SONNENSCHUTZTECHNIK Das Lamellenhaus Thomas Pink Eine Fassade mit besonderem Profil Flexibel, steuerbar und voll beweglich: gleichzeitig ein wirk samer Sonnenund Wetterschutz. Das ist die Kurzbeschreibung der Ganzglas-Lamellen für ein wegweisendes Fassadenkonzept. Fassade mit besonderem Profil: Frontalansicht des Konstanzer Lamellenhauses in der Nacht D ie Fassade besteht aus einer variablen Klimafassade mit beweglichen, steuerbaren Ganzglas-Lamellen, die als Sonnen- und Witterungsschutz dienen. Den zusätzlichen Lichtschutzfaktor erhielten die Lamellen durch die Kombination einer hochselektiven Sonnenschutzbeschichtung und einer 60-prozentigen Siebbedruckung. Das speziell für dieses Projekt entwickelte, dezentrale und fassadenintegrierte Klimapaneel erfüllt die Funktionen lüften, heizen und kühlen. beitsplätzen entstanden ein Konferenzbereich und ein Mitarbeiterrestaurant. Zentraler Treffpunkt ist das Atrium. Es kann als leicht beheizter Außenraum das ganze Jahr über genutzt werden. Fassaden-Elemente. Die Außenwände der Bürogeschosse sind als Elementfassaden in Aluminium-Pfosten-/Riegelkonstruktion, Sys tem WICTEC 60/SK der Firma WICONA, ausgebildet. Die geschosshohen Elemente sind in ein vertikales Raster von 1,35 m geteilt. Dieses, für Bürogebäude optimale Raster, ermöglicht Wegweisend. Eine kraftvolle Optik im Zu- den flexiblen Anschluss von Trennwänden. Die sammenklang mit einem ausgeprägten, öko- Fassade ist im Wechsel durch festverglaste Elelogischen Profil und ressourcenminimierender mente und Elementen, die je zur Hälfte aus Energieeinsatz setzt ein klares städtebauliches verglastem Öffnungsflügel und bekleidetem Zeichen. Die Transparenz der Fassade und die Dämmpaneel bestehen, gegliedert. Die ÖffGebäudezäsur in der Empfangsebene verbin- nungsflügel sind im System WICLINE 77 als den Landschaft und Bauwerk. Das Gebäude verdeckte Flügel ausgeführt. Die Fassadenelewurde auf dem Werksgelände eines Pharma- mente sind geschossweise versetzt angeordnet. konzerns an der Stadtgrenze zu Konstanz errichtet und verfügt über eine Bruttogeschoss Lamellenkonstruktion. Der Sonnenschutz fläche von 19.553 m 2. Neben 500 Büroarwurde im Bereich der Obergeschosse als ge- 62 schosshohe Lamellenkon struk tion mit Wendelamellen ausgeführt. Diese Lamellenkonstruktion trägt erheblich zu einer unverwechselbaren, differenzierten und prägnanten äußeren Erscheinung des Gebäudes bei. Die Beweglichkeit der Lamellen ändert kontinuierlich das visuelle Erlebnis des Betrachters, der Blickkontakt nach Außen ist durch die hohe Transparenz der Glaslamellen immer gewährleistet. Die Konstruktion bietet auch bei höheren Windgeschwindigkeiten einen uneingeschränkten und effizienten Sonnenschutz. Die steuerbaren GanzglasLamellen fungieren als Sonnenund Witterungsschutz. Sie sind in der geschosshohen Dimension von 3,20 m x 1,35 m elegant und frei von vertikalen Rahmen konstruiert. Die in VSG (Typ 20-2) aus ESG ausgeführten Lamellen sind aus einer Kombination mit einer hochselektiven Sonnenschutzbeschichtung und mit einem 60-prozentigen Siebdruckraster als Sonnenschutz versehen (d = 2 mm und d = 3 mm mit 45° versetzten Lochreihen, horizontaler Achsabstand 2 mm mit Punkten von 3,26 mm Durchmesser. Der Fc-Wert (Energieabminderungsfaktor beim Durchdringen eines Mediums) liegt bei kleiner/gleich 0,2. Um die gewünschten Belichtungsverhältnissezu erreichen wurden die Parameter 05/2010 Die Fotos (v.l.) zeigen einen Innenraum mit dezentralem Heiz- und Lüftungspaneel und Fassadenzwischenraum bei geschlossenen Lamellen Das Konstanzer Lamellenhaus und die Sonnenstandberechnung zur Optimierung der Glaslamellen-Konstruktion Lichtdurchlässigkeit, Glas (Anteil/Farbe des Siebdruckras ters) sowie Nachführung der Lamellen (Steuerungsintervall /Zusammenspiel mit dem Energiekonzept im Jahresverlauf) optimiert. Das Punktras ter ist als zweifarbiger, exakt deckungsgleicher Siebdruck ausgeführt, wobei die Rückseite im Sinne einer optimalen Durchsicht (maximale Transparenz) von innen nach außen dunkel und die Außenseite hell bedruckt ist. Zu diesem Zweck wurden umfangreiche Simulationen erstellt und Messungen an einem Prototyp durchgeführt. Im sogenannten Außen-Laboratorium wurden 1:1 große Muster der Fassade aufge05/2010 baut. Sie dienten der optischen, funktionalen und qualitativen Kontrolle, der Überprüfung des Zusammenspiels der Einzelkomponenten wie Montageeinheiten und integriertem Blendschutz und zu guter Letzt auch der Kommunikation und Demonstration dem Bauherrn gegenüber. Als Basis für eine statisch und wirtschaftlich optimierte Dimensionierung der Lamellen wurden, durch das I.F.I. Institut für Industrieaerodynamik in Aachen, an im Maßstab 1:150 nachgebauten Lamellen die Bemessungswind lasten für die Sonnenschutzlamellen auf dem Windkanalprüfstand ermittelt. Die Lamellen werden motorisch betrieben und automatisch gesteuert. Diese Anlagen können also nicht durch den Nutzer übersteuert werden. Die Sonnenschutzsteuerung für das Gebäude ist jeweils fassadenorientiert und damit himmelrichtungsabhängig realisiert. Fällt die Sonneneinstrahlung z.B. für die Ostfas sade am Mittag weg, werden alle Lamellen in die Nullstellung senkrecht zur Fassade gedreht. Die Funktions-Konsole in der Fassade dient der Lagerung der Sonnenschutzlamellen, der Konditionierung der Fassadenzwischenräume (bei Technische Daten Details und Zahlen Flächen: 19.553 m² BGF, ca. 15.400 m² NGF Gebäudevolumen: 88.912 m³ Fassade: Pfosten-Riegel-ElementKonstruktion und vorgesetzte Vertikallamellen aus Glas Bauzeit: Sommer 2006 – Sommer 2008 63 SONNENSCHUTZTECHNIK Bautafel Bauherr: Nycomed GmbH, Konstanz Architekt: Thomas Pink | Petzinka Pink Architekten, Düsseldorf Generalfachplanung (Fassadentechnik, Energiedesign, TGA-Planung, Bauphysik): DS-Plan Ingenieurges. für ganzheitliche Bauberatung und Generalfachplanung mbH, Stuttgart/Köln Fassadenbau: Rupert App GmbH+Co., Leutkirch Foliendach (Sub App): Covertex GmbH, Obing Sonnenschutzglaslamellen (inklusive Antrieb und Steuerung): Colt International GmbH, Lörrach Aerophysik Sonnenschutzglaslamellen: I.F.I. Institut für Industrieaerodynamik, Aachen Tragwerksplanung: WHP Weischede, Hermann und Partner GmbH, Beratende Ingenieure, Stuttgart geschlossenen Lamellen) sowie der Integration der Vorkehrung zur Wartung und Reinigung der Fassade und der Lamellen im Zwischen raum (Schlüsselschaltungen für Lammellenreinigungsstellung, Personenabsturzsicherung). Versuchslamellen. Während des Vorprojektes entwickelten die Planer Glaslamellen mit integriertem 1,2 mm dickem Aluminiumgewebe, die bei minimaler Sichtbehinderung einen Fc-Wert von geringen 0,15 erzielten. Als Streckmetall wurden solche Profilgebungen ausgesucht, die eine leichte Neigung besaßen und den „Schildmützeneffekt“ erzielten. Im Labor wurden sowohl die solare Transmission als auch die Leuchtdichteverteilung bei verschiedenen Höhenwinkeln der Sonne bestimmt. Die Ergebnisse haben die Zielwerte sogar noch übertroffen, bei gleichzeitiger guter Durchsicht und Blendfreiheit ab einem Sonnenhöhenwinkel von 35°. Die konstruktiven Herausforderun gen konnten ebenfalls parallel gelöst werden. Bei den ursprünglich vorgesehenen VSG-Lamellen mit Streckmetalleinlage handelte es sich um ein nicht geregeltes Bauprodukt. Deshalb war in der Ausschreibung, neben lichttechnischen Vorgaben, die Durchführung einer Klimawechselprüfung an den VSG-Lamellen vorgeschrieben. Dabei wurde unter Temperatureinwirkung eine starke Delamination (Enthaftung) zwischen Streckmetall und der PVB- 64 Atrium mit faszinierender Atmosphäre Folie festgestellt. Damit war die Voraussetzung einer langfristigen Gewährleistung für alle Beteiligten nicht mehr gegeben und der Bauherr hat darauf hin zugunsten eines geregelten Bauproduktes entschieden. Büro etage besitzen zum Beispiel solche Ausstattungen, da diese aufgrund der höheren Personendichte und den damit verbundenen höheren Anforderungen an den SchallLüftungselement. In Zusammenarbeit mit schutz und den Luftwechsel der DS-Plan und der LTG AG entwickelten die andere Konzepte benötigen. Architekten projektspezifisch das dezentrale, Eine Umnutzung der Räume Fassaden integrierte Heiz- und Lüftungszu einem späteren Zeitpunkt paneel. Es deckt die Funktionen Lüften, ist mit diesem Konzept somit Kühlen, Heizen mit Wärmerückgewinnung auch jederzeit mit relativ gedurch Energieaustausch Abluft/Zuluft ab. Das ringem Aufwand möglich. Element kommt an den nach außen liegenden Büroräumen zum Einsatz. Die an das Atrium Primärenergiebedarf. Als angrenzenden Räume werden zentral belüftet. energetische Zielsetzung wurDie individuelle Lüftung der Büroräume erfolgt de zu Planungsbeginn ein über die sich öffnenden Fensterelemente der Primärenergiebedarf für die Fassade. Die Standardbüroräume werden mit Anlagen zur Raumkonditioeiner multifunktionalen Fassade über schmale, nierung (Heizen, Kühlen, raumhohe Öffnungsflügel natürlich belüftet. Strom für Lüften und BeleuchDie filigran gestaltete Optik der Außenten) von maximal 100 kWh flächen vervollständigt den subtilen Charakter /m²a vereinbart. Dieser Wert des Gebäudes. wurde durch den Einsatz Zur Konditionierung (heizen/kühlen) der hoch effizienter Klimatechnik Büroräume ist eine Bauteilaktivierung in der weit unterschritten. Decke installiert worden. Die transparenten Der Primärenergiebedarf Außenglasflächen isolieren durch die Dreifür das Gesamtgebäude liegt fachverglasungen. Die opaken Fassadenberei- bei rund 96 kWh/m²a. Der che mit integrierten Heiz- und LüftungselePrimärenergiebedarf für die menten sind mit Vakuumdämmpaneelen aus- Bürobereiche des Gebäudes gestattet. Durch die Dreifachverglasung mit (ohne Kantine, Küche etc.) hoch wärmegedämmten Rahmenprofilen in liegt unter 80 kWh/m²a. ◊ Pfoten-Riegel-Bauweise sowie Außenwandpa neelen ist es aus Gründen der Behaglichkeit nicht erforderlich, einen zusätzlichen HeizkörIn fo + Kon tak te per vor das Fenster zu platzieren, da die raumseitige Oberflächentemperatur des Fensters auch im Winter nicht unter 16 bis 18°C fällt. So Petzinka Pink Architekten Cecilienallee 17 enthält das Paneel ebenfalls den Heizkörper, 40474 Düsseldorf der modular für höhere Anforderungen oder Tel. (0)211/47871-0 andere Raumnutzungen zu einem Umluftküh Fax (0)211/47871-10 ler oder sogar einem dezentra len Auß[email protected] Lüftungsgerät mit Wärme rück gewin nungerwww.petzinka-pink.de weiterbar ist. Die Besprechungsräume auf der 05/2010