Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen

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UNTERNEHMEN UND BRANCHEN
Dienstag, 21.Juli 2015
Börsen-Zeitung Nr.136
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IM INTERVIEW: PETER PAULI
,,Die Stimmung in der Branche ist durchwachsen"
Geschäftsführer der BayBG: EZB-Geldflut und Investitionszurückhaltung dämpfen Neugeschäft des Risikokapitalgebers - Family Offices drängen in den Markt
Börsen-Zeitung, 21.7.2015
Herr Pauli, der deutsche Beteili­
gungsmarkt hat sich erholt. Die
Bruttoneuinvestitionen stiegen
2014 um 2 Mrd. auf über 7 Mrd.
Euro. Wie schätzen Sie die Lage
2015 ein?
Die Stimmung in der Branche ist
durchwachsen, die Bedingungen für
Fundraising und Exits sind gut, im
Neugeschäft fehlen teilweise die Tar­
gets. Ich gehe davon aus, dass im ers­
ten Halbjahr die Bruttoneuinvestitio­
nen relativ niedrig waren. Es ist
schwierig zu prognostizieren, wie
das zweite Halbjahr lauft. Es könnte
aber sein, dass man das Niveau des
Vorjahres erreicht. Das hängt von
einzelnen großen Transaktionen ab,
die auch 2014 für einen Anstieg
sorgten.
Drängen auch Newcomer in den den wir im Moment interessante InMarkt?
. vestitionsmöglichkeiten, da viele Fir­
Es ist zu beobachten, dass Family Of­ meninhaber ihre Nachfolge regeln
fices und andere private Investoren wollen. In den Segmenten Wachs­
versuchen, verstärkt in mittelständi­ tumsfinanzierung und Turnaround
sche Unternehmen zu investieren. ist das Neugeschäft momentan eher
Im Zinstief steigt der Druck, alterna­ verhalten.
tive Anlageformen zu suchen, um
Worauf legen Sie derzeit den Fo�
auskömmliche Renditen zu erwirt­
kus im operativen Geschäft?
schaften.
Wir bearbeiten unseren Markt sehr
In welchen Segmenten spürt die intensiv und nutzen das Momentum
BayBG den Druck besonders, in für Nachfolge- und Venture Capital
Investments. Dass derzeit bei Wachs­
welchen läuft es besser?
tumsfinanzie"rungen die Nachfrage
nicht so hoch ist, ist der bereits
beschriebenen Sondersituation ge­
ZUR PERSON
schuldet.
Besonnen
Warum schnitt die BayBG im Neu­
geschäft nicht so gut ab wie der
Gesamtmarkt?
Der Gesamtmarkt wird stark von ein­
zelnen großen Deals beeinflusst. Die
BayBG mit ihren kleineren Invest­
ments ist nicht der Treiber.
Was dämpft derzeit Ihr Neuge­
schäft?
Im zurückliegenden Geschäftsjahr
haben wir erhebliche Anstrengun­
gen unternommen, um im Neuge­
schäft über 40 Mill. Euro zu liegen.
Auch in diesem Jahr hat sich die Si­
tuation nicht geändert. Das liegt am
Umfeld. Viele Unternehmen verfü­
gen aufgrund der guten Konjunktur
über ausreichend Eigenkapital und
Cash. Zugleich ist die Investitionsnei­
gung im · Mittelstand nach wie vor
nicht allzu hoch.
Warum sind die Firmen trotz gu­
ter Konjunktur bei Investitionen
zurückhaltend?
Der Schock von 2008, als die Leh­
rnarr-Pleite die Weltwirtschaft einbre­
chen ließ, sitzt noch tief. Viele Unter­
nehmer haben Angst, dass sich eine
solche Situation wiederholen könn­
te. Die Griechenland-Krise hängt
trotz der jij.ngsten Einigung im Schul­
denstreit weiter w'ie ein Damokles­
schwert über Europa. Die Großwet­
terlage - zum Beispiel auch in der
Ukraine - ist nicht so, dass man vol­
ler Optimismus in die nahe Zukunft
blicken kann.
Wie beeinflussen die Banken und
die ultralockere EZB-Geldpolitik
Ihr Geschäft?
Die Banken sind mit günstigen Kre­
ditangeboten sehr offensiv. Das ist ei­
ne Folge der ultralockeren Geldpoli­
tik der Europäischen Zentralbank.
Es ist sehr viel Geld im Markt.
Peter Pauli
sek - Die anhaltende Flaute im
Kerngeschäft Wachstumsrinanzierungen bringt Peter Pauli nicht so
leicht aus der Ruhe. Der zweite
Geschäftsführer des auf kleine
Mittelständler spezialisierten Risi­
kokapitalgebers Bayerische Betei­
ligungsgesellschaft BayBG kennt
die Branche gut genug, um mit
solchen Phasen besonnen umzu­
gehen. Der SI-jährige Diplom­
Kaufmann gehört seit achteinhalb
Jahren dem obersten Manage­
ment der Gesellschaft mit Sitz in
München an. Der aus Kulmbach
(Oberfranken) stammende Pauli
ist für Firmenbeteiligungen in
Nordbayern, Venture Capital und
Turnaround-Aktivitäten (Firmen
im Sanierungsprozess) zuständig.
(Börsen-Zeitung, 21.7.2015)
Im Venture-Capital-Segment haben
wir nach wie vor sehr viel Nachfrage
nach Kapital. Das hat damit zu tun,
dass das Angebot an Venture Capital
in Deutschland zu niedrig ist. Die In­
vestments in Start-up-Unternehmen
belaufen sich auf lediglich 0,02%
des Bruttoinlandsprodukts. Auch
beim Thema Nachfolgelösungen fin-
Steigt damit der Ant_eil von
Venture Capital am Gesamtporte­
feuille?
In den vergangenen Jahren ist der
Anteil des Venture-Capital-Portfo-,
lios an unserem Beteiligungsbestand
gestiegen. Das Hauptgeschäft - Invest­
ments in mittelständische Wachs­
tumsunternehmen - liegt bei 175
Mill. Euro. Das sind ca. 60% des Ge­
samtportfolios von . mehr als 300
Mill. Euro. Die Venture Capital In­
vestments belaufen sich pro Jahr auf
6 bis 9 Mill. Euro. Auch im laufen­
den Turnus werden wir in dieser Grö­
ßenordnung liegen.
Und im Turnaround-Bereich?
In diesem Segment gibt es derzeit nur
vereinzelt Aktivitäten. Konjunkturell
bedingt stecken nicht so viele Unter­
nehmen in einer Krise. Daher sind
die meisten Turnaround-Situationen
hausgemacht. Unser Portfolio bewegt
sich in diesem Bereich seitwärts.
Das Zinstief verzerrt den Wettbe­
werb. Für einen Mittelständler
müsste es attraktiver sein, bei der
Bank einen zinsgünstigen Kredit
zur Wachstumsfinanzierung auf­
zunehmen, als zu Ihnen als Risiko­
kapitalgeber zu gehen.
Grundsätzlich gibt es dieses Entwe­
der-oder eigentlich nicht. Wir stehen
mittelständischen Unternehmen zur
Verfügung, wenn sie Risikokapital
benötigen, also Finanzierungsanläs­
se haben, die nicht oder nicht zu
100% kreditfinanziert werden kön­
nen. Es ist ein Zusammenspiel mit
den Banken. Kredite sind derzeit für
mittelständische Unternehmer sehr
billig, die Kredithürden liegen histo­
risch niedrig, die Banken verfolgen
eine sehr offensive Geschäftspolitik.
Insofern wird in diesen Tagen eini­
ges mit Krediten finanziert, was un­
ter anderen gesamtwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen zumindest teil­
weise auch Eigenkapital erfordern
würde.
Das Umfeld wird für die BayBG
schwierig bleiben. Wie schätzen
Sie die Lage mittelfristig ein?
Wenn alle Variablen so blieben wie
jetzt, würde es im Neugeschäft natür­
lich schwierig bleiben. Die Frage ist
aber, ob die Situationsvariablen so
bleiben. Das betrifft insbesondere
den konjunkturellen Aufschwung in
Deutschland und Europa, die Nied­
rigzinspolitik der EZB und in diesem
Zusammenhang die aggressiven Neu­
geschäftsstrategien der Banken. Ich
gehe nicht davon aus, dass die Lage
in den nächsten fünf Jahren so
anhält.
Bleiben Sie bei Ihrer Wachstums­
prognose fürs laufende Geschäfts­
jahr vorsichtig?
Ja. Bis zum 30. Juni haben wir 22
Mill. Euro Neugeschäft realisiert.
Wir haben aber einige weitere inter­
essante abschlussreife Investments
in der Pipeline. Das stimmt uns opti­
mistisch, dass wir auch im laufenden
Geschäftsjahr 2014/15 bis Septem­
ber die 40-Mill.-Euro-Grenze errei­
chen können.
Herrscht in der Beteiligungsbran­
che aufgrund des zunehmenden
Wettbewerbs Konsolidierungs­
druck?
In dem Segmenten, in denen wir tä­
tig sind, also beim „kleineren" Mittel­
stand, sind nach unserer Einschätzung heute weniger ·Wettbewerber
aktiv als einige Jahre zuvor. Aller­
dings drängen Family Offices in die­
ses Segment. Für die gesamte Priva­
te-Equity-Branche glaube ich nicht,
dass· ein größerer Konsolidierungs­
druck als in den letzten Jahren
besteht.
Wie schätzen Sie die Genossen­
schaften und Sparkassen im Wett­
bewerb ein?
Der deutsche Markt für
Beteiligungsgesellschaften
Brutto-Neuinvestitionen in
Unternehmen in Mrd. Euro
9,1
7,1
6,7 6,6
4,9
5,1
3,0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
©Börsen-Zeitung
Quelle:BranchenverbandBVK
Die VR Equity Partners der DZ Bank
sind aktiv. Die Beteiligungsgesell­
schaften aus dem Sparkassensektor
sind zumindest in Bayern derzeit
eher zurückhaltend.
Gibt es Börsenaspiranten in Ihrem
Portfolio?
Ja, aus unserem Venture-Capital­
Portfolio beschäftigen sich zwei
Unternehmen, mit dem Thema
Börse. Allerdings liegt in Deutsch­
land für kleinere Mittelständler oder
Start-ups die Hürde für IPOs sehr
hoch. Für Unternehmen mit einem
Jahresumsatz von unter 20 Mill.
Euro, einer guten Wachstumsstory
und Emissionsvolumen unter 100
.Mill. Euro gibt es faktisch kein
Börsensegment.
Zumeist stecken diese Firmen in
tiefroten Zahlen, was Investoren
abschreckt.
Ja. Jenseits des fehlenden Börsenseg­
ments ist es in Deutschland für
BayBG im Profil
Geschäftsführung: Sonnfried
Weber (Sprecher), Peter Pauli
Unternehmenszweck: Risiko­
kapitalgeber mit Förderauftrag
für kleinere Mittelständler in
verschiedenen Branchen; gut
85% der Investments sind
stille Beteiligungen, 71 Mitar­
beiter
Gesellschafter: insgesamt 25;
die drei größten sind LfA För­
derbank Bayern (23%), Hypo­
Vereinsbank (22%) und der
Sparkassenverbund bestehend
aus Sparkassenverband Bayern
und BayernLB (20%)
Beteiligungsbestand 315 (i. V.
322) Mill. Euro brutto bei 497
(481) Unternehmen (Stand:
Ende September 2014)
Finanzzahlen: 7,7 (8,9) Mill. Eu­
ro Vorsteuergewinn und 200
(194) Mill. Euro Eigenkapital im
Geschäftsjahr 2014 (30.9.)
Brancheneinordnung: nach
dem Bestand größter deut­
scher Rfsikokapitalgeber mit
Förderauftrag für Mittelständ­
ler mit Fokus auf ein Bundes­
land (Bayern knapp vor Baden­
Württemberg mit der MBG
GmbH)
junge, stark wachsende - und somit
häufig noch in der Verlustphase ste­
ckende - Unternehmen generell
schwierig, Kapital zu erhalten. Finan­
zierungsrunden über 15 Mill. Euro
und mehr sind die Ausnahme. Dies
ist sicherlich ein Nachteil für in
Deutschland agierende Start-ups.
Das Problem ist aber inzwischen er­
kannt, so ist zum Beispiel der vom
Bayerischen Wirtschaftsministerium
initiierte Wachstumsfonds auf dieses
Segment gerichtet.
Mit wie viel Beteiligungsverkäu­
fen rechnen Sie in diesem Jahr?
Im vergangenen Jahr hatten wir
zwei Exits, mit denen wir 3,9 Mill.
Euro erlösten. Im laufenden Ge­
schäftsjahr werden es mehr Beteili­
gungsverkäufe sein. Die Erlöse dar­
aus werden höher sein als im zurück­
liegenden Geschäftsjahr.
Sie erwarten zugleich weniger
Ausfälle. Wird das Ergebnis 2015
höher liegen?
Wir werden unseren Plan, ein Ergeb­
nis vor Risikovorsorge von 10 Mill.
Euro zu erreichen, übertreffen. Da­
bei zeichnet sich ab, dass wir auch
über dem Vorjahr�sergebnis von 12
Mill. Euro liegen. Bei den Ausfällen
werden wir das Planungsbudget hal­
ten können.
Wie entwickelt sich der Bestand?
In diesem Jahr werden wir im Be­
stand nicht wachsen, weil wir einige
Exits und viele Rückzahlungen zu
verzeichnen haben. Wir werden den
investierten Bestand voraussichtlich
bei ca. 310 Mill. Euro halten.
Was bedeutet das für Ihr Ziel, mit­
telfristig auf 350 Mill. Euro wach­
sen zu wollen?
Das werden wir aufgrund der
beschriebenen Marktsituation kurz­
fristig nicht erreichen. Wir werden
Ende des aktuellen Geschäftsjahrs
eine neue Mittelfristplanung erar­
beiten.
Sind Sie mit Ihrem Gesellschafter­
kreis zufrieden?
Der Gesellschafterkreis mit 25 Gesell­
schaftern, aus dem Bankensektor,
Kammern und Verbänden, ist ein
wichtiger Erfolgsfaktor der BayBG.
Die drei größten Einzelgesell­
schafter sind die LfA Förderbank Bay­
ern, die Unicredit sowie der Sparkas­
senverbund. Dieser breite und ausge­
wogene Gesellschafterkreis ist die
Basis, um unser Geschäft nachhaltig
erfolgreich zu betreiben.
Das Interview führte
Stefan Kroneck.
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