Fachorgan des Sanitätsdienstes der Bundeswehr 59. Jahrgang - Heft 2 - 20. Februar 2015 Wehrmedizinische Monatsschrift Herausgegeben durch das Bundesministerium der Verteidigung Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. WMM_2_U1.indd 1 05.02.15 10:31 HUMANITATI • PA TR LL EH SE RP HAR DEUTSC HE GE Kongresse & Fortbildungen mit Industrieausstellungen M AZIE E.V. • • SC IE • IAE NT E IA Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) W SC HA FT FÜ UN R W E M E D I ZI N HR D Kongresskalender 04. - 06.03.2015 13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden, Damp 20. - 21.03.2015 13. Aufbaukurs Allergologie, Ulm 04. - 07.05.2015 21th Nuclear Medical Defense Conference, Munich 29. - 31.05.2015 Jahrestagung des Deutschen SanOA e. V., Berlin 01. - 04.06.2015 COMEDS Plenary Meeting, Berlin 09. - 11.06.2015 1. Fachkolloquium Zahnmedizin, Kloster Banz/Bad Staffelstein 23.06.2015 Fortbildung im Rahmen der „Kieler Woche“, Kiel 07. - 09.07.2015 9. TCCC - Tactical Combat Casuality Care, Pfullendorf 15. - 17.10.2015 46. Kongress der DGWMP e. V., Oldenburg 29.10.2015 12. Notfallsymposium, Westerstede 13. - 15.01.2016 2. Arbeitstagung Zahnmedizin des Kdo RegSanUstg, Damp 27. - 29.01.2016 23. Jahrestagung ARCHIS, Hamburg 02. - 04.03.2016 1. Arbeitstagung des Kdo RegSanUstg Diez in Damp Bundesgeschäftsstelle 10. - 13.05.2016 Medical Biodefense Conference, Munich 08. - 10.06.2016 2. Arbeitstagung des Kdo RegSanUstg Diez in Lahnstein Neckarstraße 2a 53175 Bonn 29. - 30.06.2016 CMC - Combat Medical Care Conferece, Ulm 06. - 08.10.2016 47. Kongress der DGWMP e. V., Ulm Telefon 0228/632420 Fax 0228/698533 E-Mail: [email protected] Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. re N e äh m w dg de p. w. w w n ne tio a rm fo In : er t un WMM_2_U2.indd 1 06.02.15 11:54 A5_Veranstaltungsvorschau03.02.15.indd 1 06.02.15 09:29 33 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, vor Ihnen liegt eine Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift, die sich im Schwerpunkt mit Themen aus den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie befasst. Damit stellen nach dem Schwerpunktheft zur Unfall- und Einsatzchirurgie von Dezember 2014 zwei sogenannte “kleine Fächer“ ausgewählte Schwerpunkte aus ihrem Fähigkeits- und Aufgabenspektrum vor, die zeigen sollen, dass speziell in der Wehrmedizin erst durch das multidisziplinäre Zusammenwirken aller Fachgebiete und Approbationen die von unseren Soldatinnen und Soldaten zu erwartende Behandlungsqualität insbesondere im Auslandseinsatz erbracht werden kann. Aus der Psychiatrie geben der Leiter des Psychotraumazentrums am Bundewehrkrankenhaus Berlin, Oberstarzt PD Dr. Zimmermann, und sein Team einen Überblick über die Entwicklung psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr und stellen ausgewählte Studien- und Forschungsprojekte zur Prävention und Behandlung vor. Hieraus ist deutlich zu erkennen, welche Weiterentwicklung dieses Fachgebiet in den letzten Jahren genommen hat und wie der “way ahead“ aussieht. Als Originalarbeit von einem Autorenteam um Oberfeldarzt d. R. Professor Dr. Kropp aus Teupitz wird das Ergebnis einer Studie zum Zigarettenkonsum von Soldaten vorgestellt und, daraus abgeleitet, die Notwendigkeit adäquater Präventions- und Entwöhnungsangebote aufgezeigt. Dieser Beitrag ist ein Beweis dafür, dass wissenschaftliches Arbeiten in unserem Sanitätsdienst nicht auf Kliniken und Institute beschränkt ist, sondern auch in regionalen Sanitätseinrichtungen möglich ist. Die neurologischen Themen werden von einem Beitrag eingeleitet, der zeigt, dass über Ursachen, Symptome und Folgen der früher als harmlos eingeschätzten Commotio cerebri neu nachgedacht werden muss. In meinem Artikel über “mild traumatic brain injuries“ wird zudem deutlich, dass Ergebnisse aus der wehrmedizinischen Forschung auch im Fachgebiet Neurologie Eingang in die allgemeine klinische Medizin finden. Oberfeldarzt Dr. Harth aus Ulm stellt dann zusammengefasst die häufigsten Läsionen peripherer Nerven vor und zeigt auf, welche Maßnahmen zur Erkennung, Vermeidung und Erstbehandlung jeder Truppenarzt treffen kann. Der Beitrag von Oberfeldarzt Dr. Stark aus Hamburg gibt einen umfassenden Überblick über neurologisch bedingte Schlafstörungen und die heute zur Verfügung stehenden diagnostischen Verfahren. Die wehrmedizinische Relevanz dieser Thematik wird deutlich, wenn man die Auswirkungen mangelnden bzw. nicht erholsamen Schlafes auf die psychophysische Leistungsfähigkeit insbesondere unter Einsatzbedingungen bedenkt. Aus diesem Grunde werden auch Screeningmöglichkeiten zum Thema Tagesschläfrigkeit im Rahmen einer Studie am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg erforscht, die in der Rubrik “Aus Forschung und Wissenschaft“ in diesem Heft vorgestellt wird. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, ich hoffe, dass wir Ihnen mit dieser Ausgabe einige wehrmedizinisch interessante Aspekte aus den Fachdisziplinen Psychiatrie und Neurologie nahe bringen können und wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre. Ihr PD Dr. Frank Weber Oberstarzt Ärztlicher Direktor der Neurologischen Abteilung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm Inhaltsverzeichnis ISSN 0043-2156 Heft 2/59. Jahrgang Februar 2015 Editorial 33 Weber, F. Wehrspychiatrie Zimmermann, P., Alliger-Horn, C., Wesemann, U., Willmund, G.D. 34 Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr Schura, R., Wesemann, U., Zimmermann, P., Kropp, S. Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr 38 Neurologie Weber, F. Mild Traumatic Brain Injury 42 Harth, A. Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag 45 Stark, R. Schlafstörungen aus neurologischer Sicht 50 Aus Forschung und Wissenschaft Forschungsprojekt Tagesschläfrigkeit 55 Aus dem Sanitätsdienst 56 Personalia 57 Aus der Nato 61 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. 62 Buchbesprechungen 63 Titelbild: Proband im Schlaflabor der Abteilung Neurologie, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Demonstration durch Stabsunteroffizier Alexander Laskowski, Hamburg) Bildquelle: Sandra Herholt, BwKrHs Hamburg Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 33 06.02.15 13:26 34 Wehrpsychiatrie Aus dem Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie (Leiter: Oberstarzt PD Dr. P. Zimmermann) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin (Chefarzt: Flottenarzt Dr. K. Reuter) Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr Update: Psychiatric Disorders in the German Armed Forces Peter Zimmermann, Christina Alliger-Horn, Ulrich Wesemann, Gerd Dieter Willmund Zusammenfassung Psychische Erkrankungen haben mit einer 12-Monats-Prävalenz von 20 bis 23 % einen hohen Stellenwert im wehrmedizinischen Behandlungsspektrum der Bundeswehr. Eine herausgehobene Position nehmen dabei einsatzbedingte psychische Erkrankungen ein. In den letzten 20 Jahren hat sich die wehrpsychiatrische Therapie umfassend gewandelt. Vielfältige präventive und komplementärmedizinische Angebote haben sich parallel etabliert. Ziel dieses Beitrages ist es, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Prävention, Behandlung, Begutachtung und Forschung zu psychischen Erkrankungen in der Bundeswehr zu geben und zu diskutieren. Schlagworte: Psychiatrie, Bundeswehr, Entwicklung, Therapie Summary Psychiatric disorders have, due to prevalence rates of 20 to 23 %, an outstanding position in Military Medicine of the German Armed Forces. Deployment-related diseases are of special importance. Within the last 20 years treatment approaches and treatment settings have substantially changed in the German Armed Forces and numerous preventive and therapeutic elements have been established. The aim of this article is to give an overview concerning recent developments in prevention, treatment, evaluation and research in the field of psychiatric disorders in the German Armed Forces. Keywords: psychiatry, German Armed Forces, treatment, development Einführung Psychische Erkrankungen, Reaktionen und Belastungen sind seit der Antike immer wieder als direkte Folge militärischen Handelns beschrieben und diskutiert worden. Sie treten in vielfältigen und vor dem jeweiligen soziokulturellen Hintergrund variablen Erscheinungsformen auf [1]. Dementsprechend sind auch immer wieder unterschiedliche ätiologische und syndromatische Zuordnungen von Symptomkomplexen im militärischen Kontext vorgenommen und diskutiert worden. Die Wehrpsychiatrie der Bundeswehr nahm nach dem 2. Weltkrieg ihren Neuanfang zunächst als Begutachtungspsychiatrie mit eher diagnostischen Schwerpunktsetzungen. Seit Mitte der 90er Jahre hat jedoch durch das wachsende Engagement in Auslandseinsätzen ein substanzieller Wandlungsprozess eingesetzt, der bis heute anhält. Zunehmend häufiger erwarten Soldaten von der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung eine professionelle psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung nach aktuellsten und auch zivil gültigen Standards, die zusätzlich militärspezifische Aspekte integriert und typischen Erfordernissen und Besonderheiten des Soldatenberufs gerecht wird. In dem Bestreben, diesem Anspruch umfassend nach zu kommen, haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Veränderungen und Bereicherungen des psychiatrisch-psychologischen Versorgungssystems entwickelt, die im Folgenden exemplarisch dargestellt werden sollen. Erscheinungsformen und Prävalenzen psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr In den Jahren 2010 bis 2013 hat die Bundeswehr im Auftrag des Deutschen Bundestages eine großangelegte Studie zur Art und Häufigkeit psychischer Erkrankungen in der Bundeswehr durchgeführt. Das wissenschaftliche Team, das diese Studie durchgeführt hatte, bestand aus Mitarbeitern der Technischen Universität Dresden, Fachbereich Psychologie, sowie des Psychotraumazentrums der Bundeswehr, das als integraler Bestandteil des Bundeswehrkrankenhauses Berlin im Jahr 2009 eingerichtet wurde. Zu den Ergebnissen sind bereits zahlreiche Publikationen erschienen (u. a. [2, 3]), weitere stehen noch aus. In dieser Studie wurden umfangreiche standardisierte Interviews bei insgesamt ca. 3 000 Soldaten durchgeführt, die einen methodisch sehr präzisen Einblick in das einsatzbedingte und nicht-einsatzbedingte psychiatrische Krankheitsgeschehen bei Soldaten geboten haben. 20 bis 22,5 % aller Soldaten mit und ohne Auslandseinsatz litten in einem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Befragung unter einer psychiatrischen Erkrankung. Am häufigsten waren Angststörungen, depressive Erkrankungen, Suchterkrankungen, somatoforme Störungen sowie die posttraumatische Belas- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 34 06.02.15 13:26 P. Zimmermann et al.: Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr tungsstörung. Dabei gab es Unterschiede zwischen Einsatzsoldaten und ihren Inlandskameraden. Bei ersteren standen vor allem Angststörungen (im Wesentlichen die Agoraphobie) sowie die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) im Vordergrund, in der Kontrollgruppe ohne Einsatz waren es Angststörungen und depressive Störungen. In der Einsatzgruppe waren es bei 20 % der Einsatzteilnehmer vor allem bereits vorbestehende psychische Erkrankungen, die das Risiko für eine psychische Symptomatik nach dem Einsatz signifikant erhöhten. Die Art der Stressoren im Einsatz hatte demgegenüber nur einen geringen Einfluss auf die Symptomatik [3]. Auch die Einsatzdauer wirkte sich nur mäßig auf das Erkrankungsrisiko aus; besonders gefährdet waren Soldaten, die Kampftruppen angehörten und länger als sieben Monate im Einsatz waren [4]. In ersten Pilotstudien des Psychotraumazentrums scheinen sich einsatzbedingte psychische Erkrankungen auch anhand von Veränderungen im funktionellen MRT sowie im Blutspiegel von Omega-3-Fettsäuren abzubilden. Die Auswertungen dazu sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus wird das einsatzbedingte Erkrankungsgeschehen von persönlichen Risiko- und Schutzfaktoren beeinflusst. Dazu zählen individuelle Wertorientierungen. In zwei kürzlich veröffentlichen Studien des Psychotraumazentrums trugen Wertorientierungen wie Hedonismus, die eine persönliche Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund stellen, eher zu einer geringeren depressiven, ängstlichen und posttraumatischen Symptombelastung nach Auslandseinsätzen bei, wohingegen Wertbildungen, die mit Kameradschaft in Beziehung stehen, z. B. Universalismus und Benevolenz (die Orientierung am Wohl anderer und der Gemeinschaft) signifikant mit einer erhöhten Krankheitsschwere assoziiert waren [5]. Auch im Auslandseinsatz selbst kann es zu psychischen Belastungen oder Erkrankungen kommen. Diese hängen u. a. von einsatzspezifischen Stressoren ab, die sich im Verlaufe verschiedener Kontingente verändern können. So standen 2009 in der fachärztlichen Untersuchungsstelle Psychiatrie und Neurologie in Afghanistan akute Belastungsreaktionen und PTBS im Vordergrund, die auf die umfangreichen Gefechtsaktivitäten zurückzuführen waren. Im Jahre 2012 dagegen war der Psychiater vor Ort eher mit Anpassungsstörungen befasst, die vor allem aus dienstlichen Konfliktfeldern mit Kameraden oder Vorgesetzten bzw. mit dem heimischen Umfeld resultierten [6]. Die Krisenintervention und initiale Behandlung derartiger Erkrankungen ist unter den Bedingungen eines Feldlazarettes gut möglich. Dazu gehören auch traumatherapeutische Interventionen bis hin zur Traumakonfrontation. Eine solide fachgerechte Ausbildung ist dafür allerdings erforderlich. Kommt eine solche Behandlung nicht zustande oder ist die Erkrankung zu schwerwiegend, werden psychisch erkrankte Soldaten nicht selten auch vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen aus dem Einsatzgebiet repatriiert. Eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Kooperation mit dem Psychotraumazentrum ergab, dass offenbar vor allem jüngere Soldaten, Mannschaftsdienstgrade, sowie Kampftruppensoldaten eine Vulnerabilität für zur Repatriierung führende psychischen Erkrankungen aufweisen [7]. 35 Prävention psychischer Erkrankungen Um eine psychische Erkrankung während oder nach dem Einsatz zu verhindern oder die Früherkennung zu erleichtern, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Präventivmaßnahmen in der Bundeswehr etabliert. Zentrale Elemente der Primärprävention vor Auslandseinsätzen und der Sekundärprävention während und nach Auslandseinsätzen, sind in dem neuen Rahmenkonzept „Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldaten und Soldatinnen“ des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr zusammenfassend dargestellt worden und sollen nach der Evaluation noch durch weitere Maßnahmen ergänzt werden. Es handelt sich dabei allerdings nicht um psychotherapeutische Ansätze im engeren Sinne, da diese der Wiederherstellung der Gesundheit bei bereits bestehender psychischer Erkrankung dienen. Die Basis für die präventiven Angebote in der Bundeswehr soll in Zukunft ein “Psychological Fitness Screening“ darstellen, das als truppenpsychologisches Instrument die truppenärztliche Überprüfung der Einsatzverwendungsfähigkeit und der Einsatzfolgen ergänzen wird. Die angewandten Testungen, deren Auswahl derzeit im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes des psychologischen Dienstes und des Psychotraumazentrums erfolgt, werden Aufschluss über die psychische Situation, aber auch über die Ressourcen von Einsatzteilnehmern geben und bilden dann den Ausgangspunkt für notwendige weitere Schritte. Einsatznachbereitungsseminare sollen auf eine Woche verlängert werden und dadurch einen größeren Spielraum für ressourcenfördernde Interventionen bieten. Präventivkuren werden voraussichtlich weiterhin möglich sein, jedoch werden sie stärker zeitlich flexibilisiert und auf die Bedürfnisse der Einsatzteilnehmer zugeschnitten. Durch ihre grundsätzliche Beibehaltung würde u. a. der hohen Akzeptanz und positiven Bewertung dieses Angebots seitens der Einsatzsoldaten Rechnung getragen [8]. Auch die sporttherapeutischen Möglichkeiten an der Sportschule in Warendorf sollen vermehrt genutzt werden. Trotz dieser Standardisierungsbemühungen sollten aber auch weiterhin lokale Präventions-Initiativen möglich sein, in der beispielsweise Truppenärzte und andere Mitarbeiter psychosozialer Netzwerke Angebote konzipieren und anwenden können. Ein entsprechendes positives Beispiel wurde kürzlich in der Wehrmedizinischen Monatsschrift publiziert [9]. Ergänzt werden die bundeswehrinternen Maßnahmen durch vielfältige Angebote externer Initiativen und Träger, die Beratungsangebote, aber auch konkrete Einzelfallhilfe zur Verfügung stellen. Einen Überblick gibt die Website www.bundeswehr-support.de. Eine mögliche Zukunftsperspektive wirksamer Prävention stellt das Computerprogramm CHARLY dar. In diesem werden Bausteine wie Psychoedukation oder soziales Kompetenztraining in einer sehr strukturierten und anschaulichen Form aufbereitet und dem Teilnehmer unter psychologischer Unterstützung nahe gebracht. Insbesondere für potentiell hoch belastete Einsatzkräfte könnte dieser Ansatz, für den lediglich 1,5 Tage Durchführungszeit benötigt werden, eine hilfreiche Option darstellen. Erste Evaluationen verliefen sehr vielversprechend [10]. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 35 06.02.15 13:26 36 P. Zimmermann et al.: Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr Therapie psychischer Erkrankungen Die Therapie psychischer Erkrankungen von Soldaten erfolgt im Schwerpunkt in den Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs). In den letzten Jahren haben sich an allen fünf Häusern sowie auch in den eigenständigen fachärztlichen Untersuchungsstellen sehr differenzierte und vielfältige Behandlungskonzeptionen für einsatzbedingte und nicht einsatzbedingte psychische Erkrankungen entwickelt. Diese multimodalen Settings kombinieren Einzelgespräche mit indikationsbezogenen Gruppenprogrammen sowie komplementär-medizinischen Verfahren. Am Psychotraumazentrum sind beispielsweise tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapien, Gruppentrainings sozialer Kompetenzen sowie qualifizierte Entzüge bei Alkoholabhängigkeit mit positiven Ergebnissen evaluiert worden [11, 12]. Die therapeutischen Aktivitäten der BwKrhs werden sehr positiv und engagiert durch das Seelsorgeprojekt der Evangelischen Militärseelsorge unterstützt. Diese bietet beispielsweise die Möglichkeit, Angehörigenangebote für die Familien traumatisierter oder auch suchtkranker Soldaten mit einem für die Teilnehmer sehr geringen finanziellen Aufwand durchzuführen. Dabei hat sich die Kombination psychotherapeutischer und spiritueller Ansätze bewährt. Auch die traumaspezifische Therapie einsatzbedingter psychischer Erkrankungen erbrachte wissenschaftlich fundierte positive Veränderungen in den angewandten stationären Settings; dabei werden in der Bundeswehr insbesondere die Verfahren EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) und IRRT (Imagery Rescripting and Reprocessing) angewandt [13]. Stationäre Psychotherapie spielt in der Bundeswehr eine besonders große Rolle, da die oft weiten Entfernungen zwischen den Behandlungseinrichtungen und den Truppenteilen eine ambulante Therapie in vielen Fällen unmöglich machen. Zudem bietet das multimodale Arbeiten mit der Integration verschiedener Berufsgruppen auch wichtige Anregungen, der Nutzen für die Patienten wird so vergrößert. Einen besonderen therapeutischen Fokus stellen Schlafstörungen dar. Diese sind sowohl bei einsatz- als auch bei nichteinsatzbedingten Erkrankungen eine sehr häufige Begleiterscheinung. Im ersten Schritt werden in der Regel Maßnahmen der Schlafhygiene (beispielsweise zu finden unter www.angriffauf-die-seele.de) sowie Entspannungstrainings angewandt. Nicht selten ist dies jedoch nicht ausreichend. Das BwKrhs Hamburg hat daher kürzlich einen Schlaffragebogen entwickelt und evaluiert. Zusätzlich werden versuchsweise Verfahren wie Akupunktur mit wissenschaftlicher Begleitung angewandt; die ersten Erfahrungen sind sehr positiv [14]. Medikamentös sollte bei Schlafstörungen von der Verabreichung von Benzodiazepinen/-Derivaten Abstand genommen werden. Stattdessen bieten sich Antidepressiva an, wie Trimipramin (10 - 50 mg zur Nacht) oder Mirtazapin (15 - 30 mg zur Nacht), die kein Abhängigkeitspotential haben und die Schlafarchitektur verbessern. Bei Trauma-assoziierten Schlafstörungen mit Alpträumen könnten in den nächsten Jahren Alpha-1-Adrenorezeptorantagonisten wie Prazosin (bis 16 mg) oder Doxazosin (bis 2 - 8 mg) (im Offlabel-Use) einen verstärkten Stellenwert erlangen. Von zunehmender Bedeutung insbesondere bei einsatzbedingten psychischen Erkrankungen sind begleitende moralische Phänomene wie Schuldgefühle, Scham, aber auch Werteveränderungen durch Einsatzerlebnisse. Diese können mit speziellen Therapieformen günstig beeinflusst werden. In derzeit laufenden Projekten des Psychotraumazentrums wird die Acceptance and Commitment-(ACT)-Therapie für diese Indikation untersucht, zusätzlich kommen moralische Aspekte auch in traumatherapeutischen Ressourcengruppen zur Anwendung. Abbildung 1: Neue Broschüren des Psychotraumazentrums zu einsatzbedingten psychischen Erkrankungen für Einsatzsoldaten und deren Angehörige (erhältlich über die Fachinformationsstellen der Bundeswehr und zum Downlaod über www.angriff-auf-die-seele.de) Ebenfalls aus den Mitteln des Seelsorgeprojektes wurde ein Kinderbuch für die Kinder traumatisierter Soldaten finanziert, das seit Mitte 2014 über die Militärpfarrämter verfügbar ist. Dieses Kinderbuch wird ergänzt durch Broschüren des Psychotraumazentrums für einsatzbelastete Soldaten sowie für Ihre Angehörigen (Abbildung 1). Diese sind kostenfrei über die Fachinformationsstellen erhältlich oder können über die Webseite www.angriff-auf-die-seele.de heruntergeladen werden. Ein weiteres komplementäres Element stationärer Psychotherapien im militärischen Kontext könnten zukünftig evtl. tiergestützte Therapien sein. Vereinzelte zivile Evaluationen im englischsprachigen Raum erbrachten ermutigende Ergebnisse. Auch in der Bundeswehr sind Studien dazu angelaufen, u. a. in Koblenz und in Berlin, jedoch ist es für eine bewertende Aussage zur Wirksamkeit noch zu früh. Nach Abschluss von Therapien im BwKrhs ist nicht selten eine ambulante Fortsetzung im täglichen Leben erforderlich. Dafür greift die Bundeswehr in der Regel auf zivile Psychotherapeuten zurück. Seit 2013 können diese auch ohne Kassenzulassung (die Approbation ist jedoch zwingende Voraussetzung, um eine verlässliche Behandlungsqualität sicherzustellen) beauftragt werden und erhalten in strukturschwachen Regionen erhöhte Behandlungssätze. Bis zu 25 Sitzungen können direkt vom Truppenarzt verordnet werden. Dies stellt eine erhebliche Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgungssituation von Soldaten dar. Neben einer fachgerechten Behandlung von Soldaten sind häufig auch gutachterliche Empfehlungen oder Stellungnahmen zu psychischen Erkrankungen seitens der BwKrhs notwendig. Diese erfolgen in verschiedenen Rechtsgebieten. Am häufigsten ist die Begutachtung der Verwendungsfähigkeit als Soldat oder Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 36 06.02.15 13:26 P. Zimmermann et al.: Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr für spezielle Dienstposten, in den letzten Jahren zunehmend aber auch die Begutachtung von Wehrdienstbeschädigungen. Das Einsatzweiterverwendungsgesetz, das Einsatzversorgungsgesetz sowie die Einsatzunfallverordnung haben in diesem Bereich erhebliche Verbesserungen gebracht, so dass die fach- und zeitgerechte Erfüllung von Begutachtungsaufträgen von besonderer Bedeutung ist. Im Jahr 2013 ist ein Kompendium für Vorgesetzte entstanden, das sich u. a. auch diesen Gesetzen und Fragestellungen widmet und im Intranet verfügbar ist. Eine ebenfalls sehr wichtige Unterstützungsarbeit für die Versorgung einsatzgeschädigter Soldaten leistet der Beauftragte PTBS, der mit seinem Team sowohl Einzelfallhilfe leistet als auch Bewertungen des Versorgungssystems vornimmt und Verbesserungsvorschläge abgibt. Zusammenfassung und Ausblick Die psychiatrische Versorgung in der Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren erheblich weiter entwickelt und bietet Soldaten mit einsatzbedingten und nicht einsatzbedingten psychischen Belastungen und Erkrankungen ein breites Spektrum präventiver und therapeutischer Maßnahmen. Eine Herausforderung für die Zukunft wird darin bestehen, weitere inhaltliche, militärspezifische Adaptationen vorzunehmen, um insbesondere einsatzbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen. Dabei müssen aber auch die infrastrukturellen und personellen Ressourcen so gestaltet werden, dass die Angebote zukunftsfest und nachhaltig sein können. Die Beobachtung der Dunkelzifferstudie, dass sich derzeit nur 10 - 20 % der einsatzbedingt psychisch erkrankten Soldaten in zeitnahe psychiatrische Behandlung begeben, lässt für die Zukunft bei verbesserter Aufklärung einen wachsenden Versorgungsbedarf voraussehen. Ressourcenaktivierende therapeutische Optionen wie tagesklinische Behandlungskonzepte, die neben der täglichen psychotherapeutischen Behandlung auch eine Stärkung der Alltagsfähigkeit ermöglichen, könnten die klassischen stationären Konzeptionen sinnvoll ergänzen. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, wird auch die Weiterbildung von militärischen Vorgesetzten zu einem zentralen Anliegen, um betroffene Soldaten zeitgerecht zu identifizieren und zu einer fachgerechten Intervention zu motivieren. In der Forschung werden in den nächsten Jahren objektivierbare Marker psychischer Erkrankungen, wie beispielsweise das funktionelle MRT, im Vordergrund stehen. Auch Verbesserungen der verfügbaren therapeutischen Ansätze, z. B. durch neue therapeutische Elemente für die stationären Settings oder eine Entwicklung und Evaluation innovativer Versorgungsangebote, werden einen Fokus bilden. Hier kommen beispielsweise Internet-basierte Verfahren zur Behandlung von Depressionen oder einsatzbedingten psychischen Erkrankungen in Frage, aber auch weitere zielgruppenspezifische Forschungen, wie etwa zu bereits ausgeschiedenen Soldaten. Wünschenswert wäre in der Gesamtheit eine neue Grundhaltung in der Wehrmedizin, die die Wehrpsychiatrie als einen zentralen Bereich in einer ganzheitlichen medizinischen Betreuung von Soldaten betrachtet. 37 Literatur 1. Zimmermann P, Hahne HH, Biesold KH, Lanczik M: Psychogene Störungen bei deutschen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Fortschritte der Neurologie / Psychiatrie 2005; 73(2): 91102. 2. Wittchen HU, Schönfeld S, Kirschbaum C, Thurau C, Trautmann S, Steudte S, Klotsche J, Höfler M, Hauffa R, Zimmermann P: Wie hoch ist die Dunkelziffer? Traumatische Ereignisse und Post-traumatische Belastungsstörungen (PTBS) bei Soldaten nach Aus­ lands­einsätzen. Dt Ärztebl 2012; 109(35-36): 559-568. 3. Zimmermann P, Höfler M, Schönfeld S, Trautmann S, Hauffa R, Kowalski JT, Wittchen HU: Deployment stressors and psychiatric disorders in German soldiers - empirical structure and predictive values. ZPPP 2014 (in press). 4. Trautmann S, Schönfeld S, Höfler M, Heinrich A, Hauffa R, Zimmermann P, Wittchen HU: Posttraumatic stress disorder after deployment of German soldiers : does the risk increase withdeployment duration. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013; 56(7): 930-40. 5. Zimmermann P, Firnkes S, Kowalski JT, Backus J, Siegel S, Willmund G, Maercker A: Personal values in soldiers after military deployment: associations with mental health and resilience. Eur J Psychotraumatol 2014; doi: 10.3402/ejpt.v5.22939. 6. Ungerer J, Weeke A, Zimmermann P, Petermann F, Kowalski JT: Akute psychische Störungen deutscher Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. ZPPP 2013; 61(4): 273-277. 7. Zimmermann P, Seiffert A, Herr H, Radunz N, Leonhardt R, Gallinat J, Heß J: Risk factors for mental health aeromedical evacuation among German Armed Forces soldiers deployed to Afghanistan. J Mil Behav Health 2014; (in press). 8. Zimmermann P, Kowalski JT, Niggemeier-Groben A, Sauer M, Leonhardt R, Ströhle A: Evaluation of an inpatient preventive treatment program for soldiers returning from deployment. Work 2013 (in press: PMID: 23838190). 9. Hartmann D, Sauer M, Zimmermann P, Wloszczynski M: Truppenärztliche Seminare zur psychischen Einsatzvorbereitung bei Bundeswehrsoldaten. Wehrmed Monatsschr 2013; 57: 206-209. 10.Zimmermann P, Alliger-Horn C, Willmund G, Dunker S, Kowalski JT: Integration moderner Medien in das psychosoziale Versorgungsangebot deutscher Soldaten. ZPPM 2013; 11(2): 35-49. 11. Zimmermann P, Alliger-Horn C, Kowalski JT, Plate S, Wallner F, Wolff E, Ströhle A: Treatment of avoidant personality traits in a German Armed Forces inpatient psychiatric setting. Mil Med 2013; 178(2): 213-217. 12.Zimmermann P, Kröger N, Willmund G, Ströhle A, Heinz A, Hahne HH: Inpatient short-term group psychotherapy – a therapeutic option for Bundeswehr soldiers? Psychosoc Med 2008; 5: 1-8. 13.Alliger-Horn C, Mitte K, Zimmermann P. Vergleichende Wirksamkeit vom IRRT und EMDR bei kriegstraumatisierten deutschen Soldaten. Trauma und Gewalt 2014 (in press) 14.Eisenlohr V, Römer HW, Zimmermann P. Akupunktur – eine neue Option in der Behandlung traumatisierter Bundeswehrsoldaten? Dt Zschr Akupunktur 2010; 53(2): 29-34. Korrespondierender Autor Oberstarzt Privatdozent Dr. med. Peter Zimmermann Bundeswehrkrankenhaus Berlin Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie Scharnhorststraße 13 10115 Berlin E-Mail: [email protected] Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 37 06.02.15 13:26 38 Aus dem Sanitätsversorgungszentrum Mittenwald¹ (Leiter: Oberfeldarzt Dr. C. Fürlinger), der Abteilung VIb – Psychotraumazentrum (Leitender Arzt: Priv. Doz. Oberstarzt Dr. P. Zimmermann) am Bundeswehrkrankenhaus Berlin² (Chefarzt: Admiralarzt Dr. W. Titius, MBA) und der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Asklepios Fachklinikum Teupitz und Lübben³ (Chefarzt: OFA d. R. Prof. Dr. S. Kropp, MBA) Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr Cigarette Dependence among German Soldiers Richard Schura¹, Ulrich Wesemann², Peter Zimmermann² und Stefan Kropp³ Zusammenfassung Zigarettenkonsum kann sich sowohl unmittelbar negativ auf die Einsatzfähigkeit auswirken als auch langfristige schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Die derzeitig hohe Prävalenz der Tabakrauchabhängigkeit bei Soldaten als Risikofaktor für weitere gesundheitliche Schädigungen steht in der wehrmedizinischen Truppenversorgung oft an nachrangiger Stelle, weshalb das Etablieren effizienter Präventionsprogramme und Therapieangebote in der Bundeswehr weiter geboten erscheint. Schlagworte: Bundeswehr, Soldaten, Rauchen, Abhängigkeit, Entwöhnung Summary Cigarette smoking has negative impact on military readiness and can cause long-term harmful health effects. However, current high prevalence of tobacco dependence among soldiers is a significant risk factor but still largely neglected by military medical care. Therefore an establishment of effective preventive measures and treatments is necessary. Keywords: Bundeswehr, soldiers, smoking, dependence, cessation und Bronchialkarzinome [5]. Ferner wird die Regenerationsfähigkeit des Gewebes und das Immunsystem des Körpers negativ beeinflusst, weshalb es nach Verletzungen oder operativen Eingriffen häufiger zu Störungen der Wundheilung kommen kann sowie ein allgemein erhöhtes Risiko durch Infektionskrankheiten vorliegt [6, 7]. Darüber hinaus schädigt das Rauchen die Augen, den Zahnhalteapparat und schränkt die Fruchtbarkeit ein [8]. Mechanismen der Abhängigkeit Für die Entstehung der körperlichen Abhängigkeit beim Konsum von Zigaretten ist im Wesentlichen das Nikotin verantwortlich [9]. Der Effekt auf den Konsumenten ist bivalent, abhängig von Nikotindosis und Situation wirkt es als Antriebssteigerung (niedrigere Dosis) oder Sedierung (höhere Dosis). Die Dosis wird über die Tiefe der Inhalation sowie Frequenz gesteuert. Das psychotrope Alkaloid wird als Gas beim Rauchen zum größten Teil durch die Lunge resorbiert, gelangt über die Blutbahn ins zentrale Nervensystem und bindet sich in kürzester Zeit an die nikotinergen Rezeptoren, wobei auch unterschiedliche Hormone und Neurotransmitter ausgeschüttet werden (Tab. 1). Tab. 1: Biochemische Wirkung des Nikotins [10, 11] Neurotransmitter Einführung Das Rauchen von Feinschnitt-Tabak in Form der Zigarette ist heute sowohl in Deutschland als auch weltweit die mit Abstand beliebteste Konsumart der herba nicotiana [1]. Das Tabakrauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit [2, 3]. Die dadurch verursachten zahlreichen Erkrankungen sind jährlich global für den Tod von über sechs Millionen Menschen verantwortlich. Der Konsum tötet statistisch beinahe jeden zweiten Abhängigen, die Hälfte dieser vorzeitigen Todesfälle tritt bereits im mittleren Lebensalter ein [3]. Die vom Tabakrauchkonsum ausgehenden Folgen und Zusammenhänge für die Gesundheit sind in der Literatur inzwischen weitreichend beschrieben. Obwohl das Nikotin für die Entstehung der Abhängigkeit verantwortlich ist, sind es vor allem viele der weiteren Bestandteile und Zusatzstoffe im Tabak, die für die Komorbiditäten verantwortlich gemacht werden. Das Kohlenmonoxid schädigt die Gefäße und leistet dadurch Durchblutungsstörungen und Arteriosklerose Vorschub, während die Kondensatbestandteile vor allem bei der Entstehung von Krebserkrankungen eine Rolle spielen [4]. Die häufigsten Erkrankungen des Rauchens mit Todesfolge sind kardiovaskuläre Erkrankungen, chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen Wirkung Dopamin Positive Befriedung und Lustempfinden Noradrenalin Aktivitäts- und Konzentrationsförderung, Vigilanz Beta-Endorphin Stress- und Schmerzminderung Acetylcholin Wahrnehmungssteigerung Vasopressin Gedächtnissteigerung Serotonin Appetithemmung, Angstlösung, Beruhigung, Stimmungsaufhellung Serotonin (Überdosis) Nervosität, Schwindel, Schlaflosigkeit, Übelkeit Von den aufgeführten Transmittern ist es vor allem das Dopamin, das den größten Anteil an der positiven Verstärkerwirkung des Nikotins hat [12]. Es stimuliert über dopaminerge Neuronen im Mittelhirn das Belohnungszentrum des Mesolimbischen Systems im Nucleus accumbens. Die Affinität des Nikotins zu nikotinergen alpha4beta2-Acetylcholinrezeptoren ist prä- und postsynaptisch und führt zu einer generellen Aktivierung der Erregbarkeit sowie Adaption in den Neuronen [13]. Durch das chronische Zigarettenrauchen steigt die Desensibilisierung dieser Rezeptoren und führt zu einer erhöhten Ausprägung ihrer Dichte [14]. Der wiederholte Nikotinkonsum hat auch Einfluss Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 38 06.02.15 13:26 R. Schura et al.: Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr auf die Transmission von Dopamin und Serotonin durch eine Reduktion der Aktivität der Cholinacetyltransferase [15]. Das Tabakrauchen ist ein erlerntes Verhalten. Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Abhängigkeit spielen klassische Lernmechanismen. Eine der Grundlagen stellt die klassische Konditionierung dar, die im Jahre 1918 vom russischen Physiologen Iwan Pawlow entdeckt und beschrieben wurde [16]. Im Falle des Rauchers wird ein Verhalten (Verlangen nach und Konsum der Zigarette) durch einen Reiz ausgelöst. Dieser Stimulus steht zunächst vor der erworbenen Verknüpfung dem auslösenden Verhalten neutral gegenüber. Durch häufiges Wiederholen der Abfolge einer Reiz-Verhalten-Reaktion konditioniert und manifestiert sich diese Assoziation. Der auslösende Reiz ist sehr individuell, z. B. Emotion (wie Panik oder Angst), Situation (Stress, Autofahrt, soziale Interaktion), der Anblick eines Objekts (z. B. Zigarettenschachtel, Feuerzeug) oder Konsum (z. B. Kaffee, Alkohol). Die operante Konditionierung ergänzt dieses Lernprinzip. Denn folgt auf eine spezifische Aktion ein angenehmer Effekt, so wird dieses Verhalten in Zukunft häufiger gezeigt. In gleichem Maße wird das Verhalten seltener auftreten, wenn negative Konsequenzen die Folge gewesen sind. Auch das soziale Umfeld einer Person übt Einfluss auf ihr Verhalten aus; von dieser Interaktion leitet sich die Theorie des Modelllernens ab. Diese Lerntheorie beschreibt den kognitiven Lernprozess, der vorliegt, wenn ein Individuum (Beobachter) als Folge der Beobachtung des Verhaltens anderer Individuen (Modell) sowie der darauffolgenden Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen aneignet oder schon bestehende Verhaltensmuster weitgehend verändert [17]. Eron [18] fügte der Theorie Bedingungen hinzu, die besagen, dass zwischen Modell und Beobachter eine Ähnlichkeit sowie emotionale Beziehung zu bestehen und die soziale Macht und Status des Modells höher als die des Beobachters zu sein haben. Auch eine stellvertretende Verstärkung beim Modell muss bestehen; sieht also das beobachtende Individuum eine Konsequenz bei anderen Individuen, so kann sich das auf das Verhalten des Beobachters auswirken. Die Wahrnehmung, Erwartung und Wertung des Individuums einer Situation hat einen bestimmenden Einfluss, ob beim Stimulus auch ein Handeln ausgelöst wird und sich eine Ausbildung von Verhaltensmustern entwickelt. Diese kognitiven Aspekte sind Bindeglieder zwischen den Lernprozessen. So werden die negativen Attribute und Folgen des Zigarettenrauchens (z. B. Abhängigkeit, Morbidität, Kosten) zugunsten positiver Konsequenzen (z. B. Selbstsicherheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Gewichtsabnahme) weniger stark gewichtet [19]. 39 Prävalenz des Zigarettenkonsums bei Soldaten der Bundeswehr Die Querschnittsstudie von Trautmann et al. [22] bezüglich Tabakkonsum bei Soldaten (n = 2372, Durchschnittsalter 30 Jahre) der Bundeswehr zeigt eine Raucherquote von 55 %, wobei die Raucher täglich im Schnitt rund 16 Zigaretten konsumierten. In einer Pilotstudie untersuchten Kropp et al. [23] insbesondere den Zigarettenkonsum in den deutschen Kampftruppen (n = 264, Durchschnittsalter 25 Jahre). Der Anteil der regelmäßigen Zigarettenraucher (n = 149) betrug in diesem Untersuchungskollektiv 56,4 %, wobei in der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen Soldaten (n = 226) die Raucherquote sogar bei 59,3 % lag. Auch wurde die Graduierung der Zigarettenabhängigkeit mit Hilfe des Fagerström-Tests durchgeführt, der allgemein gebräuchlich in der Diagnostik der Zigarettenabhängigkeit ist [24] (Abb. 1). Epidemiologie des Zigarettenkonsums Epidemiologie in Deutschland Die Datenerhebungen des Robert Koch-Instituts für das Jahr 2012 ergänzen den Mikrozensus 2009 des Bundesamtes für Statistik und stellen repräsentative Werte für Deutschland dar. Demnach sterben jährlich im Durchschnitt 850 000 Menschen in der Bundesrepublik, davon bis zu 110 000 an den Folgen des Tabakkonsums. 29,7 % aller 18- bis 79-jährigen rauchen regelmäßig Zigaretten, Frauen mit 26,9 % weniger häufig als Männer, deren Anteil bei 32,6 % liegt [20]. Insbesondere in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen Männer ist die Raucherquote mit 47 % signifikant am höchsten. Rund 56 % aller regelmäßigen Raucher werden als tabakabhängige Konsumenten betrachtet [21]. Abb. 1: Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit [25] Die Suchtkriterien wurden in sechs Fragen unterteilt, die Antworten wurden kategorisiert und mittels der Gesamtpunktzahl die Abhängigkeit bestimmt, wobei verlässliche statistische Eigenschaften des Instruments belegt sind. Insgesamt hatten 63,8 % (n=95) aller Raucher einen FTNA-Punktwert von 4 oder höher, was nach der Definition von Breslau et al. [26] als deutlich abhängig gilt (Abb. 2). Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 39 06.02.15 13:26 40 R. Schura et al.: Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr Tab. 3: Raucherberatung bei Patienten ohne aktuellen Wunsch zum Verzicht [29] Kurzberatung nach den 5 R´s • Relevanz des Rauchens für das Gesundheitsproblem aufzeigen (“relevance“) • Risiken für den einzelnen Raucher betonen (“risks“) • Reize des Nichtrauchens in Aussicht stellen (“rewards“) • Riegel vor persönlichem Rauchstopp eruieren (“roadblocks“) • Repetition der Motivation vornehmen (“repetition“) Abb. 2: Graduierung der Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten [23] Tabakentwöhnung Die Tabakrauchabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung und vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Gesundheitsgefahren sollte eine Entwöhnung jederzeit angestrebt werden. Es gibt vielfältige, aber kaum zu überblickende Behandlungsangebote, sowie Techniken unterschiedlichster Genesen, Fundierungen und Vorgehensweisen. Als entscheidend für eine erfolgreiche Raucherberatung gelten die Dokumentation des Raucherstatus, die individuelle Beratung, bedarfsorientierte Vermittlung eines Tabakentwöhnungsprogramms sowie die Nikotinersatztherapie [27]. Dementsprechend werden evidenzbasierte Raucherentwöhnungsmethoden nun näher beleuchtet. Nichtmedikamentöse Therapie Die individuelle ärztliche Kurzintervention ist eine verhaltenstherapeutische Methode und benötigt einen Zeitansatz von weniger als 10 Minuten, wobei sich diese Psychoedukation als effektiv erwiesen hat [28]. Die Gesprächsführung nach den 5 “A´s“ richtet sich an Patienten, die aktuell die Motivation zum Rauchverzicht zeigen und dient der Einleitung zur Abstinenz. (Tab. 2). Tab. 2: Raucherberatung bei Patienten mit Motivation zur Abstinenz [29] Kurzberatung nach den 5 A´s • Abfragen des Raucherstatus (“ask“) • Anraten des Rauchverzichts (“advice“) • Ansprechen der Aufhörmotivation (“assess“) • Assistieren beim Rauchverzicht (“assist“) • Arrangieren der Folgekontakte (“arrange“) Bei Rauchern ohne aktuelle Rauchverzichtsabsicht sollen die folgenden “R´s“ der ärztlichen Kurzintervention zur Erhöhung der persönlichen Motivation beitragen (Tab. 3). Eine ärztliche Kurzintervention kann auch dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sich beim Raucher ein Problembewusstsein entwickelt oder eine Verhaltensänderung in absehbarer Zukunft ins Auge gefasst wird [30]. Höchste Effektivität zeigt die Intensivbehandlung im gruppen- und einzeltherapeutischen Setting [31]. Die Raucherberatung zielt darauf ab, in einem Dialog dem Raucher zu vermitteln, dass die langfristigen Vorteile der Abstinenz und die Nachteile des Konsums (bezüglich der gesundheitlichen Situation, des Gefühls der Abhängigkeit, finanzieller Aspekte) bei weitem die kurzfristigen Nachteile der Abstinenz (Angst vor dem Scheitern, Angst vor einer Gewichtszunahme, Verlust der funktionalen Bedeutung des Rauchens bei der Überwindung von Gefühlen wie Langeweile, Stress, Ängstlichkeit) und Vorteile des Konsums (soziale Verstärkung, Geschmack, belohnende Wirkung des Nikotins) überwiegen [13]. Pharmakotherapie Unterstützend zu einer psychotherapeutischen Maßnahme kann die medikamentöse Behandlung indiziert werden, wobei nach Fiore et al. [28] die Kombination beider Therapieelemente die effektivsten Langzeitergebnisse darstellen. Durch die therapeutische Substitution des Nikotins, welches im Tabakrauch primär als suchterzeugend angesehen wird, lässt sich ohne die begleitenden Schadstoffe aus dem Zigarettenrauch die sich nach dem Rauchstopp manifestierte Entzugssymptomatik mindern. Die Nikotinersatztherapie sollte unter der Beachtung möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen für die Dauer von 8 bis 12 Wochen durchgeführt und während dieses Zeitraums allmählich reduziert werden [13] (Tab. 4). Tab. 4: Therapieempfehlungen der ersten Wahl [32] Nikotinersatzstoff (NET) als Arzneimittel der ersten Wahl Wirkstoff Tagesdosierung NET als Pflaster Bei > 10 Zigaretten/Tag: 7 bzw. 8 mg/16 Std. Bei > 20 Zigaretten/Tag: 14 bzw. 16 mg/ 24 Std. Bei > 30 Zigaretten/Tag: 21 bzw. 24 mg/24 Std. Es kann eine höhere Dosisstärke für 6 Wochen, dann für weitere Wochen (eine) geringere Dosisstärke(n) verwandt werden. NET als Kaugummi 2 mg: maximal 24 Stück/Tag 4 mg: maximal 15 Stück/Tag Anwendung für 12 Wochen, dann allmähliche Reduktion Bei wiederholtem Therapieversagen der NET, aber bei weiterem bestehenden Wunsch nach Abstinenz können unter Berücksichtigung der Kontraindikationen Bupropion (Antidepressivum) und Vareniclin (Partialagonist der Nikotinrezeptoren α4β2) eingesetzt werden (Tab. 5). Therapeutische Verfahren ohne Evidenz Gegenwärtig finden sich in der Literatur keine Belege für eine anerkannte langfristige Wirksamkeit von populären Methoden wie der Akupunktur und Hypnotherapie. Auch für homöopathische Medikationen, esoterische oder suggestible Verfahren liegen keine anerkannten Nachweise vor [13]. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 40 06.02.15 13:26 R. Schura et al.: Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten der Bundeswehr Tab. 5: Therapieempfehlungen der zweiten Wahl [32] Arzneimittel der zweiten Wahl Wirkstoff Tagesdosierung Bupropion Für die ersten 7 Tage: 1 x 150mg/Tag danach Rauchstopp, ab dem 8. Tag: 2 x 150mg/Tag für 8 Wochen (zwischen den aufeinander folgenden Einzeldosen muss eine Zeitspanne von mindestens 8 Stunden liegen) Vareniclin Für 3 Tage: 1 x 0,5 mg, für 4 Tage: 2 x 0,5 mg, dann Rauchstopp, daraufhin ca. 12 Wochen Fortführung mit 2 x 1 mg (bzw. 1 x 1 mg bei Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) Präklinische und erste klinische Daten weisen auf ein Potenzial der E-Zigarette als Entwöhnungshilfe hin. Doch fehlen noch aussagekräftige Studien, die die Evidenz für die Wirksamkeit dieser Entwöhnungsmethode zeigen, weshalb derzeit keine klare Empfehlung diesbezüglich ausgesprochen werden kann [33]. Schlussfolgerungen Die dargestellte hohe Prävalenz der Zigarettenabhängigkeit bei Soldaten war wehrmedizinisch lange Zeit ein vernachlässigter Risikofaktor. Chronisches Rauchen hat nicht nur negative Folgen auf die körperliche Gesundheit, es reduziert auch nachhaltig die seelische Belastungsfähigkeit. Die bestehenden Paradigmen der truppenärztlichen Wertung und Behandlung dieser stofflichen Abhängigkeitserkrankung sollten kritisch reflektiert werden. Notwendige Präventionsprogramme und Therapieangebote der Bundeswehr hierzu gilt es weiter zu fördern und auszubauen. Dieser Artikel soll eine kompakte Übersicht zur Beratung und Behandlung von Patienten mit einer Tabakrauch­ abhängigkeit geben. Literatur 1. Dieterich CM: Dicke Luft um blauen Dunst. Marburg: Jonas-Ver- lag 1998; 25 2. DKFZ: Tabakatlas Deutschland 2009. Heidelberg: Steinkopff Verlag 2009 3. World Health Organization: REPORT on the global TOBACCO epidemic. (Datenstand: 2013): http://www.who.int/tobacco 4. 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Prof. Dr. med. Stefan Kropp, MBA Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Asklepios Fachklinikum Teupitz und Lübben Buchholzer Str. 21, 15755 Teupitz E-Mail: [email protected] Der Beitrag wird mit dem vollständigen Literaturverzeichnis im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 41 06.02.15 13:26 42 Neurologie Aus der Abteilung VI A, Neurologie, (Leiter: Oberstarzt PD Dr. F. Weber) des Bundeswehrkrankenhauses Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) Mild Traumatic Brain Injury (mTBI) – Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie Mild Traumatic Brain Injury (mTBI) – Pathophysiology, Diagnostics, and Therapy Frank Weber Zusammenfassung Das leichte gedeckte Schädelhirntrauma, früher schlicht als Gehirnerschütterung oder Commotio cerebri bezeichnet, hat unter dem Ausdruck “mild traumatic brain injury“ neue, weltweite Aufmerksamkeit erfahren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es innerhalb wie außerhalb der Wehrmedizin vermehrt diagnostiziert wird und dass die ursprüngliche Grundannahme, es handele sich lediglich um eine vorübergehende Funktionsstörung des Gehirn, nicht aufrecht erhalten werden kann. Vielmehr kommt es zu strukturellen Mikroläsionen, die sich nur mit besonderen kernspintomographischen Methoden nachweisen lassen und die wahrscheinlich die Basis für lang andauernde, vegetative, funktionelle und neuropsychologische Symptome bilden. Nicht nur im militärischen Kontext überlappen sich diese Symptome mit denen der posttraumatischen Belastungsstörung. Schlüsselworte: Schädel-Hirn-Trauma, Commotio cerebri, mTBI, Posttraumatische Stress Belastung, Explosionsverletzung Summary Mild traumatic brain injury, formerly known as concussion, as a consequence of blunt force trauma inside or outside the military environment or as a consequence of battlefield blast exposure has been of increasing concern. The original concept of the concussion as a pure functional transient disturbance of brain functions had to be revised in favour of the concept of mTBI as a substantial albeit small brain injury with morphological lesions that need special MRI protocols to be visualized. These lesions are thought to form the biological basis of neuropsychiatric sequelae. There is substantial overlap between post-concussion syndrome and post-traumatic stress disorder, and blast related mTBI seems to increase the risk of post-traumatic stress disorder. Keywords: Concussion, post-concussion syndrome, posttraumatic stress disorder, blast, explosion Einleitung Wer sich mit neurologischer oder psychiatrischer Thematik in der Wehrmedizin beschäftigt, wird in den letzten Jahren häufig mit der diagnostischen Entität “mTBI“ konfrontiert; die Abkürzung steht für “mild traumatic brain injury“. Was ist darunter zu verstehen? Auf den ersten Blick scheint mTBI nichts anderes als die bekannte Gehirnerschütterung (“Commotio cerebri“) zu sein. Die klassische Diagnose einer Commotio ist aber an zwei Voraussetzungen geknüpft, die für mTBI nicht notwendigerweise gelten: Die Commotio erfordert die Kopfkontaktverletzung, also zumindest eine Schädelprellung und den Verlust des Bewusstseins. Außerdem ging man jahrzehntelang stillschweigend von der Annahme aus, dass es sich bei der Commotio um eine vorübergehende Hirnfunktionsstörung handelt, die keine morphologischen Folgen hinterlässt. Deshalb wurde beispielsweise in der Begutachtung auf Beschwerden nach Commotio wenig Rücksicht genommen. Insbesondere die wehrmedizinische Forschung zu mTBI zeigt, dass diese Auffassung revidiert werden muss. mTBI - Prävalenz, Pathophysiologie, Klinik In den großen militärischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre (im Wesentlichen im Irak und in Afghanistan) wurde mTBI bei den Soldaten unserer Verbündeten, v. a. bei der USArmy, mit einer Prävalenz von etwa 20 % der „combat casualties“ diagnostiziert. Während es von vornherein klar war, dass eine externe Gewaltanwendung auf den Kopf durch Sturz etc. ursächlich sein kann, musste man lernen, dass auch eine indirekte Gewalteinwirkung durch Druckwellen ohne unmittelbare Einwirkung auf den Schädel (“blast injury“) eine Commotio verursachen kann. Die Symptome bestehen in einer in der Regel vorübergehenden Bewusstseinsstörung, aber später auch in unspezifischen, nicht fokal-neurologischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, leichter Erschöpfbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Verschwommensehen sowie Überempfindlichkeit gegen Licht und Geräusche. Der Verlust des Bewusstseins führt notwendigerweise zur posttraumatischen Amnesie, anterograd oder retrograd. Der Verlust oder die Störung des Bewusstseins kann aber von so kurzer Dauer sein, dass sie sich im Kampfgeschehen dem Nachweis entzieht; deshalb wurde in den USA der Bewusstseinsverlust als Definitionskriterium wieder fallen gelassen [1, 2]. Zeitlich parallel mit der weltweit intensiveren Befassung der Wehrmedizin mit Hirnverletzungen hat das Thema der gedeckten Schädelhirnverletzung in der Sportmedizin (“sport concussion“) an Bedeutung gewonnen. Wie man am Fall des deut- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 42 06.02.15 13:26 F. Weber: Mild Traumatic Brain Injury (mTBI) – Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie 43 schen Fußballspielers Christoph Kramer im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2014 (Deutschland gegen Argentinien) sehen kann, ist auch in diesem Kontext das Kriterium des Bewusstseinsverlustes ein schlechter diagnostischer Marker für mTBI. Eine epidemiologische Analyse US-amerikanischer Afghanistan- oder Irakrückkehrer hat zudem gezeigt, dass die Kriterien Bewusstseinsverlust oder Bewusstseinsstörung für Hirnverletzungen, die im Rahmen von Kampfhandlungen entstanden sind, nicht sensitiv genug sind, weil sie einerseits die Fälle fokaler Hirnläsionen ohne Bewusstseinsstörung übersehen und andererseits bei Bewusstseinsstörungen anderer Ursache (kardiozirkulatorisch, medikamentös) falsch positiv sind [2]. Blast-Injury und mTBI Die Fortleitung einer überschallschnellen Druckwelle, vorübergehend und von kurzer Dauer, kann zu Gehirnverletzungen führen (der “Shell shock“ des ersten Weltkrieges). Gut bekannt sind die Effekte auf luftgefüllte Organe, wie Blutungen in Lunge und Ohr. Trommelfellzerreissungen als Folge von Blast-Injury sind gut bekannt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass bei Patienten mit Trommelfellruptur im Kontext einer Blast-Injury immer auch mit Hirnschäden gerechnet werden muss [3]. Die Effekte auf das Hirngewebe sind noch nicht richtig verstanden; es kommt aber wohl zu Störungen der Bluthirnschranke, zu kleinen Blutungen und zu axonalen Zerreissungen. Ist das Trauma mit einer Kopfkontakverletzung kombiniert, greift der Mechanismus der diffusen axonalen Verletzung (“DAI“, diffuse axonal injury). Die Funktionen der axonalen Membranen brechen zusammen, das Membranpotential erlischt, innerhalb von Minuten dehnt sich eine “spreading depression“ aus, innerhalb von Stunden kommt es zu strukturellen Läsionen der axonalen Membranen, dies führt zu regionalen kleinräumigen Blutungen und Ödemen. Außerdem werden die Astrocyten in ihrer Funktion gestört, es kommt zur Glutamattoxicität und zahlreichen weiteren Effekten, die Gegenstand laufender Forschungen sind [3]. Diagnostik der mTBI Im Einzelfall können die Veränderungen des Gehirns diskret sein, so dass es spezieller kernspintomographischer Techniken bedarf, um sie zu erkennen. Das normale Computertomogram ist bei einem “reinen“ mTBI mit oder ohne Blast-Verletzung immer normal. Mikroblutungen sind in T2*-gewichteten Kernspintomografie-Bildern zu sehen, Läsionen der weißen Substanz, sofern sie in den gängigen T1/T2/FLAIR/DWI-Wichtungen nicht zu erkennen sind, im “Diffusion Tensor Imaging“ (DTI) [4]. Das DTI-Verfahren erscheint als besonders aussichtsreich (Beispiel siehe Abbildung 1). Die geschädigten Axone geben keine Diffusionsrichtung mehr vor (Anisotropie), die mittels DTI visualisiert werden kann. Man weiß, dass die Anisotropie sowohl im akuten wie im chronischen Stadium mit kognitiver Beeinträchtigung assoziiert ist. Als besonders vulnerabel gelten die Kommissuren, bei denen die weißen Fasern dicht gepackt sind, so der hintere Teil des Balkens. Es gibt aber noch keine Normwerte, so dass das Verfahren noch nicht breit eingesetzt werden kann. Zum jetzigen Zeitpunkt kann es deshalb nicht als etabliert gelten. Abb. 1: Beispiel für Diffusion Tensor Imaging Darstellung der Faserbündel; gleiche Faserbündel haben gleiche Farben. Man geht davon aus, dass eben diese organischen Schädigungen für die Langzeitbeschwerden der Betroffenen ursächlich sind. Rückkehrer (“Veterans“) mit mTBI, ohne oder mit Blast-Injury, haben vermehrt Kopfschmerzen, oft Migräne, häufiger andere Schmerzstörungen, vermehrt kognitive Defizite, häufiger Schlafstörungen sowie Verhaltensauffälligkeiten wie vermehrte Reizbarkeit. Und bei Rückkehrern mit mTBI kommt es häufiger zum Auftreten einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als bei Rückkehrern ohne mTBI. Langfristig dominieren Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeitsfunktionen, des Antriebs und der psychomotorischen Geschwindigkeit sowie der exekutiven Funktionen die neuropsychologische Symptomatik. Die Symptome des BlastInjury mTBI ähneln somit sehr den bekannten Symptomen nach einem “normalen“ gedeckten Schädelhirntrauma. Da die o. a. NMR-Techniken in der Regel nicht akut zur Verfügungen stehen (im Einsatz überhaupt nicht), bleibt die Diagnose weiterhin eine klinische. Wegen der bereits dargestellten Unzulänglichkeiten des Kriteriums “Bewusstseinsverlust“ kann die Diagnose auch klinisch unter Umständen erst im Verlauf gestellt werden. Überschneidung mTBI / PTBS Es gibt eine enge Beziehung zwischen PTBS und durch Blast-Injury induzierte mTBI. Die Symptomatik überlappt sich in weiten Bereichen, Blast-Injury induzierte mTBI erhöht das Risiko für die Ausbildung einer PTBS. Möglicherweise werden diejenigen Hirnareale, die für die emotionale Kontrolle zuständig sind, bevorzugt geschädigt und disponieren den Patienten zu PTBS und Depression. Die Langzeitfolgen sind neuropsych- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 43 06.02.15 13:26 44 F. Weber: Mild Traumatic Brain Injury (mTBI) – Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie iatrischer Natur und müssen deshalb multidisziplinär behandelt werden. Hier besteht ein großer Unterschied zur normalen Gehirnerschütterung, bei der kognitive Beschwerden und Symptome in der Akutphase häufig sind, aber in der Regel nach 3 bis 12 Monaten abklingen [3]. Idealtypisches praktisches Vorgehen Auch wenn Soldaten der Bundeswehr bisher kaum von mTBI betroffen sind (wahrscheinlich, weil sie relativ selten in Kampfhandlungen verwickelt waren), muss bekannt sein, wann der Verdacht auf eine substanzielle Hirnschädigung besteht [5]. Die wichtigsten Befunde hierzu sind in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Klinische Befunde einer substanziellen Hirnschädigung •Bewusstlosigkeit > 1 h (falls keine iatrogene Ursache und kein Schock), • retrograde Amnesie > 8 h und/oder anterograde Amnesie > 24 h (falls keine iatrogene Ursache), • Desorientierung und/oder Verwirrtheit > 24 h (falls keine iatrogene Ursache oder Entzug), • fokale zentral-neurologische Ausfälle (dokumentiert und dem Trauma zuzuordnen), • Bildgebungs-Darstellung von Hirnsubstanzschäden, die dem Trauma zuzuordnen sind, • EEG-Veränderungen (Allgemeinveränderung, Herdbefund) > 24 h nach Trauma mit anschließender Dynamik (falls keine medikamentöse Ursache und falls das initiale EEG adäquat abgeleitet und dokumentiert wurde, z. B. Vigilanzprüfung bei Grundrhythmusverlangsamung). Die Bewertung der genannten klinischen Befunde stößt in der Praxis häufig an Grenzen, wenn in die Primärversorgung kein Neurologe oder Neurochirurg und auch keine geeignete Bildgebung einbezogen wurde, was das Erfordernis neurologischer Fachexpertise zumindest ab der Ebene 3 begründet. Ärztliche Dokumentationen der Akutbehandlung machen oft keine genauen Angaben über Tiefe und Dauer einer Bewusstseinsstörung bzw. über Verwirrtheit, Desorientiertheit oder andere psychische Auffälligkeiten. Der Nachweis länger dauernder Bewusstlosigkeit, Amnesie oder Verwirrtheit scheitert oft an Erfordernissen der Behandlung (Sedierung, Beatmung, operative Versorgung). Ein unauffälliger somatisch-neurologischer Befund schließt eine “substanzielle Hirnschädigung“ nicht aus. Besondere Bedeutung kann ein möglichst früh (am Besten innerhalb von 24 Stunden nach Ereignis) und adäquat abgeleitetes EEG gewinnen, wenn z. B. der Vergleich mit späteren Ableitungen eine Grundrhythmusverlangsamung oder einen sich rückbildenden Herdbefund ergibt. Allerdings ist in diesem Fall auszuschließen, dass die EEG-Veränderungen durch die Gabe von Arzneimitteln bedingt waren. Die Bildgebung einer akuten traumatischen Hirnschädigung beweist diese, der Nachweis einer traumabedingten Subarach- noidalblutung (SAB) oder eines akuten subduralen Hämatoms legt sie nahe. Für den Sanitätsdienst der Bundewehr gilt für die Versorgung im Einsatz: • Patienten mit Bildgebungsnachweis einer akuten traumatischen Hirnschädigung müssen repatriiert werden, • Patienten mit normalem CCT und abnormem EEG ebenso, wenn sich das EEG nicht rasch normalisiert. Andere NATO-Nationen verfolgen eine andere Vorgehensweise. So erlauben es die britischen Richtlinien beispielsweise, einen Patienten mit der klinischen Diagnose einer mTBI bis zu 14 Tage in einer Einrichtung der Role 1 zu belassen. Die Langzeitergebnisse müssen hier abgewartet werden. Fernziel ist es, einen bildgebungsunabhängigen Biomarker zu entwickeln, der dem erstversorgenden Arzt anzeigt, ob überhaupt eine Hirnverletzung stattgefunden hat. Fazit Das leichte gedeckte Schädelhirntrauma (mTBI) führt zu Hirnsubstanzverletzungen. Der Nachweis des Bewusstseinsverlustes ist für die Diagnose nicht mehr notwendig. Die akuten klinischen Aspekte unterscheiden sich zwischen Blast-Injury mTBI und mTBI ohne Blast-Injury nicht. Im militärischen Kontext treten PTBS und andere neuropsychiatrische Folgen häufiger bei mTBI nach Blast-Injury auf. Deshalb sollten Diagnostik und Behandlung in Einrichtungen der Bundeswehr erfolgen, da im zivilen Bereich insbesondere Blast Injury als Ursache für mTBI praktisch unbekannt sind. Literatur 1. Garber B, Wang Y, Carre E t al: Mild Traumatic Brain Injury in a Military Operational Setting. RTO Technical Report 2014. STOTR-HFM-193 2. Xydakis MS, Ling GSF, Mulligan MP, Olsen CH, Dorlac WC: Epidemiological Aspects of Traumatic Brain Injury in Acute Combat Casualties at a Major Military Medical Center: A Cohort Study. Ann Neurol 2012; 72:673-681 3. Rosenfeld JV, McFarlane AC, Bragge P et al: Blast-related traumatic brain injury, www.thelancet.com/neurology, http://dx.doi. org/10.1016/S1474-4422(13)70161-3 4. Ilvesmaki T, Luoto TM, Hakulinen U, et al: Acute mild traumatic brain injury is not associated with white matter change on diffusion tensor imaging, Brain 2014: 137; 1876–1882 5. Wallesch CW, Fries W, Marx P et al: Begutachtung nach gedecktem Schädelhirntrauma. Fortschr Neurol Psych 2013: 81;511-522 Bildquelle: Abbildung 1: BwKrhs Ulm – Radiologische Abteilung Korrespondierender Autor: Oberstart PD Dr. Frank Weber Bundeswehrkrankenhaus Ulm Abteilung VIA, Neurologie Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm E-Mail: [email protected] Der Beitrag wird mit dem vollständigen Literaturverzeichnis im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 44 06.02.15 13:26 45 Aus der Abteilung VI A, Neurologie (Leiter: Oberstarzt PD Dr. med. F. Weber) des Bundeswehrkrankenhauses Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag Common lesions of peripheral nerves in military environment Andreas Harth Zusammenfassung Periphere Syndrome stellen einen beträchtlichen Anteil in der neurologischen Fachuntersuchungsstelle im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm dar. Eine rasche Erkennung der häufigen Kompressionssyndrome durch den Truppenarzt ermöglicht eine verzugslose Therapie und rasche Genesung und damit verbunden die Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Dienstfähigkeit. Die neurologische Untersuchung mit elektrophysiologischer und neurosonologischer Diagnostik sichert die Diagnose und lässt mögliche zugrundeliegende prädisponierende Faktoren wie zum Beispiel hereditäre Neuropathien erkennen. In diesem Artikel wird auf häufige Syndrome und Läsionen wie das Carpaltunnelsyndrom, das Sulcus ulnaris Syndrom, die Peroneuslähmung und Plexopathien eingegangen; auch deren rasche Behandlungsmöglichkeiten werden aufgezeigt. Schlüsselworte: Periphere Nerven, Lähmung, Kompression, Plexopathie, hereditäre Neuropathie Summary Syndromes of peripheral nerve lesions are a dominating cause for visiting the neurological outpatient clinic of the military hospital in Ulm. A fast detection of the most frequent compression neuropathies at unit level facilitates a therapy without delay, leading to fast regeneration which enables the soldier to stay fit for duty or to restore his medical fitness. The neurological examination including electrophysiological and neurosonological diagnostics is ensuring the diagnosis and sometimes reveals additional predisposing factors like e. g. hereditary neuropathies. In this article we focus on common syndromes and lesions like the syndrome of the carpal tunnel, ulnar neuropathy at the elbow, the peroneal nerve palsy and plexopathies as well as their proper and quick therapeutic strategies. Keywords: Peripheral nerves, palsy, compression, plexopathy, hereditary neuropathy Einführung Erkrankungen peripherer Nerven oder von Nervenwurzeln stellen einen beträchtlichen Anteil der Indikationen zur Vorstellung in der Neurologie dar. Ursächlich hierfür sind vorwiegend Kompressionen oder Irritationen im Rahmen degenerativer Erkrankungen wie zum Beispiel Bandscheibenvorfälle oder Engpass-Syndrome. Einen ebenso nicht zu unterschätzenden Anteil bilden die hereditären Neuropathien, welche mit einer Prävalenz von bis zu 1 : 2 500 die häufigste erbliche neurologische Erkrankung ausmachen und für periphere Kompressionssyndrome prädestinieren. Insbesondere im militärischen Umfeld erlangen diese Erkrankungen eine besondere Bedeutung, da in einzelnen Verwendungen lange Zwangshaltungen und die punktuelle Belastung an exponierten Stellen unausweichlich sind. Auch ist in diesem Zusammenhang oft die Frage zu klären, ob der Soldat in seine bisherige Verwendung zurückkehren kann, ohne weitere gesundheitliche Risiken in Kauf zu nehmen. Dieser Artikel soll dazu beitragen, die häufigen Kompressionssyndrome zu erkennen und eine frühzeitige Behandlung bereits vor der fachärztlichen Vorstellung zu ermöglichen. Eine fachärztliche Untersuchung und Diagnostik ist jedoch hierdurch nicht zu ersetzen. Anatomie Grundsätzlich ist das zentrale vom peripheren Nervensystem zu unterscheiden. Das zentrale Nervensystem umfasst das Gehirn sowie das Rückenmark, das periphere Nervensystem umfasst alle außerhalb dieses Bereichs gelegenen Strukturen wie Nervenwurzeln, Spinalnervenpaare, Plexus und periphere gemischte Nerven, aber auch die pseudounipolaren sensiblen Nervenzellkerne der Spinalganglien. Auf die Entwicklung sowie die grundlegende Organisation des Nervensystems wird im Weiteren hier verzichtet und auf die einschlägigen Lehrbücher verwiesen. Die Diagnose einer peripheren Nervenläsion kann im Allgemeinen klinisch gestellt werden und orientiert sich an entsprechenden Reizerscheinungen (Schmerz, Parästhesien) bzw. sensiblen (Beeinträchtigung der Oberflächensensibilität) oder motorischen (Paresen und Reflexverlust) Ausfällen in den jeweiligen Versorgungsgebieten des gemischten Nerven, des Plexusanteils oder der betroffenen Wurzel. Liegen Ausfälle vor, so handelt es sich um ein Kompressionssyndrom, im Falle von Reizerscheinungen um eine Irritation. Die Läsion kann zum einen akut auftreten, wie zum Beispiel im Rahmen von stumpfen oder penetrierenden Traumata, sich jedoch ebenso subakut – beispielsweise durch entzündliche Prozesse – entwickeln. Darüber hinaus sind insbesondere im Rahmen degenerativer Veränderungen schleichende Entwicklungen über Monate und Jahre möglich. Insbesondere im Falle akuter und subakuter Erkrankungen entscheiden die therapeutischen Maßnahmen der ersten Tage über den weiteren Verlauf der Erkrankung, wohingegen chronische Läsionen eine abwartende Haltung rechtfertigen können. Der Schlüssel zur Diagnose ist immer die Anamnese. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 45 06.02.15 13:26 46 A. Harth: Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag Häufige Krankheitsbilder Die im allgemeinen auch im truppenärztlichen Sprachgebrauch am häufigsten verwendeten Begriffe sind die des Carpaltunnelsyndroms (CTS) bzw. des Sulcus ulnaris Syndroms (SUS); nicht selten werden jedoch die beiden an sich grundsätzlich verschiedenen Krankheitsbilder miteinander verwechselt. Beiden gemein ist der Umstand, dass es sich um klassische Engpass-Syndrome handelt, also im Wesentlichen um Druckläsionen an natürlichen, durch den Nerv zu passierenden anatomischen Engstellen. Eine Lumeneinengung kann genauso ursächlich sein wie eine Schwellung des betreffenden Nerven; stets besteht eine Störung der Mikrozirkulation durch eine Druckerhöhung. Carpaltunnelsyndrom Ätiologie Beim CTS wird der Nervus medianus bei seinem Eintritt in die Handinnenfläche unter dem Ligamentum carpi transversum komprimiert, was zu Symptomen in seinem Versorgungsgebiet führt. Sensibel versorgt der Nervus medianus die volarseitigen Anteile der Finger I bis III sowie die radiale Seite von D IV unter Einschluss der Fingerkuppen. motorisch versorgt er die Thenarmuskulatur, der zugehörige Kennmuskel ist der M. abductor pollicis brevis. Die Läsion im Bereich des Carpaltunnels ist die bei Weitem häufigste des Nervus medianus; proximale Läsionen sind seltener und werden in diesem Artikel auch nicht weiter behandelt. Symptomatik In der Anamnese ist somit zumeist eine sensible Störung vorwiegend der Finger I bis III zu finden, motorische Ausfälle treten regelhaft erst bei fortgeschrittenem CTS hinzu. Der Patient beklagt häufig nächtliche Armschmerzen (Brachialgia praesthetica nocturna), welche sich nicht auf die Hand beschränken, sondern über den Ellenbogen bis in die Schulter ausstrahlen können und damit auch an proximaler gelegene Ursachen denken lassen. Das Ausschütteln der Hand verschafft zumindest im Anfangsstadium häufig rasche und deutliche Linderung. In der Untersuchung kann das Abspreizen des Daumens senkrecht zur Handfläche abgeschwächt sein (M. abductor pollicis brevis), der Daumen kann zum Greifen nur eingeschränkt abgespreizt werden, es findet sich das sogenannte Flaschenzeichen (Abbildung 1). Die klinische Untersuchung der weiteren Thenarmuskeln bringt wenig zusätzlichen Informationsgewinn, da diese nicht selten parallel durch den N. ulnaris versorgt werden. Das oft beschriebene Hoffmann-Tinel-Klopfzeichen (Parästhesien im Versorgungsgebiet, ausgelöst durch Klopfen auf den Nervenstamm mit den Fingern) ist ein äußerst unsicheres und von marginaler Sensitivität und Spezifität, so dass das die Abwesenheit keine Aussage erlaubt. Im Anamnesegespräch ist explizit nach auslösenden Tätigkeiten zu fragen, beispielsweise nach außerordentlicher handwerklicher Tätigkeit; dies hat großen therapeutischen Einfluss. Das Bild einer Schwurhand hat stets eine Läsion proximal des Ellenbogens als Ursache. Therapie Im Falle akuter, klar tätigkeitsbezogener Carpaltunnelsyndrome ist die passagere nächtliche Ruhigstellung mittels einer entsprechend Orthese, gefolgt von beschwerdeabhängiger Belas- Abb. 1: Flaschenzeichen (rechts) Aufgrund der Abduktionsschwäche des Daumens im Rahmen einer Medianus-Läsion kann ein runder Gegenstand nicht wie gewohnt umfasst werden. tung, in der Regel die Therapie der Wahl. Im Falle chronischer Carpaltunnelsyndrome bietet die operative Sanierung mittels Spaltung des Ligamentum carpi transversum langfristig die besten Ergebnisse. Auch im Falle ausgeprägter akuter Carpaltunnelsyndrome mit z. B. erheblicher sensibler Beeinträchtigung und daraus resultierender Behinderung (Schließen von Knöpfen nicht möglich) kann eine frühzeitige Dekompression Therapie der Wahl sein. Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch muss im Wesentlichen an eine Radikulopathie C7 gedacht werden; hier ist jedoch regelhaft der Daumen ausgespart, auch sind begleitende Cervicobrachialgien typisch. Im Falle einer Kompression ist der Tricepssehnenreflex abgeschwächt oder erloschen, was durch eine Medianusläsion nie erklärt werden kann. Im Falle eines CTS ist die DML (distal motorische Latenz) häufig über 4,2 ms verlängert (Abbildung 2). Sulcus ulnaris Syndrom Ätiologie Der N. ulnaris versorgt sensibel Dig V und den ulnarseitigen Anteil von Dig IV sowie die volare und dorsale ulnare Handkante. Er beteiligt sich nicht an der sensibeln Versorgung des Unter- oder Oberarmes. Durch bereits proximal des Ellenbogens abgehende Äste erfolgt die Versorgung der mm. flexor carpi ulnaris und flexor digitorum profundus, distal des Ellenbogens versorgt er die muskulatur des Hypothenars sowie die kleinen Handmuskeln. Das SUS wird für gewöhnlich durch eine Kompression des N. ulnaris in seinem Verlauf im Cubitaltunnel oder der Ulnarisrinne im Bereich des medialen Ellenbogens verursacht. Wie beim CTS kann einen akute vermehrte Druckbelastung, aber auch eine anlagebedingte Störung, ursächlich sein. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 46 06.02.15 13:26 A. Harth: Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag 47 Abb. 2: Neurographie bei CTS Die mit 6,2 ms verzögerte Distal motorische Latenz (DML, Normwert bis 4,2 ms) bestätigt auch elektrophysiologisch das klinisch vorhandene Carpaltunnelsyndrom. Symptomatik Die Patienten beklagen sensible Ausfälle im entsprechenden Versorgungsgebiet und über Schwäche, v. a. wenn die Gebrauchshand betroffen ist. Zunächst oft fluktuierender Verlauf bis zum Eintreten einer persistierenden Taubheit der Finger IV und V. Schmerzen finden sich in der Anamnese selten; auch ist erfahrungsgemäß nur in wenigen Fällen ein auslösendes moment zu eruieren. In der klinischen Untersuchung ist bei motorischen Ausfällen ein positives Froment Zeichen (Abbildung 3) zu finden, auch die Fingerab- und adduktion sind betroffen. Therapie Die Therapie richtet sich grundsätzlich nach dem Beschwerdebild. Das akut aufgetretene, ggf. sogar mit einer Überbelastung klar in Verbindung zu bringende SUS spricht regelhaft gut auf eine konservative Therapie an. Um weiteren Druck zu vermeiden, sollte der N. ulnaris im Ellenbogenbereich abgepolstert werden. Dies ist zum einen durch entsprechende handelsübliche Bandagen möglich, welche vom Patienten bedarfsweise angezogen werden können, aber auch bereits die nächtliche Umwickelung des betroffenen Ellenbogens mit Handtüchern ist eine effektive maßnahme. Die Operation mit oder ohne Vorverlagerung des Nerven bleibt i. d. R. Einzelfällen vorbehalten. Differenzialdiagnose Vorrangig ist an eine Radikulopathie C8 zu denken. Wie bereits im Falle des CTS ist auch hier eine Cervicobrachialgie für ge- Abb. 3: Froment Zeichen (rechts) Der Patient wird aufgefordert, einen flachen Gegenstand oder auch ein Blatt Papier mit beiden Händen bei gestrecktem Daumen zwischen Daumen und Zeigefinger zu fixieren und unter Zug zu setzen. Die Adduktionsschwäche des Daumens durch eine Läsion des Nervus ulnaris wird durch die Flexion im Daumenendglied (M. flexor pollicis longus, medianusinnerviert) kompensiert. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 47 06.02.15 13:26 48 A. Harth: Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag wöhnlich ein Begleitsymtom; auch müssen sensible Ausfälle oder Reizerscheinungen proximal des Handgelenkes an eine andere Ursache denken lassen. Im Falle einer erheblichen C8-Kompression sind weiterhin auch Paresen der Thenarmuskulatur zu erwarten. Klinisch bereitet manchmal die Differen­zialdiagnose zum Loge de Guyon Syndrom Schwierigkeiten; hier handelt es sich um die distale Kompression des N. ulnaris im Bereich des Handgelenkes mit einer dem SUS ähnlichen Symptomatik. Das Loge de Guyon Syndrom ist jedoch erheblich seltener, die Differenzialdiagnose wird elektrophysiologisch gestützt. Peroneusparese Ätiologie Der N. peroneus communis entstammt wie auch der N. tibialis dem N. ischiadicus. Der Abgang des Peroneusnerven ist sehr variabel, liegt jedoch stets proximal der Fossa poplitea. In seinem weiteren Verlauf wendet er sich nach lateral und verläuft sehr oberflächennah unterhalb des Fibulaköpfchens in den Unterschenkel. Er teilt sich in den superfiziellen und den profunden Anteil; der N. peroneus superficialis versorgt im Wesentlichen den lateralen Unterschenkel sowie den Fußrücken und die Zehenzwischenräume sensibel, weiterhin die Mm. peronei. Eine Ausnahme stellt der erste Zehenzwischenraum dar; hier handelt es sich um das sensible Versorgungsgebiet des N. peroneus profundus, welcher die gesamte Extensorengruppe des Unterschenkels motorisch versorgt. Die Schädigung des N. peroneus kann grundsätzlich auf allen Höhen erfolgen. Proximal besteht die Möglichkeit einer Ischiadicusläsion, wobei zum Beispiel im Rahmen von Druckläsionen vorwiegend die peronealen Fasern betroffen sind und der Anteil des N. tibialis keinerlei Schädigung aufweist. Die Ursache der höheren Vulnerabilität der peronealen Fasern ist bislang nicht eindeutig geklärt. Der Hauptläsionsort liegt sicherlich im oberflächlichen Verlauf im osteomuskulär begrenzten Kanal im Bereich distal des Fibulaköpfchens, wo der Nerv z. B. durch knieende Tätigkeiten, aber auch durch längeres Übereinanderschlagen der Beine komprimiert werden kann. Ein weiterer Läsionsort liegt im Unterschenkel, wo der profunde Anteil im Rahmen eines Kompartmentsyndroms Schaden erleiden kann. Symptomatik Eine vollständige Läsion des N. peroneus communis zeigt sich in einem sensiblen Ausfall im Bereich des lateralen Unterschenkels sowie des Fußrückens. Klinisch imponiert eine Fußheberparese, auch die Zehen können nicht gestreckt werden. Der Patient zeigt das klassische Gangbild eines Stepperganges. Die Pronation ist ebenso paretisch aufgrund der Beeinträchtigung der Mm. peronei. Im Falle einer Läsion des profunden Astes findet sich eine Parese der Extensoren in Verbindung mit einer Hypästhesie im ersten Interdigitalraum. Danach muss explizit in der Untersuchung gefragt werden, da bereits leichte stumpfe Traumata ein Kompartmentsyndrom auslösen können und hier alleine die zeitnahe operative Sanierung dauerhafte Beeinträchtigungen zu vermeiden vermag. Therapie Wie bei allen Druckläsionen ist die weitere Druckbelastung des Nerven unbedingt zu vermeiden. Die häufigsten Läsionen sind hierdurch bereits gut behandelbar. Im Falle eines Kompart- mentsyndroms ist die unverzügliche chirurgische Intervention unentbehrlich. Differenzialdiagnose Im Wesentlichen muss die Peroneuslähmung von der Radikulopathie L5 abgegrenzt werden. Im Falle eines L5 Syndroms mit begleitenden Paresen ist in der Regel der m. gluteus medius als L5-, jedoch nicht peroneusversorgter Muskel betroffen. Klinisch zeigt sich dies in einer Parese der Hüftabduktion sowie dem typischen Trendelenburgschen Hinken mit Herabsinken des Spielbeins bzw. positivem Hip-Lag-Zeichen (siehe WMM 10-11/14, S. 358). Läsion Plexus cervicobrachialis Ätiologie Der Plexus cervicobrachialis setzt sich aus Anteilen der Wurzeln C5 bis Th1 zusammen. Aus ihnen gehen die Nerven hervor, die die Muskulatur des Armes und des Schultergürtels versorgen. Wir unterscheiden einen posterioren, einen lateralen und medialen Faszikel sowie einen supra- und infraklavikulären Teil. Klinisch für den Nicht-Neurologen relevant sind die Aufteilung in einen oberen Plexus (C5/C6) sowie unteren Plexus (C8/Th1). Im Rahmen von Traumata, hier insbesondere Hochrasanztraumata bei Motorradfahrern, kommt es nicht selten zu erheblichen Verletzungen des Plexus, teilweise auch mit Wurzelausrissen, besonders der unteren Anteile. Auf diese erhebliche Verletzung mit auch ungünstiger Prognose wird im weiteren Verlauf nicht eingegangen, da sie in der truppenärztlichen Sprechstunde von untergeordneter Bedeutung ist. Durch Gepäckmärsche oder auch andere Belastungen der Schulter im Rahmen von Trageübungen oder auch Zwangshaltungen werden vorwiegend obere Plexusanteile in Mitleidenschaft gezogen. Im Rahmen von Prozessen der Lungenspitze (Pancoast-Tumor) kann es zu einer Infiltration oder Kompression des unteren Plexus kommen, woraus sich langsam entwickelnde Paresen oder auch ein Horner Syndrom entstehen können. Symptomatik Die Patienten können, wenn Sie mit den Beschwerden die Sprechstunde besuchen, recht klar das auslösende Ereignis schildern, auch wenn sie es nicht selbst unmittelbar kausal hiermit in Verbindung bringen. Nicht selten kommt es zum Beispiel auch noch einen Tag nach Abschluss der Übung oder des ­Ausbildungsvorhabens zu einer verzögerten Verschlechterung der Symp­tomatik. Im Falle einer oberen Plexuslähmung ­(Duchenne-Erb) sind vorwiegend die Muskeln des Schultergürtels betroffen. Am auffälligsten hierbei ist die paretische Armabduktion durch Lähmung des M. deltoideus (C5), wie aber auch die beeinträchtigte Außenrotation und – in geringerem Ausmaß – die Armbeugung. Gelegentlich findet sich im Rahmen dieser Läsionen auch eine Scapula alata. Diese wird, wenn solitär als Ausdruck einer Läsion des N. thoracicus longus vorhanden, oftmals vom Pa­tienten selbst nicht bemerkt. Sie wird klinisch apparent, wenn der Patient dem Untersucher den Rücken zudreht und den Arm antevertiert oder sich mit gestreckten Armen an der Wand abstützt. Die untere Plexuslähmung (Déjerine-Klumpke) betrifft vorwiegend die Muskulatur des Unterarmes und der Hand. Insgesamt folgen die sensiblen und motorischen Ausfallserscheinungen keinem radikulären oder peripher nervalen muster. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 48 06.02.15 13:26 A. Harth: Häufige Läsionen peripherer Nerven im wehrmedizinischen Alltag Therapie Im Falle komplexer Traumatisierungen besteht ggf. die Möglichkeit einer unmittelbaren oder verzögerten operativen Sanierung mit dem Versuch einer Anastomosierung; Wurzelausrisse sind in aller Regel einer direkten Therapie nicht zugänglich. Die Druckläsionen, welche zum Beispiel im Rahmen von militärischen Übungen oder Ausbildungsvorhaben erlitten werden, heilen zu einem großen Teil folgenlos aus, wenn auch der Verlauf protrahiert sein kann. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Schädigung kann nach Wallerscher Degeneration ein Aussprossen neuer Axone zur Regeneration notwendig werden. Im Mittel beträgt die Wachstumsgeschwindigkeit ca. 1 - 2 mm pro Tag. Wie bei allen Druckläsionen muss jede weitere darüber hinausgehende Druckeinwirkung vermieden werden. Differenzialdiagnose Stets sind radikuläre Läsionen und Erkrankungen der peripheren Nerven abzugrenzen. Im Falle einer unteren Plexuslähmung muss auch an eine Raumforderung im Bereich der Lungenspitze gedacht werden, eine unnötige zeitliche Verzögerung der ­Diagnostik muss unterbleiben. Hereditäre Neuropathien Im Rahmen der elektrophysiologischen Diagnostik können regelmäßig hereditäre Neuropathien diagnostiziert werden. Die häufigste, mit einer Prävalenz von 1 : 2 500 vorkommende, ist die Charcot marie Tooth Neuropathie. Es handelt sich hierbei um eine heterogene Gruppe von teils demyelinisierenden oder axonalen Neuropathien, die mit einer erhöhten Vulnerabilität der peripheren Nerven einhergehen. Die Diagnose wird elektrodiagnostisch gestellt und kann durch die freiwillige genetische Diagnostik gesichert werden.1 Nicht selten werden diese Störungen im jungen Erwachsenenalter klinisch manifest. Eine frühzeitige Diagnose kann einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Berufswahl leisten, da ein betroffener Soldat beispielsweise für eine infanteristische Verwendung nicht geeignet ist. Diskussion Im militärischen Alltag in der Fachuntersuchungsstelle Neurologie spielen die in diesem Artikel vorgestellten Krankheitsbilder eine wesentliche Rolle. Sie sind hier neben den noch weiter verbreiteten Monoradikulopathien durch degenerative Wirbelsäulenerkrankungen ein Hauptkonsultationsgrund. Die Diagnostik stützt sich im Wesentlichen auf die Anamnese sowie die klinischen Befunde. Gestützt wird die Diagnose durch die in der Fachuntersuchungsstelle zur Verfügung stehenden elektrophysiologischen Untersuchungen wie die Elektro­ neurographie und die Elektromyographie. Insbesondere bei Nervenkompressionssyndromen findet die Neurosonologie zunehmend Anwendung und erlangt einen immer höheren Stellenwert, da sie es ermöglicht, unmittelbar und ohne Schädigung Bilder des betroffenen Nerven anzufertigen und auch dynamische Prozesse, wie zum Beispiel die Luxation des N. ulnaris bei Bewegung in der Funktion, aufzuzeigen. 49 Ergänzende bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT oder das mRT bleiben vereinzelten Fragestellungen oder untypischen Verläufen vorbehalten und sind nicht selten entbehrlich. Klare Syndrome – wie beispielsweise ein Carpaltunnelsyndrom – können klinisch auch von Nicht-Neurologen erfasst und als wahrscheinlich diagnostiziert werden. Auch andere Kompressionssyndrome oder Druckläsionen sind außerhalb des Krankenhauses diagnostizierbar und eine entsprechende Therapie kann bereits begonnen werden. Die hier vorgestellten Erkrankungen bedürfen oft nur einfacher Maßnahmen, um eine Besserung zu erzielen; teure oder gar potenziell schädigende Therapieverfahren sind in aller Regel nicht indiziert. Die Substitution mit Vitaminen der B-Reihe bei Druckläsionen ist ohne nachgewiesenen Effekt. Eine neurologische Vorstellung ist auch zur Erkennung begleitender prädisponierender Erkrankungen geboten. Fazit Der Truppenarzt ist im Falle der Behandlung von Soldatinnen/ Soldaten derjenige ärztliche Ansprechpartner, welcher die Arbeitsumstände und Belastungen der jeweiligen Truppengattungen oder Einheiten am besten einzuschätzen weiß. Durch die täglichen Kontakte kann er erfassen, welche Erkrankungen oder Verletzungen mit einer entsprechenden Regelmäßigkeit oder Häufigkeit am Standort auftreten und kann damit auch im Rahmen der Gesunderhaltung präventiv tätig werden. Hierzu ist eine gewisse Kenntnis der Pathomechanismen auch neurologischer Erkrankungen von Nöten und hilfreich. Auch der bei Übungen, Ausbildungsvorhaben und im Einsatz begleitende Arzt sollte an Druckläsionen peripherer Nerven denken und ggf. frühzeitig eingreifen, wenn erste Symptome einer Plexusläsion im Rahmen von Zwangshaltungen auftreten. Das frühe Unterbrechen und wiederkehrende Pausen verhindern im Einzelfall langwierige Verläufe, in welchen der/die Betroffene teilweise vollständig aus dem Routinedienst oder der Ausbildung ausscheidet. Eine frühe Therapie kann auch bei erst späterem neurologischen Vorstellungstermin bereits durch den Truppenarzt eingeleitet werden; im Falle akuter Läsionen sollte im Zweifel die notfällige Vorstellung erfolgen. Von der Veranlassung bildgebender Verfahren ohne fachärztliche Empfehlung sollte im Sinne des Strahlenschutzes (CCT) und nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen Abstand genommen werden. Die Supplementierung mit B-Vitamin Präparaten ist ohne nachgewiesenen Nutzen, die Entlastung komprimierter Nerven hingegen nicht. Bildquellen: Abb. 1 - 3: Oberfeldarzt Dr. Harth, Ulm Korrespondierender Autor: Oberfeldarzt Dr. Andreas Harth Bundeswehrkrankenhaus Ulm Abteilung VI A -NeurologieOberer Eselsberg 40 89081 Ulm E-Mail: [email protected] Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 49 06.02.15 13:26 50 Aus der Abteilung Neurologie (Leitender Arzt: Oberstarzt Dr. T. Duwe) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz) Schlafstörungen aus neurologischer Sicht Sleep Disorders from a Neurological Perspective Reinhard Stark Zusammenfassung Bei der Genese von Schlafstörungen differenziert man zwischen organischer (Obstruktion der Atemwege, Lungen- und Hirnfunktionsstörungen, usw.) und nicht organischer Erkrankung. In diesem Artikel werden organisch-neurologisch bedingte Schlafstörungen vorgestellt, Diagnoseverfahren erläutert und Therapiemöglichkeiten beschrieben. Zudem wird auf die von der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin, in Anlehnung an die American Academy of Sleep Medicine (AASM) empfohlene Schläfrigkeitsdiagnostik eingegangen. Schlagwörter: Insomnie, Hypersomnie, Parasomnie, Schlaf­störung, Schläfrigkeitsdiagnostik Summary The causes of sleep disorders can be divided into organic (airway obstruction, pulmonary and brain dysfunctions, etc.) and non-organic disorders. This article describes sleep disorders with neurological causes as well as diagnostic methods and treatment options. In addition, it also addresses the diagnosis of excessive daytime sleepiness (EDS) recommended by the German Sleep Society (DGSM) and based on criteria of the American Academy of Sleep Medicine (AASM). Keywords: insomnia, hypersomnia, parasomnia, sleep disorder, EDS diagnosis Einführung Neurologisch bedingte Schlafstörungen sind bei jungen Soldaten im Vergleich zu der dort dominierenden Genese einer psychiatrischen Erkrankung eher selten. Ihre Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter aber an. Am häufigsten sind periodische Beinbewegungen im Schlaf (periodic leg/limb movements in sleep (PLMS)) zu finden, die auch im jüngeren Lebensalter bereits eine Prävalenz von 4 % haben. Interessanterweise werden in der aktuell gültigen Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) auch die schlafbezogenen Atmungs­ störungen (zentrales/obstruktives Schlafapnoesyndrom, schlafbezogenes Hypoventilationssyndrom) dem neurologischen Fach­gebiet zugeordnet (“G“-Codierung). Gemäß dieser ICD-10-Klassifikation werden Schlafstörungen unterteilt in solche mit organischem Ursprung und in solche psychischer Genese. Die organgebundenen Erkrankungen werden gegliedert in Ein- und Durchschlafstörungen, krankhaft gesteigertes Schlafbedürfnis, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlaf­ apnoe-Syndrome, die Narkolepsie und Kataplexie und sonstige Schlafstörungen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die wichtigsten organisch-neurologischen Schlafstörungen geben sowie die grundlegenden diagnostischen Verfahren erörtern. Krankheitsbilder Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) Eine Insomnie zeichnet sich durch nicht erholsamen Schlaf aus. Eine erhöhte Einschlafzeit, häufige Weckreaktionen mit teilweise längeren nächtlichen Wachphasen und ein frühmorgendliches Erwachen weit vor dem Weckerklingeln sind die Charakteristika der Erkrankung. Der Patient fühlt sich am Morgen erschöpft, weist eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen auf. Die müdigkeits­ assoziierte Konzentrationsminderung und dadurch bedingte Neigung zu Arbeitsfehlern führen zu beruflichen Einschränkungen, die Reduktion des Antriebs und der Initiative teilweise zu sozialer Isolation. Die Unfallgefährdung im Straßenverkehr ist deutlich erhöht [1]. Begleitend werden häufig Organsymptome (u. a. Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen) geklagt. Eine manifeste Insomnie weist nach den diagnostischen Kriterien der ICD-10 ca. 6 % der deutschen Bevölkerung auf [2]. Ein Großteil der Betroffenen leidet unter einer nichtorganischen Störung. Primär bedarf es dennoch des Ausschlusses einer mitverursachenden somatischen Erkrankung. Nach Erhebung der allgemeinen Anamnese, körperlicher Untersuchung und Bestimmung der unten angeführen Laborparameter ist ggf. eine weitergehende psychiatrische und neurologische Untersuchung mit Dokumentation der spezifischen Schlafanamnese erforderlich. Mittels Polysomnographie und im Bedarfsfall weiterer neurophysiologischer Zusatzdiagnostik (z. B. Elektroencephalographie (EEG), Multipler Schlaflatenztest (MSLT)) werden schlafgebundene organische Erkrankungen (beispielsweise schlafgebundene Atmungsstörungen, Bewegungsstörungen) ausgeschlossen. Neurologische Erkrankungen, die sekundär mit nicht erholsamem Schlaf vergesellschaftet sind, sind neurodegenerative Erkrankungen wie der M. Parkinson oder demenzielle Erkrankungen. Bei diesen Krankheitsbildern beklagen die Patienten häufig ausgeprägte Schlafstörungen, bedingt durch aufgelöste Tages- und Nachtrhythmik. Organische, nicht neurologische Ursachen einer Ein- und Durchschlafstörung sind beispielsweise die Hyperthyreose, (nächtliche) tachykarde Herzrhythmusstörungen und chronische Schmerzzustände. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 50 06.02.15 13:26 R. Stark: Schlafstörungen aus neurologischer Sicht 51 Krankhaft gesteigertes Schlafbedürfnis (Hypersomnie) Hypersomnien zeichnen sich durch eine erhöhte Tagesschläfrigkeit aus. Dies unterscheidet sie von den Insomnien, die mit einer verstärkten Tagesmüdigkeit einhergehen. Trotz teilweise ungestörten Nachtschlafs wirkt dieser nicht erholsam. Der Patient wacht am Morgen bereits “wie erschlagen“ auf und weist über Tage eine gesteigerte, teils imperative Einschlafneigung auf, auch außerhalb von monotonen Situationen. Die Häufigkeit der Neigung zur verstärkten Tagesschläfrigkeit liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 4 - 9 % [3, 4]. Die Einteilung der Schlafstörungen nach AASM-Kriterien (American Academy of Sleep Medicine [5]) ordnet den Hypersomnien die Narkolepsie unter. Nach ICD-10-Kriterien wird dieser Erkrankung ein eigenständiger Überpunkt zugewiesen, so dass auf die Narkolepsie weiter unten eingegangen wird. Zum Ausschluss einer Organerkrankung als Ursache einer Hypersomnie bedarf es einerseits der Abklärung in Bezug auf schlafunterbrechende Störungen (z. B. schlafbezogene Atmungsstörungen, nächtliche Bewegungsstörung), andererseits hinsichtlich Erkrankungen aus dem internistischen (kardial-endokrinen) Formenkreis. So führt eine Hypothyreose zu verstärkter Tagesmüdigkeit und kann zudem eine obstruktive Schlafapnoe triggern [6]. Auch andere hormonelle Fehlsteuerungen können ein obstruktives Schlafapnoesyndrom initiieren und dadurch zu einer Hypersomnie führen. Hierzu zählen unter anderem die verstärkte Ausschüttung des Wachstumshormons mit konsekutiver Akromegalie, das Cushing-Syndrom bei Hypercortisolismus, der ACTH-Überschuss bei z. B. M. Cushing und der Diabetes mellitus. Kardiale Erkrankungen wie die Hypotonie und die Herzinsuffizienz sind oftmals begleitet von verstärkter Müdigkeit. Eine Niereninsuffizienz, Schlaganfälle und entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems können ebenfalls eine Schlafstörung, zudem auch komplexe schlafgebundene Atmungsstörungen initiieren. der oberen Atemwege eine Abnahme der Obstruktion bewirken [8]. Operative Verfahren sollten nur bei Unverträglichkeit der nicht operativen Möglichkeiten angewendet werden. Schlafbezogene Atmungsstörungen Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen unterscheidet man solche mit und ohne Obstruktion der Atemwege. Atmungsstörungen mit Obstruktion: Je nach Grad der Obstruktion differenziert man das harmlose primäre Schnarchen, die Frühform der Atmungsstörung, das sogenannte Upper Airway Resistance Syndrom und schließlich die manifeste obstruktive Schlafapnoe. Bezüglich der Schweregradeinteilung ist neben der Symptomatik einer erhöhten Tagesschläfrigkeit der Apnoe-Hypopnoe-Index pro Stunde Schlaf (AHI) entscheidend. Eine verbindliche Definition existiert hierzu allerdings nicht. Nach der Medizinischen Leitlinie “Nicht erholsamer Schlaf - Schlafstörungen“ wird ein obstruktives Schlafapnoesyndrom mit einem AHI bis 15 als leichtgradig, zwischen 15 und 30 als mittelgradig und ab einem AHI größer als 30 als schwergradig eingestuft [7]. Therapeutisch wird je nach Ursache und Ausprägung ein Rückenlagevermeidungstraining, eine Unterkieferprotrusionsschiene, insbesondere aber die Überdrucktherapie (vornehmlich mittels kontinuierlich positivem Atmungsdruck (CPAP)) empfohlen. Zu einer generellen Verbesserung führt eine Gewichtsreduktion bei bestehender Adipositas. Aber auch Didgeridoo-Spielen soll durch Kräftigung der Weichteilmuskulatur Als Ursache wird eine Überaktivität des REM-Schlaf steuernden Systems beschrieben, welches durch seine passagere Aktivierung zumindest die REM-Schlaf assoziierten Symptome erklärbar macht (Kataplexie, hypnagoge Halluzinationen und Schlaflähmung). Parallel dazu kommt es zu einem Abfall der Hormone Hypocretin 1 und 2. Diese Peptide scheinen stimulierend auf die Wachheit fördernden Systeme zu wirken. Mit einer Prävalenz von 26 - 50 pro 100 000 Einwohner ist diese Erkrankung keineswegs selten [9, 10]; obwohl klare Diagnosekriterien vorliegen, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen [10]. Nur ca. 1/3 der Patienten weist das Vollbild der Erkrankung auf; insbesondere zu Beginn kann sich die Narkolepsie monosymptomatisch präsentieren, vorrangig mit dem Leitsyndrom der Tagesschläfrigkeit. Erst im Laufe von Jahren treten bei den meisten Patienten dann weitere Symptome hinzu. Atmungsstörungen ohne Obstruktion: Hierunter werden einerseits Erkrankungen subsumiert, die den Atmungsantrieb im Hirnstamm hemmen (zentrales Schlaf­ apnoesyndrom), beispielsweise primäre Hirnerkrankungen (u. a. Schlaganfall, Enzephalitis) und/oder eine manifeste Herzoder Niereninsuffizienz. Andererseits fallen in diese Kategorie die Hypoventilations- bzw. Hypoxämiesyndrome. Therapeutisch bedarf es in diesen Fällen vorrangig einer Posi­ tiv­druckbeatmung (Bilevel-Therapie). Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus (zirkadiane Rhythmusschlafstörungen) finden sich gehäuft bei Schichtarbeitern, blinden, alten oder dementen Patienten. Zudem erlebt jeder Fluggast mit Transmeridianflug diese in mehr oder weniger ausgeprägter Form. Bei dieser sogenannten “Jetlag-Symptomatik“ kann 4 Tage vor dem geplanten Flug Melantonin zu der voraussichtlichen Schlafzeit am Zielort eingenommen werden. Narkolepsie und Kataplexie Narkolepsie ist definiert als eine chronische Erkrankung, die meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr beginnt und durch eine erhöhte Einschlafneigung am Tage (auch in ungewöhnlichen Situationen, z. B. während des Essens oder eines Gespräches), Kataplexien (plötzlicher Muskeltonusverlust mit der Folge eines Zusammensackens bei emotionaler Erregung ohne Verlust des Bewusstseins), Schlaflähmungen und sogenannte hypnagoge Halluzinationen (“verfrühter Traumschlaf“ - lebhafte Vorstellungen, die während des Einschlafens auftreten und meist negativ getönt sind) gekennzeichnet ist. (Tabelle 1) Zur medikamentösen Behandlung der Tagesschläfrigkeit ist Modafinil und Methylphenidat (BTM-pflichtig), zur Therapie der REM-Schlaf-assoziierten Symptome ist Clomipramin und Natriumoxybat (BTM-pflichtig) zugelassen [11]. Ergänzend bedarf es aber auch verhaltensmodifizierender Maßnahmen: Verbesserungen können durch die Anwendung von Coping-Strategien, einer strikten Schlafhygiene (u. a. kein Schichtdienst, Alkoholverbot) und durch die Einrichtung individuell angepasster Tagschlafepisoden erreicht werden. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 51 06.02.15 13:26 52 R. Stark: Schlafstörungen aus neurologischer Sicht Tabelle 1: Diagnosekriterien der Narkolepsie gemäß der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2) Narkolepsie mit Kataplexie AExzessive Tagesschläfrigkeit täglich oder nahezu täglich seit mindestens drei Monaten BDefinitive Kataplexie (plötzliche und transiente Episoden von Muskeltonusverlust getriggert durch Emotionen) CWenn immer möglich Bestätigung mittels Polysomnographie und multiplem Schlaflatenztest (mittlere Einschlaflatenz unter acht Minuten* + mindestens zwei Sleep Onset REM-Perioden) ODER Hypocretin-1 Spiegel ist im Liquor erniedrigt (≤ 110 pg/ml oder ein Drittel der normalen mittleren Kontrollwerte) D Ausschluss einer anderen Ursache Narkolepsie ohne Kataplexie AExzessive Tagesschläfrigkeit täglich oder nahezu täglich seit mindestens drei Monaten B Eindeutige Kataplexien fehlen CBestätigung mittels Polysomnographie und multiplem Schlaflatenztest (mittlere Einschlaflatenz unter acht Minuten* + mindestens zwei Sleep Onset REM-Perioden) DDie Hypersomnie ist nicht durch andere schlafmedizinische, neurologische beziehungsweise psychiatrische oder internistische Erkrankungen besser erklärt, auch nicht durch Gebrauch von Medikation oder Substanzen. *Schlaflatenzen unter acht Minuten sind nicht spezifisch und können auch in anderem Zusammenhang vorkommen. Vor dem multiplen Schlaflatenztest ist die Durchführung einer Polysomnographie gefordert, welche eine nächtliche Schlafzeit von mindestens sechs Stunden aufweist. Auf die Durchführung der Polysomnographie und des Multiplen Schlaflatenztests im Rahmen der Narkolepsie-Abklärung wird im Abschnitt “Diagnostik“ eingegangen. REM-Schlaf-Verhaltensstörungen Bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung, die häufig mit degenerativen ZNS-Erkrankungen wie z. B. Morbus Parkinson bzw. Parasomnien assoziiert ist, fehlt die physiologische Muskeltonusblockade im Traumschlaf. Trauminhalte werden somit mit passender motorischer Aktivität “ausgelebt“ (der Einbrecher wird in die Flucht geschlagen, der Angreifer niedergerungen). Dadurch kann der Bettnachbar unbewusst verletzt werden und der Patient sich selber bei groben Bewegungen im Schlaf Schaden zufügen. Betroffene weisen u. a. während des REM-Schlafes einen erhöhten Kinnmuskeltonus auf. Der fehlende Abfall dieser Muskelaktivität im submentalen EMG ist neben anderen Kriterien diagnostisch wegweisend. Therapeutisch kann lediglich symptomatisch mit z. B. Benzodiazepinen (Clonazepam) behandelt werden. Periodische Bewegungen der Gliedmaßen im Schlaf (periodic limb movements in sleep – PLMS) PLMS sind durch schlafgebundene episodisch auftretende periodische Bein- oder seltener Armbewegungen gekennzeichnet. Sie können einseitig, beidseitig, symmetrisch oder alternierend auftreten. Diese Phänomene werden überwiegend in den Schlafstadien N1 und N2 beobachtet; im REM-Schlaf treten sie am wenigsten auf. Ebenfalls findet man sie beim Übergang vom Wachen zum Schlaf. Die Symptomatik findet sich bei Gesunden im Alter zwischen 30 und 50 Jahren in etwa 5 %, bei über 50-jährigen in etwa 30 %. (Tabelle 2) Tabelle 2: Diagnosekriterien der Periodischen Beinbewegungen im Schlaf gemäß der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2) PLMS-Diagnosekriterien A.Im Polysomnogramm finden sich periodische Beinbewegungen im Schlaf (periodic leg movements in sleep – PLMS) B.Der PLMS-Index (Anzahl der PLMS pro Stunde Schlafzeit) ist > 5/h bei Kindern und > 15/h bei Erwachsenen. C. Der Patient klagt über Schlafstörungen oder Tagesmüdigkeit. D.Die PLMS können nicht durch eine andere schlafbezogene Erkrankung (RLS, REM-Schlaf Verhaltensstörung oder Narkolepsie) oder neurologische / internistische Erkrankung, Medikamenteneinnahme oder Substanzmissbrauch erklärt werden (PLMS, die am Ende von Apnoe-Phasen auftreten, sollten nicht als „echte“ PLMS gewertet werden). PLMS gehen häufiger mit anderen Schlafstörungen einher; sie treten bei Insomnie, bei der Schlafapnoe, bei der Narkolepsie oder auch der REM-Schlaf-Verhaltensstörung (s.o.) gehäuft auf. PLMS führen häufig zu einem Beinaheerwachen (Microarousal) und im ausgeprägten Krankheitsbild zu einer dadurch bedingten Aufhebung der Schlafarchitektur mit konsekutiv ausgeprägter Tagesschläfrigkeit. Zur Einordnung des Schweregrades ist der PLM-Arousal-Index in Kombination mit der vom Patienten beschriebenen Beschwerdesymptomatik gefragt. Bis zu 5 PLMS pro Stunde Schlaf zeigen einen eher unauffälligen Befund, 5 bis 20 PLMS/Stunde eine leichte Störung, über 20 eine moderate und über 60 eine schwere Erkrankung auf. Therapeutisch werden nach Ausschluss einer behandelbaren Grunderkrankung (Z. B. Eisen-, Vitamin B12-Mangel, Nierenfunktionsstörung oder Schilddrüsenerkrankung, Medikamenteninteraktion) symptomatisch L-Dopa oder Dopaminagonisten gegeben [11]. Diagnostik bei Schlafstörungen Bei Schlafstörungen jeglicher Art bedarf es primär einer organischen Differenzialdiagnostik. So kann wiederholt nächtliches Erwachen bzw. der nichterholsame Schlaf Ausdruck einer somatischen Erkrankung sein. Findet sich in der Anamnese und Basisdiagnostik (u. a. Laborscreening gem. Tabelle 3, Ausschluss Herzerkrankung, Lungenerkrankung, höhergradige Stoffwechselstörung, Schilddrüsenerkrankung, neurologische Erkrankung, s. o.) und ggf. spezifischen schlafmedizinischen Abklärung (häusliche Polygraphie, stationäre Polysomnographie) kein relevanter organischer Befund einerseits, andererseits anamnestisch belastende psychische Faktoren, ist die Ursache einer nicht organischen Ein- und Durchschlafstörung (Insomnie) wahrscheinlich. In diesen Fällen bedarf es weiterge- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 52 06.02.15 13:26 R. Stark: Schlafstörungen aus neurologischer Sicht Tabelle 3: Empfohlenes Laborscreening bei Schlafstörungen • Blutbild, • Blutsenkung, • C-reaktives Protein, • Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium), • Glukose, • Schilddrüsenparameter, • Kreatinin, • Harnstoff, • Transaminasen und • Gamma-Glutamyl-Transferase. Bei entsprechendem Verdacht zusätzlich Vitamin B 12, Folsäure, Eisenstoffwechsel und Blutzuckertagesprofil hender psychiatrischer Exploration und ggf. multimodaler (pharmakologisch-psychotherapeutischer) Therapie. Die klassische neurologische Diagnostik bei Schlafstörungen umfasst neben der EEG-Diagnostik den multiplen Wachbleibeund multiplen Schlaflatenz-Test sowie die Polysomnographie. Elektroenzephalographie (EEG) Mittels EEG-Diagnostik wird als Basismaßnahme die Hirnaktivität aufgezeichnet. Ergeben sich hier Auffälligkeiten, muss eine weitergehende cranielle Bildgebung, bevorzugt Kernspintomographie, erfolgen. Eine Verlangsamung der EEG-Aktivität kann im Sinne einer Allgemeinveränderung beispielsweise auf Stoffwechselstörungen oder Hirnabbauprozesse hinweisen. Bei fokalen Unterschieden zwischen der rechten und der linken Hirnhemisphäre bedarf es des Tumor-, Schlaganfall- und Entzündungsausschlusses. Graphoelemente der Erregbarkeitssteigerung können ein Zeichen für (schlafgebundene) epileptische Anfälle sein. Ist diese Diagnostik unauffällig, folgt im Anschluss bei verstärkter Tagesschläfrigkeit der multiple Wachbleibe-Test. Multipler Wachbleibetest (MWT) Der MWT wird insbesondere zur Objektivierung und besseren Einordnung einer erhöhten Einschlafneigung durchgeführt und testet die Fähigkeit des Wachbleibens während monotoner Tätigkeiten, z. B. nächtlicher Autobahnfahrten. Als alleinige Methode zur Erfassung einer Tagesschläfrigkeit ist er zu unpräzise. Der Patient erhält die Anweisung, während der Diagnostik mit offenen Augen dazusitzen, keinesfalls einzuschlafen. Es finden im Tagesverlauf vier bzw. fünf EEG-Ableitungen mit einer Dauer von mindestens 20 Minuten statt. Im Vorfeld muss ausreichend Nachtschlaf bestanden haben. Mindestens sechs Stunden sind gefordert, im Idealfalls dokumentiert mittels Polysomnographie. Der Patient sitzt in 53 einem bequemen Liegestuhl, darf den Kopf auflegen, darf sich aber nicht durch Setzen von Schmerzreizen, Erzählen etc. wach halten. Je nach Autor gelten Einschlaflatenzen unter elf beziehungsweise acht Minuten als pathologisch [12, 13]. Multipler Schlaflatenztest (MSLT) Ganz anders ist die Fragestellung beim MSLT, der mit ähnlichem Setting durchgeführt wird (5 Durchgänge über Tage, Registrierung der EEG-Aktivität jeweils über mindestens 20 Minuten, ausreichend Nachtschlaf im Vorfeld). Hier bekommt der Betroffene die Aufgabe, schnellstmöglich einzuschlafen. Die Ableitung erfolgt beim im Bett liegenden Patienten, der Raum wird abgedunkelt. Begleitend zur Einschlaflatenz wird die Schlaftiefe (Schlafstadium 1 bis 3) und zusätzlich mittels EOG (Elektrookulogramm) mögliche SOREM (sleep-onset-REM-Phasen, “verfrühter Traumschlaf“, siehe oben bei Vorstellung der Narkolepsie) registriert. Traumschlaf (REM-Schlaf) stellt sich im Durchschnitt während des Nachtschlafes erst nach 90 Minuten ein. Erreicht der Patient in zwei dieser Tagesnaps SOREM-Phasen, ergibt sich der Hinweis auf eine Narkolepsie [14]. Narkoleptiker weisen zudem eine durchschnittliche Einschlaflatenz von drei Minuten auf. Ähnlich wie beim MWT werden Einschlaflatenzen unter zehn Minuten als auffällig gewertet. Polysomnographie (PSG) Die PSG stellt das Kernstück bei der Diagnostik von Schlafstörungen dar. Mit ihr lassen sich u. a. die Verteilung der Abb. 1: Polysomnographie bei zentraler Apnoe: Beinbewegungen, bevorzugt des linken Beines (erste Spur) mit konsekutiver Weckreaktion (Mikroarousal) in der 5 Minuten-Darstellung der Polysomnographie (01:42:58 – 01:47:58); zusätzlich stellen sich 2 zentrale Atmungsaussetzer (Apnoen) ohne Atmungsfluss (dritte Spur) und mit aussetzender Thorax-/Abdomenexkursion (Spuren 4 und 5) dar. Die Sauerstoffsättigung bleibt dabei konstant (Spur 6). Gemessene Parameter: EMG-tib-li / EMG-tib-re = EMG linkes/rechtes Bein; Atm-Flow = Atmungsfluss; Atm.-Thor./Atm-.Abdo. = Thorax-/Abdomenexkursion; SaO2 = Sauerstoffsättigung; Snore = Schnarchen Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 53 06.02.15 13:26 54 R. Stark: Schlafstörungen aus neurologischer Sicht werden musste [15]. Insbesondere bei schlafbezogenen Atmungsstörungen muss häufig ein Wechsel der Diagnose erfolgen oder eine relevante schlafbezogene Zweitdiagnose gestellt werden. Fazit Schlafstörungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Beruf und im täglichen Leben. Aus wehrmedizinischer Sicht darf ihr Einfluss auf die Fähigkeit zur Ausübung komplexer militärspezifischer Tätigkeiten nicht unterschätzt werden, kann hier doch die geminderte Leitungsfähigkeit eines Soldaten/einer Soldatin durchaus auch das ganze Team gefährden. Eine sorgfältige “State oft he Art“-Diagnostik von Schlafstörungen ist deshalb sowohl im Sinne einer bestmöglichen Therapie des/der Betroffenen als auch zur Beurteilung der individuellen Verwendungsfähigkeit zwingend erforderlich. Diese sollte deshalb nicht zuletzt wegen der Kenntnis des militärischen Umfeldes und der Möglichkeit zur multidisziplinären Diagnostik und Therapie in Bundeswehrkrankenhäusern erfolgen. Abb. 2: Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PMLS) (1. und 2. Spur) mit konsekutiver Weckreaktion (Mikroarousal) in der 10 min-Darstellung der Polysomnographie (22:30:11 – 22:40:14). Die scheinbar schwankende Sauerstoffsättigung (6. Spur) begründet sich durch Messartefakte, bedingt durch PMLS assoziierte Körperbewegungen. Gemessene Parameter: Siehe Abb. 1 Schlafphasen, die Einschlaflatenz, die Häufigkeit des Erwachens (Arousals) und die Dauer der Wachperioden ermitteln und deren Ursache detektieren (beispielsweise höhergradige Atmungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, unwillkürliche Körperbewegungen). Unregelmäßigkeiten der Herzfrequenz können neben primären Herzerkrankungen auch im Rahmen von Atmungsstörungen oder nächtlichen Angstreaktionen vorkommen. Zudem wird die Schlafarchitektur erfasst. Diese ist physiologisch gekennzeichnet durch ein periodisches Muster (Zyklus) zwischen Leichtschlaf, mitteltiefem Schlaf und Tiefschlaf, gefolgt von einer Traumschlafphase. Alle Zyklen addiert ergeben das Hypnogramm. Mittels Atmungsfühler, Brust- und Bauchgurt wird die Atmungsperiodik und deren Tiefe festgehalten. Mittels Pulsoximetrie werden die Sauerstoffsättigung, mittels Kehlkopf- und Raummikrophon Schnarchen und Sprechen im Schlaf (Somniloquie) dargestellt. Mittels Elektroden an den Unterschenkeln und an der Kinnmuskulatur wird Muskelaktivität aufgezeichnet. An den Beinen dient diese Diagnostik führend zur Darstellung von periodischen Beinbewegungen, an der Kinnmuskulatur zur Detektion von Zähneknirschen (Bruxismus) und einer veränderter Muskelanspannung in Abhängigkeit der unterschiedlichen Schlafphasen. Der an der Brust angebrachte Lagesensor dokumentiert die Schlafposition (Rückenlage, Seitenlage, Bauchlage). In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass der Anteil von ambulant gestellten Diagnosen nach einer PSG in bis zu 50 % der Fälle modifiziert oder wesentlich ergänzt Literatur 1. Zulley J, Cronlein T, Hell W, Langwieder K: Falling asleep at the wheel: the chief cause of severe traffic accidents. Wien Med Wochenschr 1995; 145 (17–18). 2. Schlack R, Hapke U, Maske U, Busch M A, Cohrs S: Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen und Insomnie in der deutschen Erwachsenenbevölkerung, Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt 2013; 56 (740–748). 3. Dauvilliers Y, Buguet A: Hypersomnia. Dialogues Clin Neurosci 2005; 7 (347-356). 4. Young TJ, Silber MH: Hypersomnias of central origin. Chest 2006; 130 (913-920). 5. American Acadamy of Sleep Medicine (ed) (2005) International classification of sleep disorders, 2nd edn: Diagnostic and coding. American Academy of Sleep Medicine, Westchester, IL. 6. Michael W , Patrick L: Hypothyreose und OSAS: Assoziation mit einer Zungengrundstruma. Somnologie Volume 10, February 2006; Issue 1 (21–26). 7. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In: AWMF online (Stand 2009). Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 54 06.02.15 13:26 55 R. Stark: Schlafstörungen aus neurologischer Sicht 8. Puhan M et al.: Didgeridoo playing as alternative treatment for obstructive sleep apnoea syndrome: randomised controlled trial. BMJ 2006; 332 (266). 9. Hublin C, Partinen M, Kaprio J et al.: Epidemiology of narcolepsy. Sleep 1994; 17 (S7–S12) 10. Dauvilliers Y, Arnulf I, Mignot E: Narcolepsy with cataplexy. Lancet 2007; 369 (499–511) 11. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 5., vollständig überarbeitete Auflage, Thieme-Verlag 2012, ISBN 978-313-132415-3. 12. Doghramji K, Mitler M, Shapiro C et al.: A normative study of the maintenance of wakefulness test (MWT). Electroencephalography Clin Neurophysiol 1997; 103(5) (554–562). 13. Sullivan S, Kushida C: Multiple Sleep Latency Test and Maintance of Wakefulness Test. Chest 2008; 134 (4) (854–861). 14. Mignot E, Lin L, Finn L et al.: Correlates of sleep-onset REM periods during the Multiple Sleep Latency Test in community adults. Brain 2006; 129 (1609–1623). 15. Praxis der Schlafmedizin, Springer Verlag 2009, ISBN 978-3-54088699-0 von Boris Stuck, Joachim T. Maurer, Michael Schredl, H.-G. Weeß. Korrespondierender Autor: Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark Facharzt für Neurologie - Psychotherapie, Schlafmedizin Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Abteilung Neurologie Lesserstr. 180, 22149 Hamburg E-Mail: [email protected] Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Aus Forschung und Wissenschaft In der Rubrik “Aus Forschung und Wissenschaft“ soll eine Auswahl von wehrmedizinischen Forschungsprojekten, Studien usw. vorgestellt werden, die aktuell durchgeführt werden. Außerdem sollen hier Ergebnisse/Zwischenergebnisse von wissenschaftlichen Projekten aus dem Sanitätsdienst veröffentlicht werden, soweit diese nicht als Artikel in der WMM erscheinen. Und nicht zuletzt kann hier auch über Ergebnisse aus Forschungsprojekten / Studien berichtet werden, an denen Angehörige des Sanitätsdienstes z. B. im Rahmen von Verbundforschungsvorhaben beteiligt waren. In dieser Ausgabe wird ein aktuell am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg startendes Sonderforschungsprojekt berichtet, auf welches z. B. durch Aushang in der Sanitätseinrichtung hingewiesen werden kann. Todbringende Monotonie Verstärkte Tagesschläfrigkeit im Einsatzgeschehen Unter der Projektnummer 19K2-S-321515 beginnt in der Abteilung Neurologie am BwKrhs Hamburg ab April 2015 ein wehrmedizinisches Sonderforschungsvorhaben, mit dem die Erkrankung der verstärkten Tagesschläfrigkeit testdiagnostisch objektiv erfasst und individuell eingeordnet werden soll. Hypersomnie (verstärkte Tagesschläfrigkeit) ist eine häufige Ursache für lebensgefährdende Fehlhandlungen. Triggerfaktoren sind, neben einer individuellen Prädisposition, Tätigkeiten mit Schlafentzug und erhöhte Monotoniebelastung. Diesen ist der Soldat im Einsatz einerseits verstärkt und teilweise unvorhersehbar ausgesetzt, andererseits wird gerade unter diesen Umständen von ihm gefordert, immer wach, aufmerksam und reaktionsschnell lebensrettend tätig zu sein. Schläfrigkeits- und aufmerksamkeitsbezogene Einschränkungen haben Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit und kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere an einem Arbeitsplatz mit Monotoniehäufung. Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark ist mit der Durchführung der Untersuchungen beauftragt. Er hat zu diesem Thema u.a. in der WMM 12-2013 (S. 326) berichtet und stellt in dieser Ausgabe die neurologischen Ursachen von Schlafstörungen vor. Bei der im März beginnenden Studie werden gängige und für die Hypersomniediagnostik von der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin empfohlene neurophysiologische Testverfahren auf der einen und psychologische Diagnostik auf der anderen Seite gemäß ihrer Gütekriterien verglichen. Ziel ist es, ein optimales Screeningverfahren bzw. eine erforderliche Kombination einzelner Tests herauszuarbeiten. Alle angewendeten Testverfahren sind seit Jahren im Krankenhaus etabliert; sie sind für den Probanden risikofrei und selbstverständlich schmerzlos. Die Diagnostik wird innerhalb eines Tages abgeschlossen sein. Probanden gesucht Für die Untersuchung werden einerseits “gesunde“ Probanden, andererseits Soldatinnen/Soldaten gesucht, die unter verstärkter Tagesschläfrigkeit leiden. Hierzu sollte durch den Truppenarzt/ die Truppenärztin bzw. durch interessierte Soldatinnen/Soldaten selbst mit dem beauftragten Arzt Kontakt aufgenommen werden. Rückfragen können ebenfalls an die u. a. Kontaktadresse gerichtet werden. Sonderforschungsvorhaben 19K2-S-321515 “Todbringende Monotonie - Verstärkte Tagesschläfrigkeit im Einsatzgeschehen“ Kontaktdaten: Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Abteilung Neurologie Tel.: 040 / 6947 -16300 (BwKennzahl : 7947 – 16300) Email: [email protected] Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 55 06.02.15 13:26 56 Aus dem Sanitätsdienst 12 Monate FUAV Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Zentrum für Sportmedizin der Bundewehr vor einem Jahr gegründet Am 27.02.2014 wurde am Rande der Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes des Nordens in Damp der Förderverein zur Unterstützung der Arbeit mit Versehrten am Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr – kurz FUAV – gegründet. Die Initiative hierzu war aus dem Arbeitskreis der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes (OffzMilFD) der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP e.V.) gekommen, die diese Idee nach einem Vortrag von OTA Dr. Lison, dem Leiter des Zentrums für Sportmedizin in Warendorf, zum Präventionsprogramm nach Einsatzschädigung entwickelten. Dem Präventionsprogramm nach Einsatzschädigung liegt der umfassende Rehabilitationsbegriff der WHO zugrunde. Dabei geht es nicht nur um Verbesserung der körperlichen und seelischen Verfassung sondern um psychologische und soziale Inhalte mit dem Ziel der größtmöglichen Teilhabe des Individuums, dem Recht auf fachübergreifende medizinische Früherkennung, der bestmöglichen Wiedereingliederung ins Arbeitsleben sowie der Teilhabe am Sport. Dabei ist die Möglichkeit zur Teilnahme an diesem Programm nicht nur einsatzgeschädigten Soldatinnen/Soldaten vorbehalten; vielmehr kommen die Maßnahmen allen Bundeswehrangehörigen zu Gute, die auf Grund schwerer Verletzungen und/oder Erkrankungen eine bleibende Behinderung erlitten haben. Sporttherapeutische Maßnahmen unterstützen den Heilungsprozess und tragen entscheidend dazu bei, dem Betroffenen ein langfristiges Selbstmanagement zu ermöglichen. Neben Sporttherapie-Lehrgängen an der Sportschule der Bundeswehr gehören auch die Teilnahme an nationalen und internationalen Sportwettkämpfen im Behindertensport sowie die Betreuung der Angehörigen dazu. Der FUAV hat sich zum Ziel gesetzt, Bundeswehrangehörigen mit Behinderung diese möglichst umfassende Teilhabe zu ermöglichen, und zwar durch finanzielle und ideelle Unterstützung. Bereits im ersten Jahr seines Bestehens konnte der FUAV aus Spenden fünf Hochleistungs-Sportbögen, ein Sitzvolleyballfeld und zwölf Sportrollstühle für Basketballspiele beschaffen. Die Sportteilnahme von Gesunden und Behinderten “auf Augenhöhe“ wird damit möglich. Als nächste Ziele stehen die Realisierung konkreter Betreuungsangebote für Familien und die Förderung der internationalen Kooperation, insbesondere mit den USA und Großbritannien, im Rahmen von Sportwettkämpfen an. Beim Sitzvolleyball spielen Versehrte und Gesunde auf Augenhöhe – mit Hilfe des FUAV wurde die Anlage im September 2014 erstellt. Bildquelle: FUAV An diese positive Bilanz des ersten Jahres gilt es anzuknüpfen. Hierzu kann von jedem durch eine Mitgliedschaft und/oder (projektbezogenen) Spenden ein Beitrag geleistet werden. Detaillierte Informationen finden sich auf der Internetseite www.fuav.de. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 56 06.02.15 13:26 57 Personalia Nachruf auf Admiraloberstabsarzt a. D. Dr. Karsten Ocker Am 26. Januar 2015 verstarb der ehemalige Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Herr Admiraloberstabsarzt a. D. Dr. Karsten Ocker, im Alter von 69 Jahren. Geboren am 23. März 1945 in Holte (Emsland) studierte Karsten Ocker Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Wien und der Medizinischen Akademie zu Lübeck. Seine Approbation als Arzt und die Promotion zum Dr. med. erlangte er im Jahr 1974 und leistete unmittelbar im Anschluss daran seinen Grundwehrdienst als Stabsarzt und Geschwaderarzt beim 1. U-Bootgeschwader in Kiel ab. Diese erste Berührung mit der Bundeswehr war für Dr. Ocker so prägend, dass er nach nur zwei Jahren als Assistenzarzt an der Klinik für Unfallchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover den Weg zurück in die Truppe suchte und schließlich am 3. Oktober 1977 als Berufssoldat in Marineuniform im vorläufigen Dienstgrad Oberstabsarzt in den Sanitätsdienst der Bundeswehr eintrat. Nachdem Dr. Ocker zunächst als Truppenarzt in den Sanitätsstaffeln der Marinefliegergeschwader 1 in Kropp und 3 in Admiraloberstabsarzt Dr. Ocker Nordholz eingesetzt war, absolvierte er im Jahr 1979 den internationalen Fliegerarztlehrgang bei der US Navy in Pensacola, Florida, und kehrte als Fliegerarzt zurück nach Nordholz, wo er fast 5 Jahre tätig war. In diese Zeit fielen die Beförderung zum Flottillenarzt und die Anerkennung als Fliegerarzt der Bundeswehr, aber auch die Zuerkennung der Facharztbezeichnung “Arzt für Arbeitsmedizin“ durch die Ärztekammer Niedersachsen im Jahr 1981. Von 1984 bis 1985 folgte eine weitere Verwendung als Fliegerarzt beim Marinefliegergeschwader 5 in Kiel, bevor Dr. Ocker unter gleichzeitiger Beförderung zum Flottenarzt auf den Dienstposten des Divisionsarztes der Marinefliegerdivision in Kiel wechselte. Ab 1991 war Dr. Ocker als Kommandoarzt des Territorialkommandos Schleswig-Holstein sowie als Wehrbereichsarzt des Wehrbereichskommandos I und Divisionsarzt der 6. Panzergrenadierdivision tätig. Ausgestattet mit diesen umfangreichen Erfahrungen aus einem breiten militärischen und fachlichen Verwendungsaufbau wur- de Dr. Ocker 1995 ins Bundesministerium der Verteidigung in Bonn versetzt und war dort zunächst als Referatsleiter InSan II 4 (Ausbildung) und ab 1997 als Referatsleiter InSan I 1 (Wehrmedizinische Grundsatzfragen) tätig. Mit der Übernahme der Position des Admiralarztes der Marine erfolgte am 1. Oktober 1998 die Beförderung zum Admiralarzt. Im Oktober 2001 wurde ihm die Verantwortung als Kommandeur des neu aufgestellten Sanitätskommandos I in Kiel übertragen. Bereits 6 Monate später, am 1. April 2002, wurde Dr. Ocker zurück nach Bonn berufen, wo er mit Beförderung zum Admiralstabsarzt Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes und Chef des Stabes der Inspektion des Sanitätsdienstes im Bundesministerium der Verteidigung wurde, bevor er am 1. April 2003 schließlich von Peter Struck, dem damaligen Bundesminister der Verteidigung, zum 12. Inspekteur des Sanitätsdienstes des Bundeswehr ernannt und zum Admiraloberstabsarzt befördert wurde. Am 30. September 2006 trat er den Ruhestand. In den über dreieinhalb Jahren, die Admiraloberstabsarzt Dr. Ocker das höchste militärische Amt eines Arztes in Deutschland bekleidete, hatte er einige Herausforderungen zu meis(Bildquelle: KdoSanDstBw) tern. Da war zum einen die Umsetzung, Weiterentwicklung und Anpassung des Mitte 2001 neu geschaffenen Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr als eigenständiger Organisationsbereich innerhalb der Streitkräfte, die er – auch gegen den einen oder anderen Widerstand – erfolgreich voranbrachte. Der Sanitätsdienst in seiner heutigen Form trägt zu einem Großteil die Handschrift von Admiraloberstabsarzt Dr. Ocker. Eines der weiteren wesentlichen Themen während seiner Amtszeit als Inspekteur war die Bewältigung zahlreicher Einsätze des Sanitätsdienstes im In- und Ausland, darunter besonders zu erwähnen der humanitäre Hilfseinsatz nach der TsunamiKatastrophe in Indonesien. Dieser Einsatz wurde erstmals unter dem Kommando eines Sanitätsoffiziers durchgeführt und stellte damit ein absolutes Novum in der Bundeswehr dar. Bei allen Einsätzen galt das besondere Augenmerk von Admiraloberstabsarzt Dr. Ocker der Sicherheit der eingesetzten Soldaten sowie der dem Sanitätsdienst anvertrauten Patienten. Dabei suchte er fortwährend den direkten Kontakt und machte sich höchstper- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 57 06.02.15 13:26 WMM 4_2014_Umbruch_Layout 1 07.04.14 14:41 Seite 142 142 58 Personalia P ERSONALIA Nach der Entbindung von seinen dienstlichen Aufgaben war Dr. Ocker auch auf dem zivilen Sektor vielerorts präsent. Neben der dieser Zeit bildete er sich außerdem in diesem Aufgabenfeld inNachruf Oberstarzt Dr. Wolfgang Seiler Mitgliedschaft in zahlreichen tensiv weiter und hospitierte beim Ärztlichen Direktor der UniAm 23. Februar 2014 verstarb Oberstarzt Dr. Wolfgang Seiler, Fachgesellschaften war er Präsiversitätsklinik Bonn. Sachgebietsleiter und stellvertretender Leiter der Abteilung Beirats Medical Ab 2011 war Oberstarzt Dr. dent Seilerdes wieder beimvon SanitätsfühKrankenhausmanagement des Kommandos Sanitätsdienst der Corps International (2006 rungskommando in Koblenz eingesetzt und wurde mit Aufstel-Bundeswehr, nach kurzer schwerer Krankheit. 2011), engagierte sich als Bunlung des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr SachgeGeboren 1964 in Memmingen in Bayern durchlief Oberstarzt desarzt und Mitglied des Bunbietsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter in der AbteiDr. Seiler seine schulische Laufbahn in Baden-Württemberg, desvorstandes im Arbeiter-Salung C, Bundeswehrkrankenhausmanagement. wo er auch 1983 sein Abitur machte. Deutschland e. V. Am 10. Dezember 2012 wurdemariter-Bund er zum Oberstarzt befördert. Unmittelbar anschließend leistete er sei(2006 2010) und war VorsitzenOberstarzt Dr. Seiler war mit Leib und nen Wehrdienst in der Sanitätsstaffel des dermit dereiner Ständigen Konferenzund für Seele Arzt ausgezeichneten Jagdbombergeschwaders 49 in FürstenKatastrophenvorsorge und Besehr breit aufgestellten Ausbildung, die feldbruck ab. (2008 - 2010). er auch völkerungsschutz bis kurz vor seiner Erkrankung 1985 wurde Dr. Seiler Sanitätsoffizieranstets im Rettungsdienst und in der Notwärter und studierte an der Philipps UniAusdruck integfallmedizin in derseiner Ulmerenormen Region eingeversität in Marburg Humanmedizin. rativen Kraft ist die hohe Anerbracht hat. Nach seiner Approbation als Arzt promokennung, die ihm von allen SeiMit seinem Wissen und seiner Erfahrung vierte er 1992 im Fachgebiet der Halsten dafür zukam: Für seine herhat er nicht nur im Bereich der klinischen Nasen-Ohren-Heilkunde. ausragenden Verdienste wurde Versorgung gewirkt, sondern sie auch Von 1992 bis 1995 folgte eine sehr intenDr. Ockerundunter stets erfolgreich sehr anderem umsichtigmit in sive und breite klinische Ausbildung, die dem Verdienstkreuz am unserer Bande der Organisation und Führung Oberstarzt Dr. Seiler am Bundeswehrdes Verdienstordens der BundesBundeswehrkrankenhäuser eingesetzt. Admiraloberstabsarzt Ocker beim Innere Truppenbesuch krankenhaus Ulm inDr. den Fächern republik Deutschland, dem EhSo war seine Arbeit stets von dem Be(Bildquelle: Thüringer Allgemeine Zeitung) Medizin, Anästhesiologie und Chirurgie renkreuz der Bundeswehr in streben geprägt, die Bundeswehrkrandurchlief. Gold, der Heinrich-Bürkle-dekenhäuser vor dem Hintergrund der EinAnschließend absolvierte Dr. sönlich für deren Belange Oberstarzt stark. Als strenger, aber geradliniger la-Camp-Medaille dersatzerfordernisse Deutschen Gesellschaft für Plastische von SoldatenbehandSeiler diegab fürer Humanmediziner obligatoOffi zier stets Halt und war Vorbild. Im Inland war ihm und Wiederherstellungschirurgie, dem Offi zierskreuz derziviEhlungsstätten zu modernen, auch im rische Truppenarztzeit im Luftwaffendie Sicherung der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorrenlegion der französischen Republik, dem Großen Goldenen len Markt erfolgreich agierenden Kranausbildungsregiment 1. Während gung als unverzichtbarer Pfeiler desdieser Sanitätsdienstes ein zentraEhrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und kenhäusern weiter zu entwickeln. Dabei Zeit hat er 1996 nicht nur seine Facharztles Anliegen. Für deren Erhalt setzte er sich bei den politischen dem Goldenen Verdienstorden derdem Republik Ungarn ausgefühlte er sich Gedanken der InnovaOberstarzt Dr. Wolfgang Seiler anerkennung für Allgemeinmedizin Entscheidungsträgern vehement ein. erzeichnet. tion verpflichtet, bewies aber immer ei(Bildquelle: KdoSanDst Archiv) reicht, sondern erhielt zudem die Zusatznenein gesunden Blick für das Bis zuletzt war Dr. Ocker hoch geschätzter und “Machbare“. gern geseheUnd schließlich bestand eine weitere wesentliche Herausfordebezeichnung „Ärztliches Qualitätsmanagement“ und wurde ner Gast auf Veranstaltungen und stets kritischer Begleiter aktuIn seiner Rolle als Vorgesetzter ist er stets auch Kamerad und rung derLeiter Verzahnung unseres Sanitätsdienstes dann in auch des Sanitätszentrums vor Ort. mit den Sanieller Entwicklungen im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Viel zu Mensch gewesen, der seinen Vorgesetzten immer loyal gegentätsdiensten unserer NATO-Partner. Admiraloberstabsarzt Dr. Nach einer Zwischenstation im Personalamt in Köln ging Oberfrüh haben wir mit ihm einen unserer profi liertesten Sanitätsofüberstand und für seine Untergebenen das Fürsorgeprinzip der Ocker setzte stets auf multinationale Kooperation und gegenstarzt Dr. Seiler 1998 erneut an das Bundeswehrkrankenhaus fi ziere verloren. Dr.hat. Ocker galt nicht nur im Sanitätsdienst als Bundeswehr gelebt seitige der Wahrnehmung vielfältigen Ulm undUnterstützung erwarb in derinInneren Medizin seinender zweiten Fachmoralische Instanz undhinterlässt als wesentlicher Schöpfer heute allOberstarzt Dr. Seiler eine Ehefrau unddes zwei Söhne Aufgaben in den Einsatzgebieten, aber auch in der Ausbildung arzt. gemein angesehenen er genoss auch weit im Alterhoch von sechs und dreiSanitätsdienstes, Jahren. des Krönung dieser war die Von Sanitätspersonals. 2003 bis 2011 wurde Oberstarzt Dr.Anstrengungen Seiler in verschiedenen darüber einen ausgezeichneten Ruf. fachliche Lücke geÜbernahme der Sanitätsführungskommando Aufgabe des Chairman des “Committee of the Der Todhinaus von Oberstarzt Dr. Seiler hat eine Funktionen im und dem BundesChiefs of Military Medical Services in InNATO“ (COMEDS) rissen,Tod die hat nur eine schwer zu schließen ist. Wir ihn als Kaministerium der Verteidigung eingesetzt. diesen VerwendunSein Lücke hinterlassen, diewerden nicht geschlossen durch den Inspekteur des deutschen Sanitätsdienstes imbeim Nomeraden, Kollegen, vor allem als Menschen schmerzlich gen, insbesondere im Arbeitsstab „Integrierte Versorgung“ werden kann. Er wirdaber in unserem Kreise einen festen Platz der vember 2006.für das Gesundheitswesen, stand dabei sein Arbeivermissen. behalten. Beauftragten Erinnerung ten an verschiedenen Fachkonzeptionen zur klinischen VersorHeute wissen wir, dass der von Admiraloberstabsarzt Dr. Ocker Dr. Ingo Patschke Für das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr gung und zum Krankenhausmanagement im Mittelpunkt, aber eingeschlagene Weg der Richtige war. Er hat sich durch alle Generaloberstabsarzt Dr. Pracht auch sein erfolgreiches Mitwirken an den Organisationsverseine Handlungslinien unschätzbare Verdienste erworben. Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Generalstabsarzt handlungen der Bundeswehrkrankenhäuser im Jahre 2006. In Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 4/2014 Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 58 06.02.15 13:26 Personalia Nachruf auf Generalapotheker a. D. Walther Rahn Am 12. Januar 2015 verstarb der ehemalige Inspizient für Pharmazie und Sanitätsmaterial, Herr Generalapotheker a. D. Walther Rahn, im Alter von 94 Jahren in seinem Hause in Wetzlar. 59 Am 1. Januar 1958 trat Walter Rahn in die damals noch ganz junge Bundeswehr ein und begann seine zweite beeindruckende militärische Karriere. Den Einfluss der Jahre bis 1945 hat sein damaliger Nachfolger, Generalapotheker a. D. Walther, treffend auf den Punkt gebracht: „Die Feststellung, dass er kriegsgedienter Soldat war, gewinnt Bedeutung, wenn man eine Erklärung dafür sucht, weshalb ein Mann seinen sanitätsdienstlichen Auftrag mit einer solch kompromisslosen Leidenschaft erfüllt wie er. Ohne Zweifel wird sein Handeln bestimmt durch die bitteren Erfahrungen aus einem Krieg, in dem der Sanitätsdienst für viele verwundete Soldaten die entscheidende Station darstellte.“ Es ging ihm bei seinem Wirken in letzter Konsequenz also immer um den Patienten, den erkrankten Soldaten, den Verwundeten. Für ihr Wohl war er hart in der Sache und handelte nach dem Grundsatz, dass „einmal als richtig erkannte Planungen zielstrebig zu verfolgen sind, auch wenn man gegen den Strom schwimmen muss“. Auf dieser Grundlage widmete er sich mit großem Engagement dem Aufbau des Sanitätsdienstes und einer leistungsfähigen Wehrpharmazie in den neuen deutschen Streitkräften. Die Sanitätsmaterialversorgung und die materielle Ausstattung des Sanitätsdienstes tragen noch heute an nicht wenigen markanten Punkten, insbesondere auch im Hinblick auf die Materialerhaltung, seine vorausschauende konzeptionelle Handschrift. Ein besonderes Anliegen war ihm die Arzneimittelsicherheit in der Bundeswehr - ein noch heute hochaktuelles Thema, das inzwischen seine Weiterentwicklung im Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit gefunden hat. Auch um die Weiterentwicklung analytischer Untersuchungsmethoden für langzeitgelagerte Arzneimittel sowie dem Aufbau bundeswehreigener Kapazitäten zur Arzneimittelherstellung hat er sich besonders verdient gemacht. Generalapotheker a. D. Walther Rahn, ca. 1979 (Bildquelle: KdoSanDstBw) Walther Rahn wurde am 10. Juli 1920 geboren und bereits im Dezember 1939 erstmals Soldat, obwohl seine Vorstellungen damals ganz andere waren. Er wollte die Kolonialschule in Witzenhausen besuchen und anschließend eine Versuchsfarm für Arzneidrogen am Fuße des Kilimandscharo im ehemaligen Deutsch-Ostafrika aufbauen. Wie für so viele junge Männer seiner Generation kam es anders als gedacht. Zunächst als Artillerist im Frankreich-Feldzug, später als Panzeroffizier an der Ostfront und zuletzt als Kompaniechef und zugleich Führer einer Panzerabteilung in der Abwehrschlacht im Westen kämpfte er einen – wie wir heute wissen – aussichtslosen Kampf. Das im Kriege Erlebte und die gemachten, sicherlich oft sehr schmerzlichen Erfahrungen haben Walter Rahn auch in Bezug auf seine spätere Karriere als Sanitätsoffizier Apotheker in der Bundeswehr stark geprägt. Zunächst aber begann nach Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft am 1. April 1946 seine pharmazeutische Berufsausbildung – wie es damals noch üblich war – mit einer zweijährigen Tätigkeit als Apothekerpraktikant in der Paracelsus-Apotheke in Groß-Umstadt. Nach dem anschließenden Studium der Pharmazie in Würzburg und Marburg legte er 1951 sein Staatsexamen ab und arbeitete bis Ende 1957 in öffentlichen Apotheken. Seine außergewöhnlichen beruflichen Leistungen führten ihn schließlich 1977 in das Spitzenamt eines “Inspizienten für Pharmazie und Sanitätsmaterial“ (wie es damals noch hieß) im Range eines Generalapothekers. Diesen herausragenden Dienstposten bekleidete er – auch als enger Berater des damaligen Inspekteurs für das Sanitäts- und Gesundheitswesen – drei Jahre lang bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahre 1980. Ein besonderer Höhepunkt zum Ende seiner Dienstzeit war die Durchführung einer Arbeitstagung im März 1980, die erstmals die Apotheker aller Teilstreitkräfte und der damaligen Zentralen Sanitätsdienststellen der Bundeswehr zusammenführte und bei der zum ersten Mal Aufgaben der Wehrpharmazie an den Schnittstellen ihrer Teilbereiche Pharmazie, Lebensmittelchemie und Sanitätsmaterial gemeinsam behandelt wurden. Diese bilden heute noch – mehr als drei Jahrzehnte später – die drei Säulen und das gemeinsame Fundament der Wehrpharmazie, was die Bedeutung des seiner Zeit visionären Handelns von Generalapotheker Rahn unterstreicht. Nicht nur die besonderen Verdienste als solche sind wichtig, sondern auch die Art und Weise, wie sie erworben wurden. Generalapotheker Rahn war ein vorbildlicher Vorgesetzter, von dem ein besonderer kameradschaftlicher Geist ausging. In all seinen Verwendungen bewahrte er sich stets ein aufrichtiges Verständnis und Interesse für die Belange der Mitarbeiter bzw. Untergebenen und gab ihnen so als strenger, aber geradliniger Offizier Halt und Vorbild. „Ich habe immer die Verbindung und Übereinstimmung nach unten gesucht; der Segen von oben kam Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 59 06.02.15 13:26 60 Personalia dann von allein“, hat er einmal gesagt. Dieses Motto ist zeitlos und spricht für sich. Neben seinen dienstlichen Verpflichtungen hat er – u. a. auch auf vielen Reisen, insbesondere nach Südwestafrika – ein fundiertes Wissen zur Kolonialgeschichte erworben, das mit weiteren Aktivitäten in diesem Zusammenhang letztlich auch zu einem persönlichen Engagement bei humanitären Hilfsaktionen für Afrika geführt hat. Darüber hinaus trat er tatkräftig für die sozialmissionarische Randgruppenarbeit des christlichen Hilfswerks Lebensbrücke e. V. ein. Trotz altersbedingter und letztlich unvermeidlicher gesundheitsbedingter Probleme blieben ihm Tatkraft, Unternehmungsgeist und eine bewundernswert positive Einstellung zu den Dingen des Lebens bis ins hohe Alter erhalten. Diejenigen, die ihn länger gekannt und erlebt haben, begeistern sich noch heute für seine Freude an der ständigen Erweiterung und Weitergabe seiner historischen Kenntnisse und Erkenntnisse, die er auch in etlichen Schriften niedergelegt hat und die noch heute zu intensivem Nachdenken anregen können. Mit seinem Einsatz für die Wehrpharmazie hat Generalapotheker Rahn Hervorragendes geleistet, wichtige Impulse zur Weiterentwicklung gegeben und damit in bemerkenswerter Weise zu deren Leistungsfähigkeit und Ansehen beigetragen. Dafür gilt ihm unser tief empfundener Dank. Die Sanitätsoffiziere Apotheker der Bundeswehr werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Arne Krappitz Oberstapotheker Inspizient Wehrpharmazie der Bundeswehr Generalapotheker a. D. Dr. Jörg Hoff zum 75. Geburtstag Am 23. Januar 2015 konnte Generalapotheker a. D. Dr. Hoff die Vollendung seines 75. Lebensjahres im Kreise der Familie sowie von Freunden und Weggefährten feiern. Die Sanitätsoffiziere Apotheker der Bundeswehr gratulieren ihm ganz herzlich zu diesem besonderen Geburtstag und freuen sich sehr, dass er sich nach wie vor guter Gesundheit erfreut und das Leben zusammen mit seiner lieben Frau bei immer noch vielfältigen Aktivitäten genießen kann. Generalapotheker a. D. Dr. Hoff kann auf ein interessantes und abwechslungsreiches Berufsleben zurückschauen. Geboren 1940 in Kassel, studierte er nach dem Abitur und dem damals noch vorgeschriebenen Apotheker-Praktikum Pharmazie an der Philipps-Universität in Marburg. Nach der Approbation als Apotheker trat er am 1. Januar 1968 als “Grundwehrdienst leistender Sanitätsoffizier“ in die Bundeswehr ein. Er durchlief nach seinem Start beim Sanitätsbataillon 7 in Hamm und zwischenzeitlich erfolgter Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zunächst mehrere Verwendungen, von denen jene als Adjutant des damaligen Inspekteurs des Sanitätsund Gesundheitswesens der Bundeswehr – Admiraloberstabsarzt Dr. Stemann – sicherlich von herausragender Bedeutung war. Hier lernte er den Sanitätsdienst auf höchster Ebene umfassend kennen und konnte auch erste internationale Erfahrungen sammeln. Nach einer Verwendung in seiner hessischen Heimat als Divisionsapotheker der 2. Jägerdivision in Kassel – in diese Zeit fiel auch seine Promotion zum Dr. rer. nat. bei Prof. Dr. Schmitz in Marburg 1980 – und drei weiteren Jahren als Kommandoapotheker beim Territorialkommando Nord in Mönchengladbach führte ihn der Weg an die Sanitätsakademie nach München, wo er zunächst als Fachlehrer für Sanitätsmaterial und später als Chef des Akademiestabes erfolgreich wirkte. In seiner dann folgenden Funktion als Personalführer im BMVg gestaltete er auch meinen militärischen Werdegang mit, indem er mir als Erstverwendung nach dem Studium den Dienstposten eines Nachschubzugführers in der Sanitätsmaterialkompanie in Generalapotheker Dr. Hoff, ca. 1998 (Bildquelle: Kdo SanDstBw) Quakenbrück zudachte. Damals davon eher weniger begeistert, bin ich heute dankbar über diesen Start, der mich schließlich in meine heutige Funktion geführt hat. Zum 1. Oktober 1990 übernahm Dr. Hoff die Leitung des Referates InSan II 6 im BMVg, zuständig für die Entwicklung und Beschaffung des Sanitätsmaterials der Bundeswehr und die materielle Ausstattung der Sanitätsdienststellen. Hier wurde er 1991 zum Oberstapotheker befördert. Große Verdienste erwarb Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 60 06.02.15 13:26 61 Personalia er sich bei der Einführung der „Modularen Sanitätseinrichtungen (MSE)“ in Containerbauweise, mit denen sich der Sanitätsdienst für das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr rüstete, sowie insbesondere auch bei der materiellen Ausstattung der neuen Abteilung Herzchirurgie im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz. Mit gleichzeitiger Beförderung zum Generalapotheker übernahm Dr. Hoff am 1. Oktober 1997 das Amt des Inspizienten Wehrpharmazie der Bundeswehr, welches er bis zu seiner Zurruhesetzung im März 2000 bekleidete. Die Zusammenarbeit mit den Standesorganisationen und dem Hochschulbereich sowie die fachliche Fort- und Weiterbildung – er selbst ist Apotheker für Öffentliches Gesundheitswesen – lagen ihm dabei immer besonders am Herzen. Auch im internationalen Bereich erwarb er sich große Verdienste, insbesondere als Vorsitzender der Kommission für Pharmazie im International Committee for Military Medicine (ICMM) - eine wichtige Aufgabe, die bis heute traditionell in den Händen des Inspizienten Wehrpharmazie der Bundeswehr liegt. Für seine besonderen Leistungen wurde Dr. Hoff im Sommer 1999 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Mit Generalapotheker a. D. Dr. Hoff feiert ein Sanitätsoffizier seinen 75. Geburtstag, der stets alle Facetten dieses Berufes in beeindruckender Weise vorgelebt hat. Geradlinig und verbindlich in der Sache, dabei freundlich und bescheiden im Auftreten, haben wir ihn als Grandseigneur und die Wehrpharmazie in besonderem Maße prägende Persönlichkeit in bester Erinnerung. Die Sanitätsoffiziere Apotheker der Bundeswehr wünschen ihrem Jubilar alles erdenklich Gute und hoffen sehr, dass ihm auch künftig eine stabile Gesundheit als Voraussetzung für ein weiterhin aktives und erfülltes Leben beschieden ist. Möge er noch viele schöne und glückliche Jahre zusammen mit seiner Gemahlin gemäß dem Motto seiner oberösterreichischen Wahlheimatstadt Gallkirchen bei Linz “Stadt erleben, Land genießen“ verbringen können. Unsere besten Wünsche hierfür werden Generalapotheker a. D. Dr. Hoff begleiten. Oberstapotheker Arne Krappitz Inspizient Wehrpharmazie der Bundeswehr Aus der Nato Aus dem Human Factors and Medicine (HFM) Panel der NATO Science and Technology Organization (STO) TR-HFM-193: Mild Traumatic Brain Injury in a Military Operational Setting Ganz aktuell wurde im Januar 2015 der Bericht der Research Task Group (RTG) HFM 193, auf den Oberstarzt PD Dr. Weber in seinem Beitrag in diesem Heft u. a. Bezug nimmt, frei zugänglich veröffentlicht Aufgabe der RTG 193 war es, den aktuellen Wissensstand und die praktischen Erfahrungen im Umgang mit Patienten zusammenzutragen, die in militärischen Einätzen ein leichtes gedecktes Schädel-Hirntrauma (mild traumatic brain injury, MTBI) erlitten hatten. Die Einrichtung der RTG im Jahre 2009 ging auf eine Initiative der USA zurück, die unter ihren Veteranen eine rapide ansteigende Zahl von Patienten fanden, die über eine Vielzahl vonSymptomen nach vergleichsweise leichten Schädel-Hirntraumen klagten. Insgesamt beteiligten sich Experten aus 5 Nationen (CAN, FRA, NLD, SWE, USA, SWE) an der RTG. In acht Kapiteln wird das Thema aus klinischer und präventivmedizinischer Sicht beleuchtet, zivil-militärische Vergleichsbetrachtungen vorgenommen sowie die aktuelle wie für die Zukunft geplante Forschung vorgestellt. Breiten Raum nehmen die Analyse von Blast Injuries als Ursache von MTBI und von Zusammenhängen zwischen MTBI und Posttraumatischen Be- lastungsstörungen ein. Der Bericht belegt eindrücklich, dass die z. T. immer noch verbreite Auffassung, dass eine “Gehirnerschütterung“ folgenlos ausheilt, zu revidieren ist. In insgesamt sechs Anhängen werden die Behandlungsleitlinien der an der Studie beteiligten Nationen (Guidance and Policy) mit Ablaufdiagrammen sowie die epidemiologischen Daten zu MTBI im militärischen Bereich vorgestellt. In den Anhängen E und F werden die “US Clinical Management Algorithms“ über alle Ebenen der sanitätsddienstlichen Versorgung sowie das in den USA etablierte Verfahren “MACE“ (Military Acute Concussion Evaluation) abgebildet. Der TR-HFM-193 ist die zur Zeit umfassendste zur Verfügung aktuelle Übersicht über das Krankheistbild MTBI, die auf wehrmedizinische Aspekte focussiert. Da er auf z. T. sehr hohen Fallzahlen (z. B. USA 2010 – 2013 insgesamt 2260 Fälle von MTBI aus Afghanistan und 333 Fälle aus dem Irak) beruht, kann er als Grundlage für die Entwicklung von Präventionsund Behandlungsstrategien im zivilen wie militärischen Bereich dienen. Der vollständige Report steht im Internet unter http://www. cso.nato.int/pubs/rdp.asp?RDP=STO-TR-HFM-193 oder unter http://mci-forum.com/nato/index.html zum Download zur Verfügung. Verfasser: OTA a. D. Dr. Mees E-Mail: [email protected] Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 61 06.02.15 13:26 62 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. Wir gratulieren zum 80. Geburtstag und älter: Dr. med. Dietrich Glauer Oberstarzt a. D. Wittsfeld 10 26127 Oldenburg 17.04.1920 Dr. med. dent. Diethelm Zosel Oberfeldarzt a. D. Wichter Sandweg 20 26524 Hage 02.04.1918 Adolf Quilling Oberstapotheker a. D. Albrecht-Dürer-Str. 3 76530 Baden-Baden 20.04.1933 06.04.1926 Prof. Dr. med. Paul Oldenkott Oberstarzt a. D. Schönenbergstr. 4 89081 Ulm 22.04.1934 06.04.1934 Dr. med. Wolf J. Eichstädt Oberstarzt d. R. Nerotal 12 65193 Wiesbaden 24.04.1932 07.04.1929 Claus-G. von Puttkamer Fregattenkapitän a. D. Ulrichstr. 13 26388 Wilhelmshaven 24.04.1925 Dr. Dr. Klaus Berghorn Flottenarzt d. R. Auf der Klamm 11 76646 Bruchsal 27.04.1934 Geburtstage April 2015 Dr. med. Hansjoachim Linde Generaloberstabsarzt a. D. Porzeltstr. 4 41063 Mönchengladbach Dr. med. Thomas Röpke Oberstarzt d. R. Braunschweiger Str. 33 27321 Thedinghausen Dr. med. dent. Hans G. Breitschwerdt Flottillenarzt d. R. Liebersbronner Str. 37 73732 Esslingen Ilse Rappold-Hoffmann Kohlenstr. 34 34621 Frielendorf Dr. med. Hermann Rohwedder Admiralarzt a. D. August-Hinrichs-Str. 24 26386 Wilhelmshaven Prof. Dr. med. Peter Volk Oberstabsarzt d. R. Postfach 6451 79040 Freiburg i.Br. Prof. Dr. med. Dieter Wiebecke Oberstarzt d. R. Am Hölzlein 30 97076 Würzburg Reiner Völp Oberstapotheker a. D. Elsenhöhe 8 35037 Marburg Dr. med. Claus Voss Generaloberstabsarzt a. D. Blumenstr. 14 56070 Koblenz Dr. med. dent. Dieter Forberger Oberstabsarzt d. R. Börn 6 24235 Laboe Dr. med. Günther Hartmann Oberstarzt a. D. Sollingstr. 86 37603 Holzminden 09.04.1920 Wir gratulieren zum 75. Geburtstag: 09.04.1925 09.04.1931 09.04.1933 Dr. med. vet. Gert Rottmann Oberstveterinär d. R. Ringstr. 2 72488 Sigmaringen 22.04.1940 Dr. med. Horst Krekeler Flottenarzt d. R. Perricher Kirchweg 26 46487 Wesel-Ginderich 23.04.1940 Priv. Doz. Dr. med. Peter M. Müller-Seydlitz Stabsarzt d. R. Stolzingstr. 21/2 81927 München 24.04.1940 10.04.1928 Wir gratulieren zum 70. Geburtstag: 11.04.1929 Dr. med. univ. Reinhard Neumayr Oberst-Arzt a. D. Schidlachstr. 9 6020 Innsbruck/Österreich 15.04.1945 14.04.1935 Dr. med. Wolfgang Knigge Oberstarzt a. D. Hans-Sailer-Str. 75 99089 Erfurt 20.04.1945 15.04.1924 Dr. med. Dipl.Ing. Heiko Welsch Oberstarzt a. D. Rothenturmer Str. 33a 85053 Ingolstadt 20.04.1945 Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 62 06.02.15 13:26 63 Buchbesprechungen G. Triebig / M. Kentner / R. Schiele (Hrsg.) ßern bzw. das Metallrauchfieber bei Schweißern in eigenen Textbeiträgen nun Berücksichtigung. Arbeitsmedizin Handbuch für Theorie und Praxis Mit der Aktualisierung und Anpassung an aktuelle Themen in dieser als “Standardwerk der Arbeitsmedizin“ bezeichenbaren 4. Auflage wurde den Veränderungen sowohl der rechtlichen Vorgaben wie auch der Weiterentwicklung der medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen vollumfänglich Rechnung getragen. Insbesondere die Novellierung der arbeitsmedizinischen Vorsorge machte eine Überarbeitung zwingend notwendig, den Autoren ist darüber hinaus aber auch eine Aktualisierung dieses Handbuchs an neue wissenschaftliche und rechtliche Erkenntnisse gelungen. 4. vollständig überarbeitete Auflage 2014 ISBN 978-3-87247-755-1, Gebunden ca. 1050 Seiten € 128,00, sFr 160,00 zzgl. Versandkosten In diesem “Standardwerk der Arbeitsmedizin“ fassen die Autoren in 15 Kapiteln mit insgesamt 51 Unterkapiteln die gesamte Palette des Fachgebietes in gewohnt kompakter Form zusammen. Neben den Besonderheiten von speziellen Arbeitsplätzen und deren Belastungen werden in eigenen Kapiteln u. a. die Arbeitsphysiologie und Ergonomie, die Arbeitspsychologie sowie Prävention und Rehabilitation abgehandelt. Den größten Teil des Buches umfasst mit 300 Seiten die systematische Gliederung und Beschreibung der Berufskrankheiten entsprechend der Berufskrankheiten-Verordnung. In dieser vollständig überarbeiteten Auflage wurde neben einer Aktualisierung der einzelnen Kapitel insbesondere die Novellierung der arbeitsmedizinischen Vorsorge berücksichtigt sowie die seit der 3. Auflage neu hinzugekommenen Berufskrankheiten “Karpaltunnelsyndrom“, “Hypothenar- und Thenar-Hammer-Syndrom“ und “„Hautkrebs durch UV-Strahlung“ ausführlich behandelt. Die Kapitel “Hautkrankheiten“ sowie “Staatlicher Arbeitsschutz“ wurden vollständig neu verfasst und das Kapitel Ergonomie an aktuelle Herausforderungen angepasst. Mit den Themen “Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ und “Tropenmedizin in der Arbeitsmedizin“ wurden zwei Aspekte der modernen Arbeitsmedizin, auch im Kontext von Globalisierung, neu aufgenommen. Ebenso finden spezielle Erkrankungen wie die obstruktive Lungenerkrankung bei Schwei- Hans-Herbert Wellhöner Pharmakologie und Toxikologie 7., neu bearbeitete Auflage, Harms Verlag, Ulm, 2014, ISBN 978-3-86026-220-7, 624 Seiten, broschiert, 28,80 Euro Das Lehrbuch “Pharmakologie und Toxikologie“ von Hans-Herbert Wellhöner in der nunmehr 7. Auflage verfolgt ein interessantes und innovatives Konzept. Neben dem gedruckten Buch wird ein elektronischer Anhang (E-Book, ca. 700 Seiten) zur Insgesamt überzeugt dieses Lehr- und Nachschlagebuch mit einem sowohl fürs Lesen wie auch fürs Nachschlagen optisch ansprechendem Layout mit übersichtlichen, gut strukturierten Abbildungen. Intermittierende Fallbeispiele zeigen die Relevanz und den praktischen Bezug. Insbesondere das Kapitel der Berufskrankheiten eignet sich als Nachschlagewerk aufgrund seiner kompakten, aber dennoch vollständigen Beschreibungen der jeweiligen arbeitsmedizinischen Besonderheiten. Am Ende einzelner Themenblöcke wird auf weiterführende Literatur verwiesen. Das überarbeitete Kapitel der Reise- und Tropenmedizin kann mit insgesamt 17 Seiten nur einen kurzen Einblick in diese spezielle Thematik geben und ersetzt damit gerade für den reisemedizinisch beratenden Truppenarzt keine entsprechenden Standardund Nachschlagewerke für diesen Aufgabenbereich. Für den arbeitsmedizinisch tätigen Arzt sowohl in Weiterbildung als auch in täglicher Berufsausübung eignet sich dieses Buch als Lern- und Nachschlagewerk in besonderer Weise; mit knapp über 1000 Seiten stellt es für Studenten jedoch eine Herausforderung dar, die wesentlichen Aspekte der Arbeitsmedizin aus der Fülle der zur Verfügung stehenden Informationen herauszufiltern. Darüber hinaus bietet es als Nachschlagewerk auch interessierten Ärzten sowie Ärzten mit Berührungspunkten zur Arbeitsmedizin eine wertvolle Hilfe bei entsprechenden Fragestellungen. Flottillenarzt Dr. Stefan Sammito Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr Koblenz Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Verfügung gestellt, welcher als Ergänzung parallel zum gedruckten Buch Detailinformationen vermittelt. Sehr hilfreich sind interaktive Verlinkungen innerhalb des elektronischen Dokumentes zu einer Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen, die noch weiterführende Informationen und Originaldaten zur Verfügung stellen. Besonders erwähnenswert ist die Leistung von Hans-Herbert Wellhöner, dieses Lehrbuch als alleiniger Autor verfasst zu haben. Die äußere Erscheinung des Buches ist schlicht, aber zweckmäßig. Die einfachen Abbildungen verstehen sich als schemati- Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 63 06.02.15 13:26 64 Buchbesprechungen Die Kapitel werden in der Regel mit einem kurzen allgemeinen Teil eingeleitet, bevor einzelne Wirkmechanismen, Wirkstoffe oder Präparate erläutert werden. Die einzelnen Pharmaka werden mit Name, Struktur (meist im elektronischen Anhang zu finden), Mechanismus bzw. Wirkung, Indikation, Dosierung, Kinetik, unerwünschter Arzneimittelwirkung, Kontraindikationen sowie Besonderheiten bei Mutter und Kind dargestellt. Der Autor hat auf die Darstellung der wesentlichen und relevanten Aspekte fokussiert. Daher sollten beim Leser grundlegende Kenntnisse der Physiologie und allgemeinen Pharmakologie bereits vorhanden sein. Hervorzuheben sind die Angaben zur Dosierung sowie weitere Hinweise für den klinischen Alltag, die oft mit praktischen Beispielen unterlegt werden. sche Darstellungen und sind überwiegend dreifarbig (schwarz / weiß mit wenigen blauen Akzenten) gestaltet. Der Text ist im 2-Spalten-Layout gehalten. Neben Textpassagen unterschiedlicher Länge nutzt der Autor Aufzählungen, um den Inhalt zu vermitteln. Dabei kommen einfache Schlagwortaufzählungen neben ausformulierten Aufzählungspunkten vor. Das Buch ist in sieben Abschnitte mit Unterkapiteln gegliedert, wobei die “Abschnitte“ als Hauptkapitel zu verstehen sind. Zu Beginn werden in einem knappen Abschnitt Grundbegriffe wie Arzneimittel, Pharmakon oder Gift erläutert sowie die Pharmakologie und Toxikologie differenziert. Es folgen ein Abschnitt zur Pharmakokinetik mit den relevanten Kapiteln zur Resorption, Verteilung, Elimination und deren Zusammenwirken. Der Abschnitt Pharmakodynamik beschreibt Wirkstoff unabhängig allgemeine Wirkungsgrundsätze. Wichtige Aspekte wie Dosis-Wirkungsbeziehungen, therapeutische Breite und therapeutischer Quotient werden unter anderem besprochen. Es folgt ein Abschnitt, der besondere pharmakologische und toxikologische Situationen beschreibt. Hier finden sich Kapitel zur Arzneimitteltherapie in Schwangerschaft und Stillzeit, bei Kindern und z. B. in höherem Lebensalter. Kurz angerissen werden auch weitere Einflüsse auf die Wirkung von Arzneimitteln wie z. B. Tageszeit oder Ernährung. Im fünften Abschnitt wird die spezielle Pharmakologie einzelner Arzneistoffgruppen oder Organsysteme vorgestellt. Auf eine übergreifende Strukturierung hat der Autor dabei verzichtet. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Toxikologie. Abgeschlossen wird das Lehrbuch mit einem Abschnitt zu Diagnostika, in welchem Pharmaka dargestellt werden, die in der klinischen Diagnostik eingesetzt werden. Fazit Das Lehrbuch richtet sich vornehmlich an Medizinstudenten im fortgeschrittenen Studienabschnitt, z. B. im praktischen Jahr. Aber auch für den niedergelassenen Arzt mit spezifischen Fragen an ein Pharmakon kann dieses Buch eine Hilfe sein. Sind grundlegende Kenntnisse der Physiologie und sowie der allgemeinen Pharmakologie vorhanden, eignet sich dieses Werk sehr gut, um die Pharmakologie bestimmter Wirkstoffe im kurzen und knappen Stil zu rekapitulieren. Das Preis/Leistungsverhältnis muss positiv erwähnt werden. Oberfeldarzt Dr. Dirk Steinritz Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, München Wehrmedizinische Monatsschrift Redaktion: Oberstarzt a. D. Dr. med. Peter Mees, Baumweg 14, 53819 Neunkirchen-Seelscheid, Telefon +49 2247 912057, E-Mail: [email protected] Herausgeber: Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin. Beirat: Prof. Dr. med. H. Fassl, Lübeck; Prof. Dr. med. L.-E. Feinendegen, Jülich; Prof. Dr. med. Dr. phil. G. Jansen, Düsseldorf; Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. H.-W. Kreysel, Bonn; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. E. Lehnhardt, Hannover; Prof. Dr. W. Mühlbauer, München; Prof. Dr. med. K.-M. Müller, Bochum; Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. E. Mutschler, Frankfurt; Prof. Dr. med. G. Paal, München; Oberstapotheker a. D. Dr. rer. nat. H. Paulus; Prof. Dr. med. dent. P. Raetzke, Frankfurt; Prof. Dr. rer. nat. H.-J. Roth, Tübingen; Prof. Dr. med. L. Schweiberer, München; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Schwenzer, Tübingen; Prof. Dr. med. H.-G. Sieberth, Aachen; Prof. Dr. med. H. E. Sonntag, Heidelberg; Generalarzt a. D. Dr. med. J. Binnewies, Köln; Admiralarzt a. D. Dr. med. R. Pinnow, Glücksburg. Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstraße 43, 53125 Bonn, Telefon 02 28/9 19 37-10, Telefax 02 28/9 19 37-23, E-Mail: [email protected]; Geschäftsleitung: Heike Lange; Objektleitung: Peter C. Franz; Produktionsleitung: Thorsten Menzel. Satz und Litho: Susanne Hellinger, Langenfeld. Druck: Rautenberg Media & Print Verlag KG, Troisdorf. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Autorenhinweise können unter www.wehrmed.de im Internet abgerufen werden. Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Bundesministeriums der Verteidigung. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens acht mal im Jahr. Bezugspreis jährlich inkl. Porto- und Handlingkosten Inland: € 35,–; Europa: € 41,50; weltweit: € 49,50. Einzelheft: € 4,50 zzgl. Versandkosten € 1,80 Inland, € 4,50 Europa, € 9,50 weltweit. Das Abonnement verlängert sich jeweils um 1 Jahr, falls nicht 8 Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie sind, erhalten die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen. Wehrmedizinische Monatsschrift 59 (2015), 2/2015 WMM 2_2015_Umbruch.indd 64 06.02.15 13:26 wenn Sekunden zählen... LEADING THROUGH MEDICAL TACTICAL EXPERIENCE Wir helfen helfen. Einsatznah und kompetent. TOURNIQUETS, MEDIC KITS, TRAINING...U.V.M. www.ctcmedical.de Eigenanzeige ALMANAC 1-2 - 2014-Deutsch 06.02.15 11:45 Seite 1 ALMANAC Military Medical Corps Worldwide EDITION 2015 Die neue Ausgabe 2015 des ALMANAC Military Medical Corps Worldwide ist Ende 2014 erschienen. Der ALMANAC dient als Nachschlagewerk für internationale militärische Sanitätsdienste und stellt deren aktuellsten Stand dar. Im Vordergrund stehen beispielsweise Militärkrankenhäuser und Institute der jeweiligen Sanitätsdienste. Der ALMANAC Military Medical Corps Worldwide gibt einen umfassenden Überblick und einen systematischen Einblick in den Aufbau und die Aufgaben des militärischen Sanitätsdienstes in Form von umfangreichen Portraits nn stellt 130 länderspezifische Sanitätsdienste vor nn wird in 180 Länder verbreitet nn wird versendet an – Kommandeure der Sanitätsdienste – Entscheider in den militärischen Sanitätsdiensten und in Verteidigungsministerien – Chefärzte der Militärkrankenhäuser – Führungskräfte militärmedizinischer Institute. EUR 56,– nn A publication of Beta Publishing Group Die weltweit positive Resonanz auf die bisherigen Ausgaben des Almanac zeigt, dass großes Interesse an der Publikation besteht. Die Verbesserung von Dialog und Zusammenarbeit sind hierbei Schwerpunkte. Preis: EUR 56,– pro Exemplar zzgl. Versandkosten. WMM_2_U3.indd 1 Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH Celsiusstr. 43 // 53125 Bonn // Germany Phone: +49 (228) 91937-10 // Fax: +49 (228) 91937-23 [email protected] 06.02.15 12:02 • SC IE C HA W LS EH EL RP HAR S DEUTSC HE GE 46. KONGRESS M AZIE E.V. • Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V., Bereichsgruppe NORD-WEST HUMANITATI • PA TR E IA • IAE NT FT FÜ R W E M E D I ZI N HR UN D der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin & Wehrpharmazie. e. V. (DGWMP) Tagungspräsident: Dr. med. Udo Schumann, Oberstarzt Wissenschaftliche Leitung: André Gutcke, Oberstarzt Dr. med. Torsten Groß, Oberfeldarzt Dr. med. Heinrich Weßling, Oberfeldarzt Von der Forschung über das Krankenbett bis in den Einsatz Anmeldung wissenschaftlicher Vorträge und Poster bis zum 30. Juni 2015 unter: [email protected] Tel.: 04488/508935 15. bis 17. Oktober 2015 Weser-Ems Halle, Oldenburg Weitere Informationen zum Kongress unter: www.dgwmp.de WMM_2_U4.indd 1 Plakat2015_A4_Anzeige.indd 1 06.02.15 11:56 20.10.14 12:59