Klinik im Grünen - Busch

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MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R
Medical / Wohnen im Alter
puls 02 | 2011
Kein Licht.
Sondern Atmosphäre.
designed by
Klinik im Grünen
von TMK Architekten
Busch-iceLight®. Einleuchtendes Design. Effizient
eingesetzt. Die erste Unterputzdose mit LED-Licht
zum Wohlfühlen. Passend zu Schaltern und Steckdosen. Von Stararchitekt Hadi Teherani gestaltet. Für
neue Harmonie von Licht und Raum. Entdecken Sie
mehr Atmosphäre auf // www.BUSCH-JAEGER.de
Mehr Autonomie für den Patienten –
C. F. Møller Architekten im Gespräch
Modernes Pflegekonzept
in Schwabing
Krebszentrum in Heidelberg
von Behnisch Architekten
www.BUSCH-JAEGER.de
Die Zukunft ist da.
02 | 2011
» Editorial
Christine Nickl-Weller und Hans Nickl sind Spezialisten für Gesundheitsbauten und lehren seit Langem
als Professoren an deutschen Universitäten.
Zur Sache: Der Patient der Zukunft
puls im Gespräch mit Prof. Christine Nickl-Weller und Prof. Hans Nickl, Nickl & Partner
Wir stecken mitten im demographischen
Dazu kann auch der Wunsch gehören, auf
Unter Hotel verstehe ich auch einen Zustand
Wandel. Inwieweit hat dies bereits auf die
dem Klinikgelände ins Café zu gehen oder
jenseits der typischen Krankenhausatmosphä-
Architektur abgefärbt?
Bankgeschäfte zu erledigen.
re aus alten Tagen, als man mit einem Klini-
Im Bereich der Altenpflege hat sich sehr viel
Ja. Der Besucher möchte beim Betreten seiner
kum noch automatisch den beißenden Geruch
getan. Wir haben keine reinen Altenheime
Klinik ein angenehmes Ambiente vorfinden
von Desinfektionsmitteln verband. Dass man
mehr, sondern betreutes Wohnen, dazu kom-
und somit auch von seiner Krankheit abgelenkt
heute im Krankenhaus eine wohnliche Umge-
men die Demenzstationen, reine Pflegestatio-
werden. Er soll eben nicht in ein dunkles Loch
bung anstrebt, ist selbstverständlich geworden.
nen und Hospize. Im Klinikbereich ist ebenfalls
fallen und sich hilflos und ausgeliefert fühlen.
In dieser puls-Ausgabe fragen wir deutsche
viel Bewegung zu verzeichnen. Grundsätzlich
hat sich das Bewusstsein in der Bevölkerung
Dabei ist beim Patienten mehr und mehr eine
Architekten, wie sie im Alter leben wollen.
verändert. Der Patient sucht sich vermehrt das
klinische Atmosphäre verpönt. Er möchte es
Die meisten sagen, sie möchten zu Hause
Krankenhaus aus, in dem er behandelt wird.
vielmehr hell und freundlich.
wohnen bleiben. Sie auch?
Aber dieser Wunsch gilt nicht für alle Bereiche.
Eigentlich schon. Deshalb ist der Bereich
Der Kampf um den Patienten hat also bereits
Jemand, der beispielsweise gerade einen Un-
„Betreutes Wohnen“ für uns so wichtig. Wir
begonnen?
fall erlitten hat, will die medizinischen Appa-
haben zum Beispiel eine Seniorenwohnanlage
Genau. Er wird sich auch noch verstärken. Ich
raturen sehen. Damit er erfährt, dass man sich
in Landsberg am Lech gebaut. Hier kann man
meine, wenn jemand ein Leben lang einge-
um ihn sorgt und ihm hilft.
relativ lange in den Wohnungen bleiben und
hat gleichzeitig die Sicherheit der medizini-
zahlt hat – und Krankenversorgung ist teuer –,
dann hat er auch ein Recht, das zu bekommen,
Können Sie mit dem Begriff vom „Patienten-
schen Versorgung. So oder so ähnlich könnten
was er sich vorstellt.
hotel“ etwas anfangen?
wir uns das auch vorstellen.
02
puls 02 | 2011
Unterwegs zum Patientenhotel > S. 4 Sicherheit,
Komfort und Energieeffizienz in den eigenen vier
Wänden > S. 10 Klinik im Grünen > S. 14
Alterssitze unweit der Münchner Freiheit > S. 24
Gute Besserung > S. 30 „Wie wohne ich im Alter?“
> S. 34 Mehr Autonomie für den Patienten > S. 36
Produkte für die „Silver Generation“ > S. 40
04
10
14
20
24
Titelbild: Jochen Stüber
Bildbearbeitung:
Raphael Pohland / stilradar
Macro
Unterwegs zum Patientenhotel
Von Insa Lüdtke
Micro
Mehr Sicherheit und Komfort durch KNX
Von Volkmar Runte
Praxis I
Klinik im Grünen – das Krankenhaus Minden
Praxis II
Das Krebszentrum NCT in Heidelberg
Praxis III
Im Schwabinger Garten – zu Besuch im
Altenpflegeheim St. Nikolaus in München
30
34
36
40
42
43
Visionen
Gute Besserung
Umfrage
Wie wollen Architekten im Alter wohnen?
Zu Besuch
Interview mit Julian Weyer,
C. F. Møller Architekten, Aarhus
Einblicke
Informationen über Produkte aus
dem Hause Busch-Jaeger
Denkanstoß
Die Preisfrage zum aktuellen Thema
Impressum
03
Miguel de Guzmán
» Macro
Kurze Wege: In der Seniorenresidenz Santa Rita auf
Menorca liegen alle Einrichtungen und Zimmer auf ein und
derselben Ebene – mit Zugang
zur umgebenden Gartenanlage. Zusätzlich verzichtete das
Büro von Manuel Ocaña auf
Korridore und Türen.
Unterwegs zum Patientenhotel
Der Gesundheitssektor ist in Bewegung geraten: Krankenhäuser stehen auf
einmal in Konkurrenz zueinander und werben um Patienten. Gleichzeitig
steigen insbesondere bei der wachsenden Generation der „jungen Alten“ die
Ansprüche. Die Architektur reagiert mit ganz verschiedenen Lösungen. Ein
Trend, der sich klar abzeichnet: Mehr Individualismus und Selbstbestimmung – und das sowohl im Krankenbett als auch beim betreuten Wohnen.
Von Insa Lüdtke
100 Jahre wird jedes vierte Mädchen alt, das dieser Tage
zu sehen, können die Potenziale eines alten Menschen wie
geboren wird, so die Ergebnisse einer Studie der Universität
Erfahrung und Gelassenheit in den Vordergrund der Wahr-
Köln von 2010. Laut einer Erhebung der WHO (World
nehmung rücken. Das bedeutet auch, dass es nicht „den
Health Organization) von 2008 gab es im Jahr 2000 welt-
Alten“ gibt, sondern ganz unterschiedliche Lebenswelten.
weit 600 Millionen Menschen, die 60 Jahre und älter
Ob klassisch in der Großelternrolle oder als Globetrotter –
waren. Bis 2025 rechnet die Behörde mit einer Verdoppe-
darüber entscheiden nicht zuletzt der Geldbeutel, biogra-
lung, und 2050 werden es schon über zwei Milliarden sein.
phische Aspekte und der Gesundheitszustand.
Zum ersten Mal in der Geschichte wird es dann mehr ältere
als junge Menschen auf dem Globus geben. Das gilt auch
Der liberalisierte Gesundheitsmarkt
hierzulande: Während 2005 circa 3,6 Millionen über 80-
Gesundheit stellt das wichtigste Gut dar – auch ökono-
Jährige in Deutschland lebten, werden es 2050 mit zehn
misch. Heute zählt der Gesundheitsmarkt mit einem Brutto-
Millionen fast dreimal so viele sein, obwohl absolut gese-
inlandsprodukt (BIP) von über 10 Prozent zum größten
hen die Bevölkerung weiter schrumpft. Denn nicht nur ein
Wirtschaftsfaktor. Laut der Studie „Health Style – Die
längeres Leben bedingt die demographische Verschiebung,
Gesundheitswelt der Zukunft“ (Trendbüro Hamburg, 2009)
gleichzeitig stagnieren die Geburtenraten in den Industrie-
gilt der medizinisch-technische Fortschritt als einer der
nationen – ob in West oder Ost. Das ist kein neuer Trend,
wichtigsten Treiber des Gesundheitsmarkts. Gleichzeitig
bereits seit rund vier Jahrzehnten bewegen sich die Zahlen
wird unser Umgang mit und die Wahrnehmung von
auf niedrigem Niveau wie z. B. in Südkorea. Hier liegt die
Gesundheit durch die Möglichkeiten der modernen Medi-
Geburtenrate derzeit bei 1,19 Kindern je gebärfähiger Frau,
zin geprägt. Biotechnologie, Gentechnik, Stammzellfor-
das ist der niedrigste Wert unter den OECD-Staaten. Vor
schung und -therapie oder Nanotechnologie bieten künftig
diesem Hintergrund muss und wird sich das Bild, das wir
ein großes Potenzial an neuen Heilungs- und Präventions-
bisher vom Alter haben, wandeln müssen. Statt das Alter
formen. Dies ermöglicht unter anderem die Entwicklung
als Phase zunehmender körperlicher und geistiger Defizite
von individualisierten Therapien. Wir leben nicht nur län-
05
Nigel Young / Foster + Partners
ger, auch der Anteil der Jahre, die wir gesund verbringen,
sprechen. Bewertungsportale im Internet geben Interes-
nimmt zu. Das führt zu einer wachsenden Nachfrage nach
senten Auskunft über Häufigkeit und Qualität von Eingrif-
Gesundheitsleistungen. Die alternden Babyboomer werden
fen. Hierarchien fallen, Facharztabteilungen werden aufge-
die nächste Generation der Senioren prägen und dem Alter
löst, und es wird stattdessen in zentralen High-Tech-OPs
mit Lebenslust, dem Wunsch nach einem selbstbestimm-
operiert. Technisierung durch spezielle Software-Lösungen
ten Leben und Aktivität entgegentreten.
spielt eine immer größere Rolle: Über die digitale Patientenakte etwa kann ein Arzt nicht nur im OP, sondern auch bei
Seit 2004 erleben wir einen Wandel von der regulierten
der Visite am Patientenbett auf alle gesundheitsrelevanten
Gesundheitsversorgung hin zum liberalisierten Gesund-
Daten zugreifen.
Zentrale Anlaufstelle der 2010
eröffneten Privatklinik Circle
Bath ist das vornehme, weitläufige Atrium. Architekt ist
kein geringerer als Norman
Foster (oben). Das südlich von
Lissabon gelegene Altenpflegezentrum von Aires Mateus &
Associados gräbt sich als
Kubenkonstruktion förmlich in
den Berghang ein (rechts).
heitsmarkt. Damals wurde die sogenannte Fallpauschale
eingeführt: Je Eingriff kann der Leistungserbringer nur
Effiziente Funktions- und Komfortbereiche werden also zu
einen bestimmten Betrag abrechnen. Zwischen 1991 und
Qualitätsmerkmalen. Weiche Faktoren wie Ambiente, aber
2007 halbierte sich die durchschnittliche Verweildauer im
auch individualisierte Ernährungs- und Serviceangebote
Krankenhaus von rund 14 auf acht Tage (Statistisches Bun-
geraten als Kriterien zur Auswahl eines Hauses stärker ins
desamt Destatis), Tendenz weiter fallend. Das zwang
Blickfeld. Erste Krankenhäuser nennen das Kind beim
Anbieter, auch ihre Gebäudestrukturen umzubauen: Wenn
Namen: Patientenhotel. So entstand beispielsweise im Ost-
es auch bislang nur vereinzelt zu Schließungen kam, so ist
alb-Klinikum anstelle des Bettenhauses aus den 1950er-
doch ein merklicher Bettenabbau zu beobachten.
Jahren ein neues Klinikhotel von Heinle Wischer Partner
Architekten. Patienten können sich in wohnlich eingerich-
Effizienz und Komfort als Qualitätsmerkmale
teten hellen Zimmern erholen. Speiseräume, Aufenthalts-
Krankenhausanbieter müssen sich dem Wettbewerb um
bereiche und Treffpunkte laden Patienten und Besucher
den Patienten stellen. Als hoch spezialisierte Kompetenz-
zum Verweilen ein. Dieser Hybrid aus Krankenhaus und
zentren konzentrieren sie sich zunehmend auf spezielle
Hotel ist zum einen gedacht für Angehörige und zum ande-
Eingriffe, damit wächst die Erfahrung und Professionalität.
ren für Patienten im sogenannten „Low-Care“-Bereich, die
Es entsteht ein klares Leistungsprofil, und man könnte
also nach OPs von der Intensivstation verlegt werden kön-
bereits von einer Markenbildung im Krankenhauswesen
nen und weniger medizinische Versorgung benötigen. Wie
06
puls 02 | 2011
Sergio Guerra
in einem Hotel dominieren Service, Komfort und Wohn-
werden im Quartier die Zukunft. Das Angebot für das Woh-
lichkeit, die medizinische Apparatur rückt in den Hinter-
nen – gerade für die dritte Lebensphase – wird sich immer
grund. „Ambulant vor stationär" heißt auch die Parole, die
mehr als bunte Angebotspalette ausdifferenzieren müssen,
von der Politik ausgegeben wird. Dabei spiegelt sie auch
um den heterogenen Bedarf zu befriedigen. Neben flexible-
den Wunsch der meisten Menschen ab, zu Hause zu gene-
ren Grundrisskonzeptionen werden auch Produkte der
sen beziehungsweise gepflegt zu werden. Die ambulante
Gebäude- und Informationstechnologie (Steuerung des
Versorgung decken zunehmend lokal verankerte Gesund-
Raumklimas, Sicherheitssysteme, Internet/Multimedia)
heitszentren ab. Immer mehr Operationen finden deshalb
wie auch der Ökologie stärker den Haushalt prägen. Darü-
hier ambulant statt, zu Hause erfolgt die Regeneration in
ber hinaus verlangen die jüngeren der alten Bewohner in
den eigenen vier Wänden. Das spart Geld, und der Patient
Zukunft nach mehr Mitbestimmung bei gemeinschaftli-
kann sich in gewohnter Umgebung nachgewiesener-
chem Wohnen. Im Idealfall leben junge Familien Tür an
maßen besser erholen.
Tür mit Alleinstehenden, behinderten Menschen und Älteren. Die Mietergenossenschaft SelbstBau e. G. ging diesen
Lebensstil statt Lebensalter
Weg und ließ vor drei Jahren mit der Schule Berlin Karls-
Unabhängig von Alter und sozialer Herkunft lassen sich
horst aus dem Jahr 1899 ein denkmalgeschütztes Back-
Lebensläufe heute nicht mehr schematisch und linear
steingebäude zu einem generationsübergreifenden, inte-
erfassen wie einst: Kindheit, Ausbildung, Beruf, Familie,
grativen Wohnhaus umgestalteten, das zudem zum neuen
Ruhestand. Heute dagegen nimmt auch eine Rentnerin mit
Arbeitsstandort der Architekten wurde. Die Zwei- bis Vier-
Mitte sechzig noch ein Studium auf oder aber muss sich
Zimmer-Wohnungen sind zwischen 55 und 140 Quadrat-
womöglich in Heimarbeit Geld zu ihrer knappen Rente hin-
meter groß, 16 der 21 Einheiten sind barrierearm, fünf roll-
zuverdienen. In Zukunft werden Menschen dank eines
stuhlgerecht ausgestattet. Die Initiatoren setzen auf gegen-
noch längeren und vitaleren Lebens ihre Biographie immer
seitige Unterstützung im Alltag.
individueller gestalten können und müssen. Diese Entwicklung erfordert passende Wohnangebote. Wie das Trendbü-
Quartiere für alle
ro Hamburg in seiner Studie „Aging in Place – Lebensqua-
Das Pflegeheim als Baustein in der Versorgungskette ist
lität im Alter“ kürzlich untermauert hat, gehört dem Alt-
deshalb nicht überholt. Gerade für hochaltrige Menschen
07
und deren Angehörige kann eine stationäre Einrichtung
eine große Entlastung bedeuten und eine gute Lösung sein,
wenn das Pflegeheim etwa im Wohnquartier integriert ist .
Neben Angeboten für Anlieger kann es auch durch eine
attraktive Architektur zur Aufwertung des Quartiers beitragen. So bleiben gewachsene soziale Kontakte erhalten.
Auch bei diesem Gebäudetyp zeigen sich schon heute
strukturelle Veränderungen: Die Häuser sind meist mit
maximal 80 Plätzen deutlich kleiner als früher, befinden
Wohnliches Setting statt
langer anonymer Flure: Im
schwedischen Norra Vram
orientierte sich Marge
Arkitekter an der Struktur
traditioneller schwedischer
Gutshöfe. Die Zimmer der
40 Bewohner sind auf Einzelhäuser verteilt, die jeweils
einen eigenen Zugang zum
Garten haben (rechts).
sich eher im Stadtzentrum, wo Leben ist, und warten auf
mit wohnlichen Settings statt einem langen anonymen
Flur. So orientierte sich im schwedischen Norra Vram das
Büro Marge Arkitekter beim Bau einer neuen altersgerechten Einrichtung an der Architektur alter schwedischer
Gutshöfe aus dem 19. Jahrhundert. Die Zimmer der 40 Bewohner befinden sich in einzelnen Häusern mit separatem
Zugang zum Garten, in der Wohnküche findet das Gemeinschaftsleben statt. Jeder Bewohner kann sich in sein Einzelzimmer zurückziehen, das sich zur zentralen Wohnküche
mit angrenzenden Wirtschafträumen und Pflegebad orientiert. Hier verbringen die Bewohner in Gruppen von rund
12 bis 14 Personen, betreut von Pflegekräften und Haushaltswirtschaftern, den Tag. Über eine Terrasse gelangt
man in den Garten, bepflanzte Hochbeete sind selbst für
Rollator- oder Rollstuhlfahrer problemlos erreichbar.
Mike Bink
Wohnliche Pflegeheime und „Service Wohnen“
Langfristig wird sich in der Altenpflege die Tagesbetreuung in Form einer ambulanten Tagespflege durchsetzen, ob
als Teil einer stationären Einrichtung oder integriert in ein
gewöhnliches Wohnhaus. Die Zukunft wird also auch hier
in der Verflechtung und Annäherung von Angeboten der
stationären Pflege auf der einen und dem Gesundheitssek-
Kunst sorgt für Ablenkung: Im Amsterdamer Kinderkrankenhaus Emma strahlen
die von Künstlern gestalteten Muster Zuversicht aus und können den kleinen
Patienten die Angst nehmen. Für die Eltern gibt es verschiedene Rückzugsmöglichkeiten (oben). Der Weg in das von Nickl & Partner neu gestaltete Universitätskrankenhaus Eppendorf führt die Besucher quer durch die großzügige
Eingangshalle. Ein Café, Einkaufsmöglichkeiten und eine Bankfiliale liegen nicht
weit entfernt und sind in den Komplex integriert (unten).
tor auf der anderen Seite der Versorgungskette liegen. Dazwischen wird die Wohnungswirtschaft und die Kommune
als Schnittstelle und Mittler noch an Bedeutung gewinnen:
So zieht Wohnlichkeit in die Pflegeheime ein, im Gegenzug
bieten Wohnungsunternehmen als „Service Wohnen“
zusammen mit ambulanten Diensten Zusatzleistungen
von haushaltsnahen Dienstleistungen bis hin zur professionellen Pflege an. Als Bindeglied wird die auf unentgeltlicher Basis gewachsene Nachbarschaft gefordert sein.
Dann kommen wir der ursprünglichen Bedeutung des
Wohnens ganz nah. Der Begriff entlehnt sich aus dem Gotischen „wunian“ und meint soviel wie „umfriedet“ und
Stefan Falk
„zufrieden sein“.
Insa Lüdtke ist Architektin und freie Journalistin. 2008 gründete sie gemeinsam
mit Eckhard Feddersen in Berlin das Beratungsunternehmen „Cocon Concept“,
das sich auf „Wohnen im Wandel“ spezialisiert hat. Insa Lüdtke ist Mitherausgeberin des Entwurfsatlas „Wohnen im Alter“ (2009, Birkhäuser).
puls 02 | 2011
Johan Fowelin
» Micro
Um als Ruheständler möglichst lange zu Hause wohnen
bleiben zu können, muss eine
Reihe von Voraussetzungen
erfüllt sein. Neben der Barrierefreiheit bietet die automatische Steuerung von Licht,
Heizung und Türkommunikation Komfort und Sicherheit.
Sicherheit, Komfort und
Energieeffizienz durch KNX
Die „Best Ager“ sind nicht nur sehr mobil und aktiv, sondern auch moderner
aufgestellt als noch die Generation vor ihnen. Sie verfügen zudem über eine
hohe Konsumkraft. Die heutigen Entwicklungen der Industrie orientieren sich
zunehmend daran, auch die Bedürfnisse der über 60-Jährigen bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen. Stark im Kommen innerhalb der älteren
Generationen: die Gebäudeautomation über ein KNX-System.
Von Volkmar Runte Fotos A. Rinuccini
Um möglichst lange unabhängig zu bleiben, möchten die
leitung. Über diese kommunizieren die einzelnen Steuer-
meisten der Ruheständler in den „eigenen vier Wänden“
und Bedienelemente, Sensoren und Aktoren miteinander.
oder ihrem Haus wohnen bleiben. Doch um dies umzuset-
Die Sensoren messen zum Beispiel Temperatur, Feuchtig-
zen, müssen die Gebäude und Wohnungen eine Reihe von
keit, Sonnenlicht oder Bewegung und senden entsprechen-
Voraussetzungen erfüllen. Das fängt bei der Barrierefrei-
de Informationen, sodass die Heizung hochgefahren, die
heit am Hauseingang oder im Bad an und geht bis zur
Beleuchtung angeschaltet, die Rollläden heruntergelassen
automatischen Steuerung von Licht, Heizung und Türkom-
oder die Alarmanlage in Gang gesetzt werden. In einer
munikation. Natürlich darf auch die Sicherheit nicht zu
oder mehreren Steuerzentralen laufen die Informationen
kurz kommen, dazu dienen entsprechende Hausruf- und
zusammen. Von dort aus können über ein Paneel oder
Notrufsysteme.
einen Schalter Heizung, Beleuchtung, Klimaanlage oder
Lüftung gesteuert werden.
Generationenübergreifende Technik
Seit 20 Jahren ist der KNX-Standard für Haus- und Gebäu-
Rückgewonnene Abwärme
desystemtechnik ein Garant für mehr Sicherheit, Komfort
KNX wird zunehmend auch durch die ältere Generation
und Energieeffizienz in den eigenen vier Wänden. Die
aufgrund der einfachen und oftmals selbsterklärenden
damit verbundene Gebäudeautomation wirkt generatio-
Funktion positiv bewertet. Der Standard ermöglicht es, die
nenübergreifend. KNX ist ein sogenanntes BUS. BUS steht
elektrischen Funktionen in der gesamten Wohnung über
für „Binary Unit System“ und ist die Grundlage intelligen-
das Smartphone, den Computer, per Touchpanel oder
ter oder vernetzter Gebäudetechnik. Damit die technischen
Schalter zu steuern. Jalousien und Fenster können zum
Geräte in einem Gebäude ihre Informationen austauschen
Beispiel mit einer Wetterstation auf dem Dach vernetzt
können, bedarf es einheitlicher Standards, über die sie
werden. Diese sendet ein Signal an den Zentralrechner,
gemeinsam kommunizieren können. Der KNX-Standard
sodass zum Beispiel bei Wind und Regen die Jalousien
nutzt dazu zusätzlich zum Stromnetz eine Niedervolt-
automatisch hochgefahren und die Fenster geschlossen
11
werden. Verschiedene Lichtszenerien sorgen per Knopf-
während der Gebäudenutzung für Wohlbefinden sorgen
druck für das passende Ambiente. So kann ganz indivi-
und in Zeiten, in denen die Bewohner sich nicht im Haus
duell die KNX-Anlage dafür genutzt werden, einzelne
aufhalten, aber heruntergeregelt oder ausgeschaltet sind.
Lichtszenen beim Betreten des Hauses zu aktivieren.
Eine weitere Steigerung für mehr Energieeffizienz ermög-
Farbiges Orientierungslicht im Flurbereich, die Leseleuch-
lichen Präsenzmelder. Damit lässt sich der Verbrauch wei-
te im Wohnzimmer oder die Küchenbeleuchtung können
ter begrenzen. Die Vernetzung aller Gewerke erlaubt
geschaltet werden. Über die Wetterstation ist es möglich,
zudem die Integration von Sonnenschutzanlagen mit
diese Situationen auch jahreszeitabhängig zu erzeugen.
Tageslichtlenkung, Lüftungsklappen für Nachtausküh-
Außerdem können die Stereoanlage oder der Fernseher
lung, Verriegelung der Fensterlüftung, solaren Wärmege-
eingeschaltet werden, um dem Bewohner „seine“ indivi-
winn usw., womit sich weitere Energieeinsparpotenziale
duelle Wohlfühlsumgebung nach Bedarf zu bieten.
erschließen lassen. Über ein zentrales Managementsystem können schließlich Energieverbräuche überwacht,
Energieeinsparpotenziale
analysiert und weiter optimiert werden. Zukunftsweisend
Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind in Zukunft mehr
für effiziente Energieanwendungen sind die intelligente
denn je gefragt, denn die Immobilienkosten werden
Verbrauchserfassung (Smart Metering) und die Koppelung
zunehmend über die Folgekosten definiert. Ohne Automa-
mit intelligenten Stromnetzen (Smart Grid). Für die
tion sind Beleuchtungen, Heizungs-, Klima- und Lüftungs-
Umsetzung der Gebäudeautomation mit KNX stehen mitt-
anlagen meist durchgehend in Betrieb, was einen hohen
lerweile deutschlandweit etwa 7.000 geschulte und erfah-
Energieverbrauch zur Folge hat. Bei einer mit KNX ausge-
rene Systemintegratoren zur Verfügung.
statteten Gebäudetechnik steuern dezentrale BUS-Geräte
die Raumheizung, Klimatisierung, Beleuchtungsanlagen
Einsatzmöglichkeiten
und andere Energieverbraucher ganz nach Bedarf. Zeitpro-
Nachfolgend einige Beispiele, die insbesondere die kom-
gramme sorgen dafür, dass Licht, Wärme und Kühlung
fortable Benutzerführung durch KNX verdeutlichen.
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puls 02 | 2011
Der KNX-Standard ermöglicht
es, beispielsweise über ein
Touchpanel in der Wohnung
sämtliche elektrischen Funktionen zu steuern. Wie hier
im von Pablo Katz entworfenen
Wohnhaus CK 06 in Paris.
Beleuchtung - Durch Tastendruck auf einem Zentralschal-
Anwesenheitssimulation durch Licht und sonstige
ter im Haustürbereich kann beim Verlassen der Wohnung
Aktionssteuerungen wie Rollladenbetrieb oder Fenster-
der Strom abgeschaltet werden. Dabei werden die not-
lüftung. Dauerlicht vor den Eingangsbereichen, jahres-
wendigen Technikbereiche oder Geräte ausgenommen
zeit- und helligkeitsgesteuert.
wie z. B. Heizung, Klimaanlage, Computer und Kommunikationssysteme und die Alarmanlage (scharfgeschaltet).
Bewässerung - Automatischer Betrieb der Garten-Bewäs-
Beschattung - Sonnen- oder Sichtschutzanlagen werden
serungsanlage, z. B. auch koppelbar mit Sonnenstunden.
wetter- bzw. sonnenstandsabhängig oder nutzerdefiniert
geöffnet oder geschlossen.
Haushaltsgeräte - Sicherheitsschaltungen für den Herd,
Fenster und Türen - Automatisches Schließen von Fens-
Backofen (zeitgesteuert), Gefrier- und Kühlschrank, mit
ter- und Türanlagen bei Regen und Wind, z. B. Dachfens-
entsprechender Störmeldung an eine Servicestelle.
ter, oder Lüftung bei schlechter, sensorisch gemessener
Luftqualität.
Computer und Kommunikationsanlagen - Diese Anlagen
Heizungs- und Klimaanlage - Individuelle Einzelraum-
werden üblicherweise über Dauerstrom geführt, bei
steuerung, um auf aktuell veränderte Bedarfe in einem
Unterbrechung geht eine Information an die Servicestelle
Raum zu reagieren und nach Nutzung automatisch in die
oder direkt auf das Handy.
Grundeinstellung zu fahren. Steuerung per Smartphone
Ebenso ist der Status der KNX-Anlage über Fernabfrage,
von unterwegs oder bei Rückkehr aus dem Urlaub. Ver-
z. B. durch das Mobiltelefon möglich.
gleichbare Steuerungen sind auch bei Klimaanlagen
möglich.
Alarmanlagen - Überwachungsmöglichkeiten per Bewegungsmelder in Kombination mit Video und Aufzeichnungselektronik für den Innen- und Außenbereich.
Volkmar Runte ist Pressevertreter der GGT Gesellschaft für Gerontotechnik
in Iserlohn. Er ist zudem Mitbegründer des Magazins „Das Optimum – Magazin
für Komfort und Qualität“, Fachorgan der GGT. Außerdem ist er Geschäftsführer
des Verlages 1.01.
13
» Praxis
Klinik im Grünen
Der Neubau des Johannes Wesling Klinikums
liegt malerisch in die Landschaft eingebettet
südlich von Minden. Der niedrige, dreigeschossige Baukörper wird durch zwischengeschaltete, bepflanzte Innenhöfe gegliedert und
bietet Patienten, Mitarbeitern und Besuchern
herrliche Ausblicke in Natur und Umgebung.
Von Britta Rohlfing Fotos Jochen Stüber
Am Stadtrand von Minden entstand in nur drei Jahren
Bauzeit einer der größten Klinikneubauten in Deutschland. Benannt nach dem aus Minden stammenden Gelehrten Johannes Wesling ersetzt die neue Klinik zwei alte in
der Stadtmitte gelegene Häuser. Mit über 800 Betten und
mit modernster Technik ausgestattet dient das Klinikum
der überregionalen Versorgung. Die Düsseldorfer TMK
Architekten + Ingenieure konnten 2003 den ausgeschriebenen Wettbewerb für sich entscheiden. Gewünscht wurde von den Bauherren eine maximal viergeschossige
Bebauung – was bei der Größe des Klinikums eine sehr flächige Bebauung bedeutet. Der Entwurf von TMK gliedert
das etwa 300 Meter lange Gebäude in mehrere einzelne
Baukörper, die durch zwei Hauptwege, eine Nord- und eine
Südmagistrale, miteinander verbunden werden. Zwischengeschaltete Innenhöfe und Grünbereiche stellen jeweils
den Bezug zum Außenraum her und versorgen den Großteil der Klinikräume auf diese Weise mit Tageslicht und
natürlicher Belüftung. Wichtige Aspekte des Entwurfs
waren für die Architekten Maßstäblichkeit und Transparenz. Trotz der enormen Größe des Hauses können sich
Patienten, Besucher und Mitarbeiter leicht orientieren.
14
» Praxis
Transparenz und Bezug zum
Außenraum als Leitmotiv –
Das Besuchercafé öffnet sich
zum Süden hin mit einer großzügigen Glasfassade, die
Patientenzimmer bieten mit
raumhohen Fenstern Ausblicke in die Landschaft.
Sie erleben mit der Dreigeschossigkeit des Hauses einen
chermagistrale mit Cafés, Shops, Friseur, Patientenbiblio-
Maßstab, der überschaubar und begreifbar ist, und kön-
thek etc. erreicht man an drei Stellen über offene Treppen
nen vielerorts den Blick ins Freie schweifen lassen. Kern-
und Aufzüge die verschiedenen Stationen. Auf zwei Eta-
stück des Johannes Wesling Klinikums ist der sich über die
gen befinden sich 21 Pflegestationen mit je 30 Betten,
gesamte Gebäudebreite erstreckende Aufnahme-, Dia-
hauptsächlich in Zweibettzimmern. Das dreistufige Pfle-
gnostik- und Therapietrakt, dem nordwärts der zentrale
gesystem entlastet die Normalstationen und stellt sicher,
Logistikbereich mit Zentrallager, Küche, Zentralsterilisa-
dass jeder Patient entsprechend seiner medizinischen
tion, Werkstätten und Apotheke vorgelagert ist. Zur Süd-
Bedürfnisse betreut wird. Die von der parallel verlaufen-
seite – und damit zur landschaftlich reizvollsten Seite in
den Nord- bzw. Patientenmagistrale zu erreichende zen-
Richtung Wiehengebirge orientiert – schließen sich die
trale OP-Abteilung ist im ersten Obergeschoss angesiedelt,
Bettenhäuser an. Eine angrenzende Wasserfläche vermit-
die Intensiv- und Intermediate-Care-Stationen schließen
telt zwischen Architektur und Landschaft und stellt den
sich hier direkt an. Im Erdgeschoss führt die Nordmagis-
Übergang vom gestalteten Bereich zum Wiehengebirge her.
trale zu allen Ambulanzen, Untersuchungs- und Behandlungsbereichen. Baulich nimmt das Eltern-Kind-Zentrum
Getrennte Patienten- und Besucherströme
eine Sonderstellung ein: Alle Bereiche von Geburtshilfe,
Direkt vom Eingangsbereich an trennen sich die Wege von
Kinderklinik und Früherkennungszentrum sind unter
Patienten und Besuchern. Von der südlich gelegenen Besu-
einem Dach vereint. Ein Anziehungspunkt im hektischen
17
Klinikalltag ist das an der Südmagistrale gelegene Besuchercafé. Auch hier setzten die Architekten auf Transparenz und Blickbeziehungen zum Außenraum. Eine Glasfassade über die gesamte Gebäudehöhe lässt den Blick auf
den gestalteten Innenhof, den hauseigenen See und das
dahinterliegende Wiehengebirge zu.
Neue Termin- und Ressourcenverwaltung
Grundriss Ebene 2
Blick in einen gestalteten
Innenhof, der Geäudekomplexe
voneinander trennt (oben),
Anmeldeschalter einer Ambulanz (Mitte), Patientenmagistrale mit Wandmosaik, das
medizinische Heilpflanzen zeigt
(rechts). Die Ansicht wechselt
je nach Standpunkt des
Betrachters.
Auf die Installation modernster Technik wurde im gesamten Krankenhaus viel Wert gelegt. Beispielsweise ermöglichen WLAN Access Points eine kabellose Kommunikation,
sei es, um in den Patientenzimmern während der Visite per
Notebook Befunde abzurufen oder etwa im OP Röntgenbilder einzusehen. Auf der Basis der Web-Technologie kommt
eine neu entwickelte Termin- und Ressourcenverwaltung
zum Einsatz: Patiententermine werden in einem zentral
geführten Terminkalender koordiniert. Im Gebäudezentrum des untersten Geschosses ist die Betriebstechnik
angesiedelt: Von hier aus werden robotergesteuerte Trans-
Grundriss Ebene 3
18
portwagen versandt, die alle Abteilungen des Krankenpuls 02 | 2011
hauses mit Wäsche, Arzneimitteln und Speisen versorgen
oder auch benutztes Geschirr abholen. Außerdem versorgt
ein vollautomatisiertes Reinigungs- und Ordnungssystem
Projektbeteiligte
die Mitarbeiter stets mit frischer Arbeitskleidung. Mit
Bauherr
einem elektronischen Schließsystem wird der Zugang zum
Zweckverband der Kliniken im Mühlenkreis
Klinikum kontrolliert. Mittels Transponder werden individualisierte Zugangsberechtigungen innerhalb eines
Architekten
bestimmten Zeitplans vergeben.
TMK Architekten + Ingenieure, Düsseldorf
Der Landschaftsplanung wurde ebenfalls große Bedeutung zugemessen, die Umgebung lädt zu Spaziergängen
Freiraumplanung
ein. Ein „Arboretum medicum“ informiert die Besucher
Kortemeier Brokmann Landschaftsarchitekten, Herford
über die medizinische Bedeutung der angepflanzten Bäume, Sträucher und Stauden. Die zwischengeschalteten
Integrierte Produkte von Busch-Jaeger
Innenhöfe statteten die Landschaftsarchitekten Korte-
Schalterserie Reflex SI inklusive Busch-steplight;
meier Brokmann mit einem Therapiegarten, einem Eltern-
Jalousieschalter; Steckdosen mit integriertem erhöhtem
Kind-Hof, einem Terrassenhof mit Gastronomie, einem
Berührungsschutz; Steckdosen mit LED-Funktions-
Kunsthof sowie mit einem Kapellenhof aus. Letzteren
anzeige; Sonderlösungen für die OP-Bereiche;
gestaltete eine Künstlerin mit einer Kapelle als begehbare
Bewegungsmelder im Außenbereich; Zentralscheiben
Holzskulptur, die einen Rückzugsort und angenehmen
für die Daten- und Kommunikationssysteme
Ruhepol im Klinikalltag darstellt.
19
» Praxis
Haus der Begegnung
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen NCT in Heidelberg vereint
unter einem Dach Ärzte, Wissenschaftler und Patienten. Das Haus bietet
eine Vernetzung interdisziplinärer medizinischer Versorgung mit kliniknaher Krebsforschung. Durch geschickte Materialwahl und eine sensible
Innenarchitektur gelingt es Behnisch Architekten, ein Krankenhaus ohne
typische Klinikatmosphäre zu gestalten. Das Centrum will beim Patienten
die Gefühle von Zuversicht und Vertrauen stärken und mobilisieren.
Von Britta Rohlfing Fotos Adam Mørk
Die Stadt Heidelberg, reizvoll am Neckar gelegen, lockt mit
nicht erwünscht. Im Gegenteil, der Neubau sollte den inter-
seinem lieblichen Panorama von Schloss und Altstadt Milli-
disziplinären Gedanken und den Modellcharakter der Ein-
onen von Touristen herbei. Doch gerade ist die Stadt dabei,
richtung mit seiner Architektur unterstützen.
sich neu zu erfinden, mag sich nicht länger auf ihr Image
als romantische Schönheit verlassen. Der Strukturwandel,
Transparenz und untypische Materialien
den sie unlängst erfährt, sorgt für ein internationales Klima
So gestalteten die Stuttgarter Architekten um Stefan Beh-
in der Stadt: Gut ein Dutzend medizinischer und naturwis-
nisch, David Cook und Martin Haas das neue Gebäude ganz
senschaftlicher Forschungseinrichtungen haben sich in den
bewusst transparent, offen und einladend. Herzstück der
vergangenen Jahrzehnten bereits ansiedelt und beeinflus-
Klinik ist das zentrale von Licht durchflutete Atrium, das
sen die Stadtentwicklung nachhaltig. Einen Beitrag hierzu
sich über vier Geschosse erstreckt. Als ein Ort der Begeg-
leistet auch das neuerbaute Nationale Centrum für Tumor-
nung zwischen Ärzten und Wissenschaftlern, Patienten
erkrankungen von Behnisch Architekten. Auf dem Campus
und Besuchern inszeniert, erschließt sich von hier aus das
des Universitätsklinikums, eingebettet zwischen Kopf- und
Gebäude: An zentraler Stelle im Erdgeschoss befindet sich
Kinderklinik, vereint es interdisziplinäre medizinische Ver-
der Empfang, von dem aus die Besucher übersichtlich in die
sorgung und kliniknahe Krebsforschung unter einem Dach.
unterschiedlichen Bereiche des Hauses gewiesen werden.
Es dient als zentrale Anlaufstelle für Krebspatienten, die
Freie, einläufige Treppen führen die Besucher von Ebene zu
von einem interdisziplinären Expertenteam auf der Basis
Ebene. Bereits die Materialwahl erweist sich als für ein
neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse betreut werden.
Krankenhaus untypisch: geschliffener Estrich als Bodenbe-
Die enge Vernetzung von Klinik und Forschung sollte sich
lag im Eingangsbereich, Sichtbetonwände, Treppengelän-
auch im Neubau widerspiegeln. Ein typischer Kranken-
der aus Eichenholzlatten im Wechsel mit Glasgeländern
hausbau war von den Bauherren, der Deutschen Krebshilfe
erzeugen eine Atmosphäre der Zuversicht, des Vertrauens
und der Dr. Mildred Scheel Stiftung für Krebsforschung,
und der Professionalität.
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Herzstück des Klinikums und
soziale Schnittstelle – das
Atrium, das sich über vier
Geschosse erstreckt, wirkt hell
und einladend und dank der
Oberlichter sehr plastisch.
puls 02 | 2011
Geographisch reagiert das Gebäude auf seine unmittelbare
det. In diesen beiden ersten Geschossen sind die klinischen
Umgebung: Nach Osten hin nimmt der Baukörper die ortho-
Abteilungen untergebracht, die beiden oberen Geschosse
gonale Struktur und die Geschossigkeit der angrenzenden
sind den Bereichen Beratung und Tumorkonferenzen sowie
Kopfklinik des Universitätsklinikums Heidelberg auf. Klar
den Büros für Forscher und Mediziner vorbehalten.
funktional gegliedert befinden sich hier auf drei Geschossen die Laborbereiche. Im westlichen Teil entwickelt sich der
Offene Behandlungsareale
Baukörper freier und wendet sich vermittelnd der benach-
Die klinischen Areale für die Patienten wurden freundlich
barten Kinderklinik zu. Augenfällig ist hier der aufgesetzte
und mit Einsatz von viel Eichenholz gestaltet. Die Untersu-
zweigeschossige Baukörper mit Putzfassade in typischer
chungs- und Behandlungsräume sind entlang der Fassaden
„Behnisch-Stapelmanier“, der auf den unteren Geschossen
angeordnet, geschützte Wartebereiche bieten Blicke in die
zu schweben scheint. Die skulpturale Form des Neubaus ver-
Landschaft. Die Behandlungen finden in offenen, lounge-
schafft dem Gebäude eine eigene Identität auf dem Campus.
ähnlichen Bereichen statt, in denen durch halbhohe
Durch eingeschnittene Vouten an den Fenstern bildet sich je
Schrankmöbel und Trennwände kleine Sitzgruppen von drei
nach Sonnenstand ein wechselndes Schattenspiel an der
bis fünf speziell für das NCT entwickelten Liegesesseln gebil-
Fassade. Nach Norden über den Haupteingang und nach
det werden. Zarte Vorhangstoffe sorgen für eine fast wohnli-
Westen hin auskragend, steht der steinerne Baukörper in
che Atmosphäre. Die Fassaden sind großzügig verglast,
Kontrast zu den beiden unteren Geschossen, deren Fassade
sodass die Patienten freien Ausblick auf den Garten haben,
aus grün eingefärbtem Glas sich mit der Umgebung verbin-
den sie zwischen den Behandlungen auch nutzen können.
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Die skulpturale Form des NCT
verschafft dem Gebäude eine
eigene Identität auf dem Campus (oben). Die Behandlungsbereiche sind mit speziell für
das NTC entwickelten Behandlungsstühlen eingerichet
(rechts).
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» Praxis
Lageplan
Grundriss Ebene 2
Eine vorgelagerte Terrasse steht ebenfalls während der
chemotherapeutischen Behandlung zur Verfügung. Ein
Raum der Stille dient den Patienten und Besuchern als Rück-
Projektbeteiligte
zugsort. Vom Atrium in Ebene 02 zu erreichen, scheint er wie
ein geflochtenes Nest aus breiten Metallbändern förmlich
im Luftraum zu schweben. Im Inneren gibt ein Oberlicht den
Bauherr
Blick in den Himmel frei. Ebenfalls vom Atrium aus zu errei-
Deutsche Krebshilfe e. V./Dr. Mildred Scheel Stiftung
chen sind eine Cafeteria mit eigens von den Architekten entworfenen Sitzbänken, ein Mehrzwecksaal sowie ein Gym-
Architekt
nastikraum. Das Gebäude entspricht den Anforderungen
Behnisch Architekten, Stuttgart
eines energetisch optimierten Funktionsbaus: Mit Hilfe
einer thermischen Gebäudesimulation wurden die Tempe-
Nutzfläche
ratur- und Strömungsverhältnisse im Gebäude untersucht.
5.565 Quadratmeter
Die Kosten für die Installation und den Betrieb der Lüftungsanlage konnten durch eine Kombination von bauteilakti-
Integrierte Produkte von Busch-Jaeger
vierten Decken und einer Teilklimatisierung optimiert wer-
Lichtsteuerung über Präsenzmelder und KNX-System
den. Das Gebäude wurde mit dem Preis „Beispielhaftes
Bauen Heidelberg 2003 –2010” ausgezeichnet.
23
» Praxis
Im Schwabinger Garten
Eingebettet zwischen üppigen Grünanlagen liegt das Caritas Pflegeheim St. Nikolaus,
das 2008 von Langecker + Partner Architekten in München-Schwabing fertiggestellt wurde. Das Konzept kombiniert Altenpflege mit betreutem Wohnen, setzt
ganz auf Kommunikation und bietet den nahezu 200 Bewohnern eine helle und
freundliche Umgebung, die zudem technisch auf dem neusten Stand ist.
Von Lasse Ole Hempel Fotos Stefan Schumacher
Schon auf dem Stadtplan scheint die Lage der Seniorenre-
Baumbestand blieb erhalten
sidenz St. Nikolaus attraktiv. Am westlichen Ende der
Auch mit dem Neubau des Altenheims Sankt Nikolaus
Osterwaldstraße liegt sie, in unmittelbarer Nachbarschaft
konnte das Quartier aufgewertet werden, stand doch hier
zum kleinen Osterwaldpark. Der weltberühmte Englische
seit 1948 ein zunächst provisorisches Flüchtlingsheim, an
Garten beginnt einen Kilometer entfernt in südlicher
das immer wieder stückweise angebaut wurde und das ab
Richtung. Doch Grün- und Erholungsflächen prägten
den 1950er-Jahren als Altenpflegeheim genutzt wurde. Als
nicht schon immer diesen Teil von Schwabing-Nord, der
das Haus von seinem Standard her nicht mehr zu tolerie-
heute von gepflegten Einfamilienhäusern dominiert wird
ren war, wurde bald klar, dass eine Sanierung auszuschlie-
und im Münchner Mietspiegel weit oben rangiert. Früher
ßen war. Das Gebäude musste abgerissen wurden, und
gab hier mittelständisches Gewerbe den Ton an, und nie-
durch den Neubau mussten in jedem Fall die 130 Pflege-
mand wäre wohl auf die Idee gekommen, den nördlichen
plätze des Vorgängergebäudes ersetzt werden. Tatsächlich
Teil des Englischen Gartens für ein Picknick anzusteuern.
sind es heute 177 Heimplätze in St. Nikolaus, dazu kommen
Einst befand sich in diesem Teil des Areals die Lokomoti-
zehn Wohnungen im Dachgeschoss, deren Bewohner die
venfabrik von Krauss-Maffei, in der bis in die 1990er-Jah-
Pflegedienste des Heims in Anspruch nehmen können.
Mediterrane Farbgebung: Der
ockerfarbene Anstrich des zentralen Hauptbaukörpers nimmt
Bezug zum Laub der großen
Kastanienbäume im Garten auf
der Gebäuderückseite. Die
Holzpaneele sorgen zusätzlich
für Abwechslung.
re noch kräftig produziert wurde. Je nach Windrichtung
konnten industrielle Düfte durch die Parklandschaft
St. Nikolaus ist in drei Baukörpern angelegt. Diese Auftei-
wehen. Das Revier ist heute ein typischer Beleg für die
lung war vom Bebauungsplan her vorgeschrieben, da das
Tatsache, dass sich der hochwertige Innenstadtbereich
neue Gebäude exakt in die Umrisse des ursprünglichen
der bayerischen Metropole stetig ausdehnt. Einen nicht
Pflegeheims passen musste. Dazu musste der vorhandene
zu unterschätzenden Anteil daran hatte die verkehrsberu-
Baumbestand nach Möglichkeit gewahrt bleiben. Durch
higende Maßnahme, den vielbefahrenen Mittleren Ring
zusätzliche Maßnahmen wie Spundwände konnte dies
unter die Erde zu legen.
erreicht werden. Der Entwurf von Langecker Architekten,
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puls 02 | 2011
Die 25 Quadratmeter großen
Einzelzimmer lassen viel individuellen Gestaltungsspielraum
zu (links oben). Großzügig und
farblich abgestimmt erscheinen die kommunikativen Gemeinschaftsbereiche (links
unten und rechts). Besonders
stolz ist man auf die hauseigene Kapelle (unten rechts)
der aus dem VOF-Verfahren erfolgreich hervorging, sah
gen Ocker fast mediterran anmutet. In der Vertikalen wird
vor, dass von der bisherigen für das Heim vorgesehenen
das Gebäude über ein Treppenhaus und zwei Aufzüge
Fläche von 15.000 Quadratmeter lediglich 10.000 Quadrat-
erschlossen. Pro Stockwerk teilt sich eine Wohngruppe von
meter für den Neubau benötigt werden. Die restlichen
15 Plätzen einen Flügel. Zwecks einer besseren Orientie-
5.000 Quadratmeter konnten erfolgreich veräußert wer-
rung hat jede Wohngruppe eine eigene Farbgebung und
den, der entsprechende Gewinn floss in das Kapital des
einen spezifischen Namen zugewiesen bekommen. Die an
Pflegeheims ein. So konnte in unmittelbarer Nachbar-
den Wänden der Sektoren angebrachten Fototafeln sollen
schaft eine hochpreisige Wohnanlage für Senioren entste-
insbesondere jenen Menschen helfen, die an gerontopsy-
hen: altersgerechtes Wohnen, mit der Option, die Betreu-
chiatrischen Krankheiten wie Demenz leiden. So trifft der
ungsangebote von St. Nikolaus zu nutzen und letztlich
Bewohner auf ihm womöglich bekannte Straßen und Plät-
auch in das Pflegeheim umzuziehen.
ze aus dem Münchner Raum. Im Erdgeschoss eines Flügels
wurde ein spezieller Bereich für Demenzkranke angelegt.
Orientierung durch Farbgebung
Für die sogenannten weglaufgefährdeten Patienten sind
Trotz dieser erheblichen Zusatzeinnahme kann man bei
hier besondere Vorrichtungen getroffen, wie beispielsweise
St. Nikolaus mit einem Bauvolumen von rund 18 Millionen
durch Zahlencodes gesicherte Türen. Die tägliche Praxis hat
Euro von einem Low-Budget-Projekt sprechen, bei dem
erbracht, dass man heute in St. Nikolaus Demenzkranke
aber aus den Möglichkeiten nahezu das Optimum heraus-
gemeinsam mit anderen Bewohner in einer Wohneinheit
geholt werden konnte. Man betritt das Gebäude durch den
betreut. Im Außenbereich sorgen Paneele entlang der Fas-
vorstehenden mittleren Baukörper, der in seinem kräfti-
sade für weitere farbige Akzente.
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Integrative Angebote
Heiligen Abend, lässt sich der Publikumsbereich durch
Gerade älteren Menschen ist es besonders wenig zuträg-
eine Schiebetür in Richtung des angrenzenden Cafés ein-
lich, sich selbst überlassen zu sein und keine Anregungen
drucksvoll vergrößern. Das helle Café ist mit seiner Fens-
zu erhalten. So war es von Anfang an Teil des baulichen
terfront dem Garten zugewandt und verfügt über eine
Konzepts, die Bewohner in eine lebendige Umgebung zu
sonnige Terrasse. Wer hier an einem Sommertag Platz
integrieren. Wer körperlich bereits stark eingeschränkt ist,
nimmt, wird die Nähe der schattenspendenden Bäume zu
sollte zumindest durch bloßes Zuschauen und Teilhabe
schätzen wissen. Die Rattanstühle und gestreiften Marki-
den Bezug zu seiner Umgebung erhalten können. Heute
sen lassen eine Caféhausatmosphäre aufkommen – etwas,
weiß man, dass allein durch die Teilhabe am Leben Ande-
das man gemeinhin kaum in einem Altenpflegeheim
rer älteren Menschen ungemein geholfen werden kann. So
erwarten würde. Da wundert es nicht, dass sich zumindest
wurde viel Wert auf die Gemeinschaftsbereiche gelegt, die
in der warmen Jahreszeit das soziale Leben rund um die
jeweils an zentraler Stelle einer Wohngruppe zugeordnet
Terrasse und die angrenzenden, mit Holzbänken gesäum-
sind. Hier können die Bewohner selbst kochen oder fernse-
ten Grünbereiche konzentriert. In den Innenräumen des
hen, in dem mit bequemen Lehnstühlen, Sofas und hölzer-
Cafés finden Filmvorführungen und andere Veranstal-
nen Bücherregalen einladend eingerichteten Bibliotheks-
tungen statt.
Urbanität und grünes Flair:
St. Nikolas liegt eingebettet
zwischen großen Bäumen. Mit
dem Rollator kommen die
Bewohner bequem in den
Englischen Garten – oder auch
an die Münchner Freiheit.
bereich können sie lesen und beinander sitzen.
Für die Internet-Generation vorbereitet
Besonders stolz ist man auf die eigene Kapelle, in der
Alle Flur- und Zimmerbereiche sind brandüberwacht,
jeden Sonntag ein Gottesdienst abgehalten wird. Bei
Alarmmeldungen gehen an einer zentralen Stelle im Haus
besonderen Anlässen, wie beispielsweise der Messe am
ein, lösen den Alarm aus, der sofort direkt an die Feuer-
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» Praxis
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Einzelzimmer
Nordansicht
Grundriss 1. – 3. OG
wehr weitergeleitet wird. Im Hinblick auf zukünftige,
internetaffine Altersheimgenerationen sind in allen Zimmern die Vorrichtungen für einen umfassenden Netz-
Projektbeteiligte
werkanschluss verlegt. Den Plan der Architekten, eine
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zu installieren, haben
Bauherr
die strengen Budgetvorgaben durchkreuzt. Dennoch kann
Caritasverband der Erzdiözese
das Gebäude den Niedrigstenergiestandard einhalten –
München und Freising, GF Altenheime, München
unter anderem durch das installierte System der kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung.
Architekten
Gerade in Pflegeheimen zahlt sich diese Investition aus, da
Langecker + Partner Architekten GbR
so in den Zimmern immer ausreichend Luft ausgetauscht
wird. Das kommt der Luftqualität im ganzen Gebäude
Bauzeit
zugute. Insbesondere bei Bewohnern, die den Hang haben,
2006–2008
das Fenster nie oder nur ganz selten zu öffnen, ist trotzdem ein angenehmes Raumklima garantiert. Die einge-
Bauvolumen
baute KNX-Anlage erlaubt eine zentrale Steuerung von
18, 1 Millionen Euro
Beleuchtung, Sonnenschutz und Belüftung. Durch die Koppelung an den Wind- und Regenwächter, der auf dem
Integrierte Produkte von Busch-Jaeger
Dach installiert ist, lässt sie bei einem aufkommenden
KNX-Anlage; Schalterprogramm Reflex SI 214
Sturm der Sonnenschutz hochfahren.
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TMK Architekten
Gute Besserung
Der Mief auf den Fluren und die klinische Atmosphäre sollen der Vergangenheit
angehören. Der postmoderne Architekt denkt ganzheitlich und ersinnt grüne und
lebenswerte Gesundheitskomplexe, die im Inneren umfangreiche Technik verbergen.
TMK Architekten: Nationales Centrum für Tumorerkrankungen, Heidelberg
Der Wettbewerbsentwurf von TMK Architekten für das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg wird eine Aufsehen erregende Vision bleiben. Aus dem vom Bauherrn, der Deutschen Krebshilfe und der Dr. Mildred Scheel Stiftung für Krebsforschung, ausgerufenen Wettbewerb ging das Büro Behnisch Architekten siegreich hervor (siehe Praxisbericht S. 20ff).
TMK Architekten hatten für den im Aufwind begriffenen Wissenschafts- und Technologiestandort Heidelberg eine interessante Lösung
anzubieten, für die sich bereits in der äußeren Form jegliche Assoziation zu den Themen Krankenhaus und Bettenstation verbietet. Das
NCT erhebt sich bei TMK Architekten ringförmig aus dem Gelände, ist auf Stützen gestellt und mutet dank des transparenten Erdgeschosses ungemein leicht an. Es soll sowohl bei Passanten als auch bei Besuchern Interesse wecken und den Eintretenden mit einer
Geste der schützenden Hand im Innenraum der kreisförmigen Fassade in Empfang nehmen. Der Baukörper ist in drei Elemente unterteilt: Über dem Gartengeschoss, das die Räume für Ver- und Entsorgung beherbergt, erstreckt sich ein amorphes Erdgeschoss mit transparenten Fassadenflächen und einer großzügigen Eingangshalle. In den beiden kreisförmigen Obergeschossen sind die interdisziplinären Therapie-, Beratungs- und Tagesklinikfunktionen angelegt. Die Gefahr der Verwechslung mit den in unmittelbarer Nachbarschaft
stehenden rechteckigen Gebäuden des Universitätsklinikums haben die Architekten von vornherein ausgeschlossen.
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» Visionen
Arakawa und Madeline Gins: Architecture against Death
Das japanisch-amerikanische Künstlerpaar Arakawa und Madeline
Gins widmete sein gesamtes künstlerisches Forschen und Schaffen
dem Älterwerden und Sterben. Getreu dem Leitsatz „Man ist so alt
wie man sich fühlt“ trainiert ihre Architektur Bewohner mit – man
muss es wohl so nennen – Unbequemlichkeit. Ihr Œuvre nannten
sie „Reversible Destiny“, das umkehrbare Schicksal, welches sich in
Gedichten, Büchern, Gemälden und Architekturen manifestierte.
Das Konzept der „Architecture against Death“ wurde über die Jahre
in verschiedenen Visionen geplant, modifiziert und nahm schließlich auf Long Island als lebensverlängernde Villa konkrete bauliche
Formen an. Schreiende Farben, Türen und Fenster, zu denen man
sich bücken oder hochklettern muss, bestimmen die Gebäude, ein
hügeliges Bodenrelief verlangt Bergsteigerkünste, „moderner“
Komfort wie ein Wasserklosett ist bewusst nicht vorhanden. Diese
ständige Anstrengung, so das Künstlerpaar, lässt dem Tod keine
Möglichkeit, den Menschen zu überrumpeln. Denn Behaglichkeit
führe früher oder später zum Tod. Ihre größte Vision die „City of
Reversible Destiny“, eine ganze Wohnsiedlung, die lebensverlängernd wirken soll, wartet noch auf Investoren. Arakawa, der 2010
im Alter von 73 Jahren verstorben ist, wird den Bau dieser unge-
sondern voller Barrieren ist, nicht mehr erleben. Ms. Gins widmet
sich jedoch weiterhin leidenschaftlich einer Architektur, die dem
Alterungsprozess entgegen wirken soll.
Arakawa + Gins
wöhnlichen Form altersgerechten Wohnens, das nicht barrierefrei,
Pristmangoode: Recovery Lounge
Unzählige Spezialisten haben sich schon mit der schwierigen Aufgabe befasst, effizientere und kostensparende Gesundheitseinrichtungen zu schaffen.
Mit Pristmangoode wagt nun ein renommiertes britisches Designbüro einen visionären und zugleich ungemein konkreten Vorschlag. Ausgehend von
Optimierungen im Flugzeugkabinen-Design, bei dem auf engstem Raum den Passagieren größtmöglicher Komfort geboten wird, entwickelten sie ihre
„Recovery Lounge“, eine Ambulanzklinik, die neben Entertainment für wartende Patienten optimierte Arbeitsabläufe für Ärzte und Pfleger sowie eine
flexible Nutzung bietet. Es wurden Erfahrungen aus dem Low-Budget-Hoteldesign eingebracht, denn ebenso wie Hotelzimmer muss die Recovery Lounge preisgünstig, langlebig und einfach zu reinigen sein. Insbesondere der Privatsphäre der Patienten kommt ein großes Augenmerk zu. Pristmangoode
betonen, dass ihr Entwurf nicht teurer ist als herkömmliche Krankenhausmöbel, den Patienten aber hohen Komfort bieten kann. Nicht zuletzt soll die
Recovery Lounge mit gutem Design auch den Wohlfühlfaktor erhöhen und so zu einer schnellen Heilung der Patienten beitragen.
Llewelyn Davies Yeang:
Kinderklinik Great Ormond Street
Das Londoner Kinderkrankenhaus Great
Ormond Street ist auf dem Weg, zum „grünsten“ Krankenhaus Großbritanniens zu avancieren. Der Umbau, der 30.000 Quadratmeter umfasst und bei laufendem Betrieb
stattfindet, beinhaltet zwei neue Gebäude
sowie eine Grunderneuerung der bestehenden Gebäude. 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß für das gesamte Krankenhaus sind
geplant. Eine großzügige Glasfassade sorgt
für natürliche Belüftung und ausreichend
Helligkeit, im Inneren kommen Linoleum
sowie schadstofffreie Farben zum Einsatz.
Die größte Herausforderung für die Architekten war es, Funktionalität und nachhaltiges
Design zu vereinbaren und dabei eine weniger sterile Atmosphäre zu schaffen. Auch für
Effizienz ist gesorgt: 20 Prozent mehr Patienten können in Zukunft behandelt werden.
NORD: Krebszentrum Sundhedscenter, Kopenhagen
Die Herausforderung für den Wettbewerb zum neuen Krebszentrum in Kopenhagen hätte wohl größer nicht sein können: Die Architekten sollten ein Gebäude entwerfen, in dem sich Patienten wohlfühlen und ihre Lebensfreude erhalten oder neu gewinnen sollen; einen Ort der Heilung und des Lernens. Und dies, obwohl eine
Krebsklinik wohl eher mit Sterilität, hochtechnisierten anonymen Abläufen und auch Angst vor dem Tod verbunden wird. Studien belegen immer wieder, wie essenziell psychologische Aspekte für den Heilungsprozess sind und welche Rolle hier die Architektur spielt. So suchten NORD-Architekten aus Kopenhagen einen „familiären Maßstab“ für ihren Entwurf, der nun aus kleinen verschachtelten Häusern mit großen Oberlichtern und viel Luftraum besteht, die über einen Innenhof verbunden sind und keine Ähnlichkeit mit einem bedrohlichen riesigen Klinikkomplex haben. Im Inneren verfügt das Zentrum neben der Ruheoase im Hof auch über eine
Kletterwand, um in einem geschützten Rahmen sportliches Training und Ablenkung zu ermöglichen. Mehrere Küchen sollen unter Appetitlosigkeit leidenden Patienten die Möglichkeit bieten, für sich selbst, gemeinschaftlich oder unter Anleitung, zu kochen und so ein Stück Alltäglichkeit in die künstliche Klinikwelt transportieren.
HWKN: Aging in Africa, Lagoon Aby,
Elfenbeinküste
Inspiriert von einem traditionellen afrikanischen Dorf entwarf das New Yorker Architekturbüro Hollwich-Kushner (HWKN) einen Altersruhesitz für katholische Priester an der Elfenbeinküste. Die pensionierten Geistlichen, die nicht
über den in afrikanischen Gesellschaften noch
überaus wichtigen familiären Rückhalt verfügen, sollen hier die Möglichkeit erhalten, ihren
Lebensabend in einer institutionalisierten Gemeinschaft zu verbringen. In zwei langen Reihen flankieren elf Wohn- sowie drei Pflegehäuser eine breite zentrale Achse, auf der sich verschiedene öffentliche Gebäude befinden: beginnend mit dem Verwaltungsbau über die Bibliothek und den Veranstaltungspavillon bis hin
zum Herzstück der Anlage – der Kirche. Angelehnt an die Silhouette klassischer christlicher
Kirchen wird hier ein skulpturales Gotteshaus
als Treffpunkt für die Bewohner, aber auch für
die in der Umgebung lebende Bevölkerung entstehen. Die pensionierten Priester sollen weiterhin aktiv in den Ablauf der kirchlichen Veranstaltungen einbezogen werden. Ebenso öffentlich zugänglich sind das eigene Krankenhaus
der Wohnsiedlung sowie das angrenzende Fußballfeld. Der Kontakt zur Nachbarschaft soll auf
diese Weise gepflegt und die Integration ins allgemeine tägliche Leben erhalten bleiben. Besonderen Wert legen die New Yorker Architekten
auf den Bezug zur Natur: Auf einer Halbinsel am
atlantischen Ozean gelegen, integriert sich die
Architektur der Wohnanlage vollständig in die
Landschaft. Die beidseitig der zentralen Achse
angeordneten eingeschossigen Gebäude scheinen sogar mit ihr zu verschmelzen. Die Bepflanzung der Umgebung setzt sich auf den Dächern
fort, von hier bietet sich dem Bewohner und
Besucher ein einzigartiger Blick über das Meer
und das Umland. Die Nord-Süd-Ausrichtung der
Anlage unterstützt die natürliche Luftzirkulation und beeinflusst das Wohlbefinden positiv.
Sowohl der ökologische als auch der ökonomische Aspekt spielen bei der Auswahl der Materialien eine wichtige Rolle. So verwendet HWKN
überwiegend aus der Region stammende Baustoffe wie Holz oder Lehmziegel. Eine Erweiterung
Schule vor, in der die pensionierten Priester die
Kinder der Umgebung unterrichten sollen.
© HWKN
der Seniorenwohnanlage sieht den Bau einer
» Umfrage
Ganz privat:
Wie wollen Sie im Alter wohnen?
Sie sind Spezialisten für barrierefreies Bauen, Krankenhäuser oder soziale
Konzepte wie Mehrgenerationenhäuser. Doch wie stellen sie sich ihre eigene
Wohnzukunft im Alter vor? puls hat bekannte Architekten um ihr ganz
persönliches Statement gebeten.
Prof. Gesche Grabenhorst
ahrens grabenhorst architekten BDA, Hannover
„Für einen späteren Lebensabschnitt stelle ich mir ein gemeinschaftliches Wohnen vor – mit
Freunden in einem Haus. Es sollte einen Ort – ein Zentrum – für Kommunikation bieten, für
gemeinschaftliches Kochen, Essen und Leben, aber auch den Rückzug des Einzelnen ermöglichen. Das Konzept muss räumlich eine Antwort auf die unterschiedlichsten Gruppierungen
haben. Konstellationen verändern sich und verlangen in ihrer Komplexität architektonische
Raumabfolgen, die sowohl Nähe als auch Distanz strukturieren.“
Eckhard Feddersen, feddersenarchitekten, Berlin
„Das Alter wird vielfältiger – immer mehr Menschen verwirklichen auch in fortgeschrittenen
Lebensphasen individuelle Entwürfe. Sie wollen sicher wohnen, schätzen Komfort, Qualität und
vor allem Flexibilität. Architektur kann einen wesentlichen Beitrag für ein selbstbestimmtes
Alter leisten. Indem wir Bauen im Universal Design zum Standard erheben und damit Lebensräume für alle schaffen, wird eine gesonderte, „altersgerechte“ Architektur überflüssig. Diese
neue Normalität wünsche ich mir auch für mein Wohnen im Alter.“
Johannes Kister
kister scheithauer gross, Köln
„Wann beginnt das Alter, was zeichnet das
Alter aus, zählt man schon dazu? Wesentliches
möchte ich nicht anders haben. Auf jeden Fall
die eigenen vier Wände. „Im Hause“ gemeinsam alt werden, dabei immer weiter eine
schöne Arbeit machen.“
34
puls 02 | 2011
» Umfrage
Werner Langecker
Langecker + Partner Architekten, München
„Ich möchte auf jeden Fall in den eigenen vier Wänden alt werden, und
ich rate allen, die Ähnliches vorhaben, früh genug mit den Vorbereitungen zu beginnen. Hier erlebe ich immer wieder, dass Bauherren von
Einfamilienhäusern nicht an den eigenen Alterungsprozess denken
und somit einen Fehler begehen, der sich später nur ganz schwer rückgängig machen lässt. Wenn es sich dann doch nicht vermeiden lässt,
würde ich in ein Pflegeheim gehen, in dem man auf den ersten Blick
spürt, dass auch alte Menschen Anspruch auf ein ansprechendes Wohnumfeld haben. “
Dieter Ben Kauffmann
Kauffmann Theilig & Partner, Ostfildern
„...ganz im Sinne Kurt Tucholskys Ideal: ,Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit
großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße, mit schöner Aussicht,
ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehen, aber abends zum
Kino hast du’s nicht weit…’“
Berta Heyl
Grünenwald + Heyl, Karlsruhe
„Bei der planerischen Begleitung von Wohnprojekten ist ein hohes Maß an persönlichem Engagement gefragt, denn neben der Rolle der Architektin rutscht man fast
zwangsläufig in die Rolle der Gruppenmoderatorin, die ganz unterschiedliche
Interessenlagen auf einen gemeinsamen Nenner bringen muss. Ich selbst kann
mir sehr gut vorstellen, mit gleichgesinnten Menschen in einem urbanen, generationsübergreifenden Wohnprojekt zu leben – die zahlreichen erfolgreichen Beispiele, die ich bisher planen durfte, machen in jedem Fall Lust auf mehr.“
Alfred Schelenz
Gatermann + Schossig, Köln
„Mehrgenerationen-Wohnen und Alters-WGs halte ich für gute Ansätze, das
Leben im Alter zu organisieren. Dabei kommt es in erster Linie auf das selbstbestimmte Gestalten des Tagesablaufs an. Eine wesentliche Rolle, dies zu realisieren, werden intelligente Gebäudebetriebssysteme übernehmen – bis hin zur
räume für ein menschenwürdiges Leben im Alter erweitern, in denen Kommunikation, Aktivität und Freizeit im Vordergrund stehen.“
Macina
Unterstützung durch Hausroboter. Diese Serviceplattformen werden die Frei-
35
» Zu Besuch
Mehr Autonomie für
den Patienten
C. F. Møller gehört zu den führenden dänischen Architekturbüros. In ihren
Gesundheitsbauten haben die Architekten immer wieder ausgeprägtes Gespür
für lebenswerte und transparente Umgebungen bewiesen. Im Gespräch mit
puls erzählt Partner Julian Weyer vom besonderen skandinavischen Ansatz
beim Gestalten von Krankenhäusern, Residenzen und Hospizen.
Von Lasse Ole Hempel
Aarhus ist die zweitgrößte dänische Stadt und steht als sol-
Weltweit gibt es natürlich unter Architekten eine Überein-
che seit jeher im Schatten der Kapitale Kopenhagen. Umso
stimmung, was diese Werte angeht. Aber interessanter-
mutiger erscheint rückblickend C. F. Møllers Schritt, den
weise sehen die Gebäude letztlich doch ganz anders aus.
Sitz des 1924 in Kopenhagen gegründeten Büros nach Aarhus
Der Besucher, der beispielsweise das von uns geplante
zu verlegen. Dort arbeitete der Architekt seit 1931 an einem
neue Universitätskrankenhaus in Oslo betritt, spürt doch
Großprojekt, dem Bau der Universität Aarhus. Es entstand
unweigerlich, dass er sich in Skandinavien befindet.
eine Ikone des skandinavischen Modernismus, die auch
heute nach mehreren Umbauten noch in einer ursprüng-
An dem Projekt fällt die Magistrale auf, die sich durch den
lichen Struktur erkennbar ist. C. F. Møller Architekten hält
Hauptbaukörper zieht.
die Universität Aarhus bis heute mit Umbau- und Erweiter-
Die Magistrale zieht sich durch den Raum, verbindet vieles
ungsbauten in Atem. Derzeit arbeiten 300 Mitarbeiter für
und präsentiert den öffentlichen Raum mit all seinen Ein-
C. F. Møller Architekten, das seit den 1950er-Jahren als Part-
richtungen. Dieses Konzept ist natürlich nicht per se „strictly
nerschaft funktioniert und mittlerweile zusätzliche Büros
Scandinavian“, aber die Art, wie es umgesetzt ist: Zum Bei-
in Oslo, Stockholm und London eröffnet hat. Arbeiten von
spiel die Art, wie Licht und Landschaft in den Raum hinein-
C. F. Møller wurden mit mehreren Preisen bedacht und
fließen, und die wuchtigen Holzkonstruktionen, die an den
auch bereits bei der Biennale in Venedig ausgestellt. Derzeit
umgebenden Wald erinnern, wie auch die anderen Materi-
plant das Büro abermals in Aarhus ein neues Mammut-Pro-
alien wie Holzlatten und Naturstein – sogar der vor Ort
jekt: den Neubau des Universitätsklinikums Aarhus – den
gesägte Grundfels kommt als Café-Terrasse mit ins Spiel.
größten Krankenhausneubau der dänischen Geschichte.
Am wichtigsten erscheint aber, dass dieser Raum keines-
Den Stadtcharakter auf ein
Krankenhaus übertragen: Im
Universitätskrankenhaus Oslo
laufen an der zentralen Magistrale nicht nur wichtige Funktionen zusammen. Die Mittelachse bietet zudem die wichtige soziale Zone im Komplex.
wegs nur Passage ist – hier trifft sich auch das Personal an
Herr Weyer, bei skandinavischer Architektur fallen einem
offenen Arbeitsstationen. Dies unterstützt die Ideen von
Attribute wie demokratisch, transparent, übersichtlich ein.
demokratischer Gleichwertigkeit und direkter Partizipa-
Wieviel trifft davon auf die Projekte von C. F. Møller zu?
tion: Man kommt sich „auf Augenhöhe" entgegen, und
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puls 02 | 2011
Torben Eskerod
Torben Eskerod
vermeidet die traditionelle Distanz zwischen Patient und
tieren. Man weiß, wie sie aufgebaut ist und wie sie funk-
Pflegern – eine typisch skandinavische Haltung.
tioniert. Auch wenn man die Stadt nicht kennt, erkennt
man Teile der Stadt wieder – Elemente wie Platz, Boule-
Die verschiedenen Bereiche scheinen wie die Teile einer
vard, Kathedrale. Diese Begriffe planen wir ganz bewusst
Stadt miteinander vernetzt.
in einer Krankenhausstruktur mit ein – auch um letztend-
Das Informelle des Stadtcharakters kommt hier zum Tra-
lich Orientierungshilfen zu bieten.
Typisch skandinavisch; Holzelemente an der Fassade des
Universitätskrankenhauses in
Oslo stellen die Beziehung
zum umgebenden Wald her.
gen. Es hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass uns die
Autonomie des Patienten sehr am Herzen liegt und dass
Immer wieder betonen Architekten ihr Ziel, eine allzu
wir das Gebäude auch für Besucher zu einem angenehmen
klinische Atmosphäre zu vermeiden. Wie wichtig ist es
Ort machen wollen. Diese Metaphorik treiben wir auch
heute, Technik zu verbergen?
weiter. Was vor allem sehr interessant wird, wenn man
Den Einzelnen interessiert es nicht mehr, die ganze Appa-
etwa das Universitätskrankenhaus in Aarhus betrachtet, an
ratur zu sehen. Auf das Interface kommt es den meisten
dem wir gerade arbeiten. Ein wahrlich gigantisches Projekt,
an. Ein Krankenhaus darf von den Patienten nicht als
das Ursprungsgebäude wurde 1985 von C. F. Møller entwor-
Fremdkörper empfunden werden, der Patient muss sich
fen – auf einer Fläche von 150.000 Quadratmetern. Jetzt
heimisch fühlen. Natürlich ist ein Krankenhaus eine große
wird die Fläche noch einmal erweitert: Bei einer Kranken-
Maschine, und es muss ein extrem effektiver Organismus
hausstruktur von circa 400.000 Quadratmetern reicht das
geschaffen werden, der rund um die Uhr funktioniert. Vor
traditionelle Denken, das so ein Gebäude wie ein Haus
allem weil der Betrieb solcher Krankenhäuser so unglaub-
begreift, nicht mehr aus. Komplexe wie dieser müssen viel-
lich komplex und kostspielig ist. Gerade in Skandinavien
mehr wie eine Stadt gedacht werden. Das gibt uns die Mög-
sind die Personalkosten so hoch, dass sich das Personal in
lichkeit, dieses Projekt mit seinen gigantischen Ausmaßen
erster Linie mit Patienten beschäftigen soll. Wir beobach-
wieder intuitiv erfassbar zu machen. Denn alle können sich
ten daher in unseren Krankenhausprojekten, dass sich bei-
in der traditionellen Stadt, wie wir sie kennen, leicht orien-
spielsweise mehr und mehr Robotertechnik durchsetzt.
38
puls 02 | 2011
» Zu Besuch
Arbeiten wie Wäsche waschen können zum Beispiel bereits
problemlos von Robotern erledigt werden. Wir haben es
also mit einem Trend zu mehr Automation zu tun, gleichzeitig sollte die Struktur von Krankenhäusern einen
menschlicheren, lebensnahen Ansatz verfolgen. Kunst
stellt sich dabei als wichtiges Element bei der Planung
einer ganzheitlichen Umgebung heraus. Weil Kunst als
etwas bewusst Irrationales mit unterstützen kann, die
womöglich als starr empfundenen institutionellen Strukturen aufzubrechen. Denn diese Mischung, ist sehr wichtig,
und sie kann auch den Heilungsprozess unterstützen.
Zum anderen sprachen Sie auch bereits von dem Ziel, dem
Patienten Autonomie zurück zu geben.
In unseren Krankenhäusern sollte der Patient sich niemals
wie ein Rädchen im Getriebe fühlen, sondern im Gegenteil:
Der Patient übernimmt selbst mehr und mehr die Steuerung. Die Technik dient also einer Individualisierung. So ist
nicht mehr, wie das Telefonnetz aussieht, sondern betrachten und steuern die Technik über das Interface unseres
iPhones. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Krankenhaus. Der Patient erwartet effektive Strukturen, was ihn
aber noch weitaus mehr interessiert, ist die Art und Weise,
wie er mit diesen Strukturen in Verbindung tritt. Ein ganz
wichtiger Grundsatz wäre hier: „Je mehr Einfluss man
selbst ausüben kann, desto weniger ohnmächtig fühlt man
sich, und umso leichter wird man auch wieder gesund.“
Nun haben Sie mit dem Hospiz Djursland auf einer Halbinsel nordwestlich von Aarhus Räume für Menschen
Torben Eskerod; Adam Mørk; Jørgen True
ja heute auch unser Verhältnis zur Technik. Uns interessiert
Das 2011 fertiggestellte neue Universitätskrankenhaus in Malmö (oben) reiht sich in C. F. Møllers
Liste von erfolgreich realisierten Großprojekten des Gesundheitsbereichs. Sensibler Zugang: Im
2007 eröffneten Hospiz Djursland (unten) entscheiden die Patienten zwischen öffentlicher und
privater Sphäre. Die gebogene Form des Baukörpers lässt großzügigen Einfall von Tageslicht zu.
geplant, die keine Hoffnung mehr auf Heilung haben
können. Hier ist womöglich ein noch weitaus höheres
Maß an Sensibilität gefragt.
Der Ausgangspunkt für das Projekt war die Landschaft und
die außergewöhnlich wunderbare Lage des Gebäudes mit
Aussicht auf die Bucht von Aarhus. Von Anfang an sollte
man von allen Patientenzimmern eine ähnlich gute Aussicht auf die Landschaft bekommen. Deshalb liegt dieses
Gebäude halbmondförmig in der Landschaft. Dabei ist der
Grundriss ganz simpel zoniert. An den äußeren Enden
befinden sich private Zonen, zu denen die Patientenzimmer gehören. Daran schließt sich eine halb-private Zone
an, in der sich verschiedene Einrichtungen für Personal
und Angehörige befinden. Im Gebäudezentrum liegt der
öffentliche Bereich mit Empfang – ob seiner Biegung der
kleinste Teil des Gebäudes. So kann der Patient selbst
bestimmen, wie viel Öffentlichkeit er sich zumuten will,
oder ob er sich lieber in den privaten Bereich zurückziehen
möchte. Der Patient ist keinesfalls gezwungen, privat oder
öffentlich zu sein. Es obliegt allein ihm.
Seit den 1950er-Jahren wird C. F. Møller Architekten erfolgreich als Partnerschaft geführt.
Julian Weyer (links) wurde in Deutschland geboren. Nach dem Architekturstudium in Aarhus
begann er 1995, für C. F. Møller zu arbeiten. Seit 2007 ist er Partner.
39
» Einblicke
Mit zunehmendem Alter steigen der Wunsch nach Komfort und Sicherheit sowie die
Bereitschaft, mit Modernisierungsmaßnahmen in die eigene Immobilie zu investieren.
Generationsübergreifende Lösungen schaffen
Der Anteil der Älteren in der Bevölkerung steigt immer
tabel gestalten lässt. Zur Auswahl steht eine Reihe funktio-
mehr an. Schon 2030 werden 35 Prozent über 60 Jahre alt
naler, zeitlos ästhetischer Produkte, die sich jeder Lebens-
sein. Die sogenannten Älteren sind dabei nicht mit denen
phase flexibel anpassen. Acht Busch-Jaeger-Produkte sind
vergangener Generationen vergleichbar. Sie sind sportlich
bereits von der GGT Deutsche Gesellschaft für Gerontotech-
aktiv, sammeln auf Reisen neue Eindrücke und sind gegenü-
nik mit dem Siegel für barrierefreies Wohnen ausgezeich-
ber innovativen Technologien aufgeschlossen. Dabei
net: Das Controlpanel steuert sämtliche Installationen und
wünscht sich die „Silver Generation“, so lange wie möglich
lässt sich mit großzügigen Bedienflächen von allen Genera-
selbstständig in den eigenen vier Wänden zu wohnen.
tionen intuitiv bedienen. Der Busch-Wächter® 220 AlarmLI-
Schließlich bedeutet das bekannte Wohnumfeld Sicherheit
NE sorgt für Sicherheit im Haus: Er registriert jede Bewe-
und Lebensqualität und erleichtert die Pflege sozialer Kon-
gung und löst automatisch die Lichtschaltung aus. Das
takte. In jeder Wohnung gibt es diverse Möglichkeiten, die
Alarm- und Störmeldesystem Reflex SI-Busch-Infoline®
Wohnung den Anforderungen des Alters anzupassen. Einen
kann von jedem Raum des Hauses Hilferufe aussenden oder
entsprechenden Ansatz hierzu liefert die Idee des Universal
auch zur Feuchtigkeitsüberwachung eingesetzt werden.
Design. Von vornherein soll bei der Nutzung von Produkten
Busch-Rauchalarm® registriert jede Rauch- und Brandent-
und Dienstleistungen der Ausschluss von Menschen ver-
wicklung. Die Objektsteckdose Reflex SI/Si Linear reduziert
mieden werden. Integrative Lösungen wie eine barrierefreie
die Unfallgefahr: Bei Zug am Kabel durch Stolpern löst sich
Umgebung, Produkte, die sicher und einfach zu bedienen
der Stecker leicht aus der Steckdose. Mit der Servicesteck-
sind, sowie Technologien, die sich am Menschen orientie-
dose Reflex SI/Si Linear lassen sich festsitzende Stecker ohne
ren, werden angestrebt. Busch-Jaeger bietet eine Vielzahl
Probleme herauslösen. Diese und weitere Busch-Jaeger Pro-
von Produkten, mit denen sich die Umwelt bewusst komfor-
dukte finden sich im Überblick auf der rechten Seite.
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Die Deutsche Gesellschaft für
Gerontotechnik (GGT) prüft,
ob sich Produkte und Dienstleistungen in Komfort, Qualität und Ästhetik als generationsübergreifend erweisen.
puls 02 | 2011
» Einblickes
Controlpanel
Das Busch-Jaeger Raum- bzw. Controlpanel bietet zahlreiche Funktionen zum
Schalten und Steuern aller Installationen. Dabei ist dieses vielseitige Anzeige- und
Bediengerät durch große individuell beschriftbare Bedienflächen oder Symbole einfach und intuitiv zu handhaben. Dank der übersichtlichen Menüstruktur bleiben
sämtliche Einstellmöglichkeiten jederzeit im Blick.
*
Busch-Wächter® 220 AlarmLINE
Der Busch-Wächter® 220 AlarmLINE bietet
mit seiner zusätzlichen Sicherheitszone optimalen Schutz. Ein Infrarot-Bewegungsmelder
registriert jede Bewegung und löst automatisch
die Lichtschaltung aus. Gleichzeitig signalisiert
ein rotes Warnlicht am Gerät, dass die Sicherheitszone betreten wurde.
*
Reflex SI Busch-Infoline®
Das Alarm- und Störmeldesystem hat sich in
vielen Situationen des Alltags bewährt: So kann
von jedem Raum des Hauses aus ein Hilferuf
gesendet werden. Der Einsatz zur Feuchtigkeitsüberwachung im Küchen- und Kellerbereich
ist ebenfalls möglich.
*
Busch-Rauchalarm®
Dieses Gerät sorgt dafür, dass Hausbewohner
auch im Schlaf nicht von Rauchentwicklung und
entstehenden Bränden überrascht werden, indem
es rechtzeitig mit einem lauten Tonsignal warnt.
Busch-Funkcontrol LED-Anzeige
WaveLINE
Beim Verlassen des Hauses zeigen LEDs an,
ob im Haus noch ein Fenster offen steht. Das
erspart den täglichen Rundgang und bietet
Sicherheit auf einen Blick.
Busch-axcent Busch-steplight®
Eine Steckdose, die im Dunkeln den Weg weist:
steplight bietet durch Licht am Boden eine
sichere Orientierung im Raum. Zwei LEDs
erzeugen einen senkrechten Lichtkegel, der aus
der Zentralscheibe der Steckdose senkrecht
nach unten scheint. Über einen separaten
Schalter kann das Orientierungslicht auf
Wunsch jederzeit abgeschaltet werden.
Reflex SI/Si Linear Objektsteckdose
Beim Zug am Kabel, wenn beispielsweise
jemand darüber stolpert, löst sich der Stecker
leicht aus der Steckdose. So wird die Unfallgefahr deutlich reduziert und die Installation
bleibt unversehrt.
*
solo® Busch-Komfortschalter®
Er lässt sich bedienen wie ein normaler Schalter – bietet jedoch zusätzliche Möglichkeiten,
die es in einem Gerät vereint so noch nie gab.
Berührungslos, manuell oder zeitgesteuert
schalten – funktional, vielseitig und ästhetisch:
Der neue Komfortschalter ist an Flexibilität
*
kaum zu überbieten.
Reflex SI/Si Linear Servicesteckdose
Durch leichten Druck auf den Drehhebel lassen
sich z. B. selbst häufig benutzte oder festsitzende Winkelstecker ohne Probleme herauslösen.
Busch-Memory-Seriendimmer®
Eine neue Komfortdimension. Zum ersten Mal
können zwei unterschiedliche Leuchten von
einer Stelle aus geschaltet werden. Einfach,
elegant und stufenlos per Tastendruck.
*
*
*
*Ausgezeichnet mit dem Siegel für barrierefreies Wohnen.
41
» Denkanstoß
Worüber gab die thermische
Gebäudesimulation im NCT in
Heidelberg Aufschluss?
Adam Mørk
puls stellt in jeder neuen Ausgabe eine
Preisfrage. Die Gewinner erhalten eine
Belohnung in Form eines Buchpreises.
Ausfüllen, kopieren und faxen an:
+49 (0)1805-66 99 09
E-Mail an: [email protected]
Ja, ich will. Bitte senden Sie mir „puls“ künftig
regelmäßig frei Haus zu.
Vorschau puls 3/2011:
Schulen
Antwort
Nicht nur in das deutsche Schulsystem ist Bewe-
Die thermische Gebäudesimulation gab im NCT Aufschluss über
für das Lernen die geeignete Umgebung schaffen.
gung geraten. puls 3/2011 stellt Projekte vor, die
Name
Büro
Straße
PLZ/Ort
Impressum
Telefon
puls
Zeitschrift für Bewegung in der Architektur
Fax
Herausgeber:
Busch-Jaeger Elektro GmbH
Freisenbergstr. 2
58513 Lüdenscheid
www.busch-jaeger.de
E-Mail
Zu gewinnen:
Unter allen richtigen Einsendungen verlost Busch-Jaeger je ein
Exemplar der Bücher Entwurfsatlas Wohnen im Alter, erschienen
im Verlag Birkhäuser, sowie Hospital. Architecture + Design, erschienen im Taschen Verlag. Einsendeschluss: 15. September 2011. Der/die
Gewinner/in wird in der nächsten
Ausgabe veröffentlicht. Gewinner
des letzten Preisrätsels: Thea
Müller aus 92318 Neumarkt und
Harald Klotz aus 73035 Göppingen.
Verlag:
Gesellschaft für Knowhow-Transfer
in Architektur und Bauwesen mbH
70771 Leinfelden-Echterdingen
www.gkt-publishing.de
Redaktionsteam Busch-Jaeger:
Dieter Lautz, Tobias Schlitzer,
Christiane Schulte, Mirko Simon
Redakteure Gesellschaft für Knowhow-Transfer:
Lasse Ole Hempel, Britta Rohlfing
Printed in Germany – Imprimé en Allemagne
© by Busch-Jaeger
Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in
Fremdsprachen sowie Vervielfältigung jeder Art durch
Fotokopien, Mikrofilm, Funk- und Fernsehsendung für alle
veröffentlichten Beiträge einschließlich aller Abbildungen.
Änderungen und Irrtümer vorbehalten.
MAGAZI N FÜ R BEWEGU NG I N DER ARCH ITEKTU R
Medical / Wohnen im Alter
puls 02 | 2011
Kein Licht.
Sondern Atmosphäre.
designed by
Klinik im Grünen
von TMK Architekten
Busch-iceLight®. Einleuchtendes Design. Effizient
eingesetzt. Die erste Unterputzdose mit LED-Licht
zum Wohlfühlen. Passend zu Schaltern und Steckdosen. Von Stararchitekt Hadi Teherani gestaltet. Für
neue Harmonie von Licht und Raum. Entdecken Sie
mehr Atmosphäre auf // www.BUSCH-JAEGER.de
Mehr Autonomie für den Patienten –
C. F. Møller Architekten im Gespräch
Modernes Pflegekonzept
in Schwabing
Krebszentrum in Heidelberg
von Behnisch Architekten
www.BUSCH-JAEGER.de
Die Zukunft ist da.
02 | 2011
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