Leitsätze zur Aufgabe ethischer Bildung in den Streitkräften

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Klaus Ebeling
Leitsätze zur Aufgabe ethischer Bildung in den Streitkräften
1. Der Dienst des Soldaten ist wie jedes individuelle oder kollektive Handeln (auch im
Modus des Unterlassens) gegenüber allen davon Betroffenen gleichermaßen zu
rechtfertigen. Die moralische Grundforderung, den Mitmenschen – eben weil er ein
Mensch ist – unbedingt zu achten, schließt diese Pflicht zur Rechenschaftslegung ein.
Fragen nach dem richtigen und guten Handeln im Kontext einer menschlich
verantwortungsvollen Lebensführung betreffen, ungeachtet der Pluralität möglicher
Antworten, den Kern aller Handlungsperspektiven; die ethische Perspektive ist nicht
bloß eine Perspektive neben anderen.
2. Ethik ist dementsprechend auch im Blick auf die Bundeswehr als
Querschnittsaufgabe zu bestimmen. Komplexität und Schwierigkeitsgrad der zu
bearbeitenden Fragen und Probleme sprechen gewiss dringend für einen eigenen
(Aus-)Bildungsbereich Ethik, nicht jedoch dafür, in den anderen Lern-/Lehrkontexten
sich auch einer fachspezifisch eingegrenzten Auseinandersetzung mit ihnen zu
entziehen.
Darüber hinaus verbietet sich im Blick auf den Dienst des Soldaten sowohl jede
inhaltliche als auch methodische Verengung ethischer (Aus-)Bildung auf
berufspraktisch nützlich erscheinende Urteils- und Handlungskompetenzen. Von
Soldaten wird kompetente Aufgabenerfüllung notfalls bis zum Einsatz von Leib und
Leben erwartet. Deshalb gehört die fördernde Begleitung der Anstrengung, Klarheit
über das je eigene Leben zu gewinnen und individuell überzeugende Lebensperspektiven zu entwickeln, ebenso zum Bildungsauftrag der Streitkräfte wie im engeren
Sinne berufsethische Qualifizierungsmaßnahmen.
Neben expliziten Lernarrangements und besonderen Bildungsgelegenheiten dürfen die
(oft auch widersprüchlich) vielfältigen Bedingungen informellen Lernens nicht
vernachlässigt oder gar übersehen werden. Politische Rahmensetzungen, institutionelle
Strukturen und Prozessmuster sowie sozial-kulturelle Prägungen bestimmen in hohem
Maße die Handlungs- und Verhaltensbedingungen in der staatlichen Organisation
(nicht: Unternehmen) Bundeswehr. Sie sind kontinuierlich daraufhin zu befragen, ob
bzw. inwieweit sie ethisch anspruchsvolles oder wenigstens moralkonformes Handeln
explizit wie implizit faktisch erschweren oder verhindern, zulassen oder fördern. Wer
anspruchsvoll von den Streitkräften denkt, muss sie auch als ethisch lernfähige
Organisation wollen.
3. Im Konzept der Inneren Führung, das durchaus nicht bloß deklaratorisch das
normative Selbstverständnis der Bundeswehr darstellt, konkretisiert sich die Idee einer
Streitkraft, die auf eine moral- und demokratieverträgliche innere Ordnung und auf
eine moral- und friedensverträgliche äußere Funktionalität verpflichtet ist und in der
freie „Staatsbürger in Uniform“ (in weltbürgerlicher Verantwortung) Dienst tun.
Damit sind zugleich die drei zentralen Leitziele berufsethischer Bildung bezeichnet:
 Legitimationsnorm Frieden: „Soldat für den Frieden!“
 Integrationsnorm Demokratie: „Staatsbürger in Uniform!“
 Integritätsnorm Freiheit: „Autonome Persönlichkeit im soldatischen Dienst!“
Deren kritisch reflektierende Aneignung und situationsgerechte Konkretisierung
verlangt die Entwicklung einer komplexen Erwägungskompetenz:
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Orientierungskompetenz: Persönliche Ortsbestimmung im Horizont möglicher
Lebensorientierungen (Selbst- und Weltdeutungen)
 Sachkompetenz: Aufarbeitung problemlösungsrelevanter Sachverhalte
 Vermittlungskompetenz: Problemlösungsorientierte Vermittlung von Normund Sachwissen (ggf. auch Korrektur normativer Vorgaben und Vorsätze).
4. Die umrissene Aufgabenstellung umfasst verschiedenartige Aspekte und Intentionen.
Von daher empfiehlt sich eine Differenzierung ethischer Lern- und
Bildungsgelegenheiten. Differenzierung darf aber nicht Abschottung bedeuten, erst
recht nicht die Abwertung eines Teils der Gesamtaufgabe auf Kosten anderer.
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Ausbildung: Fachgemäße Integration ethischer Anteile in bereits etablierte
Curricula sowie Erarbeitung eines gesonderten, laufbahnrelevanten
berufsethischen Curriculums.
Bildung: „Lebenskundlicher Unterricht“ als verbindliches Angebot und
ergänzende Orientierungsarbeit (getragen von Lehr- und Schnittstelleninstituten der Bundeswehr und der Militärseelsorge, auch in Kooperation mit
kompetenten externen Partnern).
Besinnung/Begleitung: Wichtigste Adresse ist hier nach wie vor (wie
empirische Befunde zeigen: auch für nicht-religiöse Soldaten und Soldatinnen)
die Militärseelsorge der christlichen Kirchen. Gleichwohl muss die wachsende
religiöse, weltanschauliche, kulturelle Pluralität in der Bundeswehr als eine
noch unbewältigte Herausforderung markiert werden.
5. Nicht nur die pragmatische Umsetzung konzeptioneller Entscheidungen, auch diese
selber sind unter den sich ständig verändernden politischen, gesellschaftlichen und
militärtechnologischen Handlungsbedingungen fortlaufend zu überdenken: die
Bestimmung und erst recht die Transformation (nicht bloß: der Transfer) des
Generellen ins Besondere ist Daueraufgabe; sie bedarf der Unterstützung einer durch
Erfahrung und wissenschaftliche Expertise geschärften Urteilskraft.
Um den Faktor „Zufälligkeit“ im Falle wissenschaftlicher Beratung einzudämmen, ist
die Einrichtung eines Studienzentrums „Militär und Ethik“ erforderlich. Es ließe
sich wohl effektiv auch ohne großen organisatorischen und finanziellen Aufwand ins
Werk setzen - im Sinne eines Netzwerk-Knotens, der, platziert an einer
wissenschaftlichen oder Lehreinrichtung der Bundeswehr, für den in Frage
kommenden Expertenkreis vor allem Kooperationsmanagement zu leisten hätte.
Forschung
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Netzwerk „Militär und Ethik“: Kooperationsmanagement für Experten aus
Bundeswehr, Militärseelsorge und externen wissenschaftlichen Einrichtungen.
Studienprojekt „Militär und Ethik“: Kontinuierliche wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit den für Streitkräfte zentralen ethischen Fragen und
Problemen (von besonderem Interesse hierbei: die Verknüpfung philosophischund theologisch-ethischer Reflexion mit Analysen sozialwissenschaftlicher
Moralforschung).
Seminar
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Fachtagungen:: Seminare, Workshops u. ä. für verantwortliche Akteure in
Politik, Bundeswehr, Kirchen und Medien zu aktuellen Themen (mit
besonderem Augenmerk auf deren ethisch-prinzipielle Dimension);
Fortbildung: Beteiligung an der Ausbildung von Ethik-Lehrkräften für die
Bundeswehr.
Service
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Policy Paper / Intranet- bzw. Internet-Plattform „Militär und Ethik“:
Informationen und Meinungen zu aktuellen Themen, Problem- und
Diskussionslagen, Diskussions- und Beratungsforum.
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Die Bedeutung ethischer Bildung für die Streitkräfte scheint erkannt, hält man sich an die
Bekundungen der dafür Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr. Doch warum wird
hier – im Gegensatz zu anderen Kompetenzfeldern – Wertschätzung so häufig mit
anspruchskritischen Erwartungen oder Ermahnungen verknüpft? So wenig wie ihr
Gegenteil taugt anstrengungsfreie Konsumierbarkeit zum Kriterium ethischer Bildung.
Berlin/Strausberg, Mai 2009
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Leitung Forschungsschwerpunkt „Militär, Ethik und Innere Führung“
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr
Prötzeler Chaussee 20, 15344 Strausberg
Tel.: 03341 – 58 – 1835 / E-Mail: [email protected]
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