Sanierung von Eigenheimen: Ausgangslage und Lösungsansätze Gut motiviert geht die energetische Gebäudesanierung besser Herbstforum Altbau 11.11..2015 Dr. Julika Weiß IÖW – Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin Dr. Immanuel Stieß ISOE – Institut für sozialökologische Forschung, Frankfurt Inhaltsübersicht 1. Ausgangslage – Einsparpotenziale und Sanierungsaktivitäten – Motive, Hemmnisse und Zielgruppen 2. Ansatzpunkte zur Motivation der Eigentümer/innen 2 – Eigentumsübertragung – Weitere Sanierungsanlässe und Ansätze Hintergrund: Zentrale Projekte zu selbstnutzenden Eigentümer/innen – Enef-Haus: grundlegendes Forschungsprojekt zur energetischen Sanierung durch Eigenheimbesitzer/innen – Motivation, Hemmnisse, Sanierer-Zielgruppen – Einsparpotenziale, Sanierungsaktivitäten, Wirtschaftlichkeit – Empfehlungen für politische Instrumente – EiMap: Kommunikationsstrategie Eigentumserwerb – Entwicklung und Erprobung einer Kommunikationsstrategie zur energetischen Sanierung beim Eigenheimerwerb – Gebäude-Energiewende: Angepasste Sanierungsstrategien – Nachhaltige Sanierungsstrategien v.a. in Abhängigkeit der Situation der Eigentümer/innen, der sozio-demographischen Lage der Region sowie des Gebäudetyps 3 Ausgangslage Vorhandene Einsparpotenziale sind hoch – Energetischer Zustand: bei Großteil der älteren Ein- und Zweifamilienhäuser (53 % bis 1968 errichtet) schlecht – Jeweils rund 60 % mit Heizwärmebedarf > 160 kWh, ohne Außenwanddämmung (v.a. umfassende Dämmung selten), heizen nicht mit Brennwertkessel oder erneuerbaren Energien/KWK – Einsparpotenzial EFH: v.a. durch Dämmung Außenwand und Dach / OGD sowie Einsatz erneuerbarer Energien / KWK – Einsparpotenzial 35 Mio. t CO2äq/a (Dämmung nach EnEV) - gut 20% der Emissionen für Wärmebereitstellung privater Haushalte – Energetische Sanierungen oft wirtschaftlich, aber: – potenzialträchtigste Maßnahmen erfordern hohe Investitionen, haben lange Amortisationszeiten und rechnen sich nur im Sanierungszyklus 5 Quelle: Projekt Enef-Haus (Weiß/Dunkelberg 2010) Fortschreibung Sanierungsraten bis 2050 100 Dach 90 80 Fassade 70 Fußboden / Kellerdecke [%] 60 50 40 30 20 10 0 2010 6 2020 Quelle: Projekt Enef-Haus (Weiß/Dunkelberg 2010) 2030 2040 2050 Sanierungsmotive und -anlässe – Sanierungsanlässe sind akute Defekte, Eigentumserwerb sowie eine vorsorgeorientierte Sanierung – Zentrale Motive für energetische Sanierung sind – Energie einsparen, Kosten senken – Wohnklima verbessern – Werterhalt/Wertsteigerung des Hauses – häufig Motivallianzen mit Klimaschutz, Haus verschönern, Technikinteresse, Unabhängigkeit von Öl und Gas, etc. – Selbstnutzende Eigentümer/innen führen Sanierungen vorwiegend für die eigene Nutzungsphase durch – Nachnutzung / Verkaufbarkeit der Immobilie von geringer Relevanz 7 Quelle: Projekt Enef-Haus (Stieß et al. 2010) und Projekt Gebäude-Energiewende (Gossen/Nischan 2015) Altersverteilung der Haushaltsvorstände - Sanierer vs. Nicht-Sanierer 2005-2008 n = 616 Angaben in Prozent 6 über 70 19 9 60 bis unter 70 8 50 bis unter 60 unter 30 0,2 1 8 10 7 40 bis unter 50 30 bis unter 40 13 4 14 9 Sanierer Nicht-Sanierer Hemmnisse gegenüber einer energetischen Sanierung schwer/selten schwer/häufig Nicht machbar (baulich/technisch) Kein (weiterer) Kredit Ungewisse wirtschaftliche Zukunft Denkmalschutz Kein Interesse Zeit fehlt Kreditrahmen f. Haus ausgeschöpft Einflussmöglichkeit Rechnet sich für Alter nicht mehr Technologien nicht ausgereift Befürchtung v. Bauschäden leicht/ selten Häufigkeit 9 Haus in gutem Zustandnicht notwendig Finanzielle Mögl. fehlen Planung/ DurchfühRentabilität rung zu schwierig unklar Angst v. Dreck und Stress unseriösen Anbietern Fakten Finanzbarrieren Einstellungen Baulich-technische Barrieren Ängste und Bedenken Quelle: Projekt Enef-Haus (Stieß et al. 2010) fehlende Perspektive geringes Involvement leicht/häufig Sanierer-Zielgruppen Engagierte Wohnwertoptimierer 20% Überzeugte Energiesparer 25% Desinteressiert Unwillige 14% Unreflektierte Instandhalter 12% 10 Quelle: Projekt Enef-Haus (Stieß et al. 2010) Aufgeschlossene Skeptiker 29% Ansatzpunkte zur Motivation der Eigentümer/innen Allgemeine Ansatzpunkte – Zielgruppenbezogen kommunizieren – An zielgruppenspezifische Motivallianzen anknüpfen – Bestehende Hemmnisse abbauen – Zielgruppenspezifische Informationskanäle nutzen – Bedürfnisgerechte Differenzierung von Informations- und Beratungsangeboten – Unterschiedliche Erwartungen von Eigenheimbesitzern adressieren – Eigenheimbesitzer anlass- und situationsbezogen ansprechen – Bezug zu Sanierungsanlass und -situation herstellen – Konkrete Informationen zum eigenen Gebäude vermitteln 12 Anlässe für die Ansprache von Eigenheimbesitzern Akute Defekte • Handlungsdruck • Fokus auf Einzelmaßnahmen • Kaum aktive Suche nach Beratungsangebote Vorsorgeorientierte Sanierung • Ältere Gebäude mit größerem Sanierungsbedarf • Offenheit für das Thema Sanierung • Ansatzpunkte für energetische Sanierung aufzeigen Eigentumserwerb • Immobilienerwerber für energetische Sanierung sensibilisieren • Ansprache zu einem frühen Zeitpunkt des Entscheidungsprozes ses ansprechen • Kooperation mit Banken, Maklern etc. Eigentumsübertragung als Gelegenheitsfenster – Pro Jahr wechseln in Deutschland derzeit etwa 150.000 Ein- und Zweifamilienhäuser den Besitzer – Etwa drei Viertel der Käuferinnen und Käufer von Wohneigentum sanieren anschließend das erworbene Gebäude – In vielen Fällen werden energetische Sanierungsmaßnahmen nicht oder nur teilweise umgesetzt – Sanierungspflichten werden teilweise durch Hauskauf ausgelöst – Gesetzliche Pflichten sind vielen (Neu-)Eigentümern nicht bekannt – Zeitpunkt für wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen verstreicht ergebnislos! => Erhebliche Potenziale für den Klimaschutz im Gebäudebereich bleiben daher für einen längeren Zeitraum ungenutzt 14 EiMap – Kommunikationsstrategie Eigentumserwerb – Entwicklung von Kommunikationsbausteinen für Erwerber/innen von Einfamilienhäusern – Zentraler Baustein: „Wegweiser Hauskauf“ – Kontaktaufnahme als Einstieg in personenbezogen Kommunikationsprozess zu möglichst frühem Zeitpunkt im Entscheidungsprozess – Umsetzung durch Energie-/Klimaagenturen, Verbraucherberatung, weitere Multiplikatoren – Erprobung in drei Regionen mit Bremer Energiekonsens, Klimaschutzagentur Region Hannover und Verbraucherzentrale NRW 15 – Entwicklung eines übertragbaren Konzepts – Leitfaden für Kommunen / Regionen / etc. Wegweiser Hauskauf – von der Ansprache zum Dialog 16 Quelle: Projekt EiMap (Stieß/Weiß et al 2015) Eigentumserwerb – Entscheidungsprozess und Multiplikatoren 17 Quelle: Projekt EiMap (Stieß/Weiß et al 2015) Motivation durch den Wegeweiser Der Wegweiser hat mich motiviert… 18 Basis: 54 Hauskäufer/Erbe; 25 Nicht-Hauskäufer/Erben Quelle: Projekt EiMap Wirkung des Wegweisers – Hauptsächlich wurde die geplante Zielgruppe (Hauskäufer/ Erben) erreicht; zusätzlich weitere Eigentümer/innen – niederschwelliges Kommunikationsangebot für Zielgruppe – war eine wichtige Informationsquelle – motiviert zur Auseinandersetzung mit Thema, zur Nutzung weiterer Informationsangebote und zum Dialog mit Expert/innen (Energieberatung unterschiedlicher Anbieter) – Energieberatung liefert wichtige Impulse für Auswahl sinnvoller Maßnahmen und Art und Zeitpunkt der Umsetzung – Großteil Empfänger/innen führte energetische Sanierungen durch / plant diese; Mappe dafür meist „ergänzende Hilfe“ – Zielgruppe hat im Schnitt fast 30 % der Primärenergie eingespart 19 Schaffung und Nutzung von weiteren (energetischen) Sanierungsanlässen – Sensibilisierung für den Zustand des Eigenheims und Aufzeigen von Möglichkeiten – Kampagnen mit aufsuchender Beratung: z.B. Energiekarawane Rhein-Neckar, „Gut beraten starten“ Region Hannover - eignet sich für Gebiete mit hohem Sanierungsbedarf – Kostenlose Initialberatungen durch Handwerker – Planvoller Umgang mit akuten Defekten – Gebäudeindividueller Sanierungsfahrplan – Andere Sanierungsanlässen und –motive nutzen – Sicherheit / Einbruchschutz, Altersgerechter Umbau – Veränderung der genutzten Fläche (An-/Ausbau) 20 – Verschönerung des Gebäudes Weitere Ansatzpunkte – Eigenheimbesitzer/innen brauchen Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Sanierungen – wichtig ist dabei Sichtbarkeit, Neutralität und Qualität der Angebote – Regionale Sanierungsnetzwerke: Bekanntheit von Angeboten, können Qualitätssicherung betreiben (Bsp. Bremen, Allgäu) – Bauinfozentren: umfassende (+neutrale) Informationen zu Sanierungsmöglichkeiten (z.B. München, Münster, Elztal) – Plattformen, Klimaschutzagenturen und Beratungsangebote vor Ort – Finanzieller Spielraum der Eigentümer/innen häufig eng – Finanzierungsberatung, Zuschüsse, Steuererleichterungen – hohe energetische Standards sicherstellen 21 – Förderung, Beratung, Best-Practise-Beispiele, Ordnungsrecht Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Julika Weiß IÖW – Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin [email protected] 11.11.2015