Arbeitsgruppe Dorf und ländlicher Raum der Universität Hannover: “Unser Dorf soll schöner werden, Heft 1“, Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.), Hannover 1997 Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AID) e.V. (Hrsg.): diverse Info-Broschüren zum Thema Dorf und Garten. Grube, Joachim: „Lebensraum Dorf“, Bauwerk Verlag Berlin 2006 Kreuter, Marie-Luise „Der Bio Garten“, BLV Verlag, München 2000 Landzettel, Wilhelm: „Das Bild der Dörfer“, Hrsg.: Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hannover 1989 Landzettel, Wilhelm (Hrsg.): „Ländliche Siedlung in Niedersachsen“, Lamspringe 1981 Lange, Hermann; Warner, Uwe: „Hasbergen, Vorschläge für die Ortsbildgestaltung“, Hrsg.: Stadt Delmenhorst 1989 Neufert, Peter: „Bauentwurfslehre“, Braunschweig/Wiesbaden 1992 Wieland, Dieter: „Bauen und Bewahren auf dem Lande“, Hrsg.: Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz, Bühl/Baden 1985 Wieland, Dieter; Bode, Peter M.; Disko, Rüdiger: „Grün Kaputt“, München 1983 mensch und region 22 • Gestaltungsratgeber • Dorferneuerung Altenboitzen Dorferneuerung Altenboitzen Stadt Walsrode Auftraggeber: Stadt Walsrode Lange Straße 22 29664 Walsode Kontakt: Bauamt Annelene Schallenberger Tel: 05161 977-254 Fax 05161 977-261 E-mail: [email protected] Fachliche Betreuung / Förderung: GLL Verden Eitzer Straße 34 27283 Verden/Aller Kontakt: Gerald Joost Tel. 04231 808-152 Fax 04231 808 –192 E-mail: [email protected] Planungsbüro: mensch und region Lindener Marktplatz 9 30449 Hannover Kontakt: Wolfgang Kleine-Limberg Ivar Henckel Tel: 0511 44 44 54 Fax 0511 44 44 54 E-mail: [email protected] www.mensch-und-region.de mensch und region 23