Wellen gegen den Schall

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EXTRA: Decken
1 Oben: Ausfahrt der U-Bahn
unter dem InnovationsCampus der Handelskammer
Hamburg.
2 Links: Blick von der Galerie
in den Vortragssaal. Über den
Köpfen die Nordseewellen.
Wellen gegen den Schall
An Nordseewellen erinnert die Deckenkonstruktion im Vortragssaal des
Innovations-Campus der Handelskammer Hamburg. Die komplexe Akustikdecke verbirgt die zentrale Lüftungsverteilung des Gebäudes.
D
ie Akustikdecke im großen Vortragssaal des
Innovations-Campus der Handelskammer Hamburg hängt unmerklich tiefer als normal. Nur
wer auf der Galerie des über sechs Meter hohen, zweigeschossigen Raumes steht, erkennt den voluminösen
Koffer. Aber selbst aus dieser Perspektive wirkt die
Lösung elegant und sympathisch, keineswegs mächtig.
Die Deckenkonstruktion war ein Kompromiss für eine
komplexe Herausforderung mitten in Hamburg.
Der sogenannte Innovations-Campus ist ein multifunktionales Konferenz- und Seminargebäude, das sowohl die HSBA (Hamburg School of Business Administration) und die HKBiS (Handelskammer Hamburg
Bildungs-Service GmbH) als auch die Handelskammer
selbst nutzen.
Belüftetes Dreibein
Das 3000 m² große Gebäude wurde vom Architekten
Johann von Mansberg entworfen und steht ohne eigenes Grundstück auf beziehungsweise über den Verkehrsflächen einer U-Bahn-Linie, des Mönkedamms
sowie des Fleets (Wassergraben) wie ein rechteckiger
Tisch auf drei Beinen. Zwei der Fundamente tragen den
brückenartigen Teil des Gebäudes beidseitig des Tun-
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nelmundes. Das dritte Fundament liegt auf dem
Adolphsplatz. Über die Hälfte der Gebäudetiefe kragt
über den Tunnel aus. Die in den Untergrund einfahrende U-Bahn fährt zwischen die zwei fleetseitigen
Gründungen ein und in einem Rechtsbogen am dritten
Fundament vorbei.
Das darüber gespannte Gebäude wurde zwischen
den beiden Erschließungskernen teils hängend beziehungsweise brückenartig als Stahl und Stahlverbundkonstruktion errichtet und mit 10 cm dicken Elastomerlagern vom lärmenden U-Bahn-Betrieb abgekoppelt.
Weil das siebengeschossige Gebäude unterhalb der
Hochhausgrenze bleiben sollte, standen pro Geschoss
nur 3,3 Meter Höhe zur Verfügung. Entsprechend leicht
und schlank musste die Konstruktion sein. Die
Geschossdecken als Verbunddecken auf sogenannten
Holoribblechen sind beispielsweise nur 12 cm dick.
Faktor Lüftungsanlage
Das ursprüngliche Konzept sah ein schwingungsentkoppeltes Gebäude vor, das zu etwa 60 Prozent be- und
entlüftet werden sollte. Mit der Überarbeitung der Entwurfsplanung durch die Architekten Hörter + Trautmann kristallisierte sich jedoch heraus, dass das im
ausbau + fassade 12.2015
Raumakustik
Stadtzentrum über einer lärmenden U-Bahn liegende
Seminargebäude eine hundertprozentige Be- und Entlüftung erhalten sollte. Die Lüftungsanlage und entsprechend die Lüftungskanäle mussten daraufhin
bedeutend größer dimensioniert werden. Die Lüftungsanlage durfte aus gestalterischen Gründen seitens der
Oberbaudirektion nicht auf dem Dach montiert werden,
sondern musste im Gebäude integriert sein.
Die Längsverteilung der erforderlichen Lüftungsquerschnitte ließ sich nicht, wie sonst üblich, mithilfe von
Durchbrüchen in den quer verlaufenden Deckenträgern
realisieren. Sie mussten unterhalb der Trägerebene
geführt werden. Bei den geringen lichten Geschosshöhen der Normalgeschosse war dies ausschließlich im
zweigeschossigen zentral im Gebäude liegenden großen Vortragssaal möglich. Hier werden neben der Belüftung des Saales die Luftmengen zu den zwei an den Erschließungskernen liegenden vertikalen Schächten
verteilt, so dass die Unterverteilung in den Normalgeschossen jeweils von zwei Seiten mit entsprechend
halbierten Querschnitten erfolgen kann.
Funktionale Akustikdecke
Die abgehängte wellenförmige Lamellen-Decke mit der
darin integrierten Lüftungsverteilung prägt heute einen
zweigeschossigen Vortragssaal mit seitlichen Galerien.
In den ursprünglichen Planungen waren die Galerien
nur 50 cm breit, also nicht begehbar und oben mit
Schallschutzpaneelen versehen, wodurch die Fenster
des oberen Geschosses weitgehend verschattet wären.
Die Architekten veränderten den ursprünglichen Entwurf, schufen beidseitig begehbare Galerien mit gläsernen Brüstungselementen und mussten auch den daraufhin vielfältiger nutzbaren Raum und seine Akustik
neu lösen. Zu diesem Zweck wurden die Stirn- und Rückseite des Saales mit gepolsterten Stoffen bespannt und
die wellenförmige Lamellendecke entwickelt.
Zwischen den Lamellen, ebenso wie unter und über
den Galerien wurden alle Deckenflächen als Akustikdecken ausgeführt. Im Bereich der Lamellendecke
3 Integration des Deckenkoffers durch seitlich hochgeführte Lamellen.
kamen Cleaneo-Platten mit gerader Rundlochung 10/23 R,
seitlich über und unter der Galerie Cleaneo-Platten mit
gerader Quadratlochung 8/18 Q zum Einsatz. Diese
Deckenflächen erfüllen mit einem bewerteten Schallabsorptionsgrad αw von mindestens 0,6 die Anforderungen der Schallabsorptionsklasse C (hoch absorbierend).
Jede Lamelle ein Hohlkörper
Die gesamte Deckenkonstruktion wurde von der Abteilung Sonderkalkulation und Objekte (SOKO) bei Knauf
beraten und vorgefertigt. Basis für alle Lamellen sind
30 mm dicke, gerade und geschwungene Hohlkörper,
die aus gefrästen und gefalteten 6 mm dicken GKB-Platten
bestehen. Die Lammellenteile sind je nach Bedarf mit
U-Profilen 18 x 30 mm oder 18 mm dicken Gipsfaserplatten hinterlegt. Die integrierten U-Profile sind nicht
nur Aussteifungen, sondern auch Unterkonstruktionen
und Tragwerke, die zur Verschraubung der Lamellen mit
den Tragprofilen der Deckenkonstruktion dienen. Jede
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EXTRA: Decken
4 Die Wellenfronten an der Decke des großen Vortragssaales im Innovations-Campus der HK Hamburg.
Fotos: Knauf/Halama
Lamelle besteht aus etwa elf Teilen, aus niedrigen und
hohen geraden Balken, aus wellenförmigen Übergängen und aus Seitenteilen, die den Deckenkoffer auf
Höhe der Galerien umschließen.
Insgesamt wurden 16 verschiedene Lamellentypen
konzipiert, deren Form aneinandergereiht eine Decke
mit vielfältigen Wellenfronten ergibt. Durch verschiedene Kombinationen der 16 Typen entsteht eine wellenförmige Decke aus 66 Lamellen. Insgesamt besteht
die mächtige Deckenkonstruktion des großen Saales
aus über 1000 vorgefertigten Gipskarton-Einzelteilen.
Welle für Welle montiert
Für die Deckenmontage musste ein dichtes Netz an
Unterkonstruktionen aufgebaut werden. Quer zum
Vortragssaal wurden an Noniushängern im Raster von
210 mm Grundprofile (CD 60/27) und darunter, längs
des Saales, alle 300 mm mit Kreuzverbindern Tragprofile (CD 60/27) montiert. Dabei galt es, mithilfe von Traversen die bereits von den Lüftungsbauern montierten
Lüftungskanäle zu überbrücken.
Allen Lamellenteilen gemein ist, dass sie an der Oberseite mit einem U-Profil abschließen. Dieses Profil wird
bei der Montage mit dem Tragprofil verschraubt. Die
Hinterlegung aus U-Profilen oder Gipsfaserplatten sorgt
für eine exakte Flucht der einzelnen Lamellenteile
untereinander und sichert damit beim Finish gute Ergebnisse. Wurde eine Lamelle zusammengesetzt und
verspachtelt, folgte ein 195 mm breiter und 1998 mm
langer Plattenstreifen mit durchgehender Lochung 8/18 R.
Abschließend verlegten die Trockenbauer im Deckenhohlraum über den Lochplatten 20 mm dicke Mineralwolleplatten.
Rund um die zentrale Wellendecke wurden überund
unter den seitlichen Galerien Lochplattendecken mit
gerader Quadratlochung 8/18 Q verbaut und mit
20 mm dicken Mineralwolleplatten hinterlegt. In diesen
Deckenbereichen sind rahmenlose Lampen und Lautsprecher integriert. Dabei gelang es den Trockenbauern
von Ruben Peter eine hohe Ausführungsqualität zu realisieren.
Ekkehard Scholz,
Projektmanager Deckensysteme, Knauf Gips KG
Interview
»Maximale industrielle Vorfertigung«
Peter Fischer ist Projektleiter bei der Firma Ruben Peter
Ausbau GmbH. Er gibt im Interview mit der Redaktion
von ausbau + fassade Auskunft zur Deckenkonstruktion im Innovations-Campus Hamburg.
Peter Fischer.
Herr Fischer, das Architekturbüro Hörter + Trautmann
kam mit einem ungewöhnlichen Deckenentwurf auf
Sie zu. Wie sind Sie die Herausforderung angegangen?
Unsere Aufgabe war es zuerst, zusammen mit der
Firma Knauf und dort mit Ekkehard Scholz, aus diesem
Entwurf die Machbarkeit einer solchen Deckenkonstruktion zu diskutieren. Aufgrund der engen Platzverhältnisse im Deckenhohlraum und zwischen den
Lamellenreihen war dieser Prozess langwieriger.
Welche Lösungen kamen infrage?
Es gab die Idee, eine komplette Lochdecke zu errichten
und dann die Lamellen darunter zu befestigen. Da der
Abstand zwischen den Lamellenreihen gering war, verwarfen wir diese Montagereihenfolge. Wir entschieden uns, die Lamellen in der Vorfertigung um 12,5 mm
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zu erhöhen und diese dann direkt an der Unterkonstruktion der Decke zu befestigen. Somit konnten wir
die fertig konfektionierten Lamellen direkt an die
Unterkonstruktion befestigen.
Und der Vorteil dieser Vorgehensweise?
Die Lamellen konnten im Wesentlichen fertig vormontiert werden. Unser Spachtelaufwand reduzierte sich
dadurch lediglich auf die Stöße zwischen zwei Lamellen. Des Weiteren konnten die Streifen der Deckenansicht zwischen den Lamellen ebenfalls vorgefertigt
werden. Durch die maximale industrielle Vorfertigung
konnten wir dem Qualitätsanspruch gerecht werden.
Nutzten Sie für die Lamellen eine spezielle Unterkonstruktion?
Das Gewicht der Lamellen wurde durch Vorfertigung
mit 6 mm Platten minimiert. Als Trag- und Grundprofile setzten wir CD-Profile 60/27 ein. Die Lamellen
wurden alle 30 cm mit dem Tragprofil verschraubt. Die
darüber liegenden Grundprofile haben wir so dicht
gesetzt, dass über jeder Lamelle ein Grundprofil angeordnet ist.
ausbau + fassade 12.2015
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