Technische Universität Dresden S: John Stuart Mill & Alexis de Tocqueville Dozent: Dr. Rainer Schmidt Steffen Klopfer ESSAY zu John Stuart Mill Thema A: Zunächst einmal möchte ich dem Leser nahe bringen, worum es sich bei dem Begriff Rechtspaternalismus handelt. Danach soll erörtert werden, ob es sich hierbei um Rechtsvorschriften handelt die, im Sinne von Mill, wohl niemand braucht oder ob sie doch als sinnvoll zu erachten sind. Rechtspaternalismus ist eine Gesinnungs- oder Handlungsstruktur, in welcher per Vorschrift oder Gesetz Regeln festgelegt werden, in welchem das objektive „Wohl“ der Personen einer Gesellschaft mit, ohne oder sogar gegen ihren Willen definiert wird. Im Prinzip könnte man annehmen, dass es sich hierbei also um eine Bemutterung des Bürgers durch den Staat oder die Gesellschaft handelt. Für mich stellt sich nun die Frage, ob man diese Gesetze benötigt oder eben nicht. Dazu möchte ich die Vorstellungen von John Stuart Mill und seinem Rechtsliberalismus als Argumentationshilfe zurate ziehen. Zunächst einmal sollte hierzu erklärt werden, wie Mill den Menschen oder Bürger innerhalb einer Gesellschaft definiert und welche Rechte und Pflichten ihm obliegen. Zunächst einmal gesteht Mill jedem Bürger einer Gesellschaft soziale und politische Freiheit zu. Seine Absicht ist es, dem Bürger sogenannte Freiheitsrechte zu übergeben, also das Recht bestimmte Bereiche seines Lebens frei und ohne Einflüsse des Staates so zu bewältigen, wie es der Einzelne für richtig erachtet. Die Grenzen dieser Freiheit sind dann erreicht, wenn sie in die Freiheit von anderen eingreift, das heißt die Freiheiten anderer Bürger der Gesellschaft unterminiert würden. In jenen Fällen wäre es nur legitim wenn der Gesellschaft die Rechtskraft über jene Person übertragen wird, falls Rechte aller anderen Bürger zu schützen sind. Beispielsweise wäre dieser Fall eingetreten, wenn ein Mensch eine Wiese nutzt um Drachenfliegen zu betreiben, jene Wiese aber nicht mit anderen teilen wöllte und den Versuch starten würde das Drachenfliegen oder andere Aktivitäten auf der Wiese für andere zu verbieten. In diesem Fall wäre es rein legitim wenn die Gesellschaft diese Absicht verhindert und dazu staatliche Gesetze zunutzen zieht. Genauso könnte man auch sagen, dass sich jeder der Trunksucht solange hingeben könnte, wie er nur sich selber damit schädigt. Lautstarkes Rumgröhlen vor der Türe des Nachbarn oder die Benutzung dessen Wohnlichkeiten für das Absondern von Körperflüssigkeiten, wäre hingegen ein Eingriff in die Privatsphäre des Nächsten. In der politischen Freiheit sieht Mill hingegen die Befähigung und das Recht jedes Bürgers sich an den politischen Entscheidungen, welche in der Gesellschaft getroffen werden teilzunehmen. Sei es durch die Nutzung seines Wahlrechtes oder durch die direkte Beteiligung indem er sich zur Wahl stellt. Mill definiert den Bürger also als ein autonomes, selbstbestimmtes Lebewesen, welches fähig ist, sein Leben selbst zu bestreiten. Er stellt das Recht des Menschen auf Freiheit in den Vordergrund. Nichtsdestotrotz ist ihm bewußt das ein Staat ohne Gesetze und Regeln nicht funktioniert. Vielmehr fordert Mill einen Katalog von Freiheitsrechten für den Bürger, in welchem klar definiert wird, welche Freiheiten der Bürger in seinen Vorstellungen ausleben kann ohne Einfluss durch den Staat oder die Gesellschaft. Gesetze sollten also die Grenzen festlegen, welche der Bürger nicht übertreten darf, da er sonst die Freiheitsrechte eines nächsten Bürgers einschränken würde. Kurz und prägnant könnte man sagen sein Ziel ist das Zusammenleben der Bürger nach dem Prinzip: „Was Ich nicht will was mir angetan würde, das tu auch keinem anderen an“. Die Freiheit jedes Bürgers dient nach Mill auch seiner Selbstverwirklichung in der Gesellschaft. Um nunmehr aber zum Thema Rechtspaternalismus zurückzukommen, sollte man annehmen können, dass ein Mensch befähigt ist selber zu sehen, welche Taten vorteilhaft sind und welche wiederum nicht. Die Pflicht zum Tragen eines Helmes für einen Motorradfahrer beispielsweise stellt in dem Fall ein solches Beispiel dar. Zum einen sollte der Motorradfahrer selber erkennen, dass ihm das Tragen eines Helmes Sicherheit und Schutz bieten kann und zum anderen schränkt es die Freiheit eines anderen nicht im Geringsten ein, wenn der Motorradfahrer ohne Helm fährt. Auch das Argument das die Beseitigung seiner Überreste nach einem Unfall die Freiheitsrechte anderer einschränken könnte, kann hier nicht gelten, da sowohl Feuerwehrbedienstete, als auch Krankenhelfer freiwillig diese Berufe gewählt haben und somit darauf gefasst sein müssen diese Tätigkeiten durchzuführen. Jedoch möchte ich dem ersten Argument mehr Nachdruck verleihen. Prinzipiell lässt sich annehmen, dass ein Teilnehmer am Straßenverkehr selber befähigt ist die Vorteile von Sicherheitsausrüstungen an seinem Fortbewegungsmittel zu erkennen und dann zu nutzen. Hinzu kommt das die alleinige Vorschrift Helm zu tragen oder sich in einem PKW anzuschnallen noch lange nicht zu einer kompletten Befolgung dieser Anweisung führen muss. Da aber der denkfähige Mensch sein Gehirn nicht nur dazu erhalten hat es sich mit Alkohol zu zerlöchern, ist es nicht von Vorteil dem Menschen sämtliche Tätigkeiten in seinem Leben vorzuschreiben. Der Mensch ist ein lernfähiges Lebewesen, doch erzieht man ihn nicht zum Denken, lernt er auch nicht. So wird es beim Erlernen des Motorradfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich zu Beginn dazu kommen, dass der Mensch von seinem Gefährt fällt. Dabei wird er dann ohne Helm feststellen, dass ihm der Kopf schmerzt wenn er ihn sich aufschlägt und dadurch zu der Erkenntnis gelangen, dass ein Helm nicht nur Frisuren zerstört sondern auch Leben retten kann, zumal er die körperlichen Folgen einer Verletzung auch selber zu tragen hätte. Dies tritt natürlich nur dann ein, wenn der Mensch nicht schon vorher den Vorteil einer Behelmung erkannt hat. Vielmehr wäre es doch in einer solchen Situation von Vorteil der Staat würde den Menschen über sämtliche Vorteile von Sicherheitsvorkehrungen in Fortbewegungsmitteln aufklären und darauf vertrauen das der Mensch selbst die richtige Wahl treffen wird. Auch Mill argumentiert, dass es nicht falsch sei den Anderen auf einen möglichen Fehler hinzuweisen oder sogar andere vor ihm zu warnen. Jedoch ist es nicht zulässig ihm etwas zu verbieten, solange er andere nicht gefährdet. Lediglich die möglichen Folgekosten welcher ein Unfall ohne das Tragen eines Helmes nach sich zieht dürfte der Staat dem Bürger meines Erachtens in Rechnung stellen, da er zwar sich selber und frei für diesen Weg entschieden hat, aber in der Aufklärung erfahren hat welche erhöhten Gefahren ihm drohen. Nur durch das beschriebene Vorgehen kann man den Menschen zu einem mündigen Staatsbürger erziehen. Holz steht schon genug im Wald herum! Natürlich denkt man im ersten Moment an das Gegenargument, dass ja andere in Gefahr gebracht werden könnten. Aber ist dem so? Nein! Denn diese Vorschriften betreffen nur die Sicherheit von Einzelpersonen und erhöhen keineswegs die der Anderen. Andererseits gibt es auch Gesetze und Rechtsvorschriften die Getrost als Unsinn abgetan werden können. Und man sollte annehmen, dass manche in Verodnungen festgelegte Dinge jedem Menschen bewußt sind und eine Selbstverständlichkeit darstellen. Deshalb sind solche Gesetze in sehr vielen Fällen einfach nur unsinnig und auch noch unnötig dazu. Hinzukommt, dass eine Gesellschaft immer darauf achten sollte, den staatlichen Einfluß auf sie insofern einzuschränken, dass durch den Staat nur immer das unbedingt Notwendige geregelt wird um ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen. Auch Mill plädiert für solch eine Aufgabe des Staates. Durch ein solches staatliches Handeln wird der Gesellschaft eine Rahmenordnung geschaffen, in welcher die Bürger frei sind ihr Leben nach eigenen Grundsätzen und Überzeugungen gemeinsam mit anderen Menschen einzurichten. Deshalb sollte sich staatliche Gesetzgebung darauf richten, die Rechte der Bürger zu schützen, also eine Rechtsstaatlichkeit zu schaffen sowie den Schutz der Bürger nach Innen und Außen zu gewährleisten. Dem Bürger sollte sein Freiraum garantiert werden, in welchem er selber entscheiden kann welche Meinung, Gedanken er nachgehen möchte oder wie er seine Tätigkeiten ausführen möchte. Und sei es betrunken in seiner Wohnung zu liegen oder jene Kleidung zu tragen, welche er für richtig hält. Nur durch die Bereitstellung von Freiraum durch den Staat kann die Selbstentfaltung und Mündigkeit seiner Bürger erreicht werden, was ja Ziel eines jeden modernen demokratischen Staates sein sollte. Weiteres Argument gegen eine paternalistische Autorität durch den Staat lässt sich ohne Probleme aufzeigen. Staatliche Akteure argumentieren für eine solche Rechtssetzung immer mit dem Argument, dass die Bürger in ihren Entscheidungen nicht wüssten was ihr wahres Ich wäre und so die Gefahr bestehen würde, dass sie entgegen ihres unbewußten Zieles handeln würden. Deshalb müsse der Staat, so die Argumentation, dem Menschen den Weg dahin weisen und so zu einem Bürger in wahren Sinne erziehen. Meines Erachtens ein sehr schwaches Argument. Der Mensch ist im Normalfall so rationell das er instinktiv erkennt welche Handlungsweise für ihn die Beste ist. Und selbst wenn er nicht sofort immer die richtige Entscheidung trifft, ist dies keineswegs ein Fehler. Vielmehr erkennt der Mensch gerade in seinen Fehlern den wahren Weg und wird dadurch zu einem gesellschaftsfähigen Menschen, der an seinen Fehlern arbeitet. In der Argumention der Staat müsse dem Bürger den rechten Weg weisen liegt zudem eine weitere Gefahr. Die Staatliche Bevormundung der Bürger zu ihrem Nachteil bzw. Staatliche Unterdrückung von Minderheiten. Diktatorische Regime haben ihre sich in ihrem Machtanspruch und Rechtsverordnungen auf eben diese Argumente berufen um jegliche Opposition von vornherein zu unterbinden. Beispielsweise das Dritte Reich unter Hitler mit dem Verbot von allen anderen Parteien. Deshalb wird es immer nötig sein staatlichen Einfluss auf die Gesellschaft und den einzelnen Menschen unbedingt zu begrenzen und die geschaffenen Freiheitsrechte zu verteidigen und sei es dadurch die Verabschiedung paternalistischer Gesetze zu verhindern. Denn nur durch die Wahrung von Freiheit und Individualität ist die Existenz einer freien Gesellschaft gesichert. Eine Selbstverwirklichung eines jeden Bürgers in einer Gesellschaft muss also immer gesichert sein. Individualität und Freiheit des Staatsbürgers dürfen ohne erkennbar notwendige Gründe nicht eingeschränkt werden. Die Freiheitsrechte eines Bürgers also per Gesetz einzuschränken bzw. ihm Vorschriften zu machen, welche nicht unbedingt notwendig, weil offensichtlich sind, ist also in den meisten Fällen nicht nötig, birgt jedoch die Gefahr, die Freiheiten der Gesellschaft und seiner Bürger einzuschränken und letztendlich den Staatscharakter zu verändern. Mill schlägt eine viel bessere Methode vor um Fehler von Einzelpersonen zu vermeiden. Er ist der Meinung das die Gesellschaft durchaus zu Kritik an den Handlungsweisen von Personen berechtigt ist, nicht jedoch ihm Vorschriften zu machen. So sollten dieser Person, wie ich bereits bei dem Motorradfahrer vorschlug, Aufklärung angeboten werden, um ihn auf seine Lage hinzuweisen und mögliche Auswege anzubieten. Ist darauf keine Reaktion erkennbar, könne man dieser Person aus dem Weg gehen. Aber sobald andere davon betroffen sind, ist die Bestrafung der Handlungen durch die Gesellschaft berechtigt. Hinzukommt in der Argumentation Mill`s, das die öffentliche Meinung stehts nur die Meinung wiederspiegelt, welche von denjenigen verbreitet wird die ihre Gedanken auch kundtun. Sogesehen ist es also nie sicher ob sich wirklich eine Mehrheit an den Tätigkeiten einer Person stört oder eben nur eine Minderheit. Beispiele lassen sich in der Ausübung verschiedener Religionen oder Essgewohnheiten wiederfinden. Vorschriften in solchen Belangen schränken die freie Ausübung von Bürgern unrechtmäßig ein, nur weil staatliche Instanzen widerrechtlich genutzt werden um eigene Meinungen durchzusetzen. Demzufolge ist also meines Erachtens klar geworden wo die Gefahren von paternalistischen Gesetzgebungen liegen und welche Gegenargumente bzw. Ausweichmöglichkeiten man in Betracht ziehen kann und muss. Insofern ist zumindest berechtigte Kritik und die ständige Kontrolle von Gesetzesentwürfen und der Arbeit des Staates eine Aufgabe, sowohl für die Gesellschaft als auch für jeden Einzelnen. Denn das Ziel der Verteidigung von Freiheiten ist kein Selbstzweck oder ein Geschenk für den Bürger, sondern vor allem auch ein Mittel zur Erhaltung einer freien und mündigen Gesellschaft um einen Staat zu garantieren der für sie und ihre Rechte arbeitet und nicht dagegen.