GESTALTUNGSFIBEL DER STADT LVIV Hinweise und Regeln für den Erhalt historischer Gebäude DAS GEBÄUDE ALS EINE EINHEIT Denkmal oder nicht, die Gebäude in der Lviver Innenstadt wurden als ein Gesamtkunstwerk entworfen und sind als solche zu betrachten. Ob an der Fassade oder im Inneren des Gebäudes, überall finden sich wiederholende Details, die zu einem ästhetischen Gesamteindruck beitragen. Achten Sie einmal darauf! Ob auf dem Fußboden, im Treppenhaus, über der Eingangstür, unter den Fenstern, auf den Maskaronen oder auch an Ihrem Kachelofen, überall werden Sie sich wiederholende Motive finden. Bereits die Zerstörung eines kleinen Details beeinträchtigt das Erscheinungsbild des Ganzen... 2 EINLEITUNG INHALT 1.EINLEITUNG 1.1 Wofür gibt es eine Gestaltungsfibel? 1.2 Kulturerbe der Stadt Lviv 5 6 8 2. BAUEN UND SANIEREN 2.1Fassaden 2.2 Balkone 2.3Dächer 2.4Fenster 2.5 Türen und Tore 2.6Treppenhäuser 2.7 Innenhöfe 2.8 Schaufenster und Werbung 11 11 19 25 33 39 45 53 59 ANHANG Glossar Schutzzone des historischen Gebietes Wichtige Kontakte 66 66 72 74 IMPRESSUM 75 3 VORWORT Wir haben das Glück, in einer Stadt geboren worden zu sein und zu leben, die ein großes Erbe von vielen Generationen beherbergt. Dadurch besitzen wir einerseits einen sehr wertvollen Schatz, tragen jedoch andererseits auch eine große Verantwortung. Lviv ist eine Stadt, die Architekten aus ganz Europa gestaltet haben. Über Jahrhunderte hinweg sind Menschen aus vielen Teilen der Welt hierher gekommen, um sich mit ganzem Herzen für die Stadt einzusetzen. Heute sind wir, die städtische Gemeinschaft von Lviv, die Eigentümer dieses europäischen Juwels. Unser Eigentum endet jedoch nicht an der Türschwelle einer Wohnung. Sehen Sie sich z.B. im Treppenhaus um, jeder einzelne Balluster ist ein echtes Kunstwerk. Oder betrachten Sie die Dekoration der Wände im Eingangsbereich, wo phantastischer Stuck eines Bildhauers oder vielfarbige Ornamente eines Malers noch heute erhalten sind. Schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit der Hauseingangstür, die von einem talentierten, meist unbekannten, Handwerker liebevoll geschnitzt wurde. Sogar Türklinken oder Briefkästen sind teilweise kleine Kunstwerke. Deshalb ist es wichtig, sich alle Werte eines Hauses bewusst zu machen, beginnend vom kleinsten Detail, bis hin zum umfassenden Erscheinungsbild. Und man sollte wissen, wie die einzelnen Elemente eines Gebäudes gepflegt und behandelt werden müssen. Die Stadtverwaltung unterstützt vorbildliche Initiativen von Einwohnern der Stadt, welche die behutsame Sanierung zum Ziel haben. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die mit uns ihre Erfahrungen bei der Erneuerung historischer Altstädte teilen, sind wir bereit, jedem Einwohner beratend zur Seite zu stehen und auch die Kosten für die Ausführung der Arbeiten zu teilen. Die Gestaltungsfibel, welche Sie in Ihren Händen halten, soll ein Schritt in diese Richtung sein und für Sie einen wertvollen Ratgeber zur fachgerechten Instandhaltung und Pflege Ihres baulichen Eigentums darstellen. Oberbürgermeister der Stadt Lviv 4 EINLEITUNG Andriy Sadovyy 1. EINLEITUNG Der herausragende baulich kulturelle Status der Stadt Lviv wurde mit der Aufnahme in die Weltkulturerbeliste der UNESCO bereits 1998 anerkannt. Seitdem stehen das historische Stadtzentrum (ca. 130 ha) und das Ensemble der St. Georgs Kathedrale unter besonderem Schutz. Laut der ukrainischen Denkmalliste von 2008 befinden sich 11% der ca. 16.000 lokalen und 7% der 3.541 nationalen Denkmäler in Lviv. Der Schutz dieses wertvollen europäischen Kulturguts gehört zu den größten Herausforderungen der heutigen und zukünftigen Einwohner der Stadt Lviv. Als Weltkulturerbe wird ein Ort bezeichnet, der über außergewöhnliche natürliche oder von Menschen geschaffene Qualitäten verfügt, die unbedingt geschützt und erhalten werden müssen. Die historische Innenstadt von Lviv ist ein solcher Ort. Nicht nur einzelne Bauwerke und Objekte sind aufgrund ihrer außergewöhnlichen Gestaltung oder Funktion besonders schützenswert, sondern das ganze architektonische Ensemble aus Straßen, Plätzen, Parks, Gebäuden, etc. Architektonische und handwerklich künstlerische Details, angefangen vom kunstvoll geschnitzten Profil eines Holzfensters bis hin zur Gestaltung des Svobody-Boulevards, bezeugen die kreative Kraft von Lviver Baumeistern und Architekten. Jedes der einzelnen kleinen und großen Elemente stellt einen Teil unserer Geschichte dar. Die Stadt ist jedoch kein Museum, denn hier wurde schon immer gewohnt, gearbeitet, gehandelt und hier vergnügte man sich – die Architektur ist ein Zeuge unserer lebendigen Vergangenheit. Das Ensemble der Lviver Innenstadt ist nicht zu ersetzen. Mit unsensiblen und nicht fachgerecht durchgeführten Maßnahmen riskieren wir den Verlust der Lviver Einzigartigkeit, eines Vermächtnisses unserer Vorfahren, das noch immer einen so bedeutenden Anteil in unserem täglichen Leben hat und welches wir auch den nächsten Generationen weitergeben sollten. Mit der vorliegenden Gestaltungsfibel werden den Leserinnen und Lesern die historischen Zusammenhänge der architektonischen Entwicklung erläutert. Gleichzeitig soll die Fibel als Hilfestellung für eine gebührende Behandlung der Stadt und ihrer Gestaltungselemente dienen. 5 1.1 WOFÜR GIBT ES EINE GESTALTUNGSFIBEL? PROBLEMSTELLUNG In der sozialistischen Zeit wurde die Instandhaltung der meisten historischen Gebäude vernachlässigt. Ab 1990 addieren sich zum ohnehin schlechten Gebäudezustand noch zum Teil falsche Instandsetzungsmaßnahmen in den Altstadtquartieren von Lviv. Unsachgemäße Eingriffe vor allem an den gestaltenden Elementen der Fassaden, der Einbau von PVC-Fenstern, mangelnde Pflege von Dachentwässerungen oder Balkonen führen auch jetzt noch zu erheblichen Schäden und unwiderruflichen Verlusten historischer Bausubstanz. Unpassende Materialien und schlechte Detaillösungen bei Sanierungen verunstalten einzelne Gebäude und wirken sich negativ auf das historische Stadtbild aus. Neben den oben genannten Veränderungen gibt es auch die folgenden, zum Teil bis in die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen zurückliegenden Entwicklungen, die dem Gebäudebestand schaden: yy Umnutzung eines Gebäudes oder eines Gebäudeteils mit zum Teil negativen Auswirkungen auf die Bausubstanz (z.B. durch gewerbliche Nutzung); yy Weitere Verdichtung der Bebauung durch Errichten von Nebengebäuden in Innenhöfen; yy Aufteilung von Gebäudeeinheiten, teilweise sogar von einzelnen Räumen; yy Eingriffe in die historische Bausubstanz durch die unsachgemäße Verlegung von neuen technischen Installationen. 6 EINLEITUNG Seit der Privatisierung von Wohnraum im Rahmen des ukrainischen Gesetzes „Privatisierung von Gebäuden“ aus dem Jahr 1992 verschlechtert sich die prekäre Situation vieler Gebäude weiterhin. Aufgrund scheinbar unklarer Zuständigkeiten und mangelnder Kommunikation zwischen den verschiedenen Eigentümern werden dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen, die das gesamte Haus betreffen (Dachstuhl, Treppenhäuser, etc.), nicht bzw. unzureichend durchgeführt. Es kommt auch vor, dass falsche Prioritäten bei einer in Schritten durchgeführten Sanierung gesetzt werden und zunächst mit optischen Retuschen begonnen wird, anstatt konstruktive Schäden zu beheben. Die Folgen sind neben den verschwendeten Ressourcen der weitere Verfall der historischen Bausubstanz bis hin zu Gefahr für Leib und Leben durch nicht mehr funktionstüchtige Bauteile (Dächer, Treppenhäuser, Balkone, usw.). Als erster Schritt für eine verbesserte Kommunikation und zur Umsetzung eines ganzheitlicheren Sanierungsansatzes wurde im Jahr 2001 das Gesetz zur Förderung der Bildung von Eigentümergesellschaften (OSBB) verabschiedet. Die Schaffung von OSBB bietet den Bewohnern die Möglichkeit, für das Haus und seine Umgebung das beste Diensleistungsangebot zu wählen, deren Qualität zu überwachen, das Gebäude samt Gemeinschaftsflächen selbst zu verwalten, sowie Geldmittel aus dem kommunalen oder staatlichen Budget für Reparaturzwecke gewinnen zu können. ANLIEGEN DER GESTALTUNGSFIBEL GELTUNGSBEREICH DER GESTALTUNGSFIBEL Die Gestaltungsfibel soll den an der Altstadtsanierung und Stadterneuerung beteiligten und interessierten Personenkreis sensibilisieren. Sie richtet sich in erster Linie an die Bewohner, Eigentümer und Mieter der historischen Gebäude von Lviv, aber auch an Behörden, Institutionen, Bau- und Handwerksbetriebe. Sie soll zur Information und als Handlungsanleitung dienen, was bei einer behutsamen Sanierung und Instandhaltung der Gebäude und einzelner Bauteile unbedingt zu beachten bzw. zu vermeiden ist. Leserinnen und Leser werden auf den folgenden Seiten anhand von kurzen Erläuterungen und Abbildungen über die denkmalpflegerischen Anforderungen in Lviv informiert. Jedes wichtige Bauteil eines Gebäudes wird dabei gesondert betrachtet. Für ein besseres Verständnis der Zusammenhänge werden zuerst einige historische Aspekte hervorgehoben sowie die vorhandenen Probleme erläutert. Im Vordergrund stehen jedoch vor allem Empfehlungen zum richtigen Umgang mit dem Gebäude und Vorgehen bei der Instandsetzung des jeweiligen Bauteils. In jedem Kapitel der Gestaltungsfibel finden Sie Hinweise und Anregungen, wie Sie bei der Instandsetzung bzw. dem Neubau einzelner Bauteile vorgehen sollten und was Sie lieber vermeiden sollten, um teure Folgeschäden zu verhindern. Fragen Sie im Einzelfall auch immer einen Fachmann, entsprechende Kontakte finden Sie im Anhang (s. „Wichtige Kontakte“, S. 74). Die Empfehlungen basieren auf den existierenden Gesetzen (DBN b.3.2-1-2004 „Die Restaurierung, Konservierung und Reparaturarbeiten an den Denkmälern des kulturellen Erbes“, und Beschluss Nr. 692 vom 22.07.2011 „Genehmigung der Installation von Schildern in Lviv“) bzw. auf den internationalen Standards für den Umgang mit historischen Gebäuden (z.B. der Charta von Venedig (1964), oder den Leitlinien einer behutsamen Stadterneuerung (Berlin, 1984), etc.). ZEITLICHER ASPEKT Die Gestaltungsfibel fokussiert vor allem auf die historischen Gebäude, die vor dem 2. Weltkrieg errichtet worden sind. Dazu zählen sowohl das historische Stadtzentrum als auch die großflächigen Gebiete der Stadterweiterung aus der Zeit ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Somit werden bauliche Eigenheiten aller Epochen bis hin zur Periode des „Imperial Stils“ (ab ca. 1950) in der Fibel berücksichtigt bzw. hervorgehoben. Insbesondere die stadtbildprägenden Stile des Historismus und des Jugendstils werden ausführlich behandelt. Selbstverständlich können viele Empfehlungen aus der vorliegenden Fibel zum Umgang mit baulichem Kulturerbe auch auf Gebäude und Ensemble aus anderen Epochen übertragen werden. Schließlich steht der sensible und maßvolle Umgang mit Gebäuden im Allgemeinen im Vordergrund. RÄUMLICHER ASPEKT Mit der Aufnahme der Altstadt von Lviv auf die Weltkulturerbeliste der UNESCO hat sich die Stadt verpflichtet, dem Erhalt des historischen Bauerbes eine hohe Priorität einzuräumen. Die Gestaltungsfibel bezieht sich auf den ausgewiesenen Bereich der Schutzzone des historischen Gebietes von Lviv (s. Karte im Anhang, S. 72). BEGRIFFLICHER ASPEKT Definition „Denkmal“: Kulturdenkmal von nationaler oder lokaler Bedeutung, das im staatlichen Register für immobile Objekte der Ukraine registriert ist (DBN A.2.2-6-2008, Anhang B). Definition „Schutzzone eines Denkmals“: festgelegter schützenswerter Bereich um ein Denkmal, eine geschützte Landschaft bzw. eine archäologische Stätte, in dem nur jene Nutzungen zugelassen sind, die günstige Bedingungen zum Erhalt der Denkmäler schaffen (DBN A.2.2-6-2008, Anhang B). „Schutzzone des historischen Gebietes“: festgelegter, besonders schützenswerter Bereich um das Ensemble der historischen Altstadt (s. Karte und Beschreibung im Anhang, S. 72 und S. 73). 7 1.2 KULTURERBE DER STADT LVIV KURZE BAULICHE GESCHICHTE Lviv verfügt über eine mehr als 750-jährige, bewegende Geschichte. Die Stadt wurde von König Danilo Halyzkyi um 1256 auf der wichtigsten europäischen Wasserscheide gegründet und hat sich dank der günstigen Lage an den größten Handelskreuzungen sehr schnell entwickelt. Der Stadtausbau hat im Laufe von acht Jahrhunderten stattgefunden. Die bauliche und künstlerische Tradition von Kulturen der unterschiedlichen Nationalitäten, die in der Stadt gelebt haben, wurde stets mit lokaler Bautradition verbunden und an den jeweiligen höchsten Entwicklungsstand herangeführt. Das einzigartige architektonische Ensemble und die Vielfältigkeit der Architekturbeispiele aus verschiedenen Epochen weisen somit im weltweiten Vergleich einen sehr hohen kulturellen Wert auf. Auch in der Ingenieurbaukunst wurden modernste Technologien eingesetzt; so gehörte z.B. das Kanalisationssystem von Lviv bis Mitte des 20. Jahrhunderts zu den Besten in Europa. Die Altstadt hat die für das Mittelalter typische klare Planungsstruktur mit einem zentralen Marktplatz bis heute bewahrt. Dort, wo sich einst die Stadtmauer als ein Teil der Verteidigungsanlagen der Stadt befand, etablierten sich in den letzten Jahrhunderten Parkanlagen, die nun als grüner Ring die mittelalterliche Altstadt umgeben. Die ursprüngliche Wohnbebauung am ehemaligen Stadtrand sowie die Fachwerkhäuser in der Stadtmitte sind nicht erhalten geblieben. Nach zahlreichen Bränden wurden diese 1527 durch einen großen Brand letztendlich vollkommen zerstört. Die ältesten Gebäude in Lviv befinden sich am Fuße des Schlossberges. Es handelt sich hierbei um zwei Kirchen, die St. Nikolauskirche und die Johannes der Täufer Kirche, aus der sog. Fürstenzeit (9.-11. Jahrhundert). Aus der Zeit der Gotik ist lediglich die lateinische Kathedrale erhalten geblieben. Nach 1527 wurde in Lviv die Bauweise mit Stein und Ziegelstein bevorzugt. Eine besondere Rolle für Lviv spielten die Epochen der Renaissance und des Barocks. In dieser Zeit wurden nicht nur die interessantesten Sakralbauten der Stadt errichtet – die Mariä 8 EINLEITUNG Himmelfahrt Kirche, das Bernhardinerkloster, das Dominikanerkloster und die St. Georgs Kathedrale, sondern auch das Gesamtbild des Marktplatzes geprägt. Die räumliche Entwicklung von Lviv im 19. Jahrhundert erfolgte radial. Vom Hauptring gehen bis heute strahlenförmig die wichtigsten Stadtadern ab, zwischen denen eine dichte Bebauung entstanden ist. Die Strahlen sind durch kleinere Straßen, Grünflächen und Erholungsgebiete miteinander verbunden. Eine intensive Stadtentwicklung fand auch im zweiten Teil des 19. Jahrhunderts statt, als Lviv Hauptstadt der galizischen Provinz innerhalb der Österreichischen Monarchie wurde. In dieser Zeit haben sich die Bauindustrie, die Herstellung von Ziegeln, Dachziegeln, künstlichen Steinen und später auch von Stahlbeton sehr intensiv entwickelt. Auf dem Hintergrund des europäischen Historismus und Jugendstils basierend, sind damals in Lviv sowie in ganz Galizien Gebäude mit Elementen der Volkskunst der Huzulen entstanden – eine besondere und einzigartige Form des ukrainischen Jugendstils. Vor dem zweiten Weltkrieg ist die Architektur auch in Lviv den gesamteuropäischen Strömungen von Art Deco und Funktionalismus gefolgt. Die weitere freie Stilentwicklung wurde jedoch durch den Krieg unterbrochen. Später wurden der Stadt untypische Baustile, wie der „Imperial Stil“ der Stalinistischen Epoche aufgezwungen, der zu dieser Zeit in der UdSSR vorherrschend war. Die Veränderung der sozialpolitischen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg hat dazu geführt, dass die privaten Eigentümer von städtischen Immobilien de facto enteignet wurden, was den schnellen Untergang der städtischen Kultur beförderte. Der Mangel an gebührender Nutzung und Pflege der Gebäude und der städtischen Versorgungsnetze hat im Laufe von 50 Jahren des sozialistischen Regimes Verluste von ganzen Teilen der wertvollen Bebauung und ihrer einzigartigen Elemente zur Folge gehabt. UNSER BEITRAG ZUM ERHALT DES KULTURERBES Um unser einmaliges gebautes Kulturerbe in Lviv zu erhalten, bedarf es großer Anstrengungen, die nur gemeinsam zu bewältigen sind. Dabei tragen sowohl die Vertreter der Stadtverwaltung, als auch Eigentümer und Mieter eine gemeinsame Verantwortung. Als Eigentümer von Wohnungen und Häusern haben Sie nicht nur Rechte, sondern auch die Pflicht, Ihr Eigentum fachgerecht instandzuhalten und Gefahren für Andere, z.B. durch lose Bauteile, zu vermeiden. Da Wohnungen und Häuser Bestandteil eines baulichen Ensembles sind, das als Einheit zu erhalten gilt, ist es üblich, bestimmte Regeln aufzustellen, die auch privates Eigentum betreffen. Nur so kann das gesamte bauliche Kulturerbe geschützt und erhalten werden, auch wenn private Interessen und Bauabsichten dabei manchmal zurück gestellt werden müssen. Grundsätzlich gilt: Alle baulichen Arbeiten an Denkmälern sowie an Gebäuden der UNESCO-Zone und der Schutzzone des historischen Gebietes (s. Karte im Anhang, S. 72) müssen genehmigt werden. Die Beantragung der Bauarbeiten ist von den jeweiligen Maßnahmen abhängig. Informationen zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens, welche Dokumente benötigt werden, etc. erhalten Sie bei der Informationsstelle der Stadtverwaltung bzw. auf der Webseite der Stadt Lviv (s. „Wichtige Kontakte“ im Anhang, S. 74). Die allgemeine Vorgehensweise ist dabei durch die „Ordnung über die Erteilung der Genehmigung für die Ausführung von Bauleistungen“ Nr. 273 vom 05.12.2000, bestätigt durch das Staatliche Komitee der Ukraine für Bauwesen und registriert im Justizministerium am 25.12.2000 unter der Nr. 945/5166, vorgegeben. Wenn Sie bereit sind, in Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten zu investieren, stellen Sie sicher, dass Sie die richtigen Maßnahmen ergreifen. Leider passiert es häufig, dass viel Geld für Schönheitsreparaturen ausgegeben wird, obwohl die Ursachen von Schäden nicht behoben wurden. Investieren Sie in fachgerechte Sanierungsmaßnahmen! Sie tragen damit nicht nur zum richtigen Erhalt des Kulturerbes bei, sondern sparen häufig auf lange Sicht auch Geld. Folgeschäden aufgrund falscher Sanierungen sind teuer! 9 10 BAUEN UND SANIEREN 2.1 _ FASSADEN Fassaden sind die schützenden Hüllen eines Hauses. Sie haben vor allem eine wichtige konstruktive Funktion, sie schützen das Mauerwerk und sichern ein angenehmes Raumklima. Darüber hinaus besitzen insbesondere die Straßenfassaden eine wichtige gestalterische Funktion. Sie geben Zeugnis über den jeweiligen Baustil und bestimmen das Straßenbild. Das systematische Zusammenspiel von Fenstern, Türen, Balkonen, Loggien, Bossierungen, Pilastern, Gesimsen und vielfältigen Zierelementen bringt den Gestaltungswillen des Architekten zum Ausdruck. Der Reichtum an Formen und Zierelementen gibt Hinweis auf die einstige Funktion des Hauses und den sozialen Status des Bauherrn. In der Lviver Altstadt, innerhalb der ehemaligen Stadtmauer, finden sich in direkter Nachbarschaft Häuser aus verschiedenen Zeitepochen. Außerhalb der ehemaligen Stadtkerneinfassung, dennoch aber im historischen Teil der Stadt, befinden sich überwiegend Gebäude des Jugendstils, der Moderne sowie Gebäude und Bauwerke aus der Zeit des Sozialismus. AT TIKA KRONSTEIN GESIMS GIEBEL DACHRINNE TRAUFE KRANZ FRIES BALKONGELÄNDER MASKARON GIRLANDE FALLROHR KONSOLE FUGENSCHNIT T IM PUTZ BRÜSTUNGSSPIEGEL BOSSE SOCKEL 11 2.1 _ FASSADEN HISTORISCHE ENTWICKLUNG 15.–17. JAHRHUNDERT Fassade aus der Renaissance-Zeit auf dem zentralen Marktplatz Fassade mit neobarocken Elementen - einem reichlichen Stuckschmuck sowie figürlicher Ausstattung Die Gestaltung der Fassaden hat sich abhängig vom Baustil verändert und spiegelt auch in Lviv die europäische Auffassung wider. Der Renaissance-Stil greift in allen Bereichen auf die antiken Motive zurück. Die Fassaden zeichnen sich durch klare geometrische Gliederung mit Säulen-, Diamantquadern- und Pilasterverzierungen aus. Fassadenverzierung mit Sgraffito (gekratzter mehrlagiger und farbiger Putz) erlebt in der Renaissance ihre Hochzeit. Als Hauptfarbgebung der Fassade wurden meist starke Farbtöne, in Abstufungen von roten oder intensiven Ockerfarbtönen, gewählt. Die Holzteile sind holzsichtig, manchmal aber auch einfarbig oder mehrfarbig im Kontrast zur Fassade gestrichen. Zierelemente wurden in Naturstein ausgeführt, manchmal auch polychrom gefasst. Skulpturen sind ein traditionelles Zierelement der Lviver Architektur und seit der Renaissance stark präsent; die europäische Entwicklung der Bildhauerkunst zeigt sich auch hier. 17.–18. JAHRHUNDERT Für die Zeit des Barocks sind kraftvolle Verzierungen mit geschwungenen Formen (z.B. durch Voluten und Muschelwerk), sowie Bekrönungen von Gebäudeöffnungen typisch. Reiche Verwendung fand die Stucktechnik sowie Naturstein. Die strenge Symmetrie in der Verzierung und Platzierung der Einzelelemente in der barocken Fassade wurde im Rokoko aufgelöst. Während der Barockzeit und im Rokoko verwendete man am liebsten helle Farbtöne wie Hellblau, Gelb oder Orange, wobei teilweise auch schon Stuckelemente in helleren Abstufungen oder weiß hervorgehoben wurden. Fenster waren oft weiß gestrichen, die Haustüren und hölzernen Laubengänge häufig materialsichtig und leicht pigmentiert. Ortstypisch sind figürliche Darstellungen, die einzeln oder in Gruppen an Dachkanten angebracht wurden. 18.–19. JAHRHUNDERT Bei einem Gebäude aus der Zeit des Historismus setzt sich die Klinkerfassade von den Zierelementen deutlich ab. 12 BAUEN UND SANIEREN In der Zeit des Klassizismus wurden die Gebäude in ihrer Gliederung geometrischer. Die Formensprache der römischen und griechischen Antike, wie Säulen, Pilaster, Steinfigurengruppen und Dreiecksgiebel wurde in den Bauwerken wieder aufgenommen. Naturstein wurde seltener verwendet, aufwändige Stuck- und Putzelemente überwogen. Im Historismus verwendete man häufig Gestaltungselemente vorangegangener Stilepochen. Typische Verzierungen einer historistischen Fassade waren unterschiedlich ausgeprägte Pilaster mit skulpturalen Arbeiten im unteren Bereich der Fassade, räumliche Kapitelle, Atlanten und Karyatiden, welche die Balkone stützen, Portale mit Puttenfiguren, profilierte Fensterverkleidungen sowie Gesimse mit einem ornamentalen Fries. Typisch ist die Verwendung von kunstvollen Materialimitationen. Der enorme Zuwachs an Bauaktivitäten am Ende des 19.Jahrhunderts führte zu einer Produktion von serienmäßig angefertigten Elementen. Typische Farbfassungen des Klassizismus und Historismus ähneln sich sehr. Vorherrschende Fassadenfarben waren Gelb und Ocker, später auch Grau- und Graublautöne. Stuckund Zierelemente setzten sich oft farbig ab. Türen und Fenster wurden meist deckend gestrichen, wobei Rotbraun und Weiß dominieren. In Einzelfällen wurden auch Grautöne verwendet. Aufwändige Haustüren aus Eiche wurden oft materialsichtig belassen. 19.–20. JAHRHUNDERT Jugendstilfassaden lassen sich an geschwungenen Linien und der floralen Ornamentik erkennen. Verwendet wurden neben Stuck auch sehr edle Materialien wie Vergoldungen, bemalte Keramiken und Fliesen. Besonders im Fensterbereich findet man aufwändig gestaltete Kacheln, welche eine herausragende Besonderheit der Stadt bilden. Auch Eisen, vor allem an den Balkongeländern sowie an den Hauseingangstüren, gewann in der Zeit des Lviver Jugendstils an Bedeutung. Die Farbfassungen des Jugendstils sind hauptsächlich an die Naturfarben angelehnt. Die Fassaden sowie plastischen Zierelemente weisen helle pastellfarbene Töne auf, aber auch kräftiges Gelb oder Orange. Fenster wurden entweder weiß oder in grünen Farbtönen gestrichen, aber auch das Rotbraun ist als Fensterfarbe verbreitet. Im Jugendstil veränderte sich nicht nur die Thematik der plastischen Verzierung, sondern auch die Ausführungsart und Stilistik. Die Skulptur wurde immer weniger realistisch, immer flächiger, stilisierter, Reliefs wurden graphischer, einer Zeichnung ähnlicher. Die Zierelemente waren floral oder figürlich. Im späteren Jugendstil wurden die Formen vereinfacht, das Dekor immer edler ausgeführt. Aus dieser Zeit sind Skulpturen des begabten Bildhauers Sigismunt Kurtschinskij, der von Rodin beeinflusst wurde, noch an einigen Lviver Fassaden zu finden. 20. JAHRHUNDERT In der Zwischenkriegszeit, der Zeit von Art-Deco und Funktionalismus, kamen noch einzelne Figurenreliefs oder Graffitos vor, dreieckige und spitze Verzierungen wurden ebenfalls typisch („Zickzack-Stil“). Schon ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre entwickelte sich jedoch eine neue ästhetische Auffassung. Diese entstand auch durch neue Baumaterialien und Konstruktionen, die das Spiel mit dem Volumen in der Architektur erlaubten. Ornamentik wurde abgelehnt und durch strenge Formen und Geometrien ersetzt. In der Architektur des sozialistischen Realismus wurden Reliefs an Fenster- oder Türenrahmungen wichtiges Zierelement und trugen gleichzeitig sowjetische Symbolik in sich: Der fünfzackige Stern sowie Hammer und Sichel im Lorbeerkranz waren Symbole der Macht und des Sieges. Solche Verzierungen finden sich an den Portals, Giebeln und Gesimsen der Fassaden. Figürliche Skulpturen wurden entweder aus Natur-, Sandoder Kalkstein angefertigt oder als Werkstein mit verschiedenen Zuschlagstoffen hergestellt. Typische Jugendstil-Fassade mit charakteristischen Verzierungen und geschwungenen Formen Ein Beispiel für aufwändig gestaltete Fliesen mit Motiven aus den Karpaten Architektur der klassischen Moderne - geometrische Formensprache und neue Konstruktionsmöglichkeiten ersetzen aufwändige Ornamentik. Ein Beispiel für die Bildhauerkunst Sigismunt Kurtschinskijs 13 2.1 _ FASSADEN ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT Bei allen Sanierungsmaßnahmen ist es wichtig, die Entstehungszeit eines bestimmten Gebäudes zu berücksichtigen. Das oberste Erhaltungsziel ist das Bewahren der wertvollen historischen Fassaden mit all ihren typischen Merkmalen. Der Zerstörung der Mauern und damit der Fassaden liegen mehrere Ursachen zugrunde, die sich häufig gegenseitig noch verstärken. Der Zustand der Fassaden sollte in regelmäßigen Abständen sorgfältig überprüft werden und jegliche auftretende Schäden samt deren Ursachen durch eine Fachfirma beseitigt werden. Pflichtbewusste Vorsorgemaßnahmen sparen erhebliche, mit der Zeit exponentiell steigende Kosten! FEUCHTE Nur noch an den Fenstergewänden ist die einstige Schönheit des Gebäudes zu erkennen. Durch Vernachlässigung und enorme Feuchteschäden ist es heute kaum bewohnbar. Durch Verwitterung und falsch abgeleitetes Wasser stark in Mitleidenschaft gezogener Fassadenschmuck Fliesen im Sockelbereich widersprechen dem historischen Vorbild und wirken sich negativ auf die Bauphysik eines Gebäudes aus, da ein notwendiger Luftaustausch verhindert wird. Eine fachgerecht sanierte Erdgeschosszone mit Berücksichtigung der historischen Bossierung und Ausführung des Sockelbereichs in Naturstein 14 BAUEN UND SANIEREN FEUCHTE Herausforderungen _ Die Feuchtebelastung wirkt sich auf alle Teile einer Fassade aus. Die Folgen der hohen Luftfeuchtigkeit und des starken Temperaturgefälles, sowie die Auswirkung der Schadstoffemissionen werden vor allem an den Verzierungen der Fassaden sichtbar. Durch undichte oder fehlende Dachrinnen und Fallrohre werden Mauerwerk, Putz sowie Zierelemente durchfeuchtet, es kommt zu Frost-Tau-Wechsel mit entsprechender Materialbelastung und folglich zur Zerstörung der Fassade und ihrer Elemente. Mangelhaft abgeleitetes Oberflächenwasser oder aus defekten Grundleitungen austretendes Abwasser kann Fundamente unterspülen und Risse im Mauerwerk sowie Schäden am Sockelputz und im Erdgeschossbereich verursachen. Empfehlungen _ Die Behebung der Ursachen vorhandener Feuchteschäden und eventueller Salzschäden ist Voraussetzung für eine erfolgreiche und damit dauerhafte Fassadensanierung. Dachentwässerungssysteme müssen sofort bei Auftreten von Schäden repariert werden. Feuchteschäden im Sockelbereich lassen sich durch eine nachträglich eingebaute Horizontal- oder Vertikalsperre dauerhaft beheben. Besonders anfällige, auskragende Bauteile, z.B. Gesimse, Fensterbänke und –bekrönungen, können mit fachgerecht ausgeführten Abdeckungen aus Titanzink- oder Kupferblech vor Feuchtigkeit effektiv geschützt werden. Gepflegte Fassade aus der Zeit des Historismus Gut erhaltene bzw. sanierte Fassadenfront der repräsentativen Renaissance- und Barockgebäude am Marktplatz GESTALTUNG Herausforderungen _ Das Antlitz einer Fassade ist von der Qualität aller in ihr befindlichen Elemente abhängig. Durch fehlendes Verständnis und mangelhafte Kenntnis der Rechtslage werden Teile historischer Fassaden abgeschlagen oder verändert. Oft ist der Verlust wertvoller Fassadenelemente auf mangelnde Pflege zurückzuführen. Zusätzlich werden an den Fassaden Klimaanlagen, Satellitenschüsseln sowie andere technische Anlagen und Versorgungsleitungen verlegt. Sie beeinträchtigen die Fassade optisch und sind eine Belästigung für Passanten, z.B. durch abtropfendes Wasser. Empfehlungen _ Die originale historische Fassade ist mit allen prägenden Fassadenelementen unbedingt zu sichern, zu erhalten und ggf. wiederherzustellen – die Restaurierung und Rekonstruktion von Fassadenelementen erfordert hohe handwerkliche Fähigkeiten und entsprechende Techniken und ist nur von erfahrenen Fachleuten auszuführen. Auch alle Fassadenöffnungen sollten in Form, Maßstab und Rhythmus erhalten bleiben und auch nach baulichen Maßnahmen dem historischen Bestand entsprechen. Bei einer Sanierung sollten ausschließlich orts- und gebäudetypische Materialien zum Einsatz kommen, bzw. Materialien, die mit den Baustoffen und der Bauweise der historischen Fassaden kompatibel sind. Zu solchen Materialien gehören unter anderem Kalkmörtel, Holz oder Schmiedeeisen. Störende Veränderungen und Umbauten an allen Elementen der Fassade (d.h. auch an Fenstern, Balkonen, etc.) sollten im Zuge der Sanierungsmaßnahmen zurückgebaut werden. Beim Anbringen der Satelittenschüssel wurde keine Rücksicht auf den historischen Wert der Straßenfassade genommen und die Stuckelemente teilweise abgeschlagen. Majolika Verzierung an einer Jugendstilfassade - die Zierkacheln gehören zu den individuellen Elementen lokaler Architektur. Beim Einbau von PVC-Fenstern zerstörte Fenstergewände beeinflussen negativ den Gesamteindruck einer historischen Fassade. Gut erhaltene Ornamentik im Bereich der Fenster - bei Sanierungsarbeiten sollten die aufwendigen Zierelemente höchste Aufmerksamkeit bekommen. 15 2.1 _ FASSADEN ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT PUTZ Gut erhaltene Fassade mit intakten Zierelementen Die thermische Isolierung von historischen Gebäuden sowie Spritzputzverfahren sind für Altbauten nicht zu empfehlen - Bauschmuck geht dabei unwiderruflich verloren. Die einstige Pracht des Gebäudes ist in diesem Fall nur noch unterhalb der Dachtraufe zu sehen. Durch falsche Sanierung (thermische Isolierung) völlig verunstaltete historische Fassade 16 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Putzschäden sind meistens auf eine schadhafte Dachentwässerung oder auf Feuchtigkeit in der Sockelzone zurückzuführen. Sie verunstalten nicht nur optisch das Fassadenbild, sondern gefährden auch das dahinter liegende Mauerwerk. Die Verwendung technisch ungeeigneter Baustoffe mit hoher Dichtheit, wie z.B. Zementputz und nicht diffusionsoffene Dispersionsfarben, beeinflusst neben dem Gesamterscheinungsbild des Gebäudes auch die Bauphysik, da es notwendige Luftaustauschprozesse verhindert und dadurch zur Verstärkung von Feuchteschäden und -folgen führt. Außendämmungen verändern die Gliederung der Fassade, die historische Putzstruktur sowie die Anschlüsse an Zierelemente. Der Einsatz von brennbaren Fassadendämmungen verringert zusätzlich die Feuerwiderstandsdauer der Gebäude. Empfehlungen _ Historische Fassadenputze sind nicht zwingend vollständig zu erneuern, sie können auch partiell instand gesetzt und unter Verwendung historisch adäquater Putze ausgebessert werden. Diese müssen schlagregendicht, gleichzeitig jedoch dampfdurchlässig sein, um ein Verdunsten der Feuchte aus den Innenräumen zu ermöglichen. Eventuell sind in feuchteund salzbelasteten Bereichen spezielle Sanierputze notwendig. Gepflegte Fassade aus der Zeit des Barocks VERBOTEN IST*... yy die Zerstörung historischer Fassaden durch Abschlagen von originalen Putzflächen, Gesimsen, Fensterumrahmungen und Zierelementen (z. B. Konsolen und Schmuckplatten) oder durch die Verlegung von Versorgungsleitungen. yy die Veränderung der Gliederung historischer Fassaden durch Ausbrechen und Verschließen von Öffnungen – Fenster, Türen – oder durch Ergänzen von Anbauten und Entfernen von Gestaltungselementen (z. B. Balkone). yy die Verwendung nicht denkmalgerechter Baustoffe (Zementputz, Spritzputz, Styroporplatten und Styroporzierelemente). yy die Montage von Außendämmungen auf den Fassadenflächen. yy die Montage von nicht denkmalgerechten Verblendungen des Gebäudesockels (Fliesen, Beton, regional nicht typische Natursteinplatten). yy die Veränderung der historisch originalen Farbfassung. yy die Montage von Rollläden und Vergitterungen an Fenstern und Türen. yy die Montage von Klima- und Antennenanlagen, nicht genehmigten Werbeanlagen, Abzügen sowie anderen technischen Elementen an der straßenseitigen Fassade. FARBE Herausforderungen _ Ungeeignete Farbauswahl bei Erneuerung der Anstriche verändert die Erscheinung des Gebäudes und des gesamten historischen Straßenzuges. Empfehlungen _ Die Farbgebung hat nach originalem Befund zu erfolgen. Neben den traditionellen Kalkfarben können für den Anstrich historischer Fassaden auch Silikatfarben oder Silikonharzfarben verwendet werden. GENEHMIGUNGSGRUNDLAGE Alle baulichen Maßnahmen sind nicht nur mit einem Architekten, sondern auch mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt abzustimmen. In einem sog. Fassadenpassport werden Art und Beschaffenheit des Untergrundes, sowie Informationen zu historischen Putzen sowie Farben dokumentiert. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, werden die Sanierungsschritte und insbesondere die Wahl der geeigneten Baumaterialien, Anstrichstoffe und –technologien festgelegt. Bei der Verlegung von Versorgungskabeln und Leitungen ist die „Verordnung über Einbau von technischen Elementen an den Fassaden“ zu beachten. Vor der Sanierung dieser Fassade wurde eine Farbuntersuchung durchgeführt und auf deren Grundlage ein Farbkonzept zur Abstimmung mit den verantwortlichen Behörden ausgearbeitet. Richtige farbliche Gestaltung und Hervorhebung von architektonischen Details einer Fassade aus der Zeit des Spätbarocks Falsch gewählte Farbigkeit und unterschiedliche Farbkonzepte der verschiedenen Eigentümer zerstören den Gesamteindruck. * da im Gesamterscheinungsbild einer Fassade auch die Türen, Fenster, Balkone und Dächer eine zentrale Rolle spielen, berücksichtigen Sie weitere Maßnahmen, die in den Kapiteln 2.2 - 2.5 aufgelistet sind. Die Erdgeschosszonen werden fälschlicherweise sehr oft in grellen Farben geschtrichen, die sich historisch nicht belegen lassen. 17 18 BAUEN UND SANIEREN 2.2 _ BALKONE UND LAUBENGÄNGE Balkone und Erker, ob als auskragende Elemente oder als eingelassene Loggien, sind prägende Bestandteile der Fassaden Lviver Stadthäuser. Ihre Anzahl, Vielfalt und originelle Detailliertheit findet sich kaum in einer anderen Stadt, ihre Ausführung zeugt von einer hohen handwerklichen Qualität. Die künstlerische Gestaltung fügt sich in das Gesamtbild einer Fassade ein – vor allem an Jugendstilgebäuden finden sich florale Elemente, die sich an verschiedenen Stellen eines Gebäudes wiederholen, so zum Beispiel auch als Metallgeländer eines Balkons. Zusätzlich stellen Balkone für die Stadtbewohner ein Stück an wertvollem, privatem Freiraum unter freiem Himmel dar. Ihr Zustand ist leider aufgrund von fehlender Pflege oftmals sehr schlecht und in vielen Fällen sowohl für deren Nutzer als auch für Passanten gefährlich. GIRLANDE METALLGELÄNDER BALUSTRADE BALKONPLAT TE STEINKONSOLE 19 2.2 _ BALKONE HISTORISCHE ENTWICKLUNG 15.–18. JAHRHUNDERT Schmiedeeisernes Balkongeländer aus der Zeit des Barocks Charakteristisch für klassizistische Balkone sind Geländer mit geometrischen Elementen. In S-Form gebogenes Geländer eines historistischen Balkons Balkone waren in den Profanbauten der Renaissance kaum verbreitet. In der Barockzeit beginnt sich dies zu ändern. Es entstehen die ersten Balkone an Bürgerhäusern, die meist eine geschwungene, von verzierten Konsolen getragene Grundplatte aus Naturstein haben. Die Geländerkonstruktion besteht meist aus Schmiedeeisen, in seltenen Fällen aus steinernen Balustern. 18.–19. JAHRHUNDERT Im Klassizismus kommen Balkone oft als Abschluss eines Portikus mit dekorativen, bildhauerisch bearbeiteten Konsolen vor. Die Form des Balkons ist meistens viereckig oder von geschweifter Grundform, die Balustrade durch eine feine Schmiedearbeit ergänzt. In der gesamten Komposition des metallenen, durchsichtigen Balkongeländers finden sich einfache vertikale und horizontale Streben mit eingezeichneten Kreisen, Diagonalen, Mäandern und Akanthusblättern. 19. JAHRHUNDERT Im Historismus verändert sich die Art der Balkonkonstruktion. Dekorative Konsolen bestehen aus einer Stahlkonstruktion, die mit Stuckfertigteilen verkleidet wurden. Während des Historismus kommt es ebenfalls zur Verbreitung von gusseisernen Konsolen. Die Balkonplatte selbst wird nun in verschiedenen Formen ausgebildet, über komplizierte Eckformen bis hin zu Halbkreisen. Das Balkongeländer wird in eine S-Form gebogen, ist transparent und mit linear floralen Modulen verziert. 19.–20. JAHRHUNDERT Zur Jugendstilzeit werden oft dekorative Metallteile zur Imitierung einer Stütze verwendet. Die Balkongrundform wird durch ein Halboval erweitert, der Querschnitt des Balkongeländers wieder zu einer geraden Linie. Die Ornamentik des Balkons ist vom Stil des Hauses bestimmt und häufig anspruchsvoll mit floralen bzw. geometrischen Elementen ausgebildet. 20. JAHRHUNDERT Ein Jugendstilgeländer mit charakteristischen floralen Ornamenten Schlichte Gestaltung eines Balkons der klassischen Moderne mit Betonung der Horizontalen 20 BAUEN UND SANIEREN In der Moderne kehrt die Form des Balkons zum Viereck zurück und gerade Geländer sind typisch. Auch aus dieser Zeit sind in Lviv exzellente Zeugnisse der Architektur vorhanden, die in ihrer Wichtigkeit noch häufig unterschätzt werden. 2.2 _ LAUBENGÄNGE HISTORISCHE ENTWICKLUNG BIS 19. JAHRHUNDERT Laubengänge sind in der Stadt erst zusammen mit dem Bau der Kanalisation aufgetreten. An das mittelalterliche Haus wurden auf einigen Stockwerken kleine Werkstätten oder Toilettenhäuschen angebaut, welche von den Wohnungen über die offenen Laubengänge erschlossen wurden. Die durch Metall- und Steinkonsolen oder Holzstreben gestützten Konstruktionen bestanden aus Holzpodesten mit einfachen Metallgeländern. 19.–20. JAHRHUNDERT Ab dem 19.-20. Jh. waren Laubengänge bereits im Entwurf als fester Bestandteil des Hauses vorgesehen. Sie verbinden das hintere und das vordere Treppenhaus, erschließen die billigeren Wohnungen oder die Werkstätten und dienen als Zugang zu Hintertüren der teureren Wohnungen. Eine für Lviv typische Innenhofsituation einfach konstruierte Laubengänge erschließen die Wohnungen der Seitenflügel. Eine nur noch selten anzutreffende Laubengangkonstruktion Aufwändiges Eisenguss-Ziergeländer mit floralen Formen und Mäandern aus der Zeit des Klassizismus 21 2.2 _ BALKONE UND LAUBENGÄNGE ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT Wie für fast alle Bauteile gilt auch bei Balkonen und Laubengängen: Mit kleinen Reparaturen kann man zahlreiche weitere Schäden verhindern. Ergreifen Sie Maßnahmen, bevor es zu spät ist und notwendige Eingriffe sehr teuer werden. KONSTRUKTION UND SICHERHEIT Nicht mehr benutzbare, verrottete Balkonplatte aus Holz - die Schäden sind auf mangelnde Pflege sowie eine unausreichende Entwässerung zurückzuführen. Einige gusseiserne Ballustradenelemente sind bereits verloren gegangen - der temporäre Absturzschutz beeinflusst das Erscheinungsbild der Fassade negativ. Durch Witterung geschädigte Konsole ist nicht nur unansehnlich, sondern auch eindringender Feuchtigkeit und somit einer Korosionsgefahr an der Tragkonstruktion ausgesetzt. Fachgerecht sanierte Konsolen eines Balkons - der optische Gesamteindruck sowie die Funktionalität des Balkons wurden vorbildhaft wiederhergestellt. 22 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Offene Balkone sowie Laubengänge sind ständig der Witterung ausgesetzt und deshalb besonders anfällig für Zerstörungen. Marode und nicht mehr funktionierende Systeme, die Regenwasser von den Balkonen abführen sollen, Frost-Tau-Wechsel im Winter und hohe Temperaturwechselspannungen beanspruchen die Konstruktion sehr stark. Dabei können sich zunächst Stein- und Holzteile lösen und eine Gefahr für Passanten darstellen. Empfehlungen _ Alle Elemente von Balkonen, Loggien sowie Laubengängen müssen regelmäßig (v.a. nach Frostperioden) gewartet und ggf. gesichert bzw. fachgerecht saniert werden. Sichern Sie lose Teile des Balkons oder des Geländers. Zum Einen stellen sie dann keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit dar, zum Anderen können diese Teile bei einer Sanierung an ihrer ursprünglichen Stelle wieder angebracht werden. Oft ist es heute nicht mehr möglich, handwerklich gleichwertige Kopien zu erstellen. Bei stark geschädigten Balkonen und Laubengängen sollten Sie einen Fachmann (Architekten, Statiker) zu Rate ziehen – die Standsicherheit kann nur ein geschultes Auge überprüfen! Größere Schäden an der Tragwerkskonstruktion sowie den Brüstungen und Konsolen sind ausschließlich von Fachfirmen durchzuführen. ENTWÄSSERUNG UND FEUCHTESCHUTZ Herausforderungen _ Konstruktiv falsch ausgebildete Bauteile lassen Wasser eindringen, verhindern oft jedoch das Austreten der Feuchtigkeit. Auch fehlende oder defekte Abdichtungen sowie Farbanstriche an Metall- und Holzbauteilen ermöglichen den Eintrag von Feuchtigkeit in die Konstruktion. In der Folge verfault das Holz und die Tragkonstruktion kann angegriffen und sogar zerstört werden. Dadurch ist nicht nur die Nutzbarkeit eingeschränkt, sondern auch die Sicherheit gefährdet. Empfehlungen _ Die Holzkonstruktionen von Laubengängen sind konstruktiv so zu gestalten, dass eindringende Feuchte sicher abgeführt wird. Überprüfen Sie in regelmäßigen Abständen die Entwässerung des Balkons bzw. der Laubengänge sowie die Abdichtung der Bodenplatten inkl. der Wandanschlüsse. Die Bodenplatten von Balkonen und Loggien sind fachgerecht gegen Feuchtigkeit abzudichten. Nach Absprache mit einem Fachmann VERBOTEN IST... yy yy yy yy eine Veränderung der Form und Größe der Balkone* und Laubengänge. die Entfernung oder Umbau gestalterischer Details, wie z. B. Geländer, Brüstungen. eine Montage von Jalousien, Überdachungen, Abtrennungen oder Verglasungen. eine farbliche Veränderung von Teilen der Fassade rings um Balkone ohne Berücksichtigung des Gesamtkonzeptes und der Genehmigung der zuständigen Denkmalschutzbehörde. yy der ungenehmigte Anbau von zusätzlichen Balkonen. * Der Ausdruck „Balkon“ schließt in diesem Kontext alle architektonischen Ausführungen mit ein. Es sind unter Anderem Loggien, Galerien und offene Erker. und mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt können besonders witterungsanfällige Bauteile auch durch eine Verblechung geschützt werden. Farbanstriche auf Holz– und Metallteilen sind laufend zu prüfen und instand zu halten, da die Farben Konstruktionsteile vor Zerstörung schützen. Neue Farbanstriche sollten auf der Grundlage von farblichen Voruntersuchungen erfolgen. GESTALTUNG UND NUTZUNG Herausforderungen _ Fassaden im Balkonbereich werden häufig nach eigenem Geschmack und ohne Berücksichtigung eines gestalterischen Gesamtkonzeptes des Hauses umgestaltet. Überdachungen oder Schließen der Balkone und Loggien zu einem Wintergarten wirken sich negativ auf das gesamte Erscheinungsbild und die Einheitlichkeit der Fassade aus und führen zu einer unangebrachten Patchwork-Wirkung. Abtrennungen von Teilen der Laubengänge als „Bestandteil“ der Wohnung stört die gestalterische Gesamtwirkung und schränkt das Eigentumsrecht der Gemeinschaft ein. Empfehlungen _ Farbanstriche, auch der Fassaden im Bereich von Balkonen, sind auf Grundlage von Befunduntersuchungen und eines Gesamtkonzeptes für das Gebäude sowie in Abstimmung mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt zu erneuern. Laubengänge müssen stets als Durchgang frei gehalten werden, um ihre Notausgangsfunktion zu sichern. Gut erhaltene Balkone - alle architektonischen Elemente tragen zum einheitlichen Gesamteindruck der Fassade bei. Die unzulässige Verunstaltung eines historischen Balkons durch einen Wintergarten ändert die Wahrnehmung des gesamten Straßenzuges. Das Geländer dieses barocken Balkons blieb die letzten Jahrzente ohne Pflege - nun sieht man fortgeschrittene Rostschäden. Alle Elemente eines schmiedeeisernen Balkons brauchen eine regelmäßige Erneuerung des entsprechenden Korrosionsschutzes. 23 24 BAUEN UND SANIEREN 2.3 _ DÄCHER Steht man auf dem Rathausturm oder auf dem Hügel des Hohen Schlosses (Vysoky Zamok), liegt die Stadt einem zu Füßen. Wahrgenommen werden nicht mehr nur das Pflaster, welches wir begehen, sondern vor allem das Gesamtmuster der Stadt sowie ihre Dachlandschaft. Obwohl diese Vogelperspektive nicht zu den alltäglichen Blicken auf eine Stadt gehört, können viele Städte anhand von einfachen, skizzenhaften Silhouetten oder eben Bildern ihrer Dachlandschaft auf Anhieb identifiziert werden. Zu den prägendsten Elementen zählen insbesondere die Kirchtürme, doch auch die Farbgebung, Form und Neigung der Hausdächer sowie die Art der Dachdeckung tragen zur Unverwechselbarkeit der Stadt bei. Bei allen durchzuführenden Maßnahmen kommt es deshalb bei Dächern in einem besonders starken Maße darauf an, statt nur das eine konkrete Gebäude zu betrachten, die Gesamtheit einer Stadt zu berücksichtigen. GIEBEL KRONSTEIN DACHTRAUFE DACHZIEGEL DACHGAUBE FIRST 25 2.3 _ DÄCHER HISTORISCHE ENTWICKLUNG 16. JAHRHUNDERT Holzschindeldach an einem der ältesten Gebäude Lvivs der Kirche „Johannes des Täufers“ Repräsentative Häuser am Marktplatz haben ein historisch mit Ziegeln gedecktes Dach, andere Bauherrn konnten sich das seinerzeit seltene Deckmaterial nicht leisten. Mit Steinskulpturen geschmückte Dachkante als optischer Fassadenabschluss aus der frühen Barockzeit 26 BAUEN UND SANIEREN Bis 1527 wurden die Häuser in Lviv aus leicht entflammbaren Materialien konstruiert - allesamt waren es Fachwerkhäuser mit Schindeldächern aus Holz. Nachdem die ganze Stadt 1527 dem großen Brand zum Opfer gefallen, und nur das Haus eines gewissen Ivan Borodas unversehrt geblieben war, entschied die Stadtverwaltung, dass nur noch mit feuerfesten Materialien wie Stein oder Ziegel gebaut werden darf und die Dächer mit feuersicherem Material, wie z.B. Dachziegeln, zu decken sind. 16.–19. JAHRHUNDERT Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts konnten Ziegel jedoch nur mit manufakturellen Methoden hergestellt werden, Dachziegel gab es vor Ort nicht. Die Dächer der reicheren Bauherren wurden mit Kupferblech oder importierten Dachziegeln gedeckt. Einfache Häuser wurden auch weiterhin bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Schindeln aus Holz gedeckt. Erst danach begann die Massenherstellung von Ziegelsteinen und Dachziegeln aus Keramik bzw. Ton. 1890 wurde die keramische Fabrik von Ivan Levinski eröffnet, in der unter anderem bunt glasierte Dachziegel produziert wurden. Die Dachform hat sich entsprechend dem Gebäudestil geändert. Während bei vielen einfachen Wohnhäusern das Dach als flach geneigtes Satteldach ausschließlich auf die Schutzfunktion vor Witterungseinflüssen reduziert war, übernahm die Dachkonstruktion bei Geschäftshäusern, z.B. Banken und Hotels, sowie repräsentativen Wohngebäuden auch zunehmend gestalterische Funktion. Die Dachfläche der Satteldächer wurde steiler und damit dominanter. Ab dem Historismus erfüllten Dächer neben den funktionalen auch die gestalterischen Aufgaben - Giebel und Gauben dienen neben der Beleuchtung und Belüftung der Dachräume auch als zierender Abschluss einer Fassade. 19.–20. JAHRHUNDERT Im 19.-20. Jahrhundert wurden die Dachkonstruktionen sowohl mit Dachziegeln, als auch mit Blech gedeckt, welches manchmal in einem Farbton, der dem der Dachziegel ähnlich war, angestrichen wurde. Im Neoklassizismus und vor allem im Jugendstil wurden die Dachflächen deutlich stärker gegliedert. In den Mansardebereich wurden stehende Gauben aus Holz und auch Naturstein integriert. Diese dienten der Belichtung und Belüftung der großen Dachräume. Die Verdachungen und auch die Stiele der Gauben wurden stark gegliedert und reich ornamentiert. Über Risaliten und Erkerachsen der Fassaden wurden im Dach zimmermannstechnisch angebundene Türme in verschiedenen Formen und Ausführungen angeordnet. Für die natürliche Belichtung von Treppenhäusern wurden Deckenverglasungen oder Glasdachziegel eingebaut. Attiken und Frontgiebel gehören ebenfalls zur Dachstruktur und zählen als Zierabschluss der Fassade. Die Dachrinnen wurden überwiegend auf einem weit auskragendem Traufgesimskasten aufliegend ausgeführt. Die Traufe als horizontale Abgrenzung zwischen Fassade und Dach wurde durch ein Gesims gebildet, dessen Stirnseite mit einem profilierten gedrückten Blech verkleidet wurde. 20. JAHRHUNDERT In den Häusern der Jahrhundertwende und besonders in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das System einer innenliegenden Entwässerung eingesetzt, bei dem die Dachentwässerungsrohre im Dachgeschoss verlegt und die Fallrohre an den Hoffassaden entlang geführt wurden. Aus Geldmangel wurde in den 1970-80er Jahren die traditionelle Dachbedeckung gegen minderwertige Materialien oder Asbestplatten ausgetauscht. Seit den 1990er Jahren sind es profilierte Platten aus verzinktem Stahl oder Metalldachsteine, welche zur Dachreparatur verwendet werden. Die Dächer repräsentativer Gebäude wurden Ende des 19. Jahrhunderts steiler. Wie man am Beispiel des Ethnographischen Museums in Lviv sieht, kam dadurch die skulpturale Ausstattung zur Wirkung. Natürliche Beleuchtung wurde bei Jugendstilhäusern oft durch Glasdachziegel und ein darunter liegendes Oberlicht gesichert - bei diesem Haus sind die Füllungen des Oberlichtes leider bereits verloren gegangen. Ein Abbild der heutigen Dachlandschaft - eine Sammlung von Deckmaterialien, die weder ins historische Stadtbild passen noch einen entsprechenden Schutz bieten. 27 2.2 _ DÄCHER ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT Jedes einzelne Dach ist ein selbstverständlicher Bestandteil eines Hauses, dem im Alltag kaum Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es bietet jedoch den essenziellen Schutz eines Hauses. Die Witterungseinflüsse können im Falle eines undichten Daches schwerwiegendste Folgen für die Statik und die Bausubstanz eines Hauses mit sich bringen. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ sollte hier also keinesfalls zur Geltung kommen, stattdessen muss jedes Dach mit größter Sorgfältigkeit regelmäßig gewartet und gepflegt werden. Konstruktive Probleme am Dachstuhl stellen die dramatischsten Schäden dar, die an einem Haus auftreten können!!! DACHKONSTRUKTION UND DACHFORM Die minderwertigen Materialien, welche in den letzten Jahrzehnten in Lviv zur Dachdeckung eingesetzt wurden, sind nicht ausreichend witterungsbeständig und altern schnell. Solange sie aus finanziellen Gründen nicht ersetzt werden können, benötigen sie eine regelmäßige Kontrolle und entsprechende Pflege. Ein Beispiel für eine fachgerechte Dachsanierung das historische Dachdeckungsmaterial, die Dachformen sowie die Schornsteine wurden wiederhergestellt. Beim Dachausbau wurde das historische Satteldach zum Mansarddach geändert. Solche Maßnahmen sind besonders für die ältesten Straßen Lvivs absolut unzulässig. 28 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Ins Dach eindringende Niederschläge verursachen schwerwiegende Schäden an den Holzdachstühlen und am Mauerwerk. Dadurch gefährden Sie die Standsicherheit des Dachstuhls, eine fortschreitende Zerstörung der Decken und somit des ganzen Hauses. Problematisch ist, dass diese Schäden häufig erst zu spät erkannt bzw. als gefährlich wahrgenommen werden. Gestalterisch und konstruktiv negative Ergebnisse entstehen häufig bei Dachausbauten oder bei Neubauten im historischen Bestand. Die Entwürfe nehmen selten Rücksicht auf die Umgebung bzw. auf konstruktive Anforderungen beim Dachausbau. Empfehlungen _ Achten Sie auf faulende oder kaputte Holzelemente. Nehmen Sie Wasserflecken an Decken und Wänden ernst und suchen Sie sofort nach Ihren Ursachen. Wenn Sie Schäden entdecken, ziehen Sie umgehend einen Fachmann zu Rate! Bei Sanierungen sollten die originalen Dachformen beachtet und wieder hergestellt werden. Bei allen Altbauten in den Schutzzonen ist jeglicher Dachausbau mit dem Denkmalpflegeamt abzustimmen. Besondere Beachtung sollte den der Straße zugewandten Dachflächen gelten, da hier Eingriffe am ehesten sichtbar sind. Grundsätzlich gilt jedoch: Dachausbauten sind aufgrund der gestalterischen und konstruktiven Anforderungen ausschließlich von Fachleuten zu planen und zu bauen! Schornsteine sind ein prägendes Element innerhalb der historischen Dachlandschaft und müssen als solche erhalten, repariert, bzw. wiederhergestellt werden. Eventuelle Schäden, wie z.B. lose Steine und offene Fugen sollten behoben werden, um die Standsicherheit der Schornsteine sicherzustellen. Rauchrohröffnungen von Schornsteinen unter dem Dach müssen umgehend geschlossen werden, damit keine Brandgefahr entsteht. Über die Jahrhunderte hat sich die Dachdeckungsart entsprechend der ökonomischen Situation und Materialverfügbarkeit immer wieder geändert. Die heutige Lviver Dachlandschaft wechselt zwischen historisch begründeten, sowie optisch und technisch unangemessenen Erscheinungsbildern. DACHDECKUNG Herausforderungen _ Fehlende Dachsteine oder kleine Defekte der Dachhaut bieten Angriffspunkte für Wind und können schnell zum vollständigen Verlust von großen Teilen der Dachdeckung führen. Auch die Verwendung ungeeigneter und nicht ausreichend dauerhafter Baustoffe, wie z.B. verzinkte Stahlbleche, sowie unsachgemäße Ausführung der Arbeiten beeinträchtigen die Lebensdauer der Dachdeckung. Erhebliche Feuchteschäden entstehen zusätzlich durch unfachgerecht eingedichtete Einbauten am Dach, wie z.B. Antennen oder Werbeschilder. Empfehlungen _ Überprüfen Sie in regelmäßigen Abständen die gesamte Dachkonstruktion. Schließen Sie unverzüglich undichte Stellen, um das Eindringen von Niederschlägen sowie Angriffspunkte für Sturm und damit die Ausweitung von Schäden zu vermeiden. Intakte alte Dachziegel sollten nach Möglichkeit bei Dachsanierungen wieder verwendet werden. Neu verwendete Ziegel sollten in Form, Material und Farbe dem historischen Bestand entsprechen. Blecheindeckung mit Stehfalz darf man nur bei Bauwerken verwenden, die nachweislich auch ursprünglich mit Blech eingedeckt waren und es ist Zink- oder Kupferblech zu verwenden. Antennenanlagen sowie Satellitenschüssel sollten als Gemeinschaftsanlage und nur auf der rückwärtigen Hausseite installiert und Dachanschlüsse fachgerecht abgedichtet werden. Die Erneuerung der Dachdeckung sowie Instandsetzung statischer Schäden an der Dachkonstruktion sollte durch Fachleute geplant und durch Fachfirmen ausgeführt werden. Die geplanten Arbeiten sind mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt abzustimmen. An diesen drei Abbildungen werden die Folgen von ursprünglich einfachen und kostengünstig zu behebenden Mängeln deutlich: Aufgrund von fehlenden Dachplatten ist über Jahre Wasser ins Gebäude eingedrungen,... ...welches komplett die Decken des obersten Geschosses mit allen wertvollen Verzierungen zerstörte... ... und schließlich zum Einbruch der Decke führte. Solche Schäden sind leider nur mit extrem hohem Aufwand zu reparieren. 29 2.2 _ DÄCHER ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT DACHBODEN UND NUTZUNG Feuchteeintrag hat die Dachkonstruktion angegriffen und gefährlicher Schimmelbefall ist bereits erkennbar. Das Gebäude ist zunehmend einsturzgefährdet, die Sanierungskosten können dramatisch steigen. Solche vermüllten und vollgestellten Dachgeschosse sind idealer Nährboden für Ungeziefer, Schimmel und Pilze aller Art. Ein ausgebautes Dachgeschoss, welches nun zum begehrten Wohnraum werden kann. Die Geometrie der straßenseitigen Fassade wurde dabei vollständig beibehalten. 30 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Unklare Eigentumsverhältnisse führen dazu, dass sich für die Instandhaltung der Dächer niemand zuständig fühlt. Vollgestellte Dachböden, Müll und Vogelkot ziehen Ungeziefer an, die Brandlast erhöht sich und eine ordnungsgemäße Durchlüftung der Dachräume wird verhindert. Im schlimmsten Fall entstehen Holz zerstörende Pilze, wie z.B. der Hausschwamm, welche das Holz angreifen und die Konstruktion zum Einsturz bringen. Empfehlungen _ Halten Sie die Dachräume sauber und stellen Sie keinen Müll ab, der Ungeziefer anzieht. Schließen Sie Löcher, durch welche Vögel und andere Tiere in den Dachraum eindringen können, der Kot der Tiere ist gesundheitsschädlich. Offene Gauben, die der Belüftung des Dachraumes dienen, sollten jedoch nicht verglast werden. Lüftungsöffnungen können auch mit einfachen Gittern oder einem feinmaschigen Netz verschlossen werden. VERBOTEN IST... yy jegliche Veränderung der originalen Dachform und Höhe (inkl. aller Dachöffnungen und –aufbauten) an denkmalgeschützten Häusern. yy die bauliche oder gestalterische Veränderung von historischen Attiken, Giebeln, Dachfenstern, Dachgauben, Dachkästen und Schornsteinen. yy die Verwendung von Dachdeckungsmaterialien, welche den historischen Materialien nicht entsprechen und/oder für eine Altstadt unpassend sind. Hierzu zählen unter Anderem Profilziegel, Asbest, Kunststoff, Bitumenpappe und profilierte Blechtafeln. yy der Abbruch historischer profilierter Dachkästen und der dazugehörigen Konsolen aus Blech oder Stuck. DACHENTWÄSSERUNG Herausforderungen _ Bereits kleine Defekte an Dachrinnen und Fallrohren verursachen das Eindringen der Feuchte ins Mauerwerk und führen dadurch zu erheblichen Schäden am Gebäude. Traditionell wurde das Regenwasser vom Dach häufig durch eine innenliegende Entwässerung abgeleitet. Eventuelle Mängel sind oft nicht offensichtlich, die Leitungen sind eingebaut und somit schwer einsehbar. Immense Schäden werden demzufolge erst viel zu spät erkannt. Bei der Erneuerung der Dachdeckung werden häufig Form und Lage der Dachrinnen sowie die Gestaltung der profilierten, oft mit Konsolen versehenen Dachkästen verändert. Empfehlungen _ Die Dachentwässerung samt aller Anschlüsse muss vollständig und regelmäßig kritisch überprüft und ggf. sofort repariert werden. Es ist eine kostengünstige und effiziente Vorbeugung schwerwiegender Bauschäden! Entfernen Sie Schnee, Laub und ggf. Wildwuchs von den Problemstellen des Daches rechtzeitig. Reinigen Sie die Rinnen, wenn es nötig und möglich ist, bzw. bitten Sie die zuständige Behörde um Unterstützung! Neue Dachentwässerungselemente sollten sich in das Fassadenbild einfügen, eventuelle Verlegung sollte vorzugsweise an die Gebäudeecken und in Rücksprünge erfolgen. Anzahl, Lage und Größe der Fallrohre müssen nach Größe der Dachfläche berechnet werden. Die Fallrohre sind dicht an die erdverlegten Grundleitungen anzuschließen, um eine sichere Abführung des Wassers von den Gebäuden zu ermöglichen. Erfüllen die Regenrinnen nicht ihre Funktion, wird die Konstruktion des Daches sowie das Mauerwerk immens beschädigt. Werden keine Maßnahmen getroffen, drohen Teile der Konstruktion abzustürzen und stellen somit erhebliche Verletzungsgefahr dar! Oft ist eine fehlerhafte Dachentwässerung mit bloßem Auge und von der Straße aus zu erkennen. Auf der Abbildung sind die Folgen einer Lücke in der Dachdeckung bereits an der Hausfassade zu sehen. Eine fachgerecht erneuerte Dachentwässerung (Regenrinne) mit Dachkasten und Traufe - sowie die Kupferabdeckung der Fensterverdachung bieten einen notwendigen Witterungsschutz. 31 32 BAUEN UND SANIEREN 2.4 _ FENSTER Fenster gehören zu den wichtigsten Gestaltungselementen einer Fassade. Durch die Ausbildung von stimmigen Proportionen, von profilierten Rahmen, Kämpfern und Schlagleisten mit Kapitell tragen historische Fenster zu einer schmuckvollen, gebäudetypischen Fassadengliederung bei. Gleichzeitig geben sie einen Hinweis auf die Entstehungszeit eines Gebäudes und den Stil, in dem es errichtet wurde. In der Altstadt von Lviv sind eine Vielzahl von historischen Fenstern der unterschiedlichsten Epochen und Bauarten noch erhalten und gehören daher zum schützenswerten Denkmalbestand. Historische Fenster wurden aus abgelagertem Holz gefertigt und weisen eine hohe handwerkliche Qualität auf. Rahmen und Flügel sind häufig kunstvoll verziert und besitzen neben ornamentalen oft auch figürliche Schnitzereien. Man kann in der Stadt kaum zwei Gebäude mit in ihrer Ausführung gleichen Fenstern finden – auch innerhalb eines Gebäudes unterscheiden sich die Fenster oft von einem Stockwerk zum Anderen. In ihrer Vielfalt von Gestaltung, Größe und Form legen sie ein Zeugnis von dem Gestaltungswillen der Erbauer ab und sind gleichzeitig ein alltäglicher Bestandteil des Wohnumfeldes. GESIMS FRIES FENSTERVERDACHUNG FENSTERGEWÄNDE RAHMEN OBERLICHT KÄMPFER SCHLAGLEISTE FLÜGEL WET TERSCHENKEL SOHLBANK BRÜSTUNGSSPIEGEL 33 2.4 _ FENSTER HISTORISCHE ENTWICKLUNG 15.-18. JAHRHUNDERT Fenster des Renaissancestils mit kleinteiliger Gliederung, in Zusammenspiel mit der aufwendig geschmückten Fassade mit antiken Motiven Schmale Kastenfenster, gefasst im klassizistischen Fenstergewände Fenster aus der Zeit des Historismus mit Rundbogenabschluss und halbrunder Stulpleiste 34 BAUEN UND SANIEREN Die Größe und Teilung des Fensters hing zunächst mit den Herstellungsmöglichkeiten von Glasscheiben und Beschlägen zusammen, was die kleinen Scheiben und die symmetrische Teilung der Renaissance- und Barockzeitfenster begründet. In der Renaissance erfolgte die Fensterteilung oft noch mit Stein und die Flügel waren direkt an diesen Stein angeschlagen. Erst gegen Ende der Renaissance und dem Übergang zum Barock entwickelte sich das Fenster mit Holzrahmen. Oft erfolgte die Teilung durch Kämpfer und Pfosten symmetrisch in vier gleich große Flügel. Gegen Ende des Barocks wurde aus gestalterischen Gründen der Kämpfer mit dem darüber liegenden Oberlicht weiter nach oben und die unteren Flügel entsprechend höher gesetzt. Ebenfalls in dieser Zeit entstanden die ersten Profile, die über den bis dahin üblichen Halbstab hinausgingen. Die Fenstereinrahmung aus Stein, bildhauerisch bearbeitet, bzw. aus Stuck war ein edel profiliertes Fenstergewände. Oft wiederholten sich die thematischen Reliefs auch unter den Fenstern im sogenannten Brüstungsspiegel. 18.–19. JAHRHUNDERT Im Klassizismus wurden die Fensteröffnungen größer und insgesamt schlanker, auch direkt nebeneinander liegende Fenster kommen vor. Die ersten Kastenfenster wurden in dieser Zeit entwickelt und eingebaut. Im Historismus behielten die Fenster die bis dahin vorherrschenden Proportionen bei, wobei die Teilung des Oberlichtes kaum noch vorkam. Bis dahin eher selten verwendete Bögen im Oberlicht (Rundbogen, Segmentbogen) kamen nun häufiger vor. Schlagleiste und Kämpfer sind sehr unterschiedlich profiliert, wobei die Schlagleiste meist die Form antiker Säulen imitiert. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts herrschten Fenster mit Einfachverglasung vor, die in Einzelfällen im Winter durch eine zweite Fensterebene, sogenannte Winterfenster, ergänzt wurden. Danach setzte sich auch im Profanbau das Kasten- oder Doppelfenster mit zwei Glasebenen durch. 19.-20. JAHRHUNDERT Während des Jugendstils veränderte sich das Fenster in seiner Form sehr stark. Es kamen Fenster mit Halbkreis- oder Hufeisenabschluss und mit entsprechend krummlinigen Holzteilen vor. Ein viereckiges Fenster hatte oft eine kleinteilige oder geschweifte Sprossung im Oberlicht. Die Dekorierung der Fenster war sehr reichhaltig, flach, in weichen Formen und in offenen Kompositionen ausgeführt. Unterhalb oder oberhalb der Fenster kamen oft dekorative Majolika-Einsätze vor. Der Jugendstil war ebenfalls die Zeit der Erker mit komplizierten Holzelementen. Charakteristische Fenster in den Altstadtquartieren von Lviv sind 2-3 flügelige Kastenfenster. Das Verhältnis von Höhe zu Breite beträgt dabei mindestens 1:1,5 bis 1:2. In der Regel sind die Fenster stark vertikal gegliedert und haben zusätzlich einen horizontalen Kämpfer. Das Verhältnis zwischen Oberlicht und unterem Fenster beträgt meistens 1:3 bzw. 2/5:3/5. Sowohl im Historismus als auch bei den Jugendstilbauten spielen die Fenster in ihrer Anordnung und handwerklichen Ausführung eine wichtige Rolle für das Erscheinungsbild des Gesamtensembles. Oft zeichnen sich die Fenster durch ihre Zweifarbigkeit aus (innen und außen unterschiedlich) – die Fassadenansichtsfläche des Fensters fügt sich harmonisch in das individuelle Farbkonzept der Fassade ein, während die inneren Oberflächen hell behandelt sind. Fenster aus der Zeit des Jugendstils mit häufig in Lviv anzutreffenden geschwungenen Rauten in den Oberlichtern 20. JAHRHUNDERT Dank der neuen konstruktiven Möglichkeiten verändern die Fenster ihre Größe und Form. Es erscheinen bandförmige Fenster, verglaste Hausecken sowie runde, in die Fassade integrierte Fenster. Die für die bisherigen Stile typische Vertikale wechselt zu einer horizontalen Prägung. Die profilierten Verzierungen von Schlagleiste und Kämpfer werden stark reduziert und die Teilung wird durch horizontale Sprossen unterstrichen. Neue Materialien, vor allem Stahl, sowie neue Konstruktionen, wie z.B. Isolierglasfenster, spielen eine wichtige Rolle. Typisches Jugendstilfenster mit floraler Putzornamentik in der Fassade aus der gleichen Epoche - erst durch das Zusammenspiel der beiden Elemente wird die erwünschte Wirkung erzielt. Fenster aus der Zeit der klassischen Moderne - prägend sind klare geometrische Formen ohne aufwendige Verzierungen und die Betonung der Horizontalen. 35 2.4 _ FENSTER ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT Historische Fenster mit ihrer Sprossenteilung besitzen einen hohen ästhetischen Wert und sind als dekorativer Schmuck und essentieller Teil der Fassade zu erhalten oder wiederherzustellen. Die historischen Beschläge sind oft aufwändig, manchmal als Einzelanfertigungen für das entsprechende Gebäude gestaltet. Bei denkmalgeschützten Gebäuden sind nur Fenster in ihrer historischen Form, Gestalt, Gliederung, Farbfassung und der ursprünglichen Einlassung in der Fassade zulässig. Die enorm wichtige Rolle der Fenster für das Gebäude- und Raumklima ist unbestritten. Zahlreiche Probleme sind auf mangelnde und/oder falsche Informationen über die breiten Möglichkeiten einer Instandsetzung von historischen Fenstern und den damit verbundenen Kosten zurückzuführen. Es kommt zu vorschnellen Entscheidungen für einen kompletten Austausch der Holzfenster. Die Reparatur von originalen Fenstern ist einem historischen Nachbau der Fenster oder gar dem Austausch durch PVC-Fenster nicht nur aus Denkmalschutzgründen vorzuziehen. Jeder Verlust der historischen Substanz bedeutet gleichzeitig (und langfristig gesehen) auch die Minderung des Wohnungswertes! INSTANDHALTUNG UND VERBESSERUNG DER KONSTRUKTION Die Multifunktionalität und ausgeklügelte technische Lösungen bei den historischen Holzfenstern werden den Nutzern leider oft erst dann bewußt, wenn sie aufgrund des Austauches gegen PVC-Fenster vermisst werden. Herausforderungen _ Durch mangelnde Pflege, zahlreiche, über Jahrzehnte aufgetragene Farbschichten, fehlende Dichtungen sowie einige, der Witterung stark ausgesetzte Holzteile ist die Funktion der Fenster und der Beschläge häufig negativ beeinträchtigt. Empfehlungen _ Grundsätzlich gilt: In den meisten Fällen kann man mit einfachen handwerklichen Mitteln kostengünstig historische Fenster reparieren, ohne sie ganzheitlich austauschen zu müssen. Auch mit historischen Holzfenstern können moderne Anforderungen an die Lebensqualität sowie an eine hohe Energieeffizienz erfüllt werden! Für einen guten Wärme- und Schallschutz lassen sich in den meisten Fällen Isolierglasscheiben in vorhandene historische Fenster einbauen. Allerdings sind beim Einsatz von Isoliergläsern unbedingt die bauphysikalischen Eigenschaften der Außenwand zu beachten, um Schimmelbildung zu vermeiden. Die Sicherheit kann vor allem bei Erdgeschosswohnungen durch den Einsatz von Sicherheitsverglasung erhöht werden. Weitere einfache Maßnahmen, wie eine innen eingefräste Gummidichtung oder unterschiedliche Glasdicken, verbessern die Fenstereigenschaften, ohne die Optik zu stören. Um die Funktionsfähigkeit zu sichern, muss wie bei allen Gebrauchsgegenständen eine regelmäßige Pflege gewährleistet werden. Ölen Sie die Metallbeschläge, kontrollieren Sie die Dichtungen und die Wetterschenkel, erneuern Sie regelmäßig die Anstriche. Der Einbau von Sonnenschutz mit außenliegenden Plastikrollläden ist keine Option für die historische Altstadt. 36 BAUEN UND SANIEREN Eine mangelhafte Farboberfläche muss nicht gleichzeitig eine schadhafte Holzsubstanz bedeuten! Eventuell abplatzende Farbe muss vollständig entfernt werden, bevor das betroffene Holzelement neu gestrichen wird. Bis nach dem ersten Weltkrieg wurden die Fenster ausschließlich mit Ölfarben gestrichen. Für die Farbentscheidung bei einem Neuanstrich ist die Befundlage VERBOTEN IST... yy jegliche gestalterische Veränderung der Fensteröffnungen, d.h. der Höhe und Breite sowie deren Zumauerung (Genehmigungsfähigkeit für solche Maßnahmen in der Erdgeschosszone lesen Sie bitte im Kapitel 2.8). yy das Zerstören oder Beschädigen der zu den Fenstern optisch gehörenden Fassadenelemente, d.h. der Fensterverdachung, des Fenstergewändes, des Brüstungsspiegels u.a. yy der Austausch der vorhandenen historischen Holz- und Metallfenster gegen PVC-Fenster oder andere minderwertige Produkte. yy das Anbringen zusätzlicher Elemente an oder um die Fenster, z.B. Rolläden, Gitter, Markisen, u.a. yy der Anstrich von Fensterrahmen, -flügeln und –läden mit ungeeigneten Farben ohne Befunduntersuchung und Abstimmung mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt. yy die Entfernung oder gestalterische Veränderung der vorhandenen historischen Fensterläden und Fenstergitter. yy der Austausch vorhandener authentischer Beschläge bzw. der Ersatz fehlender Metallteile durch minderwertige Kopien. durch restauratorische Untersuchungen festzustellen und es sind nur geeignete Materialen zu verwenden. NACHBAU HISTORISCHER FENSTER Herausforderungen _ Der Einbau von PVC-Fenstern hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Sie stören den optischen Eindruck der Gebäude und gehen leider häufig neben dem Verlust der handwerklich hochwertigen Holzelemente auch mit dem Verlust dekorativer Fassadenelemente rings um die Fensteröffnungen einher. Neben der optischen Wertminderung des Gebäudes können durch den Einbau auch bauphysikalische Schäden entstehen. PVC-Fenster verhindern aufgrund ihrer Konstruktion und der hohen Dichtigkeit den Feuchtigkeitsaustausch zwischen Außenund Innenluft, sodass sich die Feuchte an den Innenwänden niederschlägt und es zu Schimmelbildung kommen kann. Empfehlungen _ Neue Fenster (wenn überhaupt notwendig) sind ausschließlich aus Holz nachzubauen. Aus historischen sowie wärme- und schallschutztechnischen Gründen sind vorzugsweise Kastenfenster herzustellen, bei denen mindestens der äußere Fensterflügel dem originalen Fenster entsprechen muss, und zwar in seiner Gliederung, Farbfassung, Gestaltung, Position in der Fassade und Ausstattung. Exakt nach historischem Vorbild nachgebaute Fenster, die nicht mehr saniert werden konnten. Oft Bedarf es bei historischen Beschlägen nur einer Reinigung, um deren Funktionalität wieder herzustellen. Das neue Fenster aus Kunststoff nimmt weder die historische Gliederung, Materialität noch Verzierung der originalen Holzfenster auf. 37 38 BAUEN UND SANIEREN 2.5 _ TÜREN UND TORE Wer aufmerksam durch die Altstadt läuft, wird die außergewöhnliche Vielfalt an historischen Hauseingangstüren und Toren bemerken. Neben aufwändig gestalteten Holztüren findet man in Lviv zahlreiche Metalltüren aus der Zeit des Jugendstils, die oft einen Hinweis auf den Gebäudeerbauer, den Architekt Ivan Levinski, geben. Jede Tür und jedes Tor wurde gestalterisch auf die Architektur des Hauses abgestimmt und ist somit ein individuelles Einzelstück. Neben ihrer Funktion zum Schutz der Hausbewohner sind Türen als optischer Blickfang von Eingangsportalen ein wichtiges Gestaltungselement der Fassaden und prägen das Erscheinungsbild eines Hauses mit. Die Türen der mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshäuser, die seit Ende des 19. Jahrhunderts eingebaut wurden, weisen eine unglaubliche Varietät an dekorativen Holzreliefs und Glasscheiben mit schmückenden Eisengittern auf, so dass man kaum zwei ähnliche Türen nebeneinander findet. Sowohl die Tore als auch Türen von bedeutenden Häusern sind in portalartige, reichlich verzierte Gewände aus Naturstein eingebaut. OBERLICHT KÄMPFER MIT PROFIL VERGLASTE FÜLLUNG ZIERVERGIT TERUNG SCHLAGLEISTE FRIES TÜRGRIFF PROFIL FÜLLUNG SOCKELBRET T 39 2.5 _ TÜREN UND TORE HISTORISCHE ENTWICKLUNG 14.–18. JAHRHUNDERT Tür aus der Zeit des Barocks mit charakteristischem Fischgrätmuster und holzsichtiger Materialbehandlung Klassizistische Tür mit aufwendigen Schnitzereien und einem bogenförmigen Oberlicht Bis zum Beginn der Renaissancezeit bestanden Türen aus aneinandergereihten Brettern oder Bohlen, die mit aufwändigen Eisenteilen (den „Beschlägen“) verbunden waren. Auf der Rückseite der Konstruktionen wurden oft waagerechte Riegel angebracht, die gemeinsam mit einer diagonalen Verstrebung für mehr Halt sorgten. In Ausnahmefällen wurden die Bretter vollständig mit brüniertem Metallblech abgedeckt, welches durch dekorativ geschmiedete Nägel und diagonale Stäbe geziert war. Außerdem gab es einen eisernen oder kupfernen Ring zum Klopfen und eine geschmiedete Klinke. Die Türen dieser Zeit hatten anfangs noch keine separaten Rahmen, sondern wurden in die Haken in der Einrahmung des Steinportals gehängt. Im Verlauf der Renaissance begann man Türen auch als Rahmentür zu konstruieren. Erst dann war es möglich, Füllungen und andere hölzerne Verzierungen zu integrieren. Dabei wurde auf Motive der Antike zurückgegriffen. Es wurden pigmentierte Öle zur holzsichtigen Behandlung verwendet oder im Gegensatz dazu auch starke Farben wie Blau oder Rot eingesetzt. Die älteste erhaltene Tür Lvivs stammt bereits aus dem 16. Jahrhundert. Im Barock ändert sich die Art der Konstruktion kaum. Türen und Tore wurden jedoch oft vergrößert, so dass auch die Innenhöfe erschlossen werden konnten. Die Tore besaßen einen Bogenabschluss oder ein Oberlicht mit einem schmiedeeisernen Gitter. Sie waren fast immer hölzern, zweiflügelig und mit einer Schlupftür in einem der Türblätter ausgestattet, welche für die alltägliche Verwendung als Eingangstür diente. Typisch war eine fischgratartige Verbretterung mit angehobelten Profilen oder auch Türen mit Füllungen, die meist stark profiliert oder mit Schnitzereien versehen waren. Die strenge vertikale Symmetrie der Teilung aus dem Barock wurde im späteren Rokoko aufgelöst. Zur materialsichtigen Behandlung von Eichentüren und -toren kamen nun auch deckende Anstriche in hellem Grau hinzu. 18.-19. JAHRHUNDERT Der Klassizismus erweiterte die Formensprache von Türen und Toren um Motive und Gestaltungselemente aus der griechischen und römischen Antike. Löwenköpfe auf den Füllungen, Fabelwesen und geschnitzte Schlagleisten waren bestimmend. Handhaben und Griffringe aus Messingguss kontrastierten mit oft pastellfarbenen Anstrichen. Die Oberlichter der Türen waren verglast und manchmal auch in Bogenform ausgeführt. Die strenge Formensprache des Klassizismus insgesamt findet sich auch in den Türen und Toren aus dieser Zeit wieder. Beispiel für eine Tür aus der Periode des Historismus mit einer stark symmetrischen vertikalen Gliederung 40 BAUEN UND SANIEREN 19. JAHRHUNDERT Im Historismus wurden Türen (und auch andere Gebäudeteile) eher symmetrisch und vertikal gegliedert. Die Schlagleisten wurden in dieser Zeit (so wie auch bei den Fenstern) in der Form einer antiken Säule mit Basis und Kapitell ausgeführt. Die Türblätter der Haustüren haben in der oberen Hälfte häufig verglaste Felder, welche durch aufwändige Vergitterungen geschützt und geziert werden. Die Füllungen im unteren Teil werden oft mit Diamantquadern oder Schnitzwerk aus Holz versehen. Oberlichter über der Tür, auch mit Bögen versehen, werden zur gestaltenden Regel. Bei Eichentüren werden weiterhin materialsichtige Anstriche bevorzugt, Türen aus Nadelholz werden in dunklen deckenden Farben gestrichen. Wohnungstüren wurden in dieser Zeit manchmal mit aufgemalten Maserierungen veredelt. 19.-20. JAHRHUNDERT Der Jugendstil brachte im Türenbau kaum konstruktive, jedoch gravierende gestalterische Umwälzungen. Die Gestaltung der Fassade spiegelte sich auch in der Gestaltung der Türen wieder. Gerade Linien der vorherigen Epochen wurden von floralen und fließenden Formen abgelöst. Füllungen waren oft mit Blumenmotiven verziert, Verglasungen wurden in facettiertem Klarglas oder mattiertem Glas ausgeführt, Oberlichter haben oft geschweifte Bögen und aufwändige Sprossen. Ziergitter kommen weiterhin vor. Neben holzsichtigen Lasuren sind Schwarz, Grün und Braun häufige Farbtöne. Charakteristisch und einzigartig sind beim Lviver Jugendstil die Türen aus Metall. Sie wirken noch leichter und zierlicher und sind bestimmend für die Erdgeschosszone. Die Windfangtür, welche die Eingangstür vom Treppenhaus abgrenzt, ist eine leichte Konstruktion mit großen verglasten Flächen. Die Wohnungstüren aus der Zeit des Historismus und des Jugendstils sind oft mit Stuckbekrönungen dekoriert. Bei den Türen aus der Zeit des Jugendstils werden gerade Linien der vorigen Epochen durch fließende Formen ersetzt. 20. JAHRHUNDERT Die Türen der Klassischen Moderne brachen mit allen bis dahin herrschenden Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien. Klare Formen und Linien ersetzten die verspielt wirkende Formensprache des Jugendstils. Die Türkonstruktion ist versteckt, die Türen hölzern und holzsichtig lackiert, seltener aus Metall, und sie vermitteln den Eindruck einer ebenen Platte. Nur die horizontalen Sprossen unterbrechen die Fläche und lockern die Verglasung auf. Die wenigen Verzierungen basieren auf vorgesetzten geraden Metallkonstruktionen, die oft gleichzeitig als Handhabe dienen. Dabei wird auf das Wechselspiel der Materialien von lasiertem Holz und Messing oder Nickel gesetzt. Die Klassische Moderne hat die Türgestaltung um neue Formen sowie neue Materialien, wie z.B. Messing, erweitert. BESCHLÄGE Alle Beschläge erfüllen nicht nur eine funktionale, sondern auch eine ästhetische Aufgabe und zählen mit den anderen aufgesetzten Metallteilen zu den Zierelementen einer Tür. Formen sowie Materialien veränderten sich (vor allem bei den Türklinken) gemeinsam mit dem jeweiligen Stil. Beschläge können aus Kupfer, Messing oder Schmiedeeisen sein. Die Türen und Tore waren mit gewöhnlichen Schlössern ausgestattet; an der Innenseite gab es oft noch zusätzliche Abschlussmechanismen wie Riegel oder Schnallen. Historische Beschläge sind von hoher kunsthandwerklicher Qualität, oft aufwändig gestaltete objektbezogene Einzelstücke. 41 2.5 _ TÜREN UND TORE ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT Wie bei anderen Bauelementen in der Lviver Altstadt, mangelt es auch bei den Türen und Toren an der nötigen Pflege und häufig auch an einem persönlichen Verantwortungsgefühl für gemeinschaftliches Eigentum. Als wichtige historische Zeugnisse der gestalterischen und handwerklichen Baukunst müssen die originalen Türen und Tore bewahrt und restauriert werden und dienen auch dem Werterhalt des Gebäudes insgesamt. FEUCHTE INSTANDHALTUNG Neue Anstriche über abplatzenden Farbschichten beeinflussen die Ästhetik und schränken die Funktionalität einer Tür stark ein. Durch mangelnde Pflege und Vandalismus beschädigtes Tor, das zusätzlich mit Spritzputz verunreinigt ist. < Zerstörte Verglasung einer Tür aus Metall > Handwerkliche Details, die noch gut erhalten sind 42 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Zahlreiche neue Farbanstriche, welche auf die vorhandenen Farbschichten aufgetragen werden, schränken die Funktionsfähigkeit der Holz- und Metallelemente der Türen und Tore stark ein. Umgekehrt fehlt bei einer mangelhaften Instandhaltung des Anstriches ein wirkungsvoller Schutz gegen Feuchte. Nach einem Glasbruch werden die Verglasungen kaum gleichwertig ausgetauscht, sondern durch ungeeignete Holzplatten oder Gitter ersetzt. Auch Vandalismus wirkt sich negativ aus – Graffiti oder Diebstahl der historischen Beschläge sind leider keine selten anzutreffenden Bilder. Empfehlungen _ Ölen Sie die Beschläge, um ihre Tür funktionsfähig zu erhalten. Zum Holzschutz gegen die Witterung reicht in der Regel die Behandlung mit einem mehrschichtigen Leinölanstrich oder entsprechenden Eisenlacken für Metalltüren. Für die dekorativen Eisengitter sollte ein geeigneter Korrosionsschutz vorgesehen werden. Die historischen Beschläge bilden mit den Türen und Toren eine gestalterische Einheit und sind von hoher kunsthandwerklicher Qualität. Sie sind meist Einzelstücke und aufwändig gestaltet. Nach einer sorgfältigen Reinigung können sie wieder verwendet werden. VERBOTEN IST... yy das Austauschen historischer Haus-, Windfang-, Wohnungs-, Balkon- oder anderer Türen gegen Türen aus Kunststoff, Aluminium, Metall oder gegen eine Kopie aus minderwertigem Holz. yy das Austauschen, Verdecken oder Entfernen authentischer Teile historischer Türen, u.a. der Verglasung, der Metallelemente und der Ziervergitterung. yy die Beschädigung historischer Türen oder deren Teile, u.a. durch das Montieren von Sprechanlagen, Codeschlössern und anderen zusätzlichen Verriegelungen. yy das Anbringen zusätzlicher Elemente, welche nicht historisch belegt sind. yy eine historisch unbegründete Metallverkleidung der Holztür. SANIERUNG Herausforderungen _ Die Schlösser wurden durch Umbauten häufig zerstört, wodurch die Treppenhäuser für jedermann frei zugänglich sind. Seit einigen Jahrzehnten werden unmittelbar in die Türblätter Codeschlösser und Türsprechanlagen eingebaut, ohne dabei Rücksicht auf die Gestaltung oder die Konstruktion der Türen zu nehmen. Zur Erleichterung der Benutzbarkeit werden die Türen und Tore häufig unsachgemäß umgebaut, z.B. mit schlecht integrierten Schlupftüren. Empfehlungen _ Der Zustand einer historischen Tür wird oftmals schlechter eingeschätzt als er tatsächlich ist. Statt die ganze Tür auszuwechseln, können kostengünstig nur die beschädigten Holz- oder Metallteile repariert bzw. ersetzt werden. Lassen Sie einen Fachmann die Schäden kartieren sowie eine originale Farbfolge feststellen. Vor einem Neuanstrich sollten die alten Farbschichten entfernt werden. Falls traditionelle Farbsysteme, z.B. auf Leinölbasis, nicht auf dem Markt zu erwerben sind, achten Sie darauf, dass Sie nur Farben verwenden, welche diffusionsoffen sowie ausreichend elastisch sind. Fehlende Garnituren können durch die Beschläge aus der gleichen Entstehungszeit ersetzt werden. Sind aus funktionalen Gründen zusätzliche Garnituren erforderlich (z.B. Sicherheitsschlösser), so sind diese aus dem gleichen Material herzustellen und zurückhaltend einzubauen. NACHBAU Ein Nachbau einer historischen Tür oder eines Tores ist nur dann erlaubt, wenn eine Tür nicht restaurierungsfähig oder nicht mehr vorhanden ist. Der Nachbau muss dem originalen Vorbild entsprechen. Falls weder das Original, noch ein historisches Foto oder eine Zeichnung vorliegt, ist darauf zu achten, dass die baustiltypische Gliederung, Materialauswahl sowie die Proportionen dem Gesamtensemble entsprechen. Ist die originale Farbfolge nicht mehr feststellbar, sollte die Farbe im Einklang mit der Farbgebung der gesamten Fassade gewählt werden. Die Gestaltung sollte durch einen Fachmann erfolgen und muss mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt abgestimmt werden. Fachgerecht sanierte Tür mit neuem Schloss zur Erhöhung der Sicherheit Auf dem oberen Bild wird sichtbar, wie viele Farbanstriche über Jahrzehnte aufgetragen wurden. Diese beeinträchtigten nicht nur negativ die Funktion, sondern verfremdeten auch den Stil, denn spätklassizistische Türen wurden meist holzsichtig belassen. Ein Austausch von historischen Türen gegen eine PVCoder eine Metalltür ist in allen architektonischen Schutzzonen unzulässig. Falls eine Tür in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen ist, kann diese nach historischem Vorbild nachgebaut werden. In Lviv gibt es herausragende Handwerker, die dieser Aufgabe nachgehen können. 43 44 BAUEN UND SANIEREN 2.6 _ TREPPENHÄUSER Der Eingangsbereich eines Wohnhauses sowie das Treppenhaus bieten Gästen, Mietern und potentiellen Eigentümern einen ersten Eindruck und sprechen für den Zustand und die Gestaltung des Hauses. Aus diesem Grund haben die Bauherren die Wände im Flur und den Treppenhäusern besonders auffällig dekoriert, Decken wurden oft mit Stuck und einer dekorativen Rosette um die Beleuchtung verziert. Ob kunstvolle Boden- und Wandfliesen, Stuck- und Malerarbeiten an den Wänden und Decken oder Schnitzereien, überall gibt es künstlerische Objekte zu bewundern. Wie eine Fassade unterschiedliche Elemente zu einer Einheit zusammenführt, so sind auch die Treppenhäuser Orte, welche stets als ein Gesamtensemble betrachtet werden sollten. BLEIGLASFENSTER METALLGELÄNDER PFOSTEN WANDVERKLEIDUNG PODEST HANDLAUF STEINSTUFE 45 2.6 _ TREPPENHÄUSER HISTORISCHE ENTWICKLUNG Eine Holztreppe der zweiten Hälfte des 19.Jhds. mit Metallelementen im Treppengeländer, wie sie in ihrer historischen Substanz noch in vielen Lviver Wohnhäusern zu finden ist. 18.-19. JAHRHUNDERT In den Wohnhäusern des Klassizismus waren die Treppenhäuser meist sehr großzügig bemessen und nahmen die Formensprache der Fassade auf. Mit der Verbreitung der Miethauskultur im Historismus wurden die Treppenhäuser dem Zweck angemessener gestaltet, wobei durch Ausmalungen an den Decken und Wänden dennoch eine sehr repräsentative Wirkung erzielt werden sollte. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Decke oft mit sogenannten Deckenspiegeln bemalt worden, deren Muster sich auch auf den Treppenpodesten wiederholt haben. 19.-20. JAHRHUNDERT Ab dem Ende des 19. Jhds. kamen beim Treppenbau zwei neue Materialien zum Einsatz - Stein und Metall. Die Metalltreppen vermitteln durch ihre Transparenz den Eindruck einer schwebenden, leichten Konstruktion. Am Anfang des Jugendstils sind zur natürlichen Beleuchtung der Treppenhäuser die sog. Dachlaternen sehr beliebt geworden. Eine repräsentative, steinerne Wendeltreppe mit metallenem Geländer, aufwendig gestalteten Bodenfliesen auf den Podesten und hochwertiger steinerner Wandverkleidung als Trittschutz. 46 BAUEN UND SANIEREN Bis zum Anfang des Jugendstils wurden die Treppenanlagen überwiegend aus Holz, meist Eiche oder Kiefer, hergestellt. Nicht nur als ein Zeichen des wachsenden Wohlstands, sondern auch als Brandschutz verbessernde Massnahme, wurden die Treppen im Jugendstil überwiegend in Stein ausgeführt. Die gesamte Gestaltung der Treppenhäuser dieser Zeit verändert sich gravierend. Insbesondere durch Bodenbeläge aus keramischen Fliesen mit geometrischem Muster oder aus Mosaikbeton, das sogenannte „Lastrico“, durch Stuckverzierungen in floraler Form oder mit dekorativen Masken sollte ein vollkommen anderer Eindruck als im vorangegangenen Historismus erzielt werden. 20. JAHRHUNDERT In der Moderne ist die Innengestaltung monochrom geworden. Die Verzierung erfolgte mit edlen Materialien wie Marmor, Alabaster oder deren hochwertigen Imitaten wie Terrazzo und Messingeinlagen. In Lviver Wohnhäusern kommen verschiedene Arten von Treppen vor. Die Haupttreppen sind meist zweiläufig mit Zwischenpodesten oder als Wendeltreppen ausgebildet. Die Stufen sind aus Holz, Metall, Beton oder Stein hergestellt. Geländer und Handläufe sind hölzern, metallen oder kombiniert, in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts kommen auch Steinelemente vor. Der Treppenansatz wurde häufig mit einem dekorativen Pfosten für einen Leuchter akzentuiert. Außerdem gibt es meistens eine Hintertreppe als Zugang für die Bediensteten, bzw. zu billigeren Wohnungen in den Seitenflügeln. Diese Anlagen sind oft einfache Holzkonstruktionen oder metallene Wendeltreppen. Eine natürliche Belichtung der Treppenhäuser erfolgt entweder durch Seitenfenster oder über ein Oberlicht, die sogenannte Dachlaterne. Im Folgenden werden einzelne Zierelemente näher erläutert, welche in den Lviver Treppenhäusern besonders Ende des 19. Jahrhunderts Verwendung fanden. KERAMISCHE FLIESEN Die Herstellung keramischer Fliesen begann im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts. Schnell fanden sich diese Fliesen in der lokalen Architektur in verschiedenen Formen wieder. Noch erhaltene Beläge in Fluren und Treppenhäusern bzw. besonders beständige Fliesen auf den Fußböden zeugen von der Qualität und den reichen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Vielfalt der Boden- und Wandfliesen in verschiedenen Farbtönen und mit einer Ornamentik, welche sich an die karpatische Volkskunst und Farbgebung anlehnt, ist der fördernden Konkurrenz unter den Herstellern zu verdanken. Bis heute gibt es erhaltene Fliesen mit den Namen der Hersteller wie z.B.: Bracia Mund, Giovanni Zuliani und Sohn u.a. BLEIVERGLASUNGEN Bleiverglasungen gehören zu den schönsten, zugleich jedoch auch zu den anfälligsten Zierelementen. Sie sind Ende des 19. Jahrhunderts in den Wohnhäusern populär geworden und sind in die Treppenhausfenster, die Lichtdecken und in die Oberlichter der Türen eingesetzt worden. Klassische Bleiglasfenster hat für Lviv meist die Krakauer Firma Zhelenski angefertigt. Die Ausführung ist im Laufe der Zeit gestalterisch und in Abhängigkeit von der Einbausituation auch technisch unterschiedlich umgesetzt worden. Treppenhausfenster wurden meist traditionell aus einzelnen Buntglasscheiben und Bleistegen verlötet, Lichtdecken dagegen als filigrane Eisenkonstruktionen mit verschiedenfarbigen Gläsern ausgeführt. Eine Besonderheit bildet durch Säure geätztes Glas. Durch das Einätzen von Mustern, Namen, Hausnummern oder Werbungen erfüllten solche Gläser auch eine informative Funktion. Manchmal ist deren Kombination mit Bleiverglasungen anzutreffen. Später wurde oft mit preiswerten und teilweise eingefärbten Walzgläsern gearbeitet. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind sog. Pseudobleigläser verbreitet, bei welchen die Bleiruten durch intransparente Linien imitiert werden, die lediglich aufgeklebt sind. Die große Vielfalt an Fliesen, die in den Treppenhäusern zu Beginn des 20. Jhds. zu finden ist, ist der großen Konkurrenz zwischen den damaligen Herstellern zu verdanken. Das abgebildete Bleiglasfenster zieht sich über die gesamte Höhe des Treppenhauses. Das landschaftliche Motiv weißt eindeutig auf die Epoche des Jugendstils hin. > < Unterschiedlich gefärbte Glasfüllungen eines Jugendstiloberlichtes über einem Treppenauge 47 2.6 _ TREPPENHÄUSER HISTORISCHE ENTWICKLUNG AUSMALUNGEN Bemalter Deckenspiegel in einem Treppenhaus durch den Einsatz des Hell-DunkelKontrastes wurde eine plastische, dreidimensionale Wirkung erzielt. Während Sanierungsarbeiten freigelegte und fachgerecht instandgesetzte Deckenmalerei aus der Zeit des Historismus. Außerdem wurden die stark in Mitleidenschaft gezogenen Stuckaturen restauriert. Die Eingangsbereiche der Mietshäuser wurden aufwendig mit Stuck, Malereien, sowie Wandverkleidungen gestaltet. Auch die sogenannte Windfangtür gehört zur schützenswerten, hochfunktionalen Ausstattung der Treppenhäuser. 48 BAUEN UND SANIEREN Die Ausmalungen der Wände in der Innengestaltung waren zuerst primär in Kirchen und Fürstenhäusern anzutreffen. Ab der Renaissance gehörten sie zunehmend auch zur Ausstattung der bürgerlichen Bauten. Mit den einzelnen Baustilen veränderten sich die Motive und die Techniken der Ausmalung. Im Klassizismus kamen erstmalig auch mit der Hand gemalte Papiertapeten auf. In den mehrstöckigen Mietshäusern war Wandmalerei im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts beliebt geworden und wurde zur Besonderheit und einem oft vertretenen Instrument in der Lviver Architektur. Bemalt wurden die Wände, die Decken in den Treppenhäusern, die Flächen unter Treppenläufen und Podesten oder die Decken in Wohnungen. In den historistischen Ausmalungen fanden vor allem Darstellungen der Volksgeschichte ihren Ausdruck. Meist wurde ein Hell-Dunkel Kontrast eingesetzt, um eine dreidimensionale Illusion zu erzeugen. In einem großen Anteil wurden die Farbtöne von Altgold, Kupfer, Bronze sowie Purpur eingesetzt. Im Jugendstil kommen sowohl die symmetrischen, als auch die asymmetrischen, in Naturfarben ausgeführten Kompositionen vor. Dargestellt werden die für den Jugendstil typischen floralen Elemente (Mohn, Lilie, Gänseblume, Magnolie, Aster) und romantisch gedeutete weibliche Figuren mit landschaftlichem Hintergrund. Für die Decken wird oft das Motiv eines Sommerhimmels mit Wolken, Vögeln und Schmetterlingen gewählt. Die Zeit des Sozialistischen Realismus hat keine Innovationen hervorgebracht. Mosaiken oder Wandmalereien waren meist politisch und in öffentlichen Gebäuden platziert. STUCKELEMENTE Unter Stuck versteht man die plastischen Mörtelausformungen auf Decken und Wänden. Im Allgemeinen wird zwischen einer Quadratur und einem ornamentalen Schmuck unterschieden, welches das Spektrum von Flora, Fauna und des Menschen umfasst. In den Mietshäusern begrenzte sich die Verwendung von Stuck nicht nur auf die Innenraumgestaltung. Sie trat häufig auch in den gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, wie z.B. in den Treppenhäusern, auf. Motive, welche im Treppengeländer oder in den Fassadenelementen dargestellt werden, finden sich oft im Stuck wieder. 2.6 _ TREPPENHÄUSER ERHALT UND SANIERUNG Treppenhäuser haben sich von den einst repräsentativsten Orten eines Hauses zu Orten gewandelt, die man am liebsten meiden möchte. Muffiger Geruch bezeugt den Zustand des Mauerwerkes sowie des vermoderten Holzes. Ansammlungen von Müll, fehlende Beleuchtung, abgelaufene Stufen, zerstörte Fliesen und fehlende Geländerelemente sind leider nicht selten anzutreffende Erscheinungsbilder. Mit kleinen Maßnahmen und in Absprache mit Ihren Nachbarn können Sie viele Missstände selbst beheben, ohne auf fremde Hilfe zu warten. Dadurch erhöhen Sie Ihre eigene Sicherheit und tragen zum Erhalt Ihres Hauses bei! GUT SCHLECHT FEUCHTE SICHERHEIT UND REINIGUNG Herausforderungen _ Wie bei allen anderen gemeinschaftlich genutzten Nutzungseinheiten und Bauelementen (z.B. Dachraum, Haustür, etc.) mangelt es an klaren Zuständigkeiten und damit regelmäßiger Pflege und Instandsetzung. Häufig fehlt eine ausreichende Beleuchtung. Defekte Elektroinstallationen sowie das Abstellen von brennbaren Gegenständen im Treppenhaus verursachen eine hohe Brandgefährdung. Ebenso stellen fehlende Handläufe und morsche Stufen eine Beeinträchtigung der Sicherheit dar. Empfehlungen _ Bereits einfache Maßnahmen steigern die Sicherheit und das Wohlbefinden im Treppenhaus. Dazu zählen u.a. der Austausch defekter Glühlampen, die regelmäßige Pflege und Reinigung von Fluren sowie das Entrümpeln von Treppenabsätzen. Achten Sie darauf, dass die Haustüren geschlossen gehalten werden, damit unbefugten Personen der Zugang ins Treppenhaus erschwert wird. Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn und organisieren Sie nötige dringende bzw. regelmäßige Arbeiten gemeinsam. Das ist auch ein Anlass, um darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Gebäudesanierung zu besprechen. Die Treppenhauspflege und -sanierung ist nur dann effektiv, wenn alle Schadensursachen behoben werden hier hat zuerst die Dachabdichtung die höchste Priorität. Beim Betreten vieler Häuser sind Angst und Geruchsbelästigung die ersten Wahrnehmungen. Müllentfernung sowie Erneuerung der Beleuchtung sind einfache Schritte auf dem Weg zu erhöhter Sicherheit. KONSTRUKTION Herausforderungen _ Die Holzteile des Treppenlaufes im Erdgeschoss sind durch mikroklimatische Bedingungen (hohe Luftfeuchte im Keller) sowie aufsteigende Feuchte stark belastet. Derart geschädigte Stufen, Wangen und Geländerteile gefährden die sichere Benutzbarkeit der Treppen. Empfehlungen _ Lose Geländer und Handläufe müssen wieder befestigt und gesichert werden, vor allem für Kinder und alte Menschen stellen sie eine große Gefahr dar. Arbeiten zur Instandsetzung defekter Treppenläufe und –wangen sollten durch geeignete Fachfirmen ausgeführt werden. Kaputte, morsche Stufen und fehlende Geländer stellen eine große Gefahr für Nutzer dar. Treppenanlagen können einfacher und kostengünstiger instandgesetzt werden, als gedacht. Hier ein Nachher-Bild der darüber liegenden Aufnahme. 49 2.6 _ TREPPENHÄUSER ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT DEKORATIVE DETAILS UND AUSSTATTUNG Die einstige Zierde des Treppenhauses ist nur noch anhand des Treppengeländers zu erahnen. An den Wänden erkennt man die fast vollständig verlorenen Wandmalereien. Heute ist dieses Treppenhaus ein Ort zu Meiden - verrostete Stufen, Lichmangel und Vandalismus sind einige Gründe dafür. Auch die Wohnungseingangstüren gehören zur dekorativen Ausstattung der Treppenhäuser. Zur Erhöhung der Sicherheit können auch in die originalen Türen Sicherheitsschlösser eingebaut werden. Ein Austausch und Veränderung der Proportionen von Türen sind in Häusern der architektonischen Schutzzone unzulässig. 50 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Bei der Ausführung von Arbeiten im Treppenhaus, z.B. nach der Verlegung von Installations- und Versorgungsleitungen, wird der Putz oft abgeschlagen bzw. der historische Putz mit Spritzputz, Buntsteinputz oder Lackfarbe überzogen. So gehen häufig wertvolle Ausmalungen und Stukkaturen verloren. Bleigläser in Fensterflügeln sowie im Oberlicht sind aufgrund ihrer Anfälligkeit mittlerweile leider fast verloren gegangen oder befinden sich in einem extrem schlechten Zustand. Als Folge dringen Feuchtigkeit und Wasser ins Gebäude ein und verschlechtern kontinuierlich den Zustand der Treppenhäuser. Deshalb sind auch die Spiegeldecken über den Treppen meist durch Feuchtigkeit beschädigt. Sonstige Wandmalereien in den Treppenhäusern befinden sich insgesamt in einem guten Zustand, obwohl die meisten noch nie saniert wurden. Leider werden sie sehr oft einfarbig übermalt, da der Erhalt zu aufwendig scheint. Einzelne Eigentümer tauschen die historischen Wohnungstüren willkürlich gegen neue, völlig anders gestaltete Türen aus. So geht der harmonische Gesamteindruck der Treppenräume verloren. Vandalismus und Diebstahl einzelner Elemente tragen zur weiteren Verwahrlosung bei. In den modernistischen Häusern fehlen teilweise die Wandverkleidungen. Nicht nur Messinggeländer, Klinken, Briefkästen u.a., sondern auch diese Verkleidungen sind ein begehrtes Diebstahlobjekt. Empfehlungen _ Defekte Fenster, Verglasungen sowie Dachdeckungen über dem Treppenhaus sind umgehend zu reparieren, damit ein effektiver Feuchteschutz sichergestellt ist. Ausmalungen im Innenbereich sind in Lviv in den öffentlichen Gebäuden und Wohnhäusern ab der Renaissancezeit nachgewiesen. Die Bemalungen wurden an Steinelementen, verputzten Wänden und Holzteilen angebracht. Tragen Sie den Putz von Ihren Wänden nicht ohne Voruntersuchung ab! Sichern und konservieren Sie die wertvollen Wandmalereien. Sie sind in ihrer detailierten Ausführung und handwerklichen Qualität heutzutage unbezahlbar und erhöhen somit den Wert Ihrer Wohnung und des Hauses. Erhalten Sie die noch vorhandenen Bleiglasfenster! Sprechen Sie mit einem Fachmann bevor Sie Arbeiten an diesen Fenstern ausführen wollen. VERBOTEN IST... yy der Austausch einzelner Elemente eines Treppenhauses (u.a. Geländer, Stufen, Brüstungen, Verzierungen, Beleuchtung, Säulen, Teppichbefestigungen) und des authentischen Fußbodens gegen minderwertige Kopien oder untypische Materialien. yy das Beschädigen, Entfernen oder Verdecken von Zierelementen, wie z.B. keramische Fliesen, Bleiglasfenster, Lichtdecken, Malereien und Stuck. yy das Austauschen historischer Wohnungseingangstüren. yy eine neue, historisch unbegründete Farbgebung oder Verkleidung des Treppenhauses oder seiner Teile. yy die Verwendung von Lackfarben an den Wänden. yy das Verputzen der Wände mit Strukturputzen. yy die Einrichtung von Gasanschlüssen, Stromverteilungskästen und sonstigen technischen Anlagen, wodurch dekorative Elemente beschädigt werden. VERSORGUNGSLEITUNGEN Herausforderungen _ Bei der Verlegung von Versorgungsleitungen, vor allem Gasleitungen, werden Schäden an historischen Gebäuden verursacht und Kulturerbe zerstört. Auch bei der Anbringung von Stromverteilern, Zählerschränken, Briefkastenanlagen u.a. werden historische Bauelemente oft ignoriert. Empfehlungen _ Weisen Sie die öffentlichen Versorgungsunternehmen auf deren Verantwortung und Pflicht zum Erhalt der Bausubstanz hin. Melden Sie entsprechende Fälle den zuständigen Unternehmen, der Stadtverwaltung sowie dem Denkmalamt! Es ist Ihr Haus, welches durch unfachgerechte Maßnahmen an Wert verliert. Bei einer geplanten Instandsetzung der Treppenräume sollten die Leitungen, Klingelanlagen, Beleuchtung und sonstige technische Anlagen überprüft und erneuert werden. Stillgelegte Leitungen sollten entfernt und die Verwendeten gebündelt und in unter Putz geführten Leerrohren verlegt werden. Elektroverteiler, Anschlussleitungen sowie Zähler sollten in abgeschlossenen Kästen an ausgewiesenen, nicht störenden und nicht sichtbaren Stellen installiert werden. Die Planung der Installationen muss durch fachkundige Ingenieure erfolgen. Die Ausführung hat durch zugelassene Fachfirmen zu erfolgen. Bei Sanierungsarbeiten freigelegter Deckenspiegel im Eingangsbereich einer Schule, der fachmmännisch restauriert wurde. Bei der Installation des Gasleitungsrohres blieb die Wandmalerei aus der Zeit des sozialistischen Realismus leider vollkommen unberücksichtigt. Jeder kennt das Kabelwirrwarr in vielen Treppenhäusern. Aus ästhetischen und sicherheitstechnischen Gründen sollten stillgelegte Kabel entfernt und die Restlichen in Leerrohren unter Putz verlegt werden. Nötigen Zugang bekommt man über abschließbare Kästen. BESSERES BILD, BZW. VERPUTZT.... 51 52 BAUEN UND SANIEREN 2.7 _ INNENHÖFE UND VORGÄRTEN Innenhöfe stellen in einer Stadt wichtige, halböffentliche Räume dar, welche ein hohes Freiraumpotential besitzen. In dicht bebauten Altstadtquartieren sind Innenhöfe oft die einzigen Freiräume, welche von den Stadtbewohnern zur Erholung genutzt werden können, ohne lange Wege zurücklegen zu müssen. Sie können zu wunderbaren grünen Oasen verwandelt werden, zu Spielplätzen, als Nachbarschaftstreff, zu Ruheorten, welche vom Stadtlärm kaum beeinträchtigt werden. Es gibt zwei Typen von interessanten Innenhöfen bei den dicht aneinandergebauten Lviver Wohnhäusern. Zum einen sind es Innenhöfe, die nur als Zugang zu den Seitenflügeln dienen, zum anderen solche, welche mehrere Häuser erschließen. Einige Höfe in Lviv dienen gleichzeitig als Durchgang, der zwei Straßen verbindet und oft als Einkaufspassage genutzt wird. LAUBENGANG BEGRÜNUNG PFLASTERFLÄCHE 53 2.7 _ INNENHÖFE UND VORGÄRTEN HISTORISCHE ENTWICKLUNG BIS ZUM 19. JAHRHUNDERT Historische Toreinfahrt mit nach historischem Vorbild erneuertem Hirnholzpflaster Eine gemütliche Innenhofsituation mit saniertem Fachwerkanbau und erneuerter Ziegelpflasterung Beispiel eines Gartenhauses vom Ende des 19. Jhds. mit gestalterisch hochwertigen eisernen Zaunfeldern Cour d`honneurs in der Bohomoltsia Straße vom Architekten Levinskyi (Quelle: Journal `Architekt`, September 1908, Krakow) Während des sozialistischen Regimes wurden viele Lviver Innenhöfe versiegelt. Falsche Entwässerung sowie beschädigte Wasserleitungen verursachen schwerwiegende Schäden an der Bausubstanz, Moosbewuchs weist eindeutig auf die hohe Feuchtigkeit hin. 54 BAUEN UND SANIEREN Die Innenhöfe wurden historisch gesehen zunächst zum Abstellen der Kutschen und zur Pflege der Pferde verwendet. Im Hof war dafür ein spezielles Gebäude vorgesehen, das man noch sowohl in den Höfen der mittelalterlichen Häuser (z.B. in der Armenischen Straße), als auch in den Mietshäusern vom Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts (z.B. in der Straße Hlibova, Stefanyka oder Rutkovytscha) findet. Ein solcher Anbau war oft mit thematischen Dekorationselementen verziert, einstöckig gebaut und mit einem breiten Einfahrtstor, dessen Seiten mit Begrenzern, sogenannten Ochsen aus Stein oder Gusseisen, ausgestattet waren. Archäologische Untersuchungen haben bewiesen, dass die mittelalterlichen Innenhöfe ursprünglich mit Holzbohlen gepflastert waren. Leider ist diese Art der Pflasterung bis heute nicht erhalten geblieben. Später wurden die Höfe mit Ziegel- oder Pflastersteinen belegt. 19.-20. JAHRHUNDERT Ende des 19. Jahrhunderts haben Architekten angefangen, mehrstöckige Häuser mit der Idee zu entwerfen, die Natur in die Stadt zu integrieren und sogenannte Gartenhäuser zu bauen. Die Häuser wurden ein Stück vom Bürgersteig nach hinten abgesetzt und vor der Fassade entstand somit Platz für einen Vorgarten, einen abgezäunten Bereich mit Rasen, Blumen und Sträuchern. Den Abschluss zum öffentlichen Straßenraum bildeten Einfriedungen aus Mauerwerkspfeilern, die mit Zierelementen des Jugendstils wie z. B. Verdachungen, Ornamenten, Girlanden und Putzspiegeln versehen worden sind. Im gleichen Stil wurden zwischen den Pfeilern architektonisch hochwertige, schmiedeeiserne Zaunfelder sowie Eingangstüren und –tore angeordnet. Durch das Eingangstor der Gartenhäuser gelangte man direkt in den Innenhofgarten. Ebenfalls aus dieser Zeit stammen einige „cour d’honneurs“ – durch Rücksprung der Gebäudekante entstandene, zur Straße hin offene Freiflächen, wie sie z.B. an der Pantelmona-Kulisha-Straße, der Bohomoltsia-Straße oder der Ivan-Franka-Straße zu finden sind. 20. JAHRHUNDERT In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Innenhöfe asphaltiert, betoniert oder mit Bodenplatten belegt, in den meisten Fällen schlicht versiegelt. Zurückbleibende Restgrünflächen präsentieren sich meistens als ein chaotischer Wildwuchs von spontanen Aufkömmlingen. Vertikale Begrünung kommt selten vor, meistens handelt es sich um Efeu oder Wilden Wein. 2.7 _ INNENHÖFE UND VORGÄRTEN ERHALT UND SANIERUNG Innenhöfe und Vorgärten haben ein großes Erholungspotenzial - nutzen Sie es für sich und Ihre Kinder, nicht für das Auto! Viele der folgenden Maßnahmen sind nicht teuer und können in gemeinsamer Arbeit selbst erledigt werden. Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn darüber! GESTALTUNG Herausforderungen _ Der allgemeine Zustand der Innenhöfe in Lviv ist in den meisten Fällen extrem unbefriedigend, sowohl auf den baulichen Zustand als auch auf die gestalterische Qualität bezogen. Häufig stellen sich die Innenhöfe als Unorte dar, für die sich niemand zuständig fühlt. Es gibt häufig weder Eigentümer, Hausverwalter, noch Eigentümergemeinschaften, die eine systematische Pflege organisieren oder Aufwertungsmaßnahmen in die Wege leiten würden. Ecken werden mit Gerümpel vollgestellt, Müll zurückgelassen und dadurch Ungeziefer angelockt. Über viele Jahre planlos aufgestellte kleine Nebengebäude tragen zu einem oft anzutreffenden negativen Erscheinungsbild bei. Aufgrund von beschädigten Entwässerungsleitungen sind die Höfe oft sehr feuchte, kalte Orte. Der versiegelte Bodenbelag mit nicht ausreichender oder falscher Entwässerung trägt außerdem zu Feuchteschäden am Mauerwerk bei und schränkt gleichzeitig die Möglichkeiten einer Hofgestaltung stark ein. Empfehlungen _ Zur Aufwertung des Hofes können als einfache Maßnahmen störende Objekte, Müll und Gerümpel entfernt werden. Versiegelter Bodenbelag sollte entfernt und durch eine fachgerechte Pflasterung, eine wassergebundene Wegedecke und Pflanzbeete ersetzt werden. Beim Anlegen von neuem Bodenbelag sollte stets auf ein von der Bebauung wegführendes Gefälle geachtet werden. Eine grundsätzliche Erneuerung der Trink- und Abwasserleitungen ist zum Erhalt der historischen Substanz sowie zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Altstadt dringend erforderlich. Die Verantwortung liegt bei den öffentlichen Versorgungsunternehmen – kontaktieren Sie sie, bevor Sie weitere Arbeiten in Ihrem Innenhof vornehmen. GUT SCHLECHT Innenhöfe sind wertvolle, halböffentliche Räume, oft noch mit erhaltenen historischen Elementen - bereits eine funktionierende Sitzbank und ein paar Blumentöpfe würden hier zum Verweilen einladen! Jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten - bereits Kleinigkeiten können die oft triste Situation aufwerten. Zahlreiche Innenhöfe in Lviv sind sehr eng und können nur eine Belüftungsfunktion erfüllen. Doch viele bergen auch ein großes Potential, das ausgeschöpft werden sollte! Beide untere Abbildungen zeigen beispielhaft umgestaltete Innenhöfe - es sind Räume entstanden, die abseits vom städtischen Lärm ein Stück privaten Himmels über dem Kopf anbieten. 55 2.7 _ INNENHÖFE UND VORGÄRTEN ERHALT UND SANIERUNG GUT SCHLECHT NUTZUNG Innenhöfe sind Räume zum Leben, nicht zum Parken Innenhöfe sind gemeinschaftliche Orte. Es liegt ausschließlich in der Hand der Bewohner, ob diese zu Lagerstellen ungebrauchter Gegenstände oder zu beliebten Treffpunkten für die Freizeit werden. Ansammlungen von Müll ziehen Ungeziefer an und verhindern einen notwendigen Luftaustausch. Dies führt oft zur gesundheitsschädlichen Schimmelbildung und starken Geruchsbelästigung. 56 BAUEN UND SANIEREN Herausforderungen _ Man findet kaum begrünte Innenhöfe mit Sitzgelegenheiten, welche zum Verweilen und zu Gesprächen unter Nachbarn einladen würden, an kinderfreundlichen Bereichen mangelt es ebenfalls. Die Nutzung dieser kleinen halböffentlichen Freiräume als Parkplätze mindert nicht nur die Lebensqualität in den ohnehin schon engen Höfen - die Bodenbeläge werden zusätzlich durch das Befahren zerstört und mit Öl und anderen Substanzen kontaminiert. Eigentümer von Cafés und Restaurants bauen oft die Be- und Entlüftungssysteme in die Innenhöfe ein, welche die Hoffassaden verunstalten und vor allem Lärm- und Geruchsbelästigung verursachen. Empfehlungen _ Eine sinnvolle Ausstattung mit Freisitzmöbeln sowie Spielflächen für Kinder erzeugt eine hohe Aufenthaltsqualität. Eine passende Begrünung stellt nicht nur Bezug zur Natur her, sondern erfreut das Auge und verbessert durch das Auffangen von Staubpartikeln sowie durch die Sauerstoffproduktion ein Kleinklima im Wohnumfeld. Doch so wie alle technischen Anlagen eine regelmäßige Pflege benötigen, so müssen auch die vorhandenen Grünanlagen gepflegt werden. Mit den einfachsten Mitteln haben die Anwohner diesen Innenhof zu einem wahren Gemeinschaftsort verwandelt. Die Ausstattung mit Sitzbänken, Bildern an den Hauswänden und die Verwendung von Kletterpflanzen tragen dazu bei, dass sich hier jeder gern aufhält. In der angenehmen Umgebung werden alle Themen zur Instandhaltung des Hauses regelmäßig besprochen. VERBOTEN IST... yy die Bebauung der Innenhöfe oder ihrer Teile. Hierzu zählt u.a. der Bau von Garagen, Wirtschaftsräumen oder beliebiger Zäune. yy eine Umnutzung des Innenhofes zum Parkplatz. yy die Zerstörung der Pflanzbeete, Fällung von Bäumen oder Sträuchern ohne gleichwertigen Ersatz. yy die Beschädigung, Zerstörung oder Entfernung authentischer Elemente der Kleinarchitektur, u.a. der Beleuchtung, Skulpturen, Fontänen, Gartenhäuser, Zäune, Pflaster, etc. yy eine Versiegelung der Flächen. yy der Abbruch historischer Einfriedungen der Vorgärten. yy die Demontage von metallischen Ziergittern und Toren und der Ersatz durch ungeeignete, architektonisch wertlose Baustoffe. EINFRIEDUNGEN UND VORGÄRTEN Herausforderungen _ Schmiedeeiserne Zaunsfelder erhielten meist keinen erforderlichen Anstrich und sind daher häufig durch Korrosion geschädigt. Deshalb sind vor allem die Befestigungen an den Pfeilern zerstört und die Gitter können häufig einfach demontiert werden. Sie werden durch Betonelemente, Kunststoff- oder Asbestplatten ersetzt. Die Mauerwerkspfeiler und –sockel der Einfriedungen zeigen häufig Schäden durch starke Beanspruchung aufgrund aufsteigender Feuchte und Frost – Tauwechsel, die bis zum Verlust der Standsicherheit führen können. Die entstehenden Putzschäden wurden meist nicht beseitigt bzw. durch ungeeignete Zementputze ersetzt. Oftmals wurden die Einfriedungen komplett abgebrochen und die Grünfläche stellt einen völlig verwahrlosten Bereich dar. Empfehlungen _ Die Anstriche von Zaunfeldern und Türen sind in regelmäßiger Zeit zu kontrollieren und zu erneuern. Risse im Putz der Mauerwerkspfeiler der Einfriedungen sind umgehend zu beheben, damit keine Feuchtigkeit eindringen kann. Defekte und nicht mehr standsichere Einfriedungen sind exakt nach historischem Vorbild und mit den noch vorhandenen Zaunelementen zu erneuern. Die Planung und Ausführung sollte durch qualifizierte Fachleute erfolgen und mit dem zuständigen Denkmalpflegeamt abgestimmt werden. Besonderes Augenmerk muss auf die ausreichende frostfreie Gründung der Fundamente der Einfriedungen sowie den Feuchtigkeitsschutz gelegt werden. Die Vorgärten sollten mit ortstypischen Sträuchern und Blumen begrünt werden, damit die ursprüngliche Qualität dieser Quartiere wieder hergestellt wird. Gepflegte Vorgärten tragen zur effektiven Wohnumfeldverbesserung bedeutend bei. Leider sind gegenwärtig viele Vorgärten samt der Einfriedung in einem schlechten Zustand. Durch eine durchdachte Pflanzenverwendung kann eine ganzjährige Wirkung erreicht werden - während die Sommerflora eine Blütenpracht bietet, sind es Gräser und immergrüne Gehölze, die durch ihre Struktur auch in den Wintermonaten prächtige Effekte zaubern. Es ist vor allem dem Engagement der Lviver Bewohner zu verdanken, dass viele farbenfrohe Vorgärten das Auge erfreuen. 57 58 BAUEN UND SANIEREN 2.8 _ SCHAUFENSTER UND WERBUNG Die Lebendigkeit unserer europäischen Innenstädte entsteht durch die intensive Mischung unterschiedlicher Nutzungen wie Wohnen, Büros, Läden, Restaurants, Cafés, etc. Am stärksten bildet sich dieser Nutzungsmix in der Zone der Erdgeschosse ab, wo Geschäfte und Restaurants um die Gunst der Vorbeilaufenden werben. Schaufenster mit den dazugehörigen Werbeschildern und Reklamen müssen zwei wesentliche Funktionen erfüllen - zum Einen Waren und Leistungen der Geschäftsinhaber verkaufsfördernd präsentieren und zum Anderen mit ihrer Gestaltung zur positiven Wahrnehmung des öffentlichen Raums beitragen. Das ist eine hohe gestalterische Herausforderung, die leider in den letzten Jahren in Lviv nicht immer erfüllt wurde. Nach dem Motto: je größer, lauter, bunter, greller, umso besser, stören viele Erdgeschosszonen die Wahrnehmung des öffentlichen Raumes und zerstören die allgemeine harmonische Fassadengliederung und Farbgebung des gesamten Gebäudes. Es wird oft vergessen, dass eine gut gestaltete Fassade mit maßvollen, ansprechenden Schildern eine größere Anziehungskraft besitzt und für qualitätsvolle Ware spricht, als ein überdimensioniertes, mit allen Farben spielendes Erscheinungsbild. FEST VERGLASTES SCHAUFENSTER KRONSTEIN SOCKEL PLATZ FÜR SCHILDER GIEBEL ÜBER DER TÜR GESIMS 59 2.8 _ SCHAUFENSTER HISTORISCHE ENTWICKLUNG BIS ZUM 19. JAHRHUNDERT Schaufenster aus der Zeit des Historismus In Wohnhäusern gab es zunächst keine Läden oder Verkaufsmöglichkeiten. Kaufleute arbeiteten meist als Großhändler, sie besaßen Lagerhäuser und überließen den Einzelhandel den fahrenden Krämern mit ihren mobilen Marktständen. Den Anfang für feste und unabhängige Verkaufsmöglichkeiten machten die Handwerksinnungen und Zünfte in den Erdgeschossen ihrer eigenen Zunftsgebäude. Meistens wurde die Werkstatt um ein Ladengeschäft ergänzt. Es handelte sich um zur Straße hin offene Räume, die nach Ladenschluss mit am Mauerwerk verankerten und mehrteilig gefügten Brettern geschlossen wurden: den sogenannten Läden. Die ersten Schaufenster besaßen, wie die Fenster der Obergeschosse, vertikale Formate und waren axial an diesen Fenstern ausgerichtet. 19. JAHRHUNDERT Zeichnung eines Jugendstilschaufensters Erst ab dem 19. Jahrhundert wurden Schaufenster, wie wir sie heute kennen, gebaut. Die Händler wollten ihren Kunden mehr Ware präsentieren und umfangreicher ausstellen. Ihnen kamen dabei bautechnische Neuerungen entgegen. Mittlerweile war man in der Lage, auch größere Mauerwerksöffnungen problemlos zu überspannen und entsprechend große Gläser herstellen zu können. Allerdings waren bei der um 1900 gewählten Lösung die großflächigen Glasscheiben oft nicht in das Mauerwerk montiert, sondern von massiven Holzrahmen eingefasst, die aus der Fassadenebene um einige Zentimeter herausstanden. 20. JAHRHUNDERT Ladengestaltung vom Anfang des 20. Jahrhunderts Nachträglich eingebautes Schaufenster aus Stahl aus der Zeit des Sozialismus 60 BAUEN UND SANIEREN Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten Gebäude, bei denen auch eine Geschäftsnutzung vorgesehen war, verfügten im Erdgeschoss über große Fensterflächen. Die historischen Schaufenster setzten sich aus mehreren einzeln gerahmten Scheiben zusammen und besaßen eine Gliederung und Gestaltung, welche auf das Gesamterscheinungsbild der Gebäude abgestimmt war. Die Läden waren in ihrer Gesamtheit manchmal wahre Kunstwerke, einige Apotheken oder Konditoreien können noch heute in der Lviver Altstadt bewundert werden. In den 1960er und 1970er Jahren des 20.Jahrhunderts wurden großformatige Schaufenster in Erdgeschosse gebaut, welche für eine Ladennutzung nicht vorgesehen waren. Dabei ist nicht selten die komplette Fassade sowohl bezüglich der Gliederung als auch des Dekors verloren gegangen. Vielerorts ist sogar das gesamte Mauerwerk durch Stahlbetonkonstruktionen ersetzt worden. Diese mit den historischen Fassaden unverträglich großen Öffnungen veränderten das Stadtbild erheblich. 2.8 _ WERBESCHILDER UND REKLAME HISTORISCHE ENTWICKLUNG BIS ZUM ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS Werbeschilder gehören seit dem Mittelalter zur städtischen Ausstattung. Den Eingang in eine Kneipe hat man beispielsweise mit einem Löwenkopf, oftmals mit Weintrauben im Maul, gekennzeichnet. Über dem Haus, wo man Bier ausschenkte, hing üblicherweise ein Stroh- oder Heubüschel. Werkstätten und Läden wurden meistens mit Schildern aus Metall gekennzeichnet. Sie bildeten z.B. einen Löwen mit Schlüssel (Zeichen der Schlosser), ein Pferd (Schmiedewerkstatt) oder einen Säbel (Waffenwerkstatt) im Schild ab. Die wahren Meister der Werbung waren die Apotheker. Um Kunden anzulocken, haben sie in den Läden der Drogerien ausgestopfte Krokodile und andere exotische Tiere oder riesige Glasgefäße mit bunten Flüssigkeiten ausgestellt. Ansonsten war Werbung ursprünglich ziemlich schlicht gehalten. Kaufleute und Handwerker haben meistens ihre Waren verbal angepriesen. Sie haben sich dabei nicht nur auf ihre Stimme verlassen, sondern auch auf die Qualität der Waren. Deshalb übernahm im mittelalterlichen Lviv im wahrsten Sinne des Wortes „der Ruf des Meisters“ bzw. der Name des jeweiligen Handwerkers auf den Waren selbst die Rolle der Werbung. 20. JAHRHUNDERT Mit Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt die Werbung in Lviv eine neue Form. Listen von Waren oder Bilder wie Zuckerhut, Ölfässer usw. wurden direkt auf die Wände gemalt. Heutzutage treten auf manchen Häusern solche Werbeaufschriften auf Ukrainisch, Polnisch, Hebräisch u.a. hinter später aufgetragenen Farbschichten hervor. Für schlichte Schilder bzw. Warentafeln haben damalige Architekten in ihren Entwürfen spezielle Einbuchtungen an den Fassaden vorgesehen. Vor dem ersten Weltkrieg verwandelte sich Werbung in eine Sonderindustrie. Der König der Werbung in Lviv war Y.-A. Bachewski, Hersteller von Likören und Schnaps. Beim Ost-Handel im Stryiskyi Park baute er einen riesigen 20 Meter hohen Turm, der aus einer großen Menge von mit bunten Getränken gefüllten Flaschen bestand, was große Begeisterung hervorrief. In dieser Zeit fing man auch damit an, Werbung auf Brandmauern (blinde Seitenmauern) aufzutragen. Auch noch heute kann man Werbungen von bekannten Firmen, wie z.B. von Mercedes oder von Phillips sehen. Die Weiterentwicklung der Werbung in Lviv wurde während der sowjetischen Ära unterbrochen, Werbung wurde nutzlos. Nach der Rückkehr zur Marktwirtschaft kehrte auch die Werbung in ihrer mittlerweile an globale Trends angepassten Ausprägung zurück. Die Zwangspause der Werbetradition hinterlässt jedoch ihre Spuren im alltäglichen Straßenbild. Heutige Werbungen in Lviv sind meistens standardisierte Globalproduktionen, welche die Besonderheit der Stadt kaum berücksichtigen. Bereits seit dem Mittelalter werden Schilder hergestellt, welche auch ohne schriftliche Erläuterung Hinweise auf die Dienstleistungsart geben. Eine originelle Werbekampagne der Vorkriegszeit - seit dieser Zeit gilt die Werbebranche als eine Sonderindustrie. Beispiel einer mehrsprachigen Werbung an der Fassade eines Lebensmittelladens. In der sowietischen Zeit wurde auf Werbung verzichtet, an den Läden wurden oft nur Piktogramme zur Darstellung der Ladenfunktion verwendet. 61 2.8 _ SCHAUFENSTER GUT SCHLECHT ERHALT UND SANIERUNG In Lviv gibt es noch sehr viele gut erhaltene und wertvolle Schaufensteranlagen. Doch um ihr gestalterisches Potenzial für die Verkaufsflächen der Innenstadt völlig auszuschöpfen, bedarf es fachgerechter Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen. Neben den hier erwähnten, spezifischen Themen, beachten Sie bitte auch die für historische Fenster in Kapitel 2.4 beschriebenen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten. Grundsätzlich gilt: eine regelmäßige Kontrolle und ggf. notwendige Teilreparatur von kaputten Bauteilen ist immer billiger, als die Behebung eines großen Folgeschadens oder ein Neubau. SCHAUFENSTER Ein wunderschöner und gut erhaltener Ladeneingangsbereich, der leider mit zu viel Werbung verunstaltet wurde. Ein dezent gestaltetes Schaufenster die ausgestellte Ware macht weitere Werbung überflüssig. Hier werden beispielhaft die Schaufenster einer alten Apotheke saniert. > < Aggressive Werbung sowohl in der Menge als auch in der Farbauswahl 62 BAUEN UND SANIEREN Herausforderung _ Der Wert der historischen Schaufensteranlagen wird oft nicht erkannt, die Ästhetik für altmodisch gehalten. Vernachlässigung der Instandhaltung sowie unfachgerechte Umbauten und Ergänzungen führen zum Verschwinden von wertvollen baulichen Details. Im schlimmsten Fall hegen neue Inhaber innerstädtischer Ladenflächen auch den Wunsch, ein komplett neues bauliches Image zu schaffen, was einen vollständigen, unwiderbringlichen Verlust der historischen Bausubstanz zur Konsequenz haben kann. Auch der wertmindernde Einbau von Fensterprofilen aus Kunststoff nimmt in den letzten Jahren leider stark zu. Empfehlungen _ Historische Schaufenster haben einen heute kaum bezahlbaren Wert. Sie werten den Laden ungemein auf, weisen auf etwas Besonderes hin und sprechen für einen guten Geschmack sowie qualitätsvolle Ware. Nutzen Sie diese Ausstrahlung der historischen Substanz zu Ihren Gunsten! Schaufenster sind in der Regel Konstruktionen aus Holz und sie bedürfen der gleichen Pflege und Instandsetzungsmaßnahmen wie auch gewöhnliche Fenster (s. Kapitel 2.4). Im Zuge von Umbaumaßnahmen an vorhandenen Ladenfassaden sollten falsche Ausführungen aus dem 20.Jahrhundert oder gestalterische Missstände korrigiert werden. Ziel ist eine Neugestaltung entsprechend der überlieferten Proportionen, Materialität und Farbigkeit. Dazu ist der ursprüngliche Zustand mit Hilfe alter Fotos, Schriftstücke, Bauzeichnungen oder anderer Untersuchungen zu ermitteln. 2.8 _ ERDGESCHOSSZONE ERHALT UND SANIERUNG Vitalität der Innerstädte hängt unter Anderem von der Verfügbarkeit der Produkte ab, die für Bewohner wichtig oder wünschenswert sind. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, müssen Ladeneinheiten oft auch in den Erdgeschossen historischer Gebäude neu angelegt werden, welche vom Erbauer nicht zur Geschäftsnutzung vorgesehen waren. Die Planung neuer Läden mit Schaufenstern ist im historischen Kontext in der Tat eine besondere Herausforderung, doch es kommt zunehmend zu Missständen, die mit mehr Aufmerksamkeit gegenüber dem historischen Kontext leicht hätten vermieden werden könnten. Wie bei allen Kapiteln gelten die folgenden Empfehlungen zur Orientierung, um ein genehmigungsfähiges Projekt bei der zuständigen Behörde einreichen zu können und Ihnen somit Zeit und Geld zu ersparen. Alle Baumaßnahmen dürfen nur mit entsprechender Zustimmung durchgeführt werden! UMBAU ZU LADENNUTZUNG Herausforderung _ Neue Öffnungen werden unverhältnismäßig groß gebaut und es kommt zum Einsatz von Materialien, die für eine historische, UNESCO geschützte Altstadt (z.B. PVC-Fenster) unpassend sind. Zusätzlich werden Fassaden im Erdgeschossbereich in historisch unbegründeten, grellen Farben gestrichen, welche keine Rücksicht auf die restliche Farbgebung der Fassade nehmen und den Gesamteindruck eines Straßenzuges immens stören. Und nicht zuletzt – um Kellerräume oder erhöhte Erdgeschosse zu erschließen, werden Stufenanlagen tief in die Gehwege hineingebaut, welche oft eine große Sturzgefahr für die Fußgänger darstellen. Empfehlungen _ Bei der Neuanlage einer Ladeneinheit mit Schaufenstern muss darauf geachtet werden, dass ein ganzheitlicher Charakter der historischen Fassade erhalten bleibt. Die Ladenfassade darf keine historisch wertvollen Elemente zerstören und muss sich farblich in das Gesamtbild der Fassade einfügen. Die Schaufensterformate müssen mit den Proportionen der übrigen Öffnungen harmonieren. Der Gebäudesockel darf nicht vollständig aufgelöst werden. Neu angelegte Eingänge dürfen Kellerlichtschächte oder Kellerzugänge nicht überbauen. Es darf höchstens eine Stufe in den Bürgersteig hineingebaut werden, um eine ausreichende Breite auch für Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer zu gewährleisten und Stolpergefahr zu vermeiden. Weniger ist oft mehr - die Umnutzung einer Erdgeschosswohnung zum Laden kann auch mit sehr einfachen Mitteln erfolgen. Dieses Beispiel fügt sich harmonisch in die historische Umgebung ein. Eine Überfrachtung von visuellen Eindrücken durch billige und bunte Schilder wirkt sich als zusätzlicher Stressfaktor eher negativ auf Passanten aus. Ein neu entstandenes Geschäft, das in seiner Gestaltung keine Rücksicht auf das historische Gebäude nimmt. > < Ein geschmackvoll eingerichtetes Schaufenster - die Ware spricht für sich, es sind keine zusätzlichen Aufschriften nötig. 63 2.8 _ WERBESCHILDER GUT SCHLECHT ERHALT UND SANIERUNG Werbeschilder lassen sich in zwei Kategorien einordnen: parallel zur Fassade angebracht oder als auskragendes Schild (Ausleger). Die Schilder gehören selbstverständlich zu einer Stadt, denn sie sind ein Beweis für ihre wirtschaftliche Aktivität, heute mehr denn je. Allerdings bringt die fortschreitende Aggressivität von Werbung Nachteile für die allgemeine Wahrnehmung der Stadt und ihrer architektonisch wertvollen Bestandteile mit sich. Denn immer noch gilt: Die Stadt ist ein Ort des Wohnens, Arbeitens und Handelns – Letzteres darf aber nicht zum alleinigen Merkmal der Innenstadt werden. Werbung, die sich in den Vordergrund drängt, oder gar andere wichtige Funktionen (wie Verkehrsleiteinrichtungen) verdrängt, ist keinesfalls angemessen für die historische Innenstadt von Lviv und führt zum erheblichen Attraktivitätsverlust. WERBESCHILDER UND REKLAME Eine geschmackvolle Schilder- oder Werbegestaltung deutet schon an sich auf qualitätsvolle Ware hin. Beide Abbildungen zeigen Ladenschilder mit herausragender Qualität. Die künstlerische Ausführung sowie das verwendete Material fügen sich gut in die historische Umgebung ein. 64 BAUEN UND SANIEREN Herausforderung _ Werbeschilder und Reklamen aller Art konkurrieren um Aufmerksamkeit möglicher Kunden. Als Folge werden Werbeschilder und deren Träger ungerechtfertigt vergrößert und stören den Gesamteindruck einer Fassade. Überdimensionierte und konstruktiv massive Schilder überdecken oder zerstören gar die Architekturelemente eines Hauses (z.B. Skulpturen, dekorative Gesimse, Pilaster, Konsolen, Rustika, dekorative Elemente auf den Balkonen, Erker, Fensterbedachung, Türportale usw.). An Durchfahrten und Eingängen zu Hinterhöfen gibt es häufig eine ungeordnete Ansammlung von Schildern, die auf Firmen in den Hinterhäusern verweisen. Viele Schilder zeigen eine lediglich mangelhafte Gestaltung, die häufig nicht auf die Architektur des Hauses abgestimmt ist. Stil, Material, Farbigkeit, Größe, etc. konkurrieren mit der Gestaltung des Hauses. Leider lassen sich außerdem noch inhaltliche oder orthografische Fehler finden. Besonders negative Beispiele für die Anbringung von Werbeschildern sind Werbungen auf Dächern, die zur Zerstörung der städtischen Dachlandschaft führen und oft die Funktionalität des Daches beeinträchtigen. Großformatige Werbeflächen schränken die Verkehrssicherheit ein, da sie den Blick auf Verkehrszeichen versperren. Empfehlungen _ Beim Entwerfen und Herstellen von Werbeschildern müssen sich Architekten, Maler und Designer dessen bewusst sein, dass ihr Werk in einen spezifischen baulichen und städtischen Kontext eingebunden wird. Beim Entwerfen der Schilder sollte man einerseits architektonische, plastische und farbliche Besonderheiten einer konkreten Fassade in Betracht ziehen und andererseits kreative Lösungen zur Präsentation eines Ladens entwickeln. Repräsentativ und passend wirken Schilder aus natürlichen Materialien (z.B. Bronze , Messing, Keramik, Kobaltglas, edlem Holz, Stein, Kunst- oder Bleiglas) ausgeführt mit Techniken, die für die historische Umgebung charakteristisch und für Handwerke in Lviv typisch sind (Farbe auf Putz, Schmiedearbeiten, Kunstguss, Fräsen und Gravieren auf Metall, Glas, Bleiglas, etc.) oder Schilder aus einzelnen plastischen Buchstaben. Bei Häusern mit mehreren Eingängen und Unternehmen sollten Sammelwerbeträger zur Verwendung kommen, um eine Überfrachtung verschiedener Stile und Materialien zu vermeiden. VERBOTEN IST... yy bzgl. der Schaufenster jeglicher Eingriff, der bereits im Kapitel 2.4 „Fenster“ aufgeführt wird. yy der Einbau von Schaufenstern oberhalb eines Erdgeschosses (mit der Ausnahme historischer Kaufhäuser). yy die Beschädigung oder Verdeckung einer Fassade oder ihrer Elemente durch das Anbringen von Werbung oder Schildern. yy die Behinderung der Fußgänger (z.B. durch zu weit auskragende Schilder) oder des Verkehrs durch das Anbringen von Werbung oder Schildern. yy das Anbringen oder der Anbau von historisch nicht begründeten Markisen oder Vordächern. BELEUCHTUNG Herausforderungen _ Werbeanlagen und Reklamen sollen ebenso in der Dunkelheit die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich ziehen. Auch hier entsteht ein Wettbewerb um die Sichtbarkeit, welcher einer zurückhaltenden Gestaltung historischer Gebäude nicht zuträglich ist. So finden sich Leuchtkästen mit äußerer polychromer Beleuchtung, mit Neonlicht, Laufschriften, oder auch Schilder mit intensiven Lichtwellen- und opto-elektronischen Effekten (z.B. Laser). Empfehlungen _ Für die Beleuchtung der Schilder am Abend eignet sich milde monochrome Außenbeleuchtung. Die Lichtquelle sollte unter dem Schild angebracht sein, um nur einzelne Buchstaben oder Logos beleuchten zu können. GENEHMIGUNGSGRUNDLAGE Für Webeschilder und Reklamen ist im Detail den folgenden Gesetzen zu entnehmen: yy Beschluss Nr. 692 vom 22. 07. 2011 Genehmigung der Installation von Schildern in Lviv yy Beschluss Nr. 569 vom 21. 05. 2010 Genehmigung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Außenwerbung in Lviv Historische Straßenbeleuchtung - solche Elemente sind prägend für eine Stadt und sollten unbedingt erhalten werden! Sind in einem Haus mehrere Firmen angesiedelt, sollten die Schilder in einheitlichem Stil ausgeführt werden. Eine Ansammlung unterschiedlicher Formate und Farben ist zu vermeiden. Großformatige Werbungen sind in der Innenstadt verboten - sowohl in der Erdgeschosszone als auch auf dem Dach. 65 GLOSSAR ALABASTER Sehr häufig vorkommende, mikrokristalline Varietät von Gipsspat bzw. Calcit; optische Ähnlichkeit mit Marmor; Farben differieren je nach Förderstelle zwischen weiß, hellgelb, rötlich, braun oder grau AKANTHUSBLÄT TER Das distelartige Akanthus-Blatt bzw. der Blätterkelch des Acanthus spinosus ist als stilisiertes Ornament ein bekanntes Architekturmotiv, das häufig zur Verzierung von Säulen, Decken und anderen Gebäudeteilen verwendet wird. ART-DECO Auch als Dekorationsstil bezeichnete Stilrichtung des ersten Drittels des 20.Jhds. ASBEST Wird im Bauwesen meist als Armierungsfaser für Asbestzement verwendet; ist hochgradig gesundheitsschädigend und krebserregend; Einsatz von Asbest ist deshalb z.B. in der EU verboten. ATLANT Skulptur einer männlichen Figur mit tragender Funktion in der Architektur; ersetzt in der Architektur Säulen oder Pfeiler bei Portalen und in der Fassadengliederung (siehe auch Karyatide) AT TIKA Bezeichnet in der Architektur ein über dem Kranzgesims befindliches Halbgeschoss bzw. eine Abschlusswand zur Verdeckung des Daches BAROCK Europäische Stilrichtung der Architektur zwischen ca. 1580 und 1770, die durch eine reiche und opulente Formensprache gekennzeichnet ist BALUSTER Niedrige, meist runde Einzelsäule einer Balustrade BALUSTRADE Individuell gestaltete niedrige Säulenreihe, die als Brüstung oder Geländer an Treppen, Terrassen und Balkonen dient BASIS, SÄULENBASIS Sockel, Fuß oder auch (optisches) Fundament einer Säule oder eines Holzpfostens, einer Schlagleiste in Säulenform BEFUND, BEFUNDUNTERSUCHUNG Herausarbeitung und Dokumentation des ursprünglichen Zustands eines Bauteils bzw. ganzen Gebäudes BLEIGLAS, BLEIVERGLASUNG Zusammenfügung von einzelnen - manchmal auch bemalten oder eingefärbten - Gläsern mittels verlöteter Bleistege. Früher verwendet in Ermangelung der Herstellungsmöglichkeit größerer Scheiben, solche Verglasungen dienen in späteren Jahrhunderten nur noch der Verzierung. BOSSE Bezeichnet im Bauwesen das überstehende Material eines Natursteines oder einer profilierten Putzfläche innerhalb einer Mauer BOSSIERUNG Rohe, unbearbeitete Ansichtsflächen von Steinmauerwerk oder deren bewusste Grobbearbeitung, z.B. Bossenquader; meist im Sockel- und Erdgeschossbereich vorzufinden BRANDLAST Bezeichnet die Energie, die bei der Verbrennung eines Gegenstandes frei wird und damit bei Schutzmaßnahmen für einen möglichen Gebäudebrand zu berücksichtigen ist. BRANDMAUER Begrenzung von Brandabschnitten; bei fehlenden Gebäuden in einer Blockrandbebauung sind die Brandmauern der Nachbargebäude fensterlose Giebelwände BRÜNIERT (BRÜNIERTES METALLBLECH) Historischer Rostschutz durch Tauchen von Metall in heißes Öl bzw. Auftragen von Öl auf heißes Metall BRÜSTUNG Absturzsicherung an Brücken, Emporen, Terrassen, Balkonen usw. Im Gegensatz zu Geländer bzw. Balustrade handelt es sich um eine geschlossene, in der Regel massiv ausgeführte Wandscheibe. BRÜSTUNGSSPIEGEL Putzfläche unterhalb von Fenstern, entweder zurückgesetzt oder erhaben BUNTSTEINPUTZ Lösemittelfreie Beschichtung auf Dispersionsbasis mit eingefärbten Quarzsanden. 66 ANHANG ANHANG GLOSSAR DACHKASTEN, AUCH GESIMSKASTEN Bauteil an einem Hausdach, das auftretende Lücken zwischen der Unterseite der Sparren, dem Dachüberstand und der Außenwand eines Gebäudes schließt. DACHRINNE Sammelt das von der Dacheindeckung ablaufende Regenwasser an der Dachtraufe und leitet es an das Fallrohr weiter. DAMPFDURCHLÄSSIG Bezeichnung der Materialeigenschaft, dass von Außen kein Wasser eindringen kann, jedoch die Verdunstung von Feuchtigkeit von Innen möglich ist (z.B. bei Fassadenfarben, Unterspannbahnen im Dach) DECKENSPIEGEL Hier: bildliche Darstellungen, Ornamente, Muster oder Reliefs an Decken DIAMANTQUADER Wichtiges Zierelement aus der Renaissance, dem Barock und dem Historismus. Er beschreibt einen quadratischen oder rechteckigen Grundriss, wobei die Ansichtsseite wie eine Pyramide oder ein (Walm) Dach ausgebildet ist: wurde sowohl als Element im Wandputz, aber auch sehr oft bei Türfüllungen verwendet. DICHTHEIT Bezieht sich hier auf die Eigenschaften von Baumaterialien zur Durchlässigkeit von Wasserdampf DIFFUSIONSOFFEN (DIFFUSIONSOFFENE ANSTRICHE) Lassen keine Feuchtigkeit durch Regen in das Baumaterial eindringen, lassen jedoch den nötigen Feuchteausgleich nach Außen zu. Für Holzbauteile können sie auf der Basis von natürlichen Ölen (Leinöl), synthetischen Ölen oder auch wasserbasiert hergestellt sein. Eisenteile sollten vorher mit Rostschutz grundiert werden. DISPERSIONSFARBE Zähflüssige Anstriche, die aus einer chemischen Dispersion aus Binde- und Lösungsmitteln, Farbmitteln (meistens Pigmenten) und Zusatzstoffen bestehen. Dispersionsfarben sind nicht diffusionsoffen, d.h. sie lassen keine Verdunstung von Feuchte aus dem Bauteil zu. EINFACHVERGLASUNG Einschichtiges Glas ohne besondere Anforderungen an Wärme- oder Schallschutz in Fenstern, Türen, etc. EISENLACK Schwarzbraunes Anstrichmittel für Eisen, u.a. für Rostschutz FACET TIERT (FACET TIERTES KLARGLAS) Umlaufend an Gläser angeschliffene Verzierung in Form einer Schräge, einer Fase FALLROHR Senkrechte Rohre zur Ableitung des Regenwassers und des Hausschmutzwassers innerhalb und außerhalb von Gebäuden (siehe auch Dachrinne) FASSADENPASSPORT Dokument, in dem die denkmalgerechte Farbgebung einer Fassade sowie die erforderliche Ausführungstechnologie festgelegt sind FENSTERLAIBUNG Rechtwinklig zur Mauer eingeschnittene Umfassung eines Fensters oder eines Portals (siehe auch Gewände) FENSTERÜBERDACHUNG, AUCH FENSTERBEKRÖNUNG Ziergiebel oberhalb von Fenstern als Dekoration bzw. Ornament FRONTGIEBEL Umgangssprachliche Bezeichnung für verschiedene dekorative Giebel in einer Fassade im Bereich des Daches (z.B. Giebel über einem Portikus) FEUERWIDERSTANDSDAUER Mindestdauer in Minuten, während der ein Bauteil eine Temperaturbeanspruchung durch Feuer ohne Festigkeitsverlust aushält. FROST-TAU-WECHSEL Wechsel von Temperaturen um den Gefrierpunkt von Wasser; gefährlich v.a. bei porösen Bauteilen, wo Wasser häufig gefriert, sich ausdehnt und dabei Schäden verursacht FUNKTIONALISMUS Architektonische Stilrichtung, die ab ca. 1930 auftritt und bis heute in verschiedenen Ausprägungen vorkommt; im Vordergrund steht die Funktion des Gebäudes / Objekts, dem sich die Gestaltung unterordnet GAUBE Dachaufbau im geneigten Dach eines Gebäudes; dient zur Belichtung und Belüftung der Dachräume. 67 ANHANG GLOSSAR GEDRÜCKTES BLECH Zierteile oder auch ganze Friese und Fassadenteile, die mittels eines profilierten Gegenstücks (Druckstempel) aus einer Blechtafel hergestellt werden GESIMS, AUCH SIMS Allgemeine Bezeichnung für aus der Wand herausragende, meist horizontale Bauteile; dient der Fassadengliederung GEWÄNDE, FENSTERGEWÄNDE Seitliche, schräg in die Mauer eingeschnittene Umfassung eines Fensters oder eines Portals (siehe auch Fensterlaibung) GRAFFITO In eine Wand eingekratzte Inschrift bzw. in eine Marmorfliese eingeritzte, mehrfarbige ornamentale oder figurale Dekoration GIEBEL Obere Wandfläche eines Gebäudes im Bereich des Daches; auch Kurzform für Giebelwand GUSSEISEN Bestimmte Eisenlegierungen mit einem hohen Gehalt an Kohlenstoff; Herstellung von Bauteilen im Gießverfahren; Bauteile sind sehr druckfest, nicht korrosionsanfällig, jedoch kaum zugfest ISOLIERGLAS (THERMOPANGLAS) Aus zwei (bis neuerdings auch drei) Einzelscheiben zusammengesetztes Glaselement mit Luftzwischenraum; sehr gute Wärme- und Schallschutzeigenschaften; auch als Thermopanglas benannt nach einem amerikanischen Hersteller; Isolierglas lässt sich unter Umständen auch in vorhandene Holzfenster nachträglich einbauen; nachgebaute Holzfenster können von vornherein mit Isolierglas ausgestattet werden; fälschlicherweise wird heutzutage der Begriff „Thermopan“ mit Fenstern aus Kunststoff gleichgesetzt, es handelt sich dabei jedoch ausschließlich um die Bezeichnung des Glases und gibt keinen Hinweis auf das Material des Rahmens. JUGENDSTIL Auch Sezessionsstil genannt. Kunst-und Baustilepoche (ca. 1896-1914) HANDHABE Vertikaler oder horizontaler Stab zum Aufdrücken bzw. Aufziehen einer Tür; taucht vor allem ab Beginn des 20. Jhds. mit dem Jugendstil und der Klassischen Moderne auf HALBSTAB Zierelement aus Stein, Stuck, Putz oder Holz mit einem halbrunden Querschnitt HAUSSCHWAMM Gefährlichster aller holzzerstörenden Pilze, der auch andere Materialien befällt und deshalb auch die Statik von Gebäuden beeinträchtigen kann. Die Analyse und Bekämpfung darf nur von Spezialisten vorgenommen werden, da umfangreiche Maßnahmen zu treffen sind. HISTORISMUS Baustilepoche (ca. 1870 – 1918) mit dem stilistischen Rückgriff auf frühere Bauepochen wie Renaissance, Barock oder Klassizismus HORIZONTALSPERRE Im Mauerwerk eingebrachte, horizontal verlaufende Sperrschicht, die verhindert, dass Feuchtigkeit aus unteren Mauerwerksabschnitten über mikroskopisch kleine Poren im Mauerwerk kapillar aufsteigen und ins Gebäudeinnere transportiert werden kann; nachträgliche Einbringung ist durch verschiedene Verfahren möglich und durch eine Fachfirma vorzunehmen (siehe auch Vertikalsperre) KÄMPFER Stets horizontales Teilungselement innerhalb einer Tür- oder Fensterkonstruktion, üblich sind auf den Kämpfer aufgesetzte Profile KAPITELL Oberer, meist profilierter und plastisch ausgeformter Abschluss einer Säule oder einer hölzernen Verzierung (z.B. Schlagleiste) in Form einer stilisierten Säule KARYATIDE Skulptur einer weiblichen Figur mit tragender Funktion in der Architektur; ersetzt in der Architektur Säulen oder Pfeiler bei Portalen und in der Fassadengliederung (siehe auch Atlant) KASTENFENSTER Zwei Einfachfenster, die durch einen Holzkasten verbunden sind und ein Doppelfenster bilden KERAMIK Bezeichnet eine Gruppe anorganischer, nichtmetallischer Werkstoffe sowie ebenso die daraus hergestellten Produkte, wie z.B. verschiedene Baumaterialien 68 ANHANG ANHANG GLOSSAR KLASSIZISMUS Stilepoche, die sich der Zeit des Barocks anschließt, ca. 1770-1870; künstlerischer Gegensatz zum Barock mit hauptsächlichen Anleihen aus der griechischen Antike (Tempelbau) bzw. der italienischen Frührenaissance; nicht zu verwechseln mit dem Neoklassizismus (siehe unten) KLINKER (KLINKERFASSADE) Klinker sind Ziegel, die unter so hohen Temperaturen gebrannt sind, dass die Poren des Brenngutes geschlossen werden. Klinker nehmen kaum Wasser auf und sind sehr widerstandsfähig und frostbeständig. Da je nach Zuschlagsstoff verschiedenen Farbnuancen hergestellt werden können, eignen sich Klinker zur Gestaltung von Fassaden. KOBALTGLAS Durch Cobaltoxid gefärbte blaue Glasart, die im 16. Jhd. in Kirchenfenstern weite Verwendung fand; heute für Signalzwecke und als Zierglas verwendet KONSOLE Ein aus der Wand herausragender, tragender Vorsprung, auf den andere Bauteile, wie Gesimse, Bögen, Figuren, Säulen, Balkone oder Balken aufgesetzt sein können; in der Regel in Naturstein oder Mauerwerk ausgeführt; auch aus Holz, Eisen; zur Dekoration auch aus gebranntem Ton, Gips, etc. KUNSTGIESSEREI Spezialbetriebe zur Herstellung von Kunst- und Architekturteilen aus Metall (Eisen, Messing, Bronze, etc.) KUPFERBLECH Wegen langer Haltbarkeit beliebter Werkstoff, wird durch Walzen hergestellt; orangefarbiger Glanz geht durch Oxidation in mattes Anthrazitgrau über LEERROHR Starres oder flexibles Rohr aus Kunststoff oder Metall zur Installation von elektrischen Leitungen; Verlegung unter Putz LEINÖL Aus Leinsamen hergestelltes Pflanzenöl; wichtigstes Bindemittel für Ölfarben; ist ein natürlicher Holzschutz und wird seit Jahrhunderten für die Imprägnierung von Holz (z.B. Fachwerk, Fenster, Türen, Holzfassaden), Putz, Stuck, Mauerwerk und Terracotta verwendet; wasserabweisend, jedoch dampfdiffusionsoffen und dringt im Gegensatz zu anderen Bindemitteln (Acrylaten) tief ins Holz ein LOGGIA An mindestens einer Seite offener Bereich eins Gebäudes; kann sich in allen Geschossen eines Gebäudes (auch im Erdgeschoss) befinden; tritt im Gegensatz zu einem Balkon jedoch nicht aus der Fassadenflucht hervor MÄ ANDER Geometrisches, meist orthogonales Element, das in Borden, Friesen, Reliefs, etc. zum Einsatz kommt; Name in Anlehnung an die Schlaufen eines Flusses; auch als Doppelmäander verwendet MAJOLIKA Objekt aus gebranntem Ton, meist farbig und glasiert. Im Zusammenhang mit Baukunst hauptsächlich im Jugendstil als Fassadenschmuck (Einzelelemente oder Friese, auch ganze Bilder) verwendet MANSARDE Bezeichnung für eine bestimmte Dachform, bzw. eine Wohnung oder ein Zimmer im Dachgeschoss MESSING Metalllegierung mit den Hauptbestandteilen Kupfer und Zink; ähnelt in der Farbigkeit Gold MODERNE, KLASSISCHE MODERNE Baustilepoche aus dem späten 1.Drittel des 20. Jhds. mit verschiedenen Strömungen und Ausrichtungen (z.B. Bauhaus) MUSCHELWERK Muschelförmige Ornamente (Rocaille); auch in Kombination mit Blatt- und Rankwerk (typisch für das Rokoko) NATURSTEIN Allgemeine Bezeichnung für in der Natur vorkommende Steine; werden im Bereich der Architektur unbearbeitet (Bruchstein) oder bearbeitet (Naturwerkstein) verwendet NEOBAROCK Stilrichtung des Historismus mit barocker Formensprache NEOKLASSIZISMUS Stilrichtung innerhalb des Historismus unter Verwendung klassizistischer Elemente 69 ANHANG GLOSSAR OBERFLÄCHENSCHUTZ Metall, meist in chemisch galvanischem Verfahren als Oberflächenschutz aufgebracht (Metall wird vernickelt) OBERLICHT stets oberhalb des Kämpfers sitzendes verglastes Feld als feste Verglasung oder als Öffnungsflügel. PILASTER Vertikales Gliederungselement einer Fassade, als tragendes Element in den Mauerverbund eingearbeitet, bzw. als Schmuckelement (Scheinarchitektur) nur aus Putz oder Stuck bestehend; häufig in Form von griechischen Säulen ausgebildet PFOSTEN Senkrechte Teilung innerhalb eines Fenster-oder Türelementes als feststehendes konstruktiv integriertes Element PORTIKUS Mit Säulen gesäumte Vorhalle oder Gang, in der Regel einem Gebäude vorgelagert PUT TE (AUCH PUT TENFIGUR) Skulptur von Kindergestalt, manchmal auch mit Flügeln RAUCHROHRÖFFNUNG Öffnung im Schornstein, in die das Abgasrohr des Ofens eingebunden wird RAUMKLIMA wesentlicher Bestandteil der Wohnqualität und Behaglichkeit; vor allem durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmt; weiterer Einfluss: chemische Zusammensetzung der Luft (Schadstoffe, Geruchsbelästigung), Luftzug, Beleuchtung RENAISSANCE Stilepoche mit der Hauptzeit 15.-17. Jhd.; Wiederbelebung der strengen Formensprache der klassischen Antike RISALIT zumeist auf ganzer Höhe aus der Fluchtlinie eines Baukörpers hervorspringender Gebäudeteil; dient der Fassadengliederung ROKOKO manchmal auch als Spätbarock bezeichnete Stilrichtung. Hauptmerkmal sind Verzierungen in der Form von Muscheln (Rocaille) und die asymmetrische Aufteilung der Bauteile und Fassaden. ROSET TE 1. Dekorative Rundelemente mit geometrischen Formen bzw. Blatt- und Blütenwerk, z.B. an Decken, als Schlusssteine, etc. 2. Kreisrunde Fenster in Kirchen, wobei diese durch Streben zum Mittelpunkt gegliedert werden RUSTIKA Mauerwerk aus Steinquadern, deren Stirnseite nur grob behauen ist; siehe auch Bosse und Diamantquader SANIERPUTZ Atmungsaktiver Putz aus Spezialmörtel und Zement mit hoher Porosität; kann Salze aus dem Mauerwerk aufnehmen und binden; dampfdiffusionsoffen aber wasserabweisend; dient der Sanierung von feuchte- und salzbelastetem Mauerwerk SCHLAGLEISTE vertikale Abdeckung eines Fenster- oder Türstulps Innen und Außen. Die innere Schlagleiste ist meist schlichter ausgeführt und die äußere Schlagleiste ist mit Profilen, Kapitellen und Fräsungen (oft an eine antike Säule erinnernd) sehr viel aufwändiger gestaltet. SCHINDEL, SCHINDELDACH Produkt zur Dacheindeckung bzw. auch Fassadenverkleidung; Dachschindel waren früher aus Holz, heute gibt es eine Reihe von Ersatzmaterialien (Bitumen, Beton, Metall, etc.), wobei die aus Ton gebrannte Dachschindel am häufigsten verwendet wird; die Formen und Verlegearten der Dachschindeln sind regional sehr unterschiedlich SCHLAGREGENDICHT Material bzw. Konstruktionen, die vom Wind lotrecht auf die Fassade getragenen Regen abweisen SCHLUPF TÜR In ein großes Tor integrierte Durchgangstür, um bei gewöhnlichem Fußgängerverkehr nicht die großen Torflügel öffnen zu müssen SCHMIEDEEISEN Im Schmiedeverfahren hergestellte Eisenteile (z.B. Flacheisen), bzw. die Verbindung von einzeln geschmiedeten Teilen zu ganzen Elementen 70 ANHANG ANHANG GLOSSAR SICHERHEITSGLAS Glas, das beim Bruch besondere Sicherheitsmerkmale aufweist und z.B. Personen vor Verletzungen schützt SILIKATFARBE Langlebiges und witterungsbeständiges Anstrichmittel, das sich unlösbar mit dem Untergrund verbindet; v.a. für Anstriche von Putzen und Beton geeignet, für Holz und Eisen ungeeignet SILIKONHARZFARBE Wasserabweisende und gleichzeitig diffusionsoffene Farbe; aufgrund der physikalischen Eigenschaften perlt Regen an der Fassade ab und reinigt diese dabei (Lotuseffekt) SOZIALISTISCHER REALISMUS Von der Sowjetunion ab 1932 ausgehende ideologisch begründetet Stilrichtung, die später im gesamten Ostblock Anwendung fand; geprägt durch Monumentalarchitektur und Motive des Arbeiter- und Bauernlebens. SPRITZPUTZ Mit einem Reisigbesen (später auch mit mechanischen Hilfsgeräten) aufgeworfener Putz SPROSSE In unterschiedlichen Breiten eingesetztes Teilungselement zur Gliederung der Scheiben und Erzielung optischer Akzente. Möglich sind vertikale und horizontale Sprossen und deren Kombination als Sprossenkreuze. STEHFALZ Verbindung von Blechen und Blechbahnen (z.B. bei der Dachdeckung), wobei nebeneinanderliegende aufgekantete Bleche einmal bzw. doppelt gefalzt werden STUCK, STUCKFERTIGTEIL, STUCKELEMENTE Zierelemente an oder innerhalb der Fassade aus Stuckgips in Form von mit Schablonen gezogenen Profilen oder aus Gips gegossenen Einzelelementen. TERRAZZO Sehr verschiedenfarbige Steine und farbige Elemente werden mittels Zement zu einer Fußbodenfläche gegossen und später mehrfach geschliffen; es entstehen schlichte bis sehr aufwändig gemusterte Böden bzw. einzelne Verlegeplatten THERMOPANGLAS Siehe Isolierglas TRAUFE Konstruktiver und optischer Übergang zwischen Fassade und Dachfläche. Oft hervorgehoben durch starke und optische zum Dach hin aufsteigende Profile aus Holz oder Stuck TRAUFKASTEN, TRAUFGESIMSKASTEN Siehe Dachkasten VERTIKALSPERRE Außen an das Mauerwerk angebrachte Sperrschicht, die das Eindringen von Wasser im erdberührten Bereich verhindert; (siehe auch Horizontalsperre). VOLUTE In Schnecken-oder Spiralform gestaltetes Zierelement, welches meist im Barock oder auch im Historismus verwendet wurde. WALZGLAS/ZYLINDERGLAS Entsteht, wenn nach dem Aufschneiden des geblasenen Glaszylinders die noch weiche Glasmasse durch Walzen mit einer Stahlwalze geglättet wird. Bis zur Mitte des 20. Jhds. entstanden so alle Gläser am Bau. Durch den Einsatz von strukturierten Walzen können auch Muster eingearbeitet werden (Walzornamentglas) WASSERGEBUNDENE DECKE (WEGEDECKE) Unbefestigte Deckschicht für Straßen und Wege, aus einem gebrochenen Natursteinmaterial; WERKSTEIN Bearbeitetes, behauenes Steinmaterial jeglicher Form für sichtbare, verzierende Anwendung WET TERSCHENKEL Unterer Abschluss eines Fenster-oder Türflügels durch ein herausstehendes Holzteil zur Ableitung von Regenwasser. Die Oberseite ist deshalb abgeschrägt, an der Unterseite ist eine Nut zum Abbrechen des Wasserflusses. 71 SCHUTZZONE DES HISTORISCHEN GEBIETES N Schutzzone des historischen Gebietes 72 ANHANG Grenzen des Ensembles des historischen Zentrums, wie es in der der UNESCO-Weltkulturerbeliste eingetragen ist ANHANG SCHUTZZONE DES HISTORISCHEN GEBIETES Gemäß dem Anhang Nr. 2 zum Beschluss № 1311 des Exekutivkomitees der Lviver Stadtverwaltung von 9. 12. 2005, sind die Grenzen der historischen Schutzzone von Lviv wie folgt festgelegt: yy Promyslowa Str., Bobynskoho Str., Smila Str., Naftowa Str., Dubljanska Str.; yy Bohdana Chmelnyzkoho Str. mit angrenzender Bebauung №№ 146, 144, 142, 140, 138, 136, 134, 132, 130, 128, 126, 124 und innerhalb der Grundstücke; yy Ratytscha Str. mit angrenzender Bebauung №№ 1, 3, 5, 7 und innerhalb der Grundstücke; yy entlang der Bahnstrecke nach Osten; yy Bohdaniwska Str.; yy Eisenbahnstrecke Richtung Nordwesten; yy Beresowa Str. mit angrenzender Bebauung von № 1 bis № 53 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke; yy Krywtschyzka Str. mit angrenzender Bebauung von № 19 bis № 33 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke; yy Eisenbahnstrecke Richtung Süden bis Hruschewa Str.; yy Hruschewa Str. mit angrenzender Bebauung №№ 2, 4, 6, 8, 10, 12; yy Nischtschynskoho Str. und Kosyka Str.; yy Lytschakiwska Str. mit angrenzender Bebauung № 148, № 179 und innerhalb der Grundstücke; yy Pasitschna Str. mit angrenzender Bebauung von № 1 bis № 37 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke, Richtung Süden № 36 inklusive; yy nord-westliche und südliche Grenze von Pohuljanka Waldpark; yy Pasiky Halyzki Str.; yy südliche Grenze von Pohuljanka Waldpark; yy Schasmynowa Str.; yy Lypowa Aleja Str. entlang der Grenze des Snopkiwskyj Parks, überquert die Stusa Str, bis № 57 inklusive; yy südliche Grenze von Salisna Woda Park, die durch die Ternopilska Str. nach Westen läuft; yy Ternopilska Str. nach Süden mit angrenzender Bebauung von Süden №№ 15, 17, 19 und innerhalb der Grundstücke; yy Panasa Myrnoho Str.; yy Enerhetytschna Str. mit angrenzender Bebauung №№ 12, 10, 8, 6, 4, 2 und innerhalb der Grundstücke; yy Koselnyzka Str.; yy Ivana Franka Str.; yy südliche Grenze des Stryjskyj Parks; yy Stryjska Str. und Akademika Sacharowa Str.; yy Knjahyni Olhy Str., entlang der Eisenbahnstrecke nach Westen, Kulparkiwska Str., Antonowytscha Str., Salisnjaka Str., Boberskoho Str., Kulparkiwska Str., Horodozka Str. zum Regionalbahnhof; yy das Regional- und Hauptbahnhofsterritorium, inklusive Bahnhofsgebäude und entlang der hinteren Grenzen der Halte; yy Tscherniwezka Str. inklusive Gebäude № 2, № 4 und ihren Grundstücken; yy Tatarbunarskoji Str., südliche Grenze des Kortumowa Hora Parks, entlang der Eisenbahnstrecke nach Nord-Osten und nach Süd-Osten bis zur Chimitschna Str., Chimitschna Str. bis Tschornowola Str., entlang Chimitschna Str. mit angrenzender Bebauung №№ 2-20 (Straßenseite mit geraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke; yy Samarstyniwska Str. mit angrenzender Bebauung bis № 53, № 72 und innerhalb der Grundstücke; yy Usbezka Str.; yy Daschkewytscha Str. mit angrenzender Bebauung №№ 1-13 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern); yy Janky Kupaly Str.; yy Daschkewytscha Str. mit angrenzender Bebauung №№ 39, 41, 43 und innerhalb der Grundstücke; yy Schowkiwska Str. mit angrenzender Bebauung №№ 4359 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern) und mit angrenzender Bebauung № 18 bis № 30 (Straßenseite mit geraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke; yy Donezka Str. mit angrenzender Bebauung №№ 1-21 (Straßenseite mit ungeraden Hausnummern) und innerhalb der Grundstücke Promyslowa Str.. Die Schutzzone des historischen Gebietes von Lviv umfasst 2441 ha. 73 WICHTIGE KONTAKTE Informationsmaterial und Beratung zur behutsamen Stadterneuerung erhalten alle Interessenten auch beim Ukrainisch-Deutschen Kooperationsprojekt „Kommunalentwicklung und Altstadtsanierung in Lviv“. Das Projekt wird von der Stadtverwaltung Lviv und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, im Auftrag des deutschen Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführt. Das Projekt hat zum Ziel, den Prozess einer behutsamen Stadterneuerung zu unterstützen und zu stärken. Unter behutsamer Stadterneuerung versteht man eine denkmalgerechte, eine schrittweise an den Möglichkeiten der Eigentümer ausgerichteten und mit diesen gemeinsam durchgeführte Sanierung und Modernisierung von Gebäuden. Ein weiteres Ziel des Projekts ist die Verbesserung der ökonomischen Situation der Bewohner in den Altstadtvierteln. Das Projekt ist in zwei Phasen mit jeweils drei Jahren angelegt. Die erste Phase hat im Juni 2009 begonnen und endet 2012. In dieser Zeit werden Bewohner der Altstadtviertel, Partner der Stadtverwaltung, lokale Handwerksfirmen, Baufirmen und verschiedene Gruppen der Zivilgesellschaft ermutigt und unterstützt, eine behutsame Stadterneuerung aktiv zu betreiben. GIZ - PROJEKT „KOMMUNALENTWICKLUNG UND ALTSTADTSANIERUNG IN LVIV“ Bohomoltsia Straße 6/6 79005 Lviv, Ukraine T +380322751308, +380322760552 E [email protected] I www.urban-project.lviv.ua Informationen zum Förderprogramm „Restaurierung von historischen Haueingangstüren und Fenstern“ erhalten Sie auch beim Stadtinstitut oder dem Denkmalamt. STADTINSTITUT Rynok 1/204 79006 Lviv, Ukraine T +380322546082 E [email protected] DENKMALAMT Walowa Straße 20 79008 Lviv, Ukraine T +380322975566 BÜRGERBÜRO Rynok 1 79006 Lviv, Ukraine T +380322975795 E [email protected] 74 ANHANG IMPRESSUM KOORDINIERUNG Ukrainisch-Deutsches Kooperationsprojekt „Kommunalentwicklung und Altstadtsanierung in Lviv“ Konzept: Iris Gleichmann, Vasyl Kosiv, Lenka Vojtová AUTOREN Michael Engel, GIZ Christoph Junghans, GIZ Lylia Onyschchenko, Stadtverwaltung Lviv Volodymyr Skolozdra, Stadtverwaltung Lviv Thorsten Spohler, GIZ Lenka Vojtová, GIZ REDAKTION Maryana Boryk, GIZ Michael Engel, GIZ Iris Gleichmann, GIZ Vasil Kosiv, Stadtverwaltung Lviv Lylia Onyschchenko, Stadtverwaltung Lviv Yuri Petrash, Stadtverwaltung Lviv Daniela Schön, GIZ Lenka Vojtová, GIZ LAYOUT Michael Engel, GIZ Lenka Vojtová, GIZ Orest Chuguievets, GIZ BILDMATERIAL Archiv der Stadtverwaltung Archiv des Ukrainisch-Deutschen Kooperationsprojektes „Kommunalentwicklung und Altstadtsanierung in Lviv“ Archiv des Zentrums für Stadtgeschichte Ost-Mittel-Europa Zeichnungen: Viktor Pidhirnyy ÜBERSETZUNG Maryana Boryk (deutsch-ukrainisch) Olha Sydor (ukrainisch-deutsch) HERAUSGEBER Stadtverwaltung Lviv, November 2011 Die Gestaltungsfibel ist unentgeltlich erhältlich! © Alle Rechte vorbehalten. November 2011 Підтримка