Technik » Licht Konstruktiven Sonnenschutz planen Von der Balance der Behaglichkeitsfaktoren Gebäude wärmedicht einzupacken, das ist in unseren Breitengraden ein altbekanntes Thema für die Winterzeit. Dann geht es darum, die Heizwärme möglichst lange im Gebäude zu halten. Sommerlicher Wärmeschutz hingegen ist erst in den letzten Jahren zu einem Thema geworden. Hier geht es um die umgekehrte Blickrichtung: Ziel ist es, möglichst wenig Wärme von außen ins Gebäudeinnere eindringen zu lassen, um den Energieaufwand und die Kosten für die Gebäudekühlung so gering wie möglich zu halten. Multifunktionale Sonnenschutzsysteme können eine Lösung sein. Dabei sollte der Sonnenschutz als Planungsaufgabe verstanden werden. E s gibt verschiedene Gründe, warum der sommerliche Wärmeschutz mehr und mehr in den Fokus von Architekten und Planern rückt. Zum einen gewinnen transparente Gebäude­ designs weiter an Bedeutung. Diese stehen für Leichtigkeit und die vollkommene Verbin­ dung von Gebäudeinnenwelt und Außenwelt. Leider werden sie aber auch schnell zu einer sommerlichen Wärmefalle, wenn nicht effektive Schutzmaßnah­ men ergriffen werden. Je nach Jahreszeit werden durch die Sonnenschutzfassade an der Bibliothek Dusslingen Energiekosten durch Reduzierung der Kühl- bzw. Heizlasten eingespart Ein weiterer Grund dafür, dass der Wärmeschutz in der Som­mer­ zeit an Bedeutung zugenom­men hat, ist das grundlegend gewan­ delte Energiebewusstsein in den modernen europäischen Gesell­schaften. Längst hat sich in der Fachwelt die Erkenntnis durchgesetzt, dass selbst in unserem moderaten Klima vor allem in gewerblich genutzten Bauten mehr Energie für die Ge­bäu­dekühlung im Sommer eingesetzt werden muss als für die Be­heizung dieser Gebäude im Winter. 82 Zwar gibt es energieeffiziente Kühlsysteme, wie etwa die adi­ abatische Kühlung, die dank der Bemühungen von Unternehmen wie Colt International (www.colt-info.de) in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebte. Aber der Anspruch der Bau­ herren geht mehr und mehr dahin, Gebäude so zu konzipieren, dass erst gar keine Kühllasten bewältigt werden müssen – das gilt für den gewerblichen, den öffentlichen und den privaten Bereich gleichermaßen. Diese Nachhaltigkeitsdiskussion wird zusätzlich dadurch beflü­ gelt, dass zahlreiche Experten eine langsame aber sichere globale Erwärmung prognostizieren – mit fatalen Folgen für das Klima auf unserem Planeten. Als Ur­sa­che hierfür wird der stetig zunehmende weltweite Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) identifiziert, weswegen jede Einsparung von Energie vor allem in Form von elektrischem Strom begrüßt und mit zum Teil nicht unerheblichen öffentlichen Geldern geför­dert wird. Komplexe Planungsaufgabe Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass effektiver Sonnen­ schutz sich zu einer wesentlichen Planungsaufgabe entwickelt hat. Längst sind aus den bautechnischen Empfehlungen von einst Anforderungen geworden, die sowohl in der geltenden Energiesparverordnung (EnEV) also auch in diversen Normen und Baurechtsvorschriften fest verankert sind. Zum Gebot der Energieeffizienz kommen gewachsene Ansprüche an den thermischen und visuellen Komfort in modernen Gebäu­ den, die sowohl die Tageslichtökonomie mit all ihren Facetten umfasst als auch eine wünschenswerte maximale Durchsicht aus dem Gebäudeinnern nach draußen. Der Sonnenschutz von Gebäuden ist eine komplexe Aufgabe, die weit über standardisierte Rolladen-, Jalousien- oder Markisen­ lösungen hinausgeht. Deshalb entwickeln die Fachingenieure von Colt International für jedes Objekt zuallererst eine spezifische Konzeption. Auf dieser Grundlage werden dann genau abgestimmte technische Anlagen gebaut, die sowohl hinsichtlich der Funktiona­ lität als auch der Gebäudeästhetik im Einklang mit dem jeweiligen Baukörper stehen. Dabei steht immer der Mensch im Mittelpunkt aller Planungen – mit seinen Ansprüchen und Bedürfnissen nach Sicherheit, Behaglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Merkmale eines modernen konstruktiven Sonnenschutzes sind: ■ Ausblendung oder Reduktion direkter Sonnenstrahlung, ■ weitgehende Minimierung sommerlicher Wärmelasten, ■ Erhaltung des natürlichen Tageslichts, ■ Erhaltung des visuellen Komforts (Blickkontakt nach außen), ■ Sonnenschutzfunktion auch bei hohen Windgeschwindig­ keiten, ■ Sicherung passiver Sonneneinträge im Winter, ■ optionale Lichtlenkfunktion zur Tageslichtausleuchtung tiefer Räume, 4/2012 Licht « Technik 1 Grundprinzip von modernem Sonnenschutz 2 Unterschiedliche Nachführungsstrategien ������������������������ ����������������������� ���������� ����������� Die Lamellen werden über eine intelligente Steuerungsmechanik dem Sonnenstand nachgeführt; so wird die Fassade Teil des gebäudeumfassenden Energiemanagements ■ ■ optionale photovoltaische Nutzung, gestalterische Fassadenprägung. Grundsätzlich sind die klimatischen Bedingungen eines Raumes von den äußeren Bedingungen, den Gebäudeeigenschaften und dem Nutzerverhalten abhängig. Diese Einflussfaktoren sind: ■ Gesamtenergiedurchlassgrad der transparenten Außenbau­ teile, ■ Sonnenschutzvorrichtungen, ■ Fensterflächenanteil, ■ Geographische Lage, ■ Azimutale Orientierung des Gebäudes und der Fassaden, ■ Lüftung der Räume, ■ Wärmespeicherfähigkeit der innen liegenden Bauteile, ■ Interne Wärmequellen (z. B. Produktionsmaschinen, Server). Das Zusammenspiel dieser Faktoren wird am besten mit Hilfe von komplexen Gebäudesimulationsprogrammen berechnet. Die EnEV und die DIN 4108-2 regeln, wann vereinfachte Verfahren angewendet werden können, die auf Tabellenwerten vereinfachten Rechenverfahren oder experimentellen (so genannten kalomet­ rischen) Verfahren beruhen. Das Sonnenschutz-Einmaleins Schon die alten Ägypter schützten sich vor zu starker Sonne mit Hilfe von Sonnensegeln. Genau genommen dreht sich auch der moderne Sonnenschutz um die gleichen grundlegenden physika­ lischen Prozesse wie eh und je: Reflektion (Widerschein), Trans­ mission (Übertragung) und Absorption (Aufnahme). Allerdings ist das Einmaleins des Sonnenschutzes heutzutage um einiges komplizierter geworden. Herzstück aller Berechnungen für eine Sonnenschutzanlage ist die Kenntnis der über die Jahreszeiten möglichen Sonnenpo­ sitionen sowie die unterschiedlich intensive Sonneneinstrahlung auf die Fassaden. Die Sonnenposition wird hierbei durch die beiden Größen Sonnenazimut und Sonnenhöhe festgelegt, wobei international anerkannte Algorithmen für jeden Ort auf der Erde die Bestimmung dieser Werte ermöglichen. Eine weitere geometrische Größe ist der vertikale Beschattungs­ winkel (kurz VSA). Dieser Parameter wird mittels der Bestimmung des Gebäudestandortes (über Längen- und Breitengrad), der Aus­richtung der Fassade sowie der momentanen Sonnenposition berechnet. Für einen auskragenden Sonnenschutz beispielsweise definiert der Beschattungswinkel die Trennlinie zwischen be­sonntem und beschattetem Bereich einer Fassade. Der Be­schat­tungs­winkel und die sich daraus ergebenden Licht- und Schatten­bilder sind im Tages- wie auch im Jahreslauf ständigen Verände­rungen www.tab.de Erhöhung des Systemnutzens durch Nachführungsstrategien wie eine definierte Nachtstellung, die eine Nachtauskühlung verhindert ausgesetzt (Ausnahme: Tag- und Nachgleiche im Frühjahr und Herbst). Für bewegliche Sonnenschutz­ systeme – wie Jalousien und Groß­lamellen – ist der vertikale Be­schattungswinkel diejenige Bezugsgröße, der die Lamel­ len bei sonnenstandgeführten Sys­tem „nachlaufen“, also sich auto­matisch nach dem jeweiligen Sonnen­stand aufrichten. Optimaler Schutz durch außen liegende Systeme Je nach individuellem Bedarf kommen unterschiedliche Son­ nen­schutzsystem in Frage. Generell unterscheidet man in in­nen­liegende, im Scheiben­ zwi­schen­raum liegende und außen­liegende Systeme. Jedes Kon­zept hat Stärken und Schwä­ chen. Innenliegende Systeme sind einfach zu installieren und leicht­gewichtig gebaut, denn sie müssen keinen Witterungsein­ flüs­sen standhalten. Außenlie­ gende Sys­teme hingegen sind, was die Son­nen­schutzwirkung angeht, unschlagbar, denn die relevanten Prozesse der Strah­ lungsabsorption und -reflektion finden außerhalb des Gebäudes statt. Die Sonnenenergie kann ihre Wirkung im Gebäudeinnern also erst gar nicht entfalten, weil sie vor der Gebäudehülle ab­ge­blockt wird. Neben diesen funktionalen Vorteilen kann eine pfiffig kon­ zipierte Sonnenschutzanlage, beispielsweise mit gläsernen, dem Sonnenstand nachgeführ­ ten Lamellen, eine Fassade äs­ thetisch sehr aufwerten. Natur­ gemäß gilt es hier, die auf den Son­nen­schutz wirkenden Kräfte und Gewichte statisch über die Fassadenstruktur abzutragen. Auch müssen Reinigungs- und Wartungskonzepte eingeplant werden. Als Materialien für die Son­ nenschutzlamellen kommen transparente, transluzente oder opake Stoffe in Frage – je nach Gebäudedesign. Ein ästhetisches Highlight sind gläserne Sonnen­ schutzsysteme. Zum Einsatz 83 Technik » Licht kommen aber auch – je nach Ge­ bäudenutzung – textile Gewerbe, Hölzer, Strangpressaluminium, Blecke, prismatische Acrylglä­ ser, Edelstahlgewebe oder auch Photovoltaiklamellen. Tageslicht vor Kunstlicht Konstruktiver Sonnenschutz hat neben den beschriebenen Funk­ tionalitäten eine unmittelbare Auswirkung auf die Ergonomie im Gebäudeinnern. Zu den Ge­ setzmäßigkeiten menschlicher Arbeit gehört die Erkenntnis, dass die künstliche Beleuchtung von Bildungs- und Arbeitsstätten eine der wichtigsten Ursachen für das so genannte Sick Buil­ ding Syndrome darstellt. Nach internationaler Konvention der Weltgesundheitsorganisation WHO wird dann von einem Sick Building Syndrome gesprochen, wenn mehr als 10 bis 20 % der Nutzer eines Gebäudes über Störungen ihres Wohlbefindens oder über Beschwerden klagen. Physiologische Untersuchungen belegen, dass ein Viertel des menschlichen Energiehaushaltes für den Vorgang des Sehens auf­ gezehrt wird, während gleichzei­ tig 80 % unserer Nerven durch optische Reize beansprucht werden. Die Tageslichtökonomie eines Gebäudes kann demnach einen wesentlichen und nachhaltigen Beitrag zur Gesundheit und zum Wohlbefinden – und damit auch zur Leistungsfähigkeit seiner Nutzer leisten. Nun steht eine ausreichende Beleuchtung von Räumen mit Tageslicht prinzipiell im Gegensatz zu einem hinreichenden Sonnenschutz: Zum einen sollen behagliche Innentemperaturen erzielt werden, zum anderen sollen die beschatteten Räume nicht abgedunkelt, das natürliche Tageslicht nicht ausgeschlossen werden. Moderne Sonnenschutzkonzepte verbinden diese beiden miteinander konkurrierenden Größen thermischer und visueller Komfort. Eine vorgehängte Lamellenanlage aus bedruckten Glaslamellen kann die Aufgabe eines thermischen Schildes und einer bedarfsgerechten Verteilung von Licht und Schatten glei­ chermaßen übernehmen. Jetzt schon die Termine der nächsten Ausgaben vormerken! tab – Das Fachmedium der TGA-Branche 5/2012 erscheint am: 30.04.2012 Anzeigenschlusstermin ist am: 10.04.2012 Nähere Informationen zu den geplanten Themen finden Sie unter www.bauverlag.de oder www.tab.de Ihre Ansprechpartner in der Anzeigenabteilung: Herbert Walhorn, Tel.: 0 52 41/80-22 32, E-Mail: [email protected] Marion Jendretzki, Tel.: 0 52 41/80-79 17, E-Mail: [email protected] Die pulverbeschichtete Metalllamellen wurden an der Ost-, Süd- und Westfassade beweglich, an der Nordfassade starr ausgeführt; auch im Gebäudeinneren sorgen sie für auffallend gutes Licht 4/2012 Licht « Technik Im Sommer schützen automatisch gesteuerte Lamellen wie an der Börse Selnau die Nutzer vor direkter Sonneneinstrahlung; in den Wintermonaten werden die Lamellen auf maximale Tageslichtflutung positioniert, so dass ein solarer Zugewinn an Wärme entsteht Transparenz von innen nach außen bei gleichzeitigem Sonnenschutz: Bei der Grundschule in Neubiberg bringen bunte Lamellen Leben in die Schulfassade Kühlen Kopf bewahren. Betriebskosten senken. Im Büro geht es manchmal heiß her. Unsere Flächensysteme zur stillen Kühlung über die Decke bieten ausgereifte, energiesparende Lösungen zur Grund- und Spitzenlastabdeckung: Comfort Panel – das thermisch aktive Deckenplattensystem für den Einsatz in abgehängten Decken – kann auch im laufenden Betrieb nachgerüstet werden. Das Uponor MLCP Verbundrohrsystem für Verteilund Steigleitungen sorgt für die optimale Anbindung. So wird das Raumklima zum Schlüsselfaktor für Ihren Erfolg: Sie steigern die Attraktivität von Gebäuden, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und den Immobilienwert. Informieren Sie sich jetzt: www.uponor.de Uponor GmbH Industriestraße 56 97437 Haßfurt T +49 (0)9521 690-0 F +49 (0)9521 690-105 E [email protected] Wie eine Ziehharmonika schließen und öffnen sich die ästhetischen Faltschiebeläden vor den Fenstern des Kinder- und Herzzentrums Innsbruck und tragen maßgeblich zur Kühllastreduzierung bei Sicht-, Blend und Sonnenschutz – die Anlage bietet optimalen Schutz vor Sonne und zu viel direkten Lichteinfall, zugleich kann man von innen fast ungehindert nach draußen sehen 86 Bewegung mit dem Sonnenlauf Bewegliche, dem Sonnenstand nachgeführte Lamellensysteme verstehen sich als Manipulatoren oder auch Regulatoren in der Fassade zur bestmöglichen Wärme-, Licht- und Luftverteilung. Bewegliche Sonnenschutzanlagen stellen insofern die Verbin­ dung dar zwischen dem statischen Gebäude auf der einen und der dynamischen, stets wechselhaften lokalen Witterung auf der anderen Seite. Bewegliche Lamellenanlagen können mit vielseitigen Steue­ rungssystemen ausgestattet werden. Kalendarische Nachführungen, wie „ICS4link Solar Control“ oder „Soltronic“ von Colt Interna­ tional, ermitteln rechnerisch die momentane Sonnenposition. In Abhängigkeit vom lokalen Außenklima, das über entsprechende Sensoren erfasst wird, werden die Lamellen per Motorik in die passende Position gefahren. ■ Beschattungsposition: Lamellen laufen kontinuierlich mit der Sonne mit, ■ Lichtlenkstellung: zur Ausleuchtung tiefer Räume, ■ Diffusstellung: Lamellen öffnen maximal bei bewölktem Himmel, ■ Nachtstellung: Lamellen schließen, um die Gebäudeausküh­ lung zu verringern, ■ Gebäudesicherungsposition: Schließen der Lamellen, Schaf­ fung einer zusätzlichen Einbruchshürde. Konstruktiver Sonnenschutz ist mehr als nur „Sonnenabwehr“. Er stellt ein vielseitiges Werkzeug dar. In den Händen von Ar­ chitekten und Planern kann er dazu beitragen, Gebäude nicht nur vor Überhitzung zu schützen, sondern eine individuelle, bedarfsgerechte und ästhetisch anspruchsvolle Balance einer Vielzahl von Behaglichkeitsfaktoren zu erzielen. 4/2012