Leben mit einem Zeitzeugen

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ImmobilienWirtschaft
55
13. Oktober 2013
Leben mit
einem Zeitzeugen
a u fg e fa l l e n
In einem ehemaligen Fabrikgebäude
von Volketswil sind 23 individuelle
Wohnungen entstanden
Das ideale Haus
Ein Haus ganz aus natürlichen Baumaterialien, das
wenig Energie braucht, kaum Geld kostet und erst
noch hübsch aussieht: So müsste es sein. Und so ist
denn auch das «Rockcote Earthen Cottage», das
gerade den «Glossies Award 2013» gewonnen hat.
Der Preis wird in Australien für umweltfreundliches
Bauen vergeben. Das Cottage steht in der kleinen
Stadt Eumundi in Queensland. Gebaut wurde es von
Bob und Chris Cameron. Die Wände bestehen einzig
aus mit Ton verputzten Bambusrohren; Bambus ist
ja ein besonders ökologischer Baustoff. Böden,
Türen und Fenster sind rezykliert. In Regentanks
wird Gebrauchswasser gesammelt, die Toilette
funktioniert ohne Wasser. Aber leider hat die Sache
dann doch einen Haken: Das Haus erfüllt seinen
Zweck nur dort, wo es steht. In kälteren Gefilden
wäre die Haustechnik völlig unzureichend. Das
ideale Haus ist also doch noch nicht gefunden – aber
immerhin ist man ihm wieder einen kleinen Schritt
näher gekommen.
www.rockcote.com.au/rockcote-earthen-home
Der ideale Ausflug
Hohe Räume innen, leichte Konstruktion vor dem Hauptbau: Markante Holzloggien stehen direkt im Garten
VON BENJAMIN GYGAX
Wohnen in der Fabrik: Für manche ist das der grösste Traum. Und
für andere ist es ein Traum, solches zu ermöglichen. Burkhalter
Sumi Architekten erhielten 2009
den Auftrag, die ForsanoseFabrik in Volketswil zu renovieren und zu Wohnzwecken umzunutzen. Marianne Burkhalter
führt durch die Anlage, und sie
weiss auch, warum Wohnen in der
Fabrik so beliebt ist: «Immer mehr
Leute suchen einen Lebensort mit
Geschichte und Identität. Indus­
trieräume sind zudem oft überhoch, was viele attraktiv finden;
bei Neubauten ist Überhöhe oft
nicht möglich, weil ein Geschoss
verloren ginge.»
Das Fabrikareal, auf dem einst
das Forsanose-Stärkungsgetränk
produziert wurde, besteht aus
einem älteren Winkelbau, dem
grossen Fabrikgebäude und einem
kleineren Kesselhaus mit Schornstein. Die ältesten Gebäudeteile
entstanden 1870 als Spinnerei, bis
in die 1950er-Jahre kamen weitere Teile hinzu. Die einzelnen Gebäude sind lediglich im Inventar
der schützenswerten Bauten aufgeführt, doch die Anlage als
­Ganzes steht unter Schutz.
Die Baugesellschaft Forsanose
unter Leitung der Projektentwicklerin Odinga und Hagen
suchte deshalb in einem Auswahlverfahren ein Architekturbüro,
das zugleich in der Lage war,
Wohneigentum zu schaffen und
die Anlage als erkennbare Einheit
zu erhalten.
«Den Kamin und das markante Treppenhaus, das den grossen
Fabrikbau überragt, haben wir in
ihrem ursprünglichen Zustand
belassen, denn sie sind wichtige
Zeitzeugen», sagt Marianne Burkhalter. Für die Identität spielt aber
auch die Umgebung eine wichtige Rolle. Der Fabrikant wohnte
im Winkelbau und hatte dahinter
einen grossen Garten angelegt.
Dieser wurde respektvoll instand
gestellt, die für die Zeit typischen
Steinmäuerchen wurden wieder
aufgebaut.
Der Kämpfer, der sich nicht
öffnen lässt, liegt jetzt unten
Vom Garten aus hat man einen
schönen Blick auf die Voralpen
und Richtung Zürich. Zum gehobenen Wohnen gehört auch, dass
man einen privaten Aussenbereich nutzen kann. Für die Be-
wohner des Winkelbaus wurden
deshalb Zugänge zum Garten geschaffen, über dem Durchbruch
wurden zudem innen liegende
Loggien eingerichtet.
Beim grossen Gebäude gestaltete sich die Ausgangslage schwieriger. Marianne Burkhalter: «Um
die Fassade möglichst wenig zu
verändern, haben wir keine vorgehängten Balkone vorgesehen,
sondern leichte Kons­truktionen
davorgesetzt.» Die markanten
Holzloggien stehen direkt im Garten, der bis an die Fabrikmauern
reicht. «Das ist eine Lösung, an
der wir schon bei vielen Projekten herumstudiert haben», sagt
die Architektin. «Die Form soll
eine Beziehung zur Landschaft
herstellen, das Lattenraster ist
transparent und schafft dennoch
einen privaten Raum.»
Viel Gedankenarbeit investierten die Architekten nicht nur in
den Aussenraum, sondern auch in
bauliche Details, zum Beispiel bei
«Stärkt den Körper – stählt die Nerven»
Mit diesem Slogan warb das kakao- und malzhaltige Frühstücks­getränk
Forsanose. Erfunden hatte es der Glarner Apotheker Helmuth
­Schuberth, als er nach einem Stärkungsmittel suchte, von dem Kinder
leichter zu begeistern waren als von Lebertran. Als der Absatz 1933
richtig brummte, brauchte Schuberth neue Produktionsräume und
fand sie in einer ehemaligen Spinnerei in Volketswil. Hier produzierte
er Forsanose von 1934 bis 1972. Nach Schuberths Tod richteten sich
in der Fabrik Gewerbe und Kunstateliers ein, 2007 wurde die Anlage
nach Erbstreitigkeiten öffentlich versteigert.
fotos: Heinz Unger
den Fenstern. Sie mussten ersetzt
werden, sollten aber weiter ins typische Erscheinungsbild der alten
Fabrik passen. «Damit wir bei den
Fenstern mit tiefer Brüstung keine Absturzsicherung anbringen
müssen, haben wir sie einfach
umgedreht», sagt Burkhalter. Der
Kämpfer, also der obere Teil des
Fensters, der sich nicht öffnen
lässt, liegt jetzt unten.
Eine weitere Herausforderung
bestand darin, das 25 Meter tiefe
Haupthaus ausreichend mit
Tageslicht zu versehen. Dazu
haben die Architekten zwei
Lichtschächte geöffnet. Sie sind
von Stahlseilen durchzogen, an
denen sich Wicken in die Höhe
ranken. Baufällige Tragstrukturen, aufwendige Rekonstruktionen, schwer zu erreichender Minergie-Standard: Lohnt sich der
Aufwand überhaupt, oder würde
man da nicht lieber neu bauen,
wenn man dürfte? «Je länger ich
mir das überlege, desto mehr finde ich, man muss diese historisch
wichtigen Gebäude erhalten,
denn sie sind Teil des kollektiven
Bewusstseins», sagt Marianne
Burkhalter. «In der freien Landschaft wird so oder so neu gebaut
– und vieles sieht dort gleich
aus.»
So sind, wo früher produziert
wurde, 23 individuelle Wohnungen mit 46 bis 263 Quadratmetern entstanden. Bis auf zwei sind
alle schon verkauft und bezogen
worden.
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Schaffen darstellen und ein
Netzwerk für den Austausch
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einem breiten Publikum bieten. Vor allem aber macht sie
Spass – denn sie zeigt auf besonders bunte Weise, dass
Schweizer Architektur alles
andere als langweilig ist.
www.architektur-schweiz.ch
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