titelthema | glasFassaden Dreifach-Isolierglas oder mehr? Von Andreas Bittis Bieten heutige Dreifach-Isoliergläser das technische Optimum an oder ist der nächste Schritt die flächendeckende Einführung von Vierfach-Isoliergläsern, um noch mehr Energie sparen zu können? Der Beitrag beleuchtet, warum eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Gebäudehülle energetisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller ist, als die den niedrigsten technisch noch machbaren U-Wert bei Verglasungen anzustreben. Dreifach-Isolierglas SGG Climatop Ultra N im Lighthouse Düsseldorf: Das Gebäude wurde mit einem DGNB-Zertifikat in Silber aufgrund des nachhaltigen Fassaden- und Energiekonzeptes ausgezeichnet. Energie sparen mit Glas ist und bleibt ein spannendes Thema. War der 3-scheibige Aufbau vor fünf Jahren noch ein Nischenprodukt, lag der Anteil von 3fach-Verglasungen laut Bundesverband Flachglas in 2012 bereits bei 54,5 Prozent und 2013 bei 57 Prozent. Tendenz steigend. 3fach-Verglasungen sind somit der Standard. Damit ist genau der Effekt eingetreten, den die Verschärfung der EnEV seinerzeit bewirken wollte. Energieeffizientere Gebäudehüllen tragen erheblich dazu bei, Energie zu spa- 8 FASSADE 5/2014 ren und den CO2-Ausstoß zu senken. Mehr noch: Der Generationswechsel von klassischen Wärmeschutzgläsern zu hochmodernen Energiespargläsern lässt die ehemalige Schwachstelle Fenster heute zu einer NettoWärmegewinnfläche werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Clima­plusSecuritPartners Eckelt Glas aus Steyr in Zusammenarbeit mit Dr. Peter Holzer, Leiter des Departments für Bauen und Wohnen der Donau-Universität Krems, und der SaintGobain Glass Deutschland GmbH, denn eine Vergrößerung der Verglasungsanteile – bei ansonsten gleichbleibenden Rahmenbedingungen – führte in allen untersuchten Varianten zu einer Senkung des Heizwärmebedarfs. Zwei weitere entscheidende Komponenten Parallel zur stärkeren Marktdurchdringung der 3fach-Verglasung fand eine stetige Verbesserung bei den Sonnen- und Wärme- Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH / Christoph Seelbach Gesamte Gebäudehülle im Fokus: Größe zeigen ... schutzgläsern statt. Heute sind wir mit Ug-Werten von 0,4 W/ m²K an einem – auch bauphysikalischen – Grenzpunkt angelangt, an dem wir uns fragen sollten, wie viel Herstellungsaufwand rechtfertigt eine weitere Stelle hinter dem Komma: eine Frage ganzheitlicher Lebenszyklusbilanzierung. Energieeinsparung beginnt ja nicht erst dann, wenn der Nutzer das fertige Gebäude bezieht, sondern schon beim Herstellungsprozess der einzelnen Bauteile und seiner Komponenten. So gibt es neben der einfachen „Aufdickung“ vom Zweifach- zum 3fach-Glas mindestens zwei Komponenten bei der Isolierverglasung, mit denen eine bessere Dämmung der Gebäudehülle mit vergleichsweise geringem Aufwand erreicht werden kann: Die erste Komponente ist der IsolierglasAbstandhalter, die sogenannte „Warme Kante“. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag, bessere Wärmedurchgangskoeffizienten von Fenstern (Uw) und Fassaden (Ucw) zu erreichen. So hat das kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt des Bundesverbandes Flachglas „Äquivalente Wärmeleitfähigkeit Warme Kante“ ergeben, dass für eine vergleichbare Verbesserung dieser U-Werte an anderer Stelle erheblich mehr Aufwand betrieben werden muss, zum Beispiel bei Rahmen- oder Fassadenprofilen. Die aktualisierten Datenblätter des Bundesverband Flachglas „Psi-Werte Fenster“ erleichtern es wesentlich, die Uw-Werte von Fenstern mit Warme Kante zu ermitteln. Kurz: Werden bei 3fach-Isoliergläsern künftig qualitativ hochwertige Produkte der Firma Swisspacer von Saint-Gobain standardmäßig verwendet, ergeben sich allein dadurch weitere Verbesserungen in der Dämmungsleistung. Die zweite Komponente betrifft die Fensteranschlüsse in energetisch optimierten Gebäudehüllen. Durch die besser gedämmten Außenwände ist es ebenso erforderlich, wärmetechnisch optimierte Lösungen bei Fensteranschlüssen anzuwen- den. Die DIN 4108-2 formuliert die Mindestanforderungen an den Wärmeschutz im Bereich von Wärmebrücken. Denn eine niedrige raumseitige Oberflächentemperatur kann das Wohnklima beeinträchtigen und zu Tauwasser und Schimmelbildung führen. Hier arbeiten Saint-Gobain Unternehmen wie Saint-Gobain Glass, Isover und Weber mit weiteren Partnern aus der Industrie gemeinsam an Systemlösungen. Ganzheitliche Betrachtungsweise – Zukunftsmethode BIM An den oben skizzierten „energetischen Stellschrauben“ – von der Schichtenentwicklung über die Isolierglasproduktion bis hin zu den Fassadenanschlüssen – lässt sich erkennen, welche Parameter die Gesamtperformance der gläsernen Gebäudehülle beeinflussen. Hilfreich in diesem Zusammenhang wird sicherlich auch BIM sein. BIM ist die Abkürzung für „Building Information Modeling“ und steht damit gleichermaßen für die zeichnerische Darstellung in 3D als auch für die Verwaltung aller notwendigen technischen Informationen zur Planung und Simulation des zu planenden Gebäudes. Saint-Gobain Glass unterstützt künftig Architekten bei der Planung mit BIM durch verschiedene BIM-kompatible Objekte wie zum Beispiel das „Saint-Gobain Fenster“ oder die „Saint-Gobain Pfosten-RiegelFassade“, die auf der Datenbank www.BIMobjects.com hinterlegt werden. So bietet BIM dem Planer den großen Vorteil, das Gebäude auf Basis eines gemeinsamen 3D-Modells deutlich effizienter und genauer zu planen, zu bauen und zu verwalten. Wir stehen hier am Anfang einer neuen Baukultur; einer Kultur, die nicht nur die Prozesse transparenter und nachvollziehbarer machen wird, sondern auch die Industrie mit ihrem technischen und materialspezifischen Know-how direkter in die Planung mit einbezieht. ... leicht gemacht mit Schiebetüren. Das nennen wir „Technik für Ideen“ Extreme Öffnungsweiten mit bis zu 6 Flügeln, exzellente Wärmedämmung, höchster Bedienkomfort und Funktionen wie Einbruchhemmung bis RC2 sind Ihre Garanten für maximale Kundenzufriedenheit. Jetzt neu: Auch in dreibahniger Ausführung optional mit barrierefreier Schwelle. Hier finden Sie die Technik für Ihre Ideen: www.wicona.de [email protected] titelthema | glasFassaden Saint-Gobain Glass dämm-Maßnahmen schon funktionell dort an ihre Grenzen stoßen, wo Wärmeverluste aufgrund von transparenten Teilen wie Fenstern nicht mehr durch eine Verbesserung der nichttransparenten Teile wie Kellerdecke, Dach oder Außenwände ausgeglichen werden können. Denn je niedriger der mittlere U-Wert des Gebäudes sein soll, desto bedeutender werden die U-Werte der transparenten Teile und ihr flächenmäßiger Anteil. Fazit Der U-Wert von Dämmstoffen halbiert sich mit der Verdopplung der Dämmstoffdicke. Dies hat zur Folge, dass nach anfänglichen starken U-Wert-Verbesserungen bei dünnen Dämmstoffdicken die Dicken sehr stark ansteigen, um noch einen U-Wert zu verringern, ohne den Null-U-Wert je erreichen zu können (asymptotische Näherung). Hieraus ergibt sich eine Grenze der Dämmstoffdicke als wirtschaftlich konstruktive Optimierungsaufgabe. Die U- Werte von Glas folgen zwar nicht einer stetigen Funktion der Dicke, doch auch hier lassen sich weitere Verbesserungen nur mit sehr hohem Aufwand realisieren. Nachhaltigste Lösung für Gebäudehüllen im Blick Natürlich geht allen technischen Lösungen eine detaillierte und intensive Auseinandersetzung aller am Projekt Beteiligten – Planer, Verarbeiter, Bauherren und Industrie – voraus. Bauphysik und Baukosten sind somit zwei Seiten ein und derselben Medaille: Einfach „nur dämmen“ greift zu kurz. Denn: Der bauliche Wärmeschutz – ausgedrückt durch den U-Wert – folgt einem mathematisch-physikalischen Gesetz: Mit immer mehr zusätzlichem Aufwand für die Dämmung wird immer weniger Nutzen in Form von eingesparter Heizener- 10 FASSADE 5/2014 gie erzielt. Dies kann leicht rechnerisch nachvollzogen werden: In einer mathematischen Darstellung folgen U-Werte einer Hyperbelfunktion. Das bedeutet, dass im steilen Ast der Hyperbel – das heißt bei schlechten, also hohen U-Werten – mit wenig Dämmaufwand eine große Verbesserung der Wärmedämmung erreicht werden kann, während bei bereits guten, also niedrigen U-Werten zusätzliche Dämmung nur einen sehr geringen Zusatznutzen bewirkt. Vereinfacht ausgedrückt: Mit immer mehr Aufwand, sprich: Dämmung, wird immer weniger Nutzen, sprich: eingesparte Heizenergie, erreicht. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bauliche Wärme- Zielsetzung eines effizienten baulichen Wärmeschutzes muss es sein, nicht den niedrigsten technisch noch machbaren UWert anzustreben, sondern die energetisch, ökologisch und wirtschaftlich sinnvollste – und damit nachhaltigste – Lösung zu ermitteln. Grundlage einer solchen Ermittlung ist stets das Gegenüberstellen des Nutzens zum Aufwand, heißt: niedriger Energiebedarf zur zusätzlichen Dämmung. Da gibt es noch viel zu tun – und mit Dreifach-Isoliergläsern bestehen gute Voraussetzungen für weitere Verbesserungen. Andreas Bittis ist Objektberater bei der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH.