| F Ü R U N S E R E R Ä T S E L F R EU N D E | Blaues Blut, artenreiche Vergangenheit A B B . Feines Vogelfutter: Mit bloßem Auge kreideweiß, unter dem Rasterelektronenmikroskop ein fragiles System aus Lamellen und Kammern. Gesucht wird ein Meeresbewohner, dessen Verwandtschaft in der Erdgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt hat und von der man viele tausend Arten kennt. Schon im frühen Paläozoikum – also vor etwa 500 Millionen Jahren – existierten mehrere Meter lange Formen, die heute zum Beispiel in den Gemäuern schwedischer Kirchen als Fossilien zu sehen sind. Im Mesozoikum war auch das heutige Mitteleuropa, damals für eine lange Zeit vom Meer bedeckt, von dieser Tiergruppe reich besiedelt. Die größte mesozoische Form stammt aus dem kleinen Ort Seppenrade in Nordrhein-Westfalen, wo man einen Fossilabguss von 1,8 Meter Durchmesser aufgestellt hat. Die Kreide-Tertiär-Grenze vor 65 Millionen Jahren markiert einen Einschnitt in die Entwicklung der bis dahin so arten- und formenreichen Tiergruppe. Heute gibt es noch nicht einmal eintausend Arten. Mehrere von ihnen haben jedoch im Geistesleben des Abendlandes eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Aristoteles beschäftigte sich mit ihnen, und der Akademiestreit im Paris des 19. Jahrhunderts zwischen Georges Cuvier und Geoffroy Saint- Schicken Sie bitte Ihre Lösung bis zum 3. Juni 2002 an die Redaktion „Biologie in unserer Zeit“, Scharhofer Straße 16, 68307 Mannheim. Verlost wird dreimal … In Heft 2/2002 suchten wir: 1. Andrea Cesalpino 2. Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua) 3. Karat Gewonnen haben • Marcus Renner, Leimen • Birgit Wecke, Königs Wusterhausen • Dr. Andreas Kortekamp, Essingen RÄTSEL Hilaire entzündete sich an ihnen, beziehungsweise an der Interpretation ihrer Morphologie. Die Neurobiologie verdankt ihren Riesenaxonen wichtige Einsichten: Das respiratorische Pigment Hämocyanin, sauerstoffbeladen blau, ist ein viel untersuchtes Molekül, und die komplizierten Chromatophoren wurden wegen ihrer Rekordleistungen intensiv analysiert. Profaner geht es andernorts zu: In italienischen und griechischen Restaurants in Mitteleuropa wird gerne nach ihnen gefragt, in vielen warmen Ländern der Erde, insbesondere in Küstenstaaten, gehören sie zur ganz gewöhnlichen Küche. Nach dem bisher Gesagten dürfte den Lesern die Tiergruppe klar sein. Gesucht wird jedoch eine Gattung. Diese Tiere sind so attraktiv im Aussehen, dass es im Frühjahr sogar einen Taucher-Tourismus gibt, um ihnen zuzuschauen: Tausende von Tieren kommen zur „Hochzeit in Holland“ alljährlich in dem Ästuar der Oosterschelde zusammen. Komplizierte Verhaltensweisen, Farbwechsel, Kämpfe zwischen Männchen, Spermatophoren-Übertragung, Eiablage, all das lässt sich in kurzer Zeit beobachten. Wer dazu keine Gelegenheit hat, geht vielleicht wenig später am Strand spazieren. Dann sind die Tiere jedoch gestorben, ihre Körper von Krebsen und Fischen aufgefressen – mit Ausnahme der Strukturen, die Sie auf diesen rasterelektronenmikroskopischen Bildern sehen. Als kreideweiße Gebilde findet man diese Reste entlang der Küsten vieler Meere (sowie oft in Vogelkäfigen) und hält sich nicht vor Augen, wie kompliziert sie aufgebaut sind: aus mehr als hundert durch Lamellen und Pfeiler untergliederte Kammern mit je etwa einem halben Millimeter Höhe, die bei dem lebenden Organismus mit Salzlösung oder Gas (vorwiegend Stickstoff) gefüllt sind und unserem Rätseltier Schwerelosigkeit vermitteln. Wie heißt die gesuchte Gattung? Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Volker Storch, Heidelberg Nr. 3 32. Jahrgang 2002 | | Biologie in unserer Zeit | 193