Reflexion der Unterrichtseinheit

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4 Reflexion der Unterrichtseinheit
Um eine praktische Umsetzung der Förderung der Argumentationskompetenzen innerhalb
der Unterrichtseinheit zu verdeutlichen, wird unter Verwendung von Schüleraussagen
anhand von Audiomitschnitte in Transkriptform der Verlauf ausgewählter Unterrichtsstunde
näher betrachtet und ausgewertet. Abschließend wird ein Versuch aufgestellt, die zentralen
Fragen der Arbeit hinsichtlich der theoretischen Einbettung sowie der Ergebnisse der
praktischen Umsetzung der Unterrichtseinheit zu beantwortet.
4.1 Verlauf und Auswertung der ersten Unterrichtsstunde
Da die Schüler bereits in der Stunde des Vortests mit dem Legespiel „Tangram“ bekannt
gemacht worden sind, galt es, die ersten mathematischen Zusammenhänge anhand einer
Forscherfrage herzustellen. Den Lernenden sind die geometrischen Figuren des Tangrams
begannt, jedoch hat ein direkter Flächenvergleich von mindestens zwei Figuren wie
beispielsweise Parallelogramm und Dreieck sehr wahrscheinlich noch nicht stattgefunden.
Hinsichtlich des Gesamtlernziels der Unterrichtseinheit bestand das Groblernziel der ersten
Stunde (Verlauf siehe Anhang) darin, die Größenverhältnisse aller geometrischen Figuren
des C-Tangrams durch Flächeninhaltsvergleiche verständlich zu erläutern. Um das
Verständnis der Forscherfrage zu überprüfen, wurde der Begriff ‚Flächeninhalt‘ wiederholt
sowie der Flächeninhaltsvergleich der beiden kleinen Dreiecke und des kleinen Dreiecks mit
dem Quadrat eingefordert. An dieser Stelle wurde von XXX die Kongruenz der beiden
kleinen Dreiecke mit Hilfe der Tans begründet und von XXX der Flächeninhaltsvergleich des
kleinen Dreiecks und des Quadrates vorgenommen. Somit war gewährleistet, dass allen
Schülern der Klasse bewusst war, wie der Vergleich zweier Flächen im Umgang mit den
Tans des Tangrams durchgeführt werden kann. In der Einzel- und Gruppenarbeit wurde
deutlich, dass diese Vorgehensweise das Begründen der Größenverhältnisse der Flächen
erleichterte.
In der „Ich-Phase“ wurden weitere Vergleiche von mindestens zwei beliebigen Figuren des
Tangrams unter der Fragestellung „Was haben die Figuren gemeinsam?“ durchgeführt. Die
Bearbeitung dieser Aufgabe konnte auf der enaktiven, ikonischen oder symbolischen
Darstellungsebene
durchgeführt
werden.
In
der
Beobachtungsgruppe
hat
der
Flächenvergleich jeweils zwischen dem großen Dreieck und dem Parallelogramm oder dem
kleinen Dreieck ausschließlich auf der ikonischen Ebene stattgefunden, um die Größe des
Flächeninhalts mit Hilfe des passgenauen Auslegens mit dem kleinen Dreieck zu begründen.
XXX begründete die Beziehung zwischen dem kleinen und großen Dreieck neben der
ikonischen Darstellung mit notierten Zahlen und schlussfolgerte:
2 U: […] Also das Kleine ist viermal kleiner als das Große und
3
das Große ist viermal größer als das Kleine. (07.11.2011 Szene 1)
Alle Kinder der Beobachtungsgruppe sind nach der Präsentation ihrer Entdeckungen zur
Erkenntnis gekommen, dass das Parallelogramm mit zwei kleinen Dreiecken und das große
Dreieck mit vier kleinen Dreiecken passend ausgelegt werden kann. Erst im weiteren Verlauf
stellte die Gruppe fest, dass hinsichtlich der Vollständigkeit des Herausfindens der
Beziehungen aller Tans, die Fixierung des Flächeninhaltes des Quadrats sowie des mittlere
Dreiecks fehlt. Bei der Darstellung des Flächeninhaltes des Quadrates und des mittleren
Dreiecks stellten die Kinder fest, dass sich die jeweiligen Flächen, ebenso wie das
Parallelogramm, mit zwei kleinen Dreiecken auslegen lassen und somit den gleichen
Flächeninhalt aufweisen. Um zur Begründung zu gelangen, dass alle Tans in einem
bestimmten Größenverhältnis zueinander stehen, ordnen die Kinder der Gruppe die Tans
nach der Größe des Flächeninhaltes, wie folgt beschrieben:
1 M: […] „Der große Flächeninhalt ist .. hm.. die
2
Erklärung ist, dass - jetzt mal als Beispiel, weil da vier kleine Dreiecke rein
passen.
3
4
Bei den mittlersten Flächeninhalten ist die Erklärung, weil da zwei reinpassen und
bei dem kleinsten Flächeninhalt ist halt die Erklärung, dass da nur eins reinpasst.“
(07.11.2011 Szene 3)
Das Größenverhältnis wurde anhand der Aufzeichnungen verständlich dargestellt und
begründet. Für die Darstellung der Begründung wurden die jeweiligen geometrischen
Figuren durch das Umranden der Tans aufgezeichnet sowie die Begrenzungsflächen der
innenliegenden kleinen Dreiecke markiert. In einem Gespräch zwischen XXX und XXX
wurde diese Begründung präzisiert und Folgendes hinzugefügt: „Sie haben gemeinsam,
dass in jeder Figur mindestens ein kleines Dreieck ist.“
Dieses Argument beherbergt das Argument, dass sich jede geometrische Figur des
Tangrams mit kleinen Tan-Dreiecken auslegen lässt. Die Schüler der anderen Kleingruppen
haben ähnliche Vorgehensweise angewendet und sind hinsichtlich der Entdeckung der
Größenverhältnisse der Flächeninhalte zu gleichen Ergebnissen gekommen. Während der
Präsentation konnten sie die Ergebnisse begründen, indem sie mit Hilfe des Plakates ihre
Vorgehensweise zum Finden der Flächeninhalte aller Figuren verbalisierten und der Klasse
vorstellten. Alle Plakate dienten als Argumentationshilfe.
In der Reflexion wurde die Aussage „, dass […] in das riesige Quadrat, aus den zwei Teilen,
acht kleine Dreiecke reinpassen […], näher betrachtet. Diese Darlegung gab Anlass, die
Schüler aufzufordern, das beschriebene Größenverhältnis der Fläche des kleinen Dreiecks
und der Gesamtfläche des Tangrams in Form des Quadrates zu hinterfragen. Die Schüler
konnten diese Aussage widerlegen, indem sie schrittweise die Überlegung aufstellten,
welche Tans im Tangram vorhanden sind und mit wie vielen kleinen Dreiecken diese jeweils
passend ausgelegt werden können. So kamen sie zu dem Ergebnis, dass das C-Tangram
mit 16 kleinen Tan-Dreiecken ausgelegt werden kann und somit ein Größenverhältnis
zwischen der Fläche des kleinen Dreiecks und des Tangrams von 16:1 besteht.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich alle Schüler der Klasse zunächst auf die
Forscheraufgabe einließen und motiviert an der Lösung arbeiteten. Die Schüler nutzten in
der Stunde die Möglichkeit, einen einfach zu durchschauenden Sachverhalt vollständig und
schlüssig zu begründen, in dem sie die Größenverhältnisse der geometrischen Figuren des
C-Tangrams durch Flächeninhaltsvergleiche verständlich erläuterten.
Um nun in der Gruppe herauszufinden, in welcher Beziehung allen Tangram-Teilen
hinsichtlich des Flächeninhaltes stehen, nutzten die Schüler einen aus der vorherigen
Stunde aufgestellten Fahrplan (1. Ergebnisse präsentieren und vergleichen; 2. Über
Forscheraufgabe diskutieren; 3. Entdeckungen begründen). Wie sich herausstellte erwies
sich dieser in der beschriebenen Stunde als dienlich, um eine Begründungsabfolge in der
Gruppenarbeit zu gewährleisten.
4.2 Verlauf und Auswertung der fünften Stunde
Das Hauptanliegen der Stunde bestand darin, dass die Schüler die Beziehung zwischen den
Ähnlichkeitsabbildungen mit Hilfe der Vergrößerungen des Tangram-Quadrates kausal
begründen können (Stundenverlaufsplan siehe Anhang). Das bedeutet, dass die Schüler in
der Lage sind, diesen komplexen Sachverhalt (Seitenlänge und Flächeninhalt) in Form einer
„Wenn-Dann-Beziehung“ zu beschreiben und somit eine Begründung impliziert wird. Auch
für diese Stunde wurde für die methodische Vorgehensweise das Vier-PhasenUnterrichtsmodell nach Bezold angewendet.
Der Einstieg diente der Wiederholung des Begriffs Flächeninhalt, der für den weiteren
Verlauf der Stunde von Bedeutung war. An dieser Stelle ermittelten die Schüler den
Flächeninhalt des C-Tangrams mit Hilfe des kleinen Tan-Dreiecks. An dieser Stelle nutzten
sie die Erkenntnisse zum Flächeninhalt der Tans der vorangegangenen Stunden.
Zur
Überprüfung
des
Verständnisses
der
Forscheraufgabe
wurde
zunächst
eine
Handlungsabfolge zu mehreren Vergrößerungen des kleinen Dreiecks eingefordert. Schnell
war ihnen klar, dass das mittlere und das große Tan-Dreieck eine Vergrößerung des kleinen
Tan-Dreiecks
darstellten.
Es
ist
davon auszugehen,
dass
die Schüler
aufgrund
vorangegangener Stunden das Prinzip der Verdopplung des Flächeninhalts nachvollziehen
können,
da
sie
in
der
Lage
waren,
genau
unter
diesem
Aspekt
weitere
Ähnlichkeitsabbildungen des großen Tan-Dreiecks zu konstruierten. An dieser Stelle fand
lediglich eine handelnde Begründung statt, sodass ein Transfer zur Lösung des
Forscherauftrages gezogen werden konnte.
Die Kinder hatten nun in der „Ich-Phase“ die Möglichkeit, sich individuell mit der
Vergrößerung
des
Quadrates
auseinanderzusetzten
und
erste
Begründungen
zu
formulieren, wie und warum sich die Figur vergrößert und welche Beziehung zwischen den
Ähnlichkeitsabbildungen
besteht.
Auch
dieser
Forscherauftrag
wurde
unter
einer
Fragestellung bearbeitet. Um ihre Vorgehensweise verständlich darzustellen, haben sie die
jeweiligen Quadrate (Ähnlichkeits-abbildungen) zunächst mit Hilfe der Tan-Dreiecke gelegt
und diese anschließend auf ein leeres Blatt übertragen. An dieser Stelle wurden die Schüler
dazu angehalten, die enaktive in die ikonische Darstellungsebene zu überführen.
Die Vergrößerung des Quadrates fand auf zwei Wegen statt:
1. Weg
Tan-Quadrat
Quadrat aus mittleren und zwei kleinen Dreiecken
Quadrat aus zwei großen Dreiecken
Quadrat aus vier großen Dreiecken (oder unterschiedlich großen Dreiecken)
2. Weg
Tan-Quadrat
Quadrat aus vier Tan-Quadraten
Die Schüler der Beobachtungsgruppe haben voneinander unabhängig den ersten Weg
gewählt und ihre Ergebnisse zur Vergrößerung zunächst präsentiert und verglichen. Dabei
stellten sie fest, dass sie jeweils die gleichen Ähnlichkeitsabbildungen des Quadrates
fanden. Letztendlich unterschied sich lediglich nur die Auswahl und Anordnung der Dreiecke
zum Konstruieren des größten Quadrates. Im Verlauf der Diskussion, wie sich die Quadrate
vergrößert haben, handelte es sich zunächst um geeignete Begründungsideen, die jedoch im
Sinne einer schlüssigen Argumentation nicht zu Ende geführt wurden. In diesem Abschnitt
vertieften sich die Kinder darin, zu beschreiben wie vergrößert wurde. Jedoch ist von der
Beschreibung eine Begründung nicht eindeutig abzutrennen. Im Verlauf der Diskussion
entwickelte sich eine Argumentation hinsichtlich der Beziehung der Ähnlichkeitsabbildungen
auf Grundlage des Flächeninhaltes. Es wurde herausgefunden, dass sich der Flächeninhalt
jeweils zur nächst größeren Ähnlichkeitsabbildung verdoppelt.
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M […] Da waren nur
zwei und da haben wir noch zwei mehr dran gelegt. Also ist die Figur größer
geworden.
A: Ja stimmt. Das hat man eigentlich nur auseinandergelegt, hier hingesetzt und
das Gleiche nochmal verdoppelt. (12.12.2011 Gruppenarbeit Szene 1)
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M: So haben wir herausgefunden, dass wir die Figuren immer verdoppeln. […]
LAA: Was verdoppelt sich denn?
N: Die Flächeninhalte verdoppelt.
M: Der Flächeninhalt wird verdoppelt. Ja stimmt!
A: Stimmt!
M: Der Flächeninhalt verdoppelt sich. Wir haben immer nur gesagt, dass sich die
Figuren
verdoppeln, obwohl sich doch der Flächeninhalt verdoppelt.
A: Nein. Es verdoppelt sich ja beides, die Figur mit dem Flächeninhalt. (Szene 2)
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Schritt für Schritt entwickelte sich die Argumentation weiter, indem sie die Veränderung des
Flächeninhaltes
und
der
Seitenlänge
zweier
Ähnlichkeitsabbildungen
in
einen
Zusammenhang brachten.
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A: Aber hier beim Zweiten also es verdoppelt sich ja immer die Seitenlänge. Das
wird frei gelassen. (zeigt auf das zweite Quadrat) Die Seitenlängen sind immer doppelt
so groß und der Flächeninhalt ist viermal so groß. (Szene 2)
Die Schüler der Beobachtungsgruppe stellten ihre Ergebnisse auf einem Plakaten
nachvollziehbar dar. Sie konnten zum einen den Lösungsweg und zum anderen die
Begründung hinsichtlich der Beziehung der Ähnlichkeitsabbildungen verdeutlichen. Weiterhin
war es ihnen möglich Kausalzusammenhänge der Ähnlichkeitsabbildungen zu beschreiben,
indem die Veränderung des Flächeninhaltes und der Seitenlänge implizit begründeten.
In dieser Stunde stellte hinsichtlich der Weiterentwicklung der Argumentation die
Reflexionsphase eine bedeutende Rolle dar. Auf die Frage des Lernzuwachses, wurde von
einem Schüler verallgemeinert, dass „[…] man alle Figuren vergrößern kann“ (XXX in
Reflexionsphase). Diese Aussage wurde durch Martha hinsichtlich der Vorgehensweise des
Vergrößerns detaillierter beschrieben.
M: Wir haben gelernt, dass Figuren – wenn man Figuren an andere Figuren dazulegt
sie sich vergrößern können aber immer noch die gleiche Figur bleiben. […]
(12.12.2011 Reflexionsphase)
In einer Gruppe wurde eine Ähnlichkeitsabbildung mit vier Quadraten dargestellt, welche
jeweils aus zwei großen Dreiecken bestehen. Albert beschrieb aus den Erkenntnissen dieser
Stunde die Vorgehensweise der Vergrößerung dieses Quadrates
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A: […] Das hier ist die Vergrößerungsform von
dem. Das hier (zeigt auf ein mit 4 Dreiecken ausgelegte Quadrat) ist einfach darein
gesetzt, viermal.
LAA: Begründe, warum?
A: Weil das hier ist auch in der Mitte (fährt mit dem Finger die Diagonale des
Quadrates ab) geteilt und das wird dann einfach viermal hier reingesetzt (zeigt auf
Vergrößerung). Und weil alles gleich ist (12.12.2011 Reflexionsphase).
Dies gab zwei Schülern der Lerngruppe Anlass, Vermutungen über eine weitere
Ähnlichkeits-abbildung bzw. die nächste Vergrößerung aufzustellen und diese zu begründen.
Wie die Begründung aufgestellt wurde, wird im nächsten Punkt „Reflexion“ der
Unterrichtseinheit anhand der Vorüberlegungen näher erläutert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle Schüler der Lerngruppe sehr eifrig an der
Forscheraufgabe arbeiteten und aufgrund der Kooperation in der Gruppenarbeit zu den
gleichen Ergebnissen gelangten. Die Lernenden konnten einen komplexen mathematischen
Sachverhalt, die Beziehung von Ähnlichkeitsabbildungen mit Hilfe der Vergrößerungen des
Tan-Quadrates, kausal begründen.
4.3
Gesamtreflexion
unter
Berücksichtigung
der
zentralen
Fragestellungen der Arbeit
Abschließend wird betrachtet, inwieweit die Unterrichtseinheit „Tangram-Knobeleien“ zur
Förderung der Argumentationskompetenzen anhand geometrischer Forscheraufgaben bei
den Schülern beitragen konnte. Dabei sollen aus den in der Unterrichtseinheit aufgeführten
Unterrichtsstunden einige Sequenzen mit Blick auf die der Hausarbeit zugrundeliegenden
Fragen betrachtet werden.
Kann innerhalb dieser Einheit eine Förderung der Argumentationskompetenzen verzeichnet
werden?
Dass
innerhalb
der
Unterrichtseinheit
eine
punktuelle
Förderung
der
Argumentations-kompetenzen, vor allem in den Phasen der Gruppenarbeit und der Reflexion
stattgefunden hat, ist exemplarisch dem vorangegangenen Punkt „Darstellung ausgewählter
Unterrichtsstunden“ zu entnehmen. Wie aus dem Theorieteil hervorgeht, ist die Förderung
nicht nur im Zusammenhang mit gegebenen Hilfen, wie passenden Fragestellungen zur
Thematik zu betrachtet, sondern beinhaltet ebenso eine Weiterentwicklung. Eine
Weiterentwicklung der Argumentationskompetenzen konnte an dieser Stelle nicht konkret
überprüft werden. Jedoch konnten die Schüler durch immer komplexer werdende
geometrische
Sachverhalte
ihre
Fähigkeit
hinsichtlich
der
bereits
vorhandenen
Argumentationskompetenzen ggf. unter Verwendung von Hilfestellungen aktivieren sowie
üben.
Wie argumentieren Grundschüler hinsichtlich geometrischer Sachverhalte und was lässt sich
daraus folgern? Um eine Antwort auf diese Frage zu erzielen, werden an dieser Stelle
weitere ausgewählte Schüleraussagen aus den Gruppenarbeiten sowie Reflexionsphasen
anhand von Audiomitschnitte in Transkriptform herangezogen. Mit Blick auf den
theoretischen Teil beinhalten die Argumentationskompetenzen das Erkennen, Beschreiben
und Hinterfragen von mathematischen Zusammenhängen sowie das Finden und
Nachvollziehen von Begründungen. An Szenen (siehe Anhang), die aus der Stunde vom
07.11.2011 entstammen, soll die Argumentationskette dargestellt werden.
In der Einzelarbeitsphase entdeckte jeder Schüler der Beobachtungsgruppe mathematische
Zusammenhänge, welcher er zu Beginn des Forschertreffs präsentierte, indem mindestens
ein Größenverhältnis hinsichtlich des Flächeninhalts zweier Tan-Teile auf unterschiedlichen
Niveaus beschrieben wurde.
16 N: […] In das Parallelogramm passen zwei kleine Dreiecke und
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in das großen Dreieck passen vier kleine Dreiecke rein.(Gruppenarbeit Szene 1)
Diese Aussage spiegelt eine einfache Beschreibung der Entdeckung wieder, indem anhand
einer Skizze das Größenverhältnis zweier geometrischer Figuren verbalisiert wird. Es wurde
ein Zusammenhang zwischen dem kleinen Tan-Dreieck und einer weiteren Figur des
Tangrams hergestellt. Eine Aussage zu dem Zusammenhang zwischen den ausgewählten
Tan-Figuren (großes Dreieck ist doppelt so groß wie das Parallelogramm) bleibt an dieser
Stelle aus.
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[…] Also das Kleine ist viermal kleiner als das Große und
das Große ist viermal größer als das Kleine. (Gruppenarbeit Szene 1)
In dieser Beschreibung wird das Größenverhältnis konkreter dargestellt, wobei das
Verhältnis von dem kleinen zum großen Tan-Dreieck und umgekehrt beschrieben wurde.
Im weiteren Verlauf des Forschertreffs wurden die noch fehlenden Tan-Figuren (Quadrat und
mittleres Dreieck) auf ihren Flächeninhalt überprüft und mit den bereits bestehenden
Entdeckungen verglichen, wobei wiederholt demonstriert wurde, wie die Tan-Figuren mit
dem kleinen Dreieck auszulegen sind.
1 M: Aber eigentlich – guck mal hier (nimmt Parallelogramm) Das nimmt doch eigentlich
2 die gleiche Fläche weg mit dem Quadrat, weil zwei kleine Dreiecke in beiden drin sind.
3
Nimmt doch eigentlich die gleiche Fläche weg. Oder?
4 A: Ja! Da ist noch eine Figur dran.
5 M: Deshalb sind sie gleich groß eigentlich. […] (Gruppenarbeit Szene 2)
7 M: Wir haben immer noch das Problem beim Mittleren. Da passt nur einmal hier das
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Kleine rein und sonst nirgends noch!
9 A: Das haben wir doch schon festgestellt! (legt kleines Dreieck in ins mittlere Dreieck,
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sodass die lange Seite des kleinen Dreiecks an der kurzen Seite des mittleren
Dreiecks
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genau anliegt und dreht es um eine kurze Seite)
12 M: Ach so! (ahmt das Auslegen nach) Aber dann ist das doch auch die gleiche Fläche
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wieder! (Gruppenarbeit Szene 2)
An dieser Stelle wurde die Gleichheit des Flächeninhalts des Tan-Parallelogramms, Quadrates und mittleren Tan-Dreieck so begründet, dass an das kleine Dreieck ein weiteres
kleines Dreieck durch ein bestimmtes Vorgehen (bspw. Achsenspiegelung an Kathete oder
Hypotenuse des kleinen Dreiecks) so angelegt werden muss, dass die vorliegenden TanFiguren entstehen.
Über den Weg des Auslegens der Tan-Figuren mit Hilfe des kleinen Dreiecks erfolgt die
Begründung für einen einfach zu durchschauenden Sachverhalt.
18 U: Bei den Größten ist der Flächeninhalt vier, bei den mittlersten ist der Flächeninhalt
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zwei und bei den kleinsten….
21 U: Ist der Flächeninhalt eins.
24 A: Sie haben gemeinsam, dass in jeder Figur mindestens ein kleines Dreieck ist.
(Gruppenarbeit Szene
3)
Diese Begründung beinhaltet, dass die Tan-Figuren in einem bestimmten Größenverhältnis
hinsichtlich des Flächeninhaltes zueinander stehen, da sich jede geometrische Figur mit
mindestens einem kleinen Dreieck passend auslegen lässt.
In der Stunde vom 12.12.2011 sollten die Schüler die Ähnlichkeit der Tan-Dreiecke (klein,
mittel, groß) schlüssig begründen. An dieser Stelle wird vordergründig dokumentiert, wie ein
Teil des Ähnlichkeitssatzes von zueinander ähnlichen Dreiecken (α=α´, β=β´, γ=γ´) bzw. der
Begriff Winkel in die Begründungsfindung einfließen und die Illustration zustande kommt.
Der anfängliche Begründungsversuch von XXX „Ja oder sie sind alle […] ähnlich, weil alle
drei Ecken haben und alle drei Seiten“ scheiterte an dem vom Ulrich vorgetragenen
plausiblen Argument „Na und? Das hat doch jedes Dreieck.“ Folglich wurde dieser
Begründungsversuch verworfen. Im Laufe der Diskussion bezüglich der Ähnlichkeit der
Dreiecke wurden zwei Fakten, die Streckung der Seitenlängen und die Winkel, voneinander
abgegrenzt. Hinsichtlich der Seitenverhältnisse wurden Begründungsideen verbalisiert,
jedoch nicht als vollständige Begründung geliefert.
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M: Die werden auseinander gezogen. Die werden lang gezogen?
A: Die Seiten werden verdoppelt. Sie werden bei jeden zweiten verdoppelt.
Diese Aussage impliziert lediglich ein Verständnis für die Vorstellungskraft der Streckung der
Tan- Dreiecke um die doppelte Seitenlänge, kann jedoch nicht mit den gleichbleibenden
Seitenverhältnissen in Verbindung gebracht werden. Eine konkrete Verbalisierung der
Seitenverhältnisse und deren vollständige Begründung ist in einer vierten Jahrgangsstufe
noch nicht zu erwarten, da die mathematischen Voraussetzungen (Strahlensätze) nicht
gegeben sind. Dem entgegen haben die Lernenden der Beobachtungsgruppe eine sich auf
einer
Begründungsidee
aufbauende
schlüssige
Argumentation
hinsichtlich
der
gleichbleibenden Winkel zu Ende geführt. Zu Beginn wurde der Versuch aufgestellt,
inwieweit die entsprechenden Winkel von mindestens zwei Dreiecken übereinstimmen, ohne
den Begriff Winkel zu verwenden.
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[…]. Das kann man hier mal ausprobieren. Hier (legt zwei
Dreiecke in einem Winkel genau aufeinander,) das passt da rein (schiebt Winkel α
übereinander), das passt da rein (schiebt Winkel γ übereinander) und das passt da
rein (schiebt Winkel β übereinander).
Dabei wurden die entsprechenden Winkel auf der enaktiven Darstellungsebene miteinander
verglichen, indem zwei Dreiecke so aufeinander gelegt wurden, dass die entsprechenden
Winkel zueinander deckungleich sind. Für alle drei Winkel wurde dieses Verfahren
durchgeführt. Diese Aussage wurde durch die Hinzunahme des kleinen Tan-Dreiecks
bekräftigt, sodass die Gleichheit der entsprechenden Winkel von nun drei Tan-Dreiecken in
Verbindung gebracht wurde.
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A: Ich such mein Dreieck. Ja hier das passt auch wieder da rein (nimmt kleines
Dreieck und legt es in den Winkeln an) Sogar das Kleinste passt da rein. Hier.
Die Schüler nutzten zum Belegen der Gleichheit der entsprechenden Winkel der zueinander
ähnlichen Dreiecke verschiedene Kombinationen von jeweils zwei Tan-Dreiecken. Eine
komplexere Darstellung der Ähnlichkeit aller Dreiecke bot XXX, indem sie das kleine Dreieck
und dessen Ähnlichkeitsabbildungen so übereinanderlegte, dass sie in einem Winkel (α)
zueinander deckungleich sind. Um zu zeigen dass dies auch auf den rechten Winkel aller
Tan-Dreiecke zutrifft, wurde diese Herangehensweise auf den Winkel übertragen. Diese
Darstellungen, welche für die Illustration genutzt wurden, stellte die Grundlage zur
allgemeinen Aussage der Gleichheit der entsprechenden Winkel dar.
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A: Alle Winkel sind gleich.
U: Ja. ähm!
A: Doch!
U: Bei allen Dreiecken sind die entsprechenden Winkel gleich.
A: Jaaaa!
U: Weil der und der ist nicht gleich (zeigt Vergleich von rechten und weiteren Winkel
mit zwei Dreiecken).
Aus dem Transkriptionsausschnitt ist zu entnehmen, wie die Gruppe zu dem Begriff
„entsprechenden Winkel“ kam. Zunächst wurde verbalisiert, dass alle Winkel gleich sind. An
dieser Stelle wurde der zutreffende mathematische Sachverhalt gemeint, jedoch nicht korrekt
zum Ausdruck gebracht. Von einem Schüler wurde die Aussage revidiert, indem er
sinngemäß erklärte, dass es sich nicht um ein gleichwinkliges Dreieck handelt, sondern der
rechte Winkel und die beiden anderen Winkel voneinander zu unterscheiden sind. So wurde
diese Aussage präzisiert, indem nicht alle Winkel gleich sind, sondern die entsprechenden
Winkel. Die Darstellung dieser Überlegungen sind dem Anhang zu entnehmen. Die Schüler
der Beobachtungsgruppe betrachteten lediglich den Winkel α und den rechten Winkel der
Dreiecke. An dieser Stelle ist nur zu vermuten, dass die Schüler wussten, dass der Winkel β
dem Winkel α aufgrund der Kenntnis der Achsenspiegelung entspricht.
Die Ähnlichkeit der Tan-Dreiecke wurde anhand der Gleichheit der entsprechenden Winkel
durch
eine
verbale
Beschreibung
in
Verbindung
einer
ikonischen
Darstellung
operationalisiert begründet, auch wenn diese nicht als vollständig zu betrachten ist.
Eine weitere operationalisierte Begründung verbunden mit einem Gegenbeispiel fand in der
fünften Stunde der Einheit statt. Die Schüler beschäftigten sich mit dem Herstellen von
Ähnlichkeitsabbildungen
durch
das
Vergrößern
des
Tan-Quadrates
und
gaben
Begründungen für deren Beziehungen. Zunächst argumentierte ein Schüler, dass „man alle
Figuren vergrößern kann“. Es ist daraus zu schließen, dass nach dem Vergrößern des TanDreiecks in der Erarbeitungsphase und des Tan-Quadrates die folgerichtige Erkenntnis
besteht, dass alle geometrischen Figuren vergrößert werden können. XXX erweitert diese
Aussage, indem sie die Vorgehensweise der Vergrößerung bzw. Ähnlichkeitsabbildungen
wie folgt beschreibt.
M: Wir haben gelernt, dass Figuren – wenn man Figuren an andere Figuren dazulegt
sie sich vergrößern können aber immer noch die gleiche Figur bleiben. […]
Anhand dieser Begründung wird deutlich, dass die Schülerin verallgemeinert darstellt, dass
die jeweiligen Ähnlichkeitsabbildungen die geometrischen Eigenschaften der Originalfigur
beibehalten und lediglich in ihrer Größe verändert werden. In Folge der Erläuterung des
Lernzuwachses blieb die Thematik des Findens von Ähnlichkeitsabbildungen gegenwärtig,
indem Albert die Beziehung zwischen zwei Ähnlichkeitsabbildungen des Tan-Quadrates
entdeckte, beschrieb und plausibel begründete.
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A: Ich habe gerade noch was rausgefunden. Das hier ist die Vergrößerungsform von
dem. Das hier (zeigt auf ein mit 4 Dreiecken gebildetes Quadrat) ist einfach darein
gesetzt, viermal.
LAA: Begründe, warum?
A: Weil das hier ist auch in der Mitte (fährt mit dem Finger die Diagonalen des
Quadrates ab) geteilt und das wird dann einfach viermal hier rein gesetzt (zeigt auf
Vergrößerung). Und weil alles gleich ist.
Diese Aussagen bestätigen die Ergebnisse der Gruppenarbeit: Wenn sich die Seitenlänge
verdoppelt, sich er Flächeninhalt vervierfacht. Auch wenn der Schüler diese Begründung an
dieser Stelle nicht verbalisiert, ist davon auszugehen, dass er auf Grundlage dieser
Erkenntnis, die besagte Ähnlichkeitsabbildung als eine Vergrößerungsform einer weiteren
Ähnlichkeits-abbildung des Tan-Quadrates deklariert. An diese Aussage schließt sich ein
Begründungs-versuch an, der verallgemeinert, wie eine weitere Ähnlichkeitsabbildung
hergestellt werden kann. Zunächst wird eine Vermutung durch ein „mentales Ansetzen“
weiterer Quadrate durch die Verlängerung der Seitenlängen von einem Schüler aufgestellt.
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J: Ähm ich habe auch noch sowas rausgefunden. Aber das ist nur so ne GedächtnisVermutung, erstmal. Also wenn ich hier von wieder das Größere will, dann muss ich
an jede Seite immer zwei legen. Dann ist es noch größer. So aber dann ist es an den
Seiten wieder größer und dann springt es an zwei. Dann sind es vier und dann muss
ich es vier machen. Und dann sage ich mal ist das so groß. (fährt den Umfang des
Quadrates mit einem Finger ab). Und dann kann ich wieder vier machen und dann ist
ne, also das ist ne Gedächtnis.
Dieser Aussage liegt das von XXXs vorgegebene Muster zugrunde. Zunächst ist ein Quadrat
aus wiederum vier Quadraten (2x2-Quadrat) vorhanden. Durch das Ansetzen von jeweils
zwei Quadraten an der a1 und a2 Seite und den „Auffüllquadraten“ entsteht eine weitere
Ähnlichkeits-abbildung (4x4-Quadrat). Die Seitenlänge wurde verdoppelt und somit der
Flächeninhalt vervierfacht. Diese Argumentation wird zunächst durch eine weitere
Vorgehensweise zur Findung weiterer Ähnlichkeitsabbildungen erweitert, indem nicht die
Verdopplung der Seitenlänge, sondern die Vervierfachung des Flächeninhaltes betrachtet
wurde.
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Ja: Er hat im Prinzip schon Recht. Man kann dreimal das Quadrat drum legen. Aber
man muss das immer verdreifachen. Man muss immer vier davon machen. Und dann
muss man wieder acht davon machen. Dann erhält man nur ein Rechteck.
Der Schüler spricht von einer Verdreifachung, da das Quadrat jeweils dreimal angesetzt
wird. Jedoch meint er die Vervierfachung des Flächeninhaltes. Seine Begründung für die
Vergrößerung eines Quadrates erschließt sich darin, dass er das neuentstandene Quadrat
als Ganzes betrachtet und von diesem ausgehend wieder drei Quadrate gleicher Größe
ansetzt und somit den Flächeninhalt jeweils vervierfacht. Aus der Aussage, dass eine
Abbildung aus acht Quadraten nur ein Rechteck bilden kann, ergibt sich ein Gegenbeispiel.
Dieses belegt, dass ein Quadrat, welches wiederum aus Quadraten besteht, gleich lange
Seiten haben muss.
Eine sehr interessante Beobachtung hinsichtlich des „Zusammenbegründens“ ist der Stunde
vom 28.11.2011 zu entnehmen. Das Agieren im Forschertreff, welcher in dieser Einheit aus
maximal vier Schülern bestand, stellte sich nicht immer als einfach heraus, dass es galt,
maximal vier Vorgehensweisen hinsichtlich des Argumentierens zu berücksichtigen. Hinzu
kommt, dass die vorliegenden Ergebnisse hinsichtlich des Begründens mathematischer
Zusammenhänge nicht allen Schülern der Gruppe genügte und Wege zu finden waren, neue
Argumente aufzustellen oder Argumentationen zu erweitern. Aus diesen Annahmen heraus,
begründet sich die Abkapslung der beiden Jungen von der Kleingruppe (siehe Anhang
Nebendiskussion).
Um einer
Entdeckung
zur
allgemeingültigen Vergrößerung des
Flächenumfangs nachzugehen, gingen diese in Partnerarbeit über, da die Mädchen keinerlei
Interesse zeigten dieser zu folgen. An dieser Stelle könnte vorsichtig vermutet werden, dass
den Schülerinnen die rein mentalen Handlungen der beiden Jungen nur mit Hilfe ihrer
aufgezeichneten Tangram-Figuren zu abstrakt erscheinen. Dabei stellte XXX den Versuch
auf, XXX zu begründen, wie der Umfang seiner erstellten Tangram-Figur durch das
Verschieben bzw. Auseinanderziehen zweier Tan-Figuren weiterhin vergrößert werden
könnte. Im Vorfeld wurde die Regel aufgestellt, dass sich die Seiten der anliegenden Seiten
berühren müssen. Seine Begründung ist plausibel, denn
110 U: […] Wenn du das hoch schiebst und das runter, dann
111 könnte man das Kleine runter schieben und das bleibt immer noch da dran.
(Nebendiskussion)
Das impliziert die Begründung: Wenn die Tan-Figuren so verschoben werden, ein kleiner Teil
der Seitenlänge zweier Tan-Figuren noch aneinander liegt. So kann die nach außen
verschobene Seitenlänge der jeweiligen Tan-Figuren zum Flächenumfang gerechnet werden
und trägt zur Vergrößerung des Umfangs der Tangram-Figur bei. Es spitzte sich eine
spannende Diskussion zu, da XXX irrtümlicher Weise der Meinung war, dass XXX sich nicht
an die Legeregel hielt. Somit lehnte er Ulrichs Begründung vehement ab. Nach der verbalen
Begründungsform, welche mit der ikonischen Darstellung gekoppelt war, folgte die
Verlagerung des Problems in die enaktive Darstellungsebene, da diese erlaubte die bereits
mentalen Handlungen in eine wirkliche Handlung umzusetzen. Jedoch löste auch diese
Darstellungsform die unterschiedliche Auffassung der Legeregel nicht, sodass Albert die
Begründung in der Vergrößerung des Flächenumfangs ausschließlich in der Drehung
ausgewählter Tan-Figuren seiner Tangram-Figur sah.
119 A: Doch, weil guck mal. Hier bleibt das nur noch übrig (zeigt auf das äußere große
120 Dreieck) Also kann ich das einfach drehen und dann reinsetzten.
Auf eine Begründung hinsichtlich der Drehung wurde in der handelnden Phase nicht weiter
eingegangen, da die Diskussion leider durch Martha gestoppt und für nichtig erklärt wurde.
Letztendlich tragen beide Ergebnisse neben den bereits aufgestellten Begründungen dazu
bei, den Flächenumfang einer aus einer bestimmten Anzahl geometrischen Figuren
bestehende Gesamtfigur allgemeingültig zu vergrößern, wobei der Flächeninhalt gleich
bleibt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Schüler einer vierten Jahrgangsstufe in der
Lage sind, die von Bezold beschriebene Argumentationskette zu durchlaufen, wobei nur in
wenigen Fällen ein bewusstes Hinterfragen der geometrischen Zusammenhänge bzw.
Entdeckungen stattfand. Die Handlungen der Schüler bezogen sich auf mathematische
Zusammenhänge innerhalb des Tangrams. Somit setzten sich die Argumentationen aus
einer Fragestellung, die sich aus der Initiierungsphase ergab und dem Beleg anhand von
Beispielen zusammen.
Da es galt, mathematische Zusammenhänge im Bereich Raum und Form zu erschließen,
wählten die Kinder die zeichnerische bzw. ikonische sowie die operative Begründungsform.
Die operativen Begründungen basierten oft auf verbalen Beschreibungen oder ikonischen
Darstellungen. Da die Schüler im Verlauf der prozessbezogenen Planung einfache bis
komplexe geometrische Sachverhalte ggf. mit Hilfestellung lösten, war zu beobachten, dass
sie dementsprechend ihre Argumentationen von einfachen Begründungen zu komplexen
schlüssigen Begründungen weiterentwickelten. Dazu wendeten sie zunehmend häufiger
Kausalzusammenhänge
in
Form
einer
„Wenn-Dann-Beziehung“
für
komplexe
Zusammenhänge an, die eine Begründung implizieren. Ihre Argumentationen wurden durch
die zunehmende Verwendung mathematischer Fachbegriffe verstärkt.
Welche methodischen Möglichkeiten eigenen sich zur Förderung der Argumentationskompetenzen? Jeder Stunde der Unterrichtseinheit lag das Vier-Phasen-Unterrichtsmodell
nach
Bezold
zugrunde,
welches
durch
immer
gleichbleibenden
Ablauf
der
Unterrichtsstunden ein Orientierungsrahmen für die Schüler darstellte. Den Kindern war neu,
dass sie in der Phase des individuellen Entdeckens keine Fragen stellen durften. Sie waren
zunächst verunsichert, da sie ohne Tipps zurechtkommen mussten. Im Verlauf der
Unterrichtseinheit gewannen sie an Selbstvertrauen, sodass auch die leistungsschwächeren
Schüler ein selbstständiges Ergebnis erzielen konnten. Vor allem die leistungsstarken
Schüler der Klasse arbeiteten sehr eifrig, da sie für sich sein konnten und nicht unmittelbar in
einen Wissensaustausch treten mussten. Diese Phase war für jedes Kind gewinnbringend
und motivierend, da jeder nach seinem Leistungsniveau etwas entdecken konnte. Für
Schüler in der vierten Klasse ist es wichtig, dass sie sich selbstständig mit Aufgaben
auseinandersetzen können.
Der Forschertreff, die Phase des gemeinsamen Forschens, stellt für die Schüler eine
gewohnte Unterrichtsform dar. Die Voraussetzung für eine funktionierende Gruppenarbeit ist
die Festlegung eines Ablaufs. Dieser wurde durch die Kinder in einer auf die
Unterrichtseinheit vorbereitenden Stunde selbstständig erstellt. Der Ablauf wurde von der
Autorin für jede Stunde aufgegriffen und in eine Art Arbeitsauftrag schriftlich fixiert. Im Laufe
der Unterrichtseinheit stellte sich heraus, dass hingegen der Aussagen nach Bezold,
schriftlich
fixierte
Arbeitsaufträge
sehr
nützlich
waren.
Sie
dienten
lediglich
als
Orientierungsrahmen und kamen auch nur dann zum Einsatz, wenn die Gruppenarbeit
stockte. Neben der inhaltlichen Erschließung stand die Selbsttätigkeit der Schüler im
Vordergrund, sodass der Lehrende vor allem die Handlungen beobachtete und bei Bedarf
die Rolle des Beraters übernahm. Die Hilfestellungen bezogen sich in der Regel nicht auf
inhaltliche Tipps, sondern auf das strategische Vorgehen, um das Entdecken und somit das
Argumentieren voranzubringen. Jedoch stellte es sich oft als schwierig heraus,
abzuschätzen, an welchen Stellen eine Unterstützung stattfinden könnte und welche Tipps in
diesem
Moment
sinnvoll
sind.
Das
„Zusammenargumentieren“
zu
geometrischen
Sachverhalten stellte zunächst eine große Herausforderung dar. Dabei gelang es den
Schülern der Beobachtungsgruppe zunehmend sachlich aufeinander einzugehen und
Argumente miteinander aufzubauen. Auch die leistungsschwachen Schüler wie XXX
profitierten von der Gruppenarbeit. Schüler die „weniger“ entdeckten, waren in der Lage, den
Erklärungen ihrer Mitschüler zu folgen und aufzunehmen sowie einen Transfer aus ihren
Ergebnissen
zu
ziehen.
Sie
entwickelten
für
das
Ergebnis
gewinnbringende
Begründungsideen, die sie jedoch nicht verständlich verbalisieren konnten. Diese wurden
von der Gruppe aufgegriffen und verständlich dargestellt bzw. ‚übersetzt‘.
Für die Schüler war und ist die die Präsentationsphase von großer Bedeutung, denn hier
durften sie ihre Ergebnisse darstellen und sich austauschen. Dabei nutzten sie vor allem
Sprachmuster wie „Wir haben entdeckt, dass …“. An dieser Stelle war es für die Schüler der
jeweiligen Kleingruppen zunächst schwierig, nicht ausschließlich die einzelnen Ergebnisse
voneinander
unabhängig
zu
präsentieren.
Im
Verlauf
der
Unterrichtseinheit
war
diesbezüglich ein Fortschritt zu erkennen, da die Schüler zunehmend in der Lage waren,
aktiver zuzuhören, die Präsentation somit flexibler zu gestalten und bereits vorgetragene
Ergebnisse nicht eins zu eins wiederzugeben. Selbstständig formulierten sie die Ergebnisse
mit anderen Worten und teilten ggf. ausschließlich ergänzende Informationen mit. Somit
beinhaltete der Lernprozess herauszufinden, was für neue Sachinformationen den Beitrag
erweitern. Zunehmend konnten sie auf Fragen eingehen und ihre Ergebnisse kritisch
betrachten und auch überdenken. Da den Kleingruppen offen stand, wer die Ergebnisse
vorträgt, war zu beobachten, dass in jeder Stunde in der Regel die gleichen Schüler
präsentierten. Das könnte abgeändert werden, indem im Verlauf der Unterrichtseinheit jedes
Kind der Kleingruppe dazu aufgefordert wird und die Gruppenmitglieder diesen Beitrag
lediglich unterstützen.
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