KlangWellen 2.4.09 Rudolf-Steiner Haus „Vier Dimensionen für gemischtes Ensemble“ Komponistenwerkstatt Luigi Nono Luigi Nonos "Polifonica - Monodia - Ritmica" ist ein Schlüsselwerk der Darmstädter Schule, eines der ersten Werke, in denen im Anschluß an die Zweite Wiener Schule und insbesondere den pointillistisch interpretierten Spätstil Anton Weberns die Reihenorganisation der Tonhöhen zu einer Serialisierung auch der anderen musikalischen Parameter: Rhythmus, Dynamik, instrumentale Farben weitergeführt wird. Die überaus erfolgreicheUraufführung am 10. Juli 1951 fand im Rahmen der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik statt. In Begleitung des Hamburger Komponisten Jürgen Hall haben sich Schüler des HansaGymnasiums Bergedorf intensiv mit Luigi Nonos „Polofonica-Monodia-Ritmica“ auseinandergesetzt. Die entstandene und selbst aufgeführte Eigenkomposition wird dem Originalwerk – gespielt durch das Ensemble Resonanz - gegenüber gestellt. Von einer Frage zu einer erfolgreichen Aufführung – ein langer Weg Angefangen hatte es mit einer Frage. Einer Frage, die jedem Schüler bekannt ist, einer Frage die eigentlich immer zum Ende eines Semesterthemas hin auftaucht: Was ist unser nächstes Thema?! Was machen wir im nächsten Semester?! Sie bringt so manchen Lehrer in Verlegenheit, Verweise auf einen unmöglichen Lehrplan werden gemacht, die Behörde ist an allem Schuld. Nicht jedoch in unserem Fall – was uns erwarten sollte, war ein Projekt dessen Ausmaß wir nicht einmal erahnen konnten. Es war ein langer Weg, den wir, der Musikgrundkurs S2 vom Hansa-Gymnasium Bergedorf (tatkräftig unterstützt von LuiKameraden), gehen würden, aber mit einem Ziel, dass sich auf jeden Fall gelohnt hat. Nun aber erst einmal die Antwort auf die besagte Frage: Wir schreiben ein Stück. So etwas sitzt, gerade wenn man nicht Mozart Junior heißt und auch sonst im Komponieren recht unerfahren ist. Der Erleichterungsseufzer folgte jedoch sofort, denn wir würden vom Komponisten Jürgen Hall eingewiesen und mit Ideen unterstützt werden, und uns gleichzeitig an einem avantgardistischen Stück des italienischen Komponisten Luigi Nono orientieren können. Nichtsdestotrotz kam man mit gemischten Erwartungen und Gefühlen zum ersten Treffen im Januar, denn zum einen ist „neue“ Musik nicht jedermanns Priorität und zum anderen war die Sorge da, dass mit 17 Kursmitgliedern Unstimmigkeiten praktisch vorprogrammiert sind. Und dann war es da, das erste Treffen. Die einzige Vorbereitung bestand darin, sich Nonos „Polifonica – Monodia – Ritmica“ gründlich anzuhören, vielleicht um sich auch seelisch ein bisschen auf die kommenden Wochen einstellen zu können. Zum Glück wurden alle Bedenken von Beginn an verworfen – der Komponist war sympathisch, wir mussten uns auch nicht sofort ans Notenschreiben heranwagen, sondern haben nach einigen Hörerlebnissen ähnlicher Musik zur Einstimmung eine sehr interessante und kreative „Probierstunde“ gehabt. Sprich: Alle Instrumentenschränke wurden aufgeschlossen und in Gruppen von ca. vier Schülern konnten wir uns ein bisschen „austoben“, mit Klängen und Stimmen experimentieren und so mit mehr oder weniger geglückten kurzen Improvisationsstückchen schon einmal erahnen lassen, was in uns steckt. Ähnlich wie die erste Sitzung sah auch die zweite aus: Man experimentierte mit neuen Techniken, wie z. B. mit dem „inside piano“ (hierbei werden die Saiten eines aufgeklappten Flügels gezupft, behämmert oder sonstwie bearbeitet, und es entstehen tolle Flächenklänge) und mit Klängen (man streiche ein Becken mit einem Bogen und bekommt einen gänsehautreifen Klang) und fragte sich hin und wieder, wann die zündende Idee für unser Stück kommen würde. Auf die Sprünge half uns dann endlich eine Hausaufgabe, in der man mithilfe der Reihentechnik eine eigenes kleines Stück entwerfen sollte. Die Reihentechnik sieht dabei folgendermaßen aus: Man schreibe alle zwölf Töne in beliebiger Reihenfolge hintereinander auf und lasse aus dieser Reihe, die wiederholt, gespiegelt oder auch versetzt notiert werden kann, ein kurzes Stück entstehen (daher auch der Name Zwölftonmusik). Aus den verschiedensten, teilweise sehr kreativen und anspruchsvollen „Reihenstücken“ hat man sich in den kleinen Einzelgruppen eines ausgesucht, und versuchte es sinnvoll und klanglich ansprechend zu intonieren und zu erweitern. Was einfach klingt, erwies sich als recht kompliziert und diverse Fragen schossen einem im ersten Moment durch den Kopf – welche Instrumente passen zum Beispiel zueinander und können dann auch gleichzeitig von einem Gruppenmitglied gespielt werden? Oder: Inwieweit kann und muss das Stück erweitert werden, um am Ende eine gewünschte Länge zu erreichen? In unserer Gruppe leuchtete, wie so oft, die besagte Glühbirne kurz vor der zeitlichen Deadline auf – und beruhte gleichzeitig nicht selten auf einem winzigen Ideeneinwurf, der aber dann, unter Einwirkung von Zeitdruck und mehr oder weniger gutem Improvisationstalent zu einem Stück wurde, das später den 2. Satz unseres Gesamtwerkes andeutete. Aller Anfang ist schwer, dachten wir. Dass aber auch das Weitermachen kein Eisschlecken ist, haben wir früh genug herausgefunden, denn nachdem nun ein Grundgerüst und ein erster Notenentwurf da waren, blieben auf einmal die Ideen aus. Kreativ sein ist anstrengend! Zum Glück gab es aber immer noch unseren betreuenden Musiklehrer Herrn Solinsky und den begleitenden Komponisten, und beide haben sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, dass unsere Stücke am Ende doch fertig wurden und auch die Anlehnung zu Nonos „Inspirationsstück“ zeigten. So beinhaltet unser Stück z.B. nicht nur verschiedene Klänge, sondern auch recht komplizierte Rhythmen und einen, wenngleich kurzen, Schlagzeugteil, welcher uns schon an Nonos Stück am besten gefiel. (Der rhythmische Aspekt wurde außerdem in den Sätzen der anderen Gruppen immer wieder aufgegriffen.) Nach diversen Übungs- und Kompositionsstunden, die dann zum Ende hin ein doch vorzeigbares Objekt erahnen ließen, kamen auch schon die nächsten Herausforderungen: das Einstudieren und Notieren der Stücke. Da viele Schüler auch in „fremden“ Sätzen mitgewirkt haben, musste, um das Einstudierte klar und nachvollziehbar zu machen, natürlich eine Partitur her. Man denke sich nun, dass Noten schreiben ja nicht besonders schwer sein könne. Aber wie z. B. notiert man auf einer Partitur, dass ein Schlüsselbund auf die Flügelsaiten fallen gelassen werden soll, oder ein Plastikrohr auf der zweiten ertönenden Tonstufe gleichmäßig geschwingt werden muss?! Eine graphische Darstellung musste her. Doch dann kam schon das nächste Problem, denn schließlich sollte unser Werk auch für nachfolgende Generationen verständlich sein... Aber schließlich, nach etlichen Kämpfen mit Stift, Notenpapier und Notationsprogramm, hatten wir vier Sätze schwarz auf weiß vor uns liegen, mit etlichen Anekdoten und Erklärungen gespickt, und man hatte schon fast das Gefühl, am Ziel zu sein. Doch es fehlte etwas. Etwas sehr Wichtiges – ein Name. Wenn schon Eltern sich mit der Namensgebung ihrer Kinder schwer tun, wie sollte es dann sein, wenn sich 17 Komponisten einen passenden Namen für ihr Werk überlegen? Schwierig, in der Tat. Es gab definitiv viele tolle und kreative Vorschläge, in mindestens drei verschiedenen Sprachen, welche die unterschiedlichsten Dinge beschrieben. Letztendlich siegte ein recht nüchterner Titel (angelehnt an Nonos Titel) nach dem Prinzip der Mehrheitswahl und geboren waren „4 Dimensionen für gemischtes Ensemble“ Was dann folgte, waren intensivste Proben, auch ein Samstag musste dran glauben, Veränderung der Reihenfolge und Besetzung sowie letzte Verbesserungsvorschläge und Erweiterungen, bis es dann am 2. April soweit war – das Konzert stand vor der Tür, oder besser gesagt wir standen vor dem Konzertsaal des Rudolf-Steiner Hauses in Hamburg, mit zwei Autos voller Instrumente und viel Aufregung. Im Rahmen eines Konzertes des Ensemble Resonanz haben wir unser Werk vorgetragen – ein wahres Experiment mit Stimmen, Klängen, Rhythmen und einem Handywecker, von dem die Zuschauer mehr als angetan waren. Der Applaus am Ende war die Mühe wert und hat den langen, nicht immer einfachen, Weg auf jeden Fall belohnt! Persönlich bin ich seit diesem Projekt um einige Erfahrungen und Erlebnisse reicher, es war eine höchst interessante, aber auch anstrengende Zeit, in der ich viel Neues gelernt und ausprobiert habe. Auch wenn solche Art von Musik nicht unbedingt meinem Geschmack entspricht, war es ein lohnenswertes und erfolgreiches Kompositionsprojekt mit einem Ergebnis, mit dem viele von uns nicht gerechnet haben – unser Werk ist wirklich ein kleiner Erfolg! An dieser Stelle geht noch einmal ein Dank an Herrn Solinsky und Herrn Hall, ohne die es zu diesem Projekt gar nicht erst gekommen wäre und natürlich ein Gruß an alle beteiligten Schüler – denn als Gruppe sind wir definitiv durch unser gemeinsames Werk fester zusammengewachsen. Johanna Schulz