SWR2 OPER Moderationsmanuskript von Ulla Zierau Giuseppe Verdi: „La Traviata“ Sonntag, 02.03.2014, 20.03 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. 1 Opernabend in SWR2, heute mit der Inaugurazione 2013 an der Mailänder Scala. Zur traditionellen Saisoneröffnung am 7. Dezember, dem Namenstag des Stadtpatrons von Mailand, dem Bischof und Kirchenvater Ambrosius wurde im Verdi-Jubiläumsjahr die Oper „La Traviata“ gegeben mit Diana Damrau in der Titelpartie, Piotr Beczala als Alfredo und Zeljko Lucic als Vater Giorgio Germont. Die Aufführung wurde live in Arte übertragen, vielleicht haben Sie sie am 7. Dezember gesehen. Heute Abend können Sie den Mitschnitt der Traviata bei uns in SWR2 hören. Diana Damrau wurde von der Presse nach der glanzvollen Eröffnungspremiere enthusiastisch gefeiert. "Die neue Göttin der Mailänder Scala" – so schwärmten die Kritiker. Damrau habe endgültig die höchste Stufe des Operngesangs erreicht. (…) Was Damrau, zusammen mit ihrem Regisseur Dmitri Tcherniakov hier schaffe, sei eine Sternstunde im trüben Operngeschäft. Auf den Rängen der Scala war man nicht einstimmig dieser Meinung, der Regisseur Dmitri Tcherniakov wurde ausgebuht und auch der Tenor stand in der Kritik. Piotr Beczala musste am Ende der Vorstellung einige Buh-Rufe in Kauf nehmen, was ihn am nächsten Tag dazu veranlasste, via Facebook seinen Abschied aus Italien zu erklären: „Hier werde ich nie wieder singen, nur noch Ferien machen“, teilte er nach der Premiere mit. Doch das soll uns hier nicht weiter stören, lassen wir uns gefangen nehmen von Diana Damrau als Kameliendame. Die Rolle der Violetta erfordert nicht nur einen technisch versierten dramatischen Koloratursopran, sondern eine nuancierte Vielfalt ausdrucksstarker Seelenzustände, von jugendlicher Schwärmerei über Koketterie bis hin zu leidvollen Qualen. Diana Damrau weiß das alles überzeugend zu präsentieren. Die tragische Liebesgeschichte der Kurtisane Violetta Valéry und ihrem viel jüngeren Liebhaber Alfredo Germont nach dem Roman und Theaterstück „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren ist eine der herausragenden Opern Giuseppe Verdis, nicht nur wegen der musikalischen Verdichtung und Dramatik, sondern auch wegen des Librettos. Verdi und sein Dichter Francesco Maria Piave wählten ein Stück aus der Gegenwartsliteratur mit vielen realen Inhalten und mit autobiographischen Bezügen. Verdi lebte mit der Sängerin Giuseppina Strepponi ohne Trauschein zusammen, deswegen wurde er in seinem Heimatort Busseto immer wieder angefeindet. Aus dieser Enge flohen die Beiden oftmals nach Paris. Zum Inhalt braucht man nicht viel zu sagen: Der junge Student Alfredo Germont verliebt sich in die Prostituierte Violetta Valéry und erlebt mit ihr ein kurzes Glück der Zweisamkeit, bis sich Vater Germont einmischt und Violetta zwingt, die Beziehung zu beenden. Zu spät finden die Liebenden wieder zusammen. Violetta stirbt an Schwindsucht. Hier folgt der erste Akt mit einem Empfang bei Violetta Valéry, bei dem sie Alfredo kennenlernt und er ihr seine Liebe erklärt. Gleich zu Beginn des ersten Aktes hören Sie das populäre Trinklied und am Ende Violettas Liebesarie „E strano“, eine der großen ergreifenden Sopranarien der Opernliteratur. „La Traviata“, 1. Akt = 33‘26“ Diana Damrau und Piotr Beczala als Violetta Valéry und Alfredo Germont im ersten Akt der Oper „La Traviata“ von Giuseppe Verdi. In SWR2 hören Sie die Saisoneröffnung der Mailänder Scala vom 7. Dezember des vergangenen Jahres. Es war der krönende Abschluss der Verdi-Feierlichkeiten anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten. Diana Damrau brilliert in der Titelrolle. Daniele Gatti leitet Chor und Orchester der Mailänder Scala. 2 „Die Wahrheit zu kopieren, kann etwas Gutes sein, sie zu erfinden ist besser, weit besser.“ So lautete die Devise Giuseppe Verdis. Damit distanzierte er sich deutlich von den Veristen, denen es um die Abbildung der Wahrheit auf der Bühne ging. Dennoch haben gerade die Veristen, unter ihnen Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo „La Traviata“ gern als Wegbereiterin der naturalistischen Opernströmung bezeichnet. Tatsächlich brach Verdi mit Traditionen und griff einige Momente des musikalischen Realismus auf: Er wählte zum ersten Mal keinen historischen Stoff, kein klassisches Drama als Vorlage, sondern ein zeitgenössisches, gesellschaftskritisches Stück. Alexandre Dumas‘ Bühnenfassung seines Romans „Kameliendame“ wurde am 2. Februar 1852 in Paris in uraufgeführt. Das Stück erzählt die Geschichte der jung verstorbenen Pariser Kurtisane Marie Alphonsine Duplessis. Dumas selbst hatte eine intime Beziehung zu ihr und auch Franz Liszt soll ihr den Hof gemacht haben. Alexandre Dumas beschreibt Madame Duplessis als außergewöhnlich schöne Frau. Hochgewachsen, schlank, der Kopf zierlich, die Gesichtshaut zart, schmale, lebhaft, glänzende Augen, einen blühenden Mund und volles dunkles Haar. Die Duplessis – so hieß es – nahm an jedem Theaterereignis in Paris teil, war tonangebend in der Mode und nie ohne einen Strauß Kamelien. Wenige Jahre nach ihrem Tod wurde sie selbst durch Alexandre Dumas und Giuseppe Verdi zu einem Theater- und Opernereignis. Verdi und seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Giuseppina Strepponi hatten das Stück in Paris gesehen und waren vom Schicksal der jungen Frau berührt und betroffen, so sehr, dass Verdi sie zu einer Opernfigur machte. Eine Prostituierte als Protagonistin einer Oper war äußerst ungewöhnlich, ja, geradezu revolutionär. Ebenso manch musikalische Idee, wie der rasche Tod Violettas. Nach einem visionären Todeskampf und dem kurzen Aufflammen ihrer Lebenskräfte sinkt sie zusammen, ohne sich in einer langen Arie zu verabschieden. Für die Veristen waren das typische Merkmale des Opernrealismus. Aber Verdi wehrte sich gegen die Vereinnahmung. Er wollte sich der Modeerscheinung „Verismo“ nicht anschließen. Er nahm die Veränderungen wahr, betrachtete sie aber immer durch die Brille eines Künstlers. Melodie und Gesang waren für ihn oberste Gebote. In SWR2 nun der zweite Akt der Oper „La Traviata“ von Giuseppe Verdi, zunächst das erste Bild: Violetta und Alfredo leben, ganz von ihrer Liebe erfüllt, in einem Landhaus unweit von Paris. Violetta ist glücklich, mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen zu haben und genießt das Leben mit Alfredo. Doch dann bekommt sie Besuch von Alfredos Vater, der sie an ihre Zeit in Paris erinnert. Er drängt Violetta, seinen Sohn freizugeben, um den Ruf der Familie nicht weiter zu beschädigen. Enttäuscht und verletzt geht sie dieser Aufforderung nach und schreibt Alfredo einen Abschiedsbrief. Diana Damrau in der Titelpartie, Piotr Beczala als Alfredo und Zeljko Lucic als Vater Giorgio Germont im ersten Bild des 2. Aktes der Traviata von Giuseppe Verdi. Daniele Gatti leitet das Orchester der Mailänder Scala in unserem Mitschnitt von der Saisoneröffnung am 7. Dezember 2013. „La Traviata“, 2. Akt, 1. Teil = 44‘28“ 3 Das war das erste Bild des 2. Aktes aus Giuseppe Verdis „La Traviata ». Es geht gleich weiter mit dem rauschenden Kostümfest im Salon einer Freundin Violettas. Die Gäste tuscheln über die Trennung des ungleichen Paares Violetta - Alfredo und es kommt zu einer heftigen Eifersuchtsszene. Als Alfredo Violetta an der Seite eines wohlhabenden Barons sieht, glaubt er, sie habe ihn nur wegen des Geldes verlassen. Er wirft ihr voller Wut in Anwesenheit der Gäste ein Portemonnaie vor die Füße. Diese Szene ist der dramatische Höhepunkt der Oper. „La Traviata“, 2. Akt, 2. Teil = 23‘20“ Giuseppe Verdi – La Traviata, das war der 2. Akt mit Diana Damrau und Piotr Beczala in den Hauptrollen. Roberto Accurso als Baron Douphol, an dessen Seite Violetta nach dem Bruch mit Alfredo geflohen ist. Daniele Gatti leitete Chor und Orchester der Mailänder Scala, wir senden die Saisoneröffnung vom 7. Dezember des vergangenen Jahres. Die Uraufführung der Traviata fand am 6. März 1853 im Teatro La Fenice in Venedig statt und war kein glanzvolles Erlebnis für Verdi. „La Traviata gestern Abend – ein Fiasko. Ist es meine Schuld oder die der Sänger? Die Zeit wird urteilen“, schrieb der enttäuschte Komponist. Mit Kostümen aus der Epoche Ludwig des XIV. wollten die Verantwortlichen das Schlimmste verhindern, die Zuschauer versöhnlich stimmen, doch das Provozierende der Handlung ließ sich nicht in Tüll und Samt verstecken. Das Opernpublikum reagierte schockiert. Es sollte jedoch nicht lange dauern, bis „La Traviata“ auf den Bühnen der Welt gefeiert wurde. Verdi überarbeitete die ursprüngliche Fassung. Er kürzte die Handlung, vor allem die Aussprache zwischen Violetta und Vater Germont. 14 Monate später wurde die Oper erneut in Venedig – diesmal im Teatro San Benedetto – aufgeführt. Bei diesem zweiten Anlauf jubelte das Publikum mit Begeisterung, die kaum jemand für möglich gehalten hätte. 1857 war „La Traviata“ erstmals in Deutschland und zwar in Hamburg zu sehen. Sie gehört bis heute zu Verdis beliebtesten und meist gespielten Opern. Eine der großen Violetta-Darstellerinnen des vergangenen Jahrhunderts war Maria Callas. In der legendären Visconti-Inszenierung an der Scala im Jahr 1955 prägte sie die Figur der Traviata mit flammender Leidenschaft und sicherte sich einen Platz in der Geschichte der Sternstunden des renommiertesten Opernhauses Italiens. Im Verdi-Jahr 2013 war die Oper an vielen internationalen Bühnen zu sehen und die Mailänder Scala eröffnete mit ihr ihre aktuelle Saison. Hören Sie nun den dritten und letzten Akt von Giuseppe Verdis „La Traviata“. Violetta liegt schwer krank in ihrem Schlafzimmer. Während von draußen buntes Karnevalstreiben hereindringt, erinnert sie sich an ihr vergangenes Glück. Mit einem grandiosen Finale, der Versöhnung zwischen Alfredo und Violetta, dem Erscheinen des reumütigen Vaters Germont und dem Tod Violettas endet die Oper. „La Traviata“, 3. Akt = 37‘39“ 4 Absage: "La Traviata", Melodramma in tre atti Text: Francesco Maria Piave, nach dem Drama "Die Kameliendame" von Alexandre Dumas Violetta Valéry: Diana Damrau Alfredo Germont: Piotr Beczala Giorgio Germont: Zeljko Lucic Flora Bervoix: Giuseppina Piunti Annina: Mara Zampieri Gastone: Antonio Carianò Baron Douphol: Roberto Accurso Marquis d'Obigny: Andrea Porta Doktor Grenvil: Andrea Mastroni Giuseppe: Nicola Pamio Diener Floras: Enesto Petti Dienstmann: Enesto Panariello Chor und Orchester der Mailänder Scala Leitung: Daniele Gatti (Aufnahme vom 7. Dezember 2013 in der Mailänder Scala) 5