AARGAUER ZEITUNG DIENSTAG, 30. MAI 2017 AARGAU 13 SVP-Finanzaffäre: Riner bereut Fehler Parteivorstand Präsident hat Kompetenzen überschritten VON FABIAN HÄGLER Der Aargau müsse sich überlegen, welches Spitalangebot es in den Regionen brauche, sagt Susanne Hochuli. Hier bei der Einweihung des Kopf- und Neurozentrums am Kantonsspital Aarau. ARCHIV/ALEX SPICHALE Wie schwer wiegen die Vorwürfe gegen Dominik Riner, und welche Konsequenzen könnte die Affäre um abgezweigte Gelder aus der Bezirksparteikasse (az von gestern Montag) für den SVP-Grossrat haben? 2000 Franken als Beitrag an den Club Bürgerliche 100, welcher die SVP unterstützt, und 900 Franken für Eintrittskarten an den Jägerball 2015: Dies liess Riner in den letzten beiden Jahren aus der Parteikasse begleichen. Heute sagt er, der Vorwurf gegen ihn sei falsch: «Ich habe nie private Rechnungen für meinen Nutzen verrechnet. Das Interesse der Partei stand immer im Vordergrund.» Zudem habe er sich stets mit dem damaligen Kassier abgesprochen. Dominik Riner betont, alles sei ordentlich verbucht worden und die Ausgaben seien «im Sinne zur Stärkung der Partei» getätigt worden. «Im Leben passieren Fehler» Dennoch würde Riner heute anders vorgehen. «Ich würde den Gesamtvorstand bezüglich solchen Anfragen informieren und einen Entscheid einholen.» Dies hatte der 43-Jährige, der seit Januar im Grossen Rat sitzt, bei den Zahlungen für Club Bürgerliche 100 und Jägerball nicht getan. In einem Mail an seine Vorstandskollegen schrieb Riner: «Im Leben passieren Fehler und nun ist mir irrtümlicherweise auch ein solcher, ohne böse Absichten, passiert. Dafür entschuldige ich mich in aller Form und übernehme als Präsident auch die Verantwortung dafür.» Riner fügte an, es komme vor, dass man «im Sinne einer Sache nicht immer das Richtige tut und das später sehr bereut – so ergeht es mir jetzt». Inzwischen hat die Bezirkspartei mit Martin Wernli einen Mediensprecher eingesetzt. Wernli, selber Grossrat und Mitglied im Bezirksvorstand, sagt auf Anfrage: «Dominik Riner hat in dieser Sache seine Kompetenzen als Präsident sicher überschritten.» Allerdings habe er dies nicht in böser Absicht getan und die Beträge inzwischen zurückbezahlt. Vorstandsbeschluss ist nötig ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Weil der Spardruck auf das Gesundheitswesen zunahm, war der Regierungsrat unter Zugzwang. Mit der Spitalliste 2015 wollte er das Angebot der Regionalspitäler noch mehr auf regio- ● Zu wenige Eingriffe im Jahr ● hatte. Etwas überspitzt ausgedrückt und auf ein Beispiel reduziert: Die Gesundheitsbehörden haben die Anzahl der zu erwartenden Blinddarmoperationen mit dem «Finger in die Luft» auf die Spitäler verteilt, ohne die Kostenseite genau unter die Lupe genommen zu haben. Der Regierungsrat musste also die Spitalliste 2012 nochmals überarbeiten, und die Spitäler durften die strittigen Leistungen weiterhin anbieten. ● Christian Reize CEO Spital Zofingen ● «Die Fallzahlen sind nicht im finanziell relevanten Bereich.» ● Der Aargauer Regierungsrat kann aufatmen: Mit dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts findet die Auseinandersetzung zwischen dem Spital Zofingen und dem Kanton Aargau ein Ende. Der Vorsitzende Richter Daniel Stufetti wies eine Beschwerde des Regionalspitals ab, das sich gegen einen nicht erteilten Leistungsauftrag im Bereich der Schild- und Nebendrüsenchirurgie gewehrt hatte. Das Spital Zofingen hat den kantonalen Gesundheitsbehörden fast sechs Jahre lang Kopfschmerzen bereitet. Nachdem der Regierungsrat im Herbst 2011 die Spitalliste für die folgenden drei Jahre festlegte, haben die Verantwortlichen des Spitals Zofingen beim Regierungsrat protestiert. Auch andere Spitäler, darunter die Hirslanden Klinik in Aarau oder das Kantonsspital Baden, haben sich gegen nicht erteilte Leistungsaufträge gewehrt. Die Regierung gab damals nicht nach und wies die Beschwerden allesamt mit der Begründung, es müsse eine Angebots- nale Zentren konzentrieren und verweigerte daher den beantragten Leistungsauftrag des Spitals Zofingen in der Schild- und Nebenschilddrüsenchirurgie. Die Regierung begründete den Entscheid auch mit den geringen Fallzahlen, also dass zu wenige Eingriffe pro Jahr in diesem Bereich in Zofingen vorgenommen werden. Das Spital Zofingen legte abermals Beschwerde ein und machte vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend, dass die Mindestfallzahlen bei der Schild- und Nebenschilddrüsenchirurgie nicht festgelegt wurden. Ausserdem würden sie sowieso keinen Sinn machen, da es sich um einfache Eingriffe handle. Die Behandlung sei ausserdem «Teil der Grundversorgung.» Diesmal stimmte das Bundesverwaltungsgericht mit dem Regierungsrat überein. Weil das Spital Zofingen im Bewerbungszeitpunkt nur sechs Fälle aufweisen konnte, ist dieses nach Argumentation von Richter Daniel Stufetti nicht «versorgungsrelevant». Beim Spital Zofingen gibt man sich ob der Niederlage gelassen: «Die Fallzahlen sind nicht im finanziell relevanten Bereich», sagt CEO Christian Reize. Man werde die Patienten weiterhin betreuen können, weil das Mutterhaus – das Kantonsspital Aarau – den Leistungsauftrag erhalten hat. ● VON NICOLA IMFELD konzentration vorgenommen werden, ab. Die Regionalspitäler gaben nicht auf und erhielten Ende 2013 vom Bundesverwaltungsgericht recht. Es hiess die Beschwerde gegen verweigerte Leistungsaufträge gut, weil der Kanton die vom Gesetz vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung unterlassen ● Der Streit zwischen dem Spital Zofingen und dem Kanton Aargau ist beendet. Profitiert die Mutter des Kassiers? Mediensprecher Wernli bestätigt diesen Sachverhalt, sagt aber: «Ich glaube nicht, dass Mario Iten den Vorstand über die umstrittenen Zahlungen informiert hat, um Dominik Riner zu schaden und seiner Mutter zu einem Sitz im Grossen Rat zu verhelfen.» Wernli hält fest, er könne sich nicht vorstellen, «dass unser Kassier ein solches politisches Manöver versuchen würde, das unserer Bezirkspartei schadet». Doris Iten liegt jedoch im Clinch mit Tobias Kull, der in Birr im Gemeinderat sitzt. Offenbar gingen die Differenzen so weit, dass Kull im Sommer 2014 aus der örtlichen SVP austrat. «Ich wurde hintergangen», sagte er später in einem Interview mit der az, ohne auf Details einzugehen. Bekannt ist, dass die örtliche SVP die Arbeit der Behörde in Birr wiederholt scharf kritisierte. Inzwischen hat Tobias Kull auch als Gemeinderat von Birr demissioniert, die Ersatzwahl fand am 21. Mai statt. Für den frei werdenden Sitz kandidierte auch Doris Iten, die SVP-Ortspräsidentin verpasste die Wahl allerdings deutlich. Gallati und Roth schweigen Ob die Affäre dazu führt, dass Riner als Grossrat zurücktreten muss, ist derzeit schwer abzuschätzen. Jean-Pierre Gallati, Chef der SVP-Fraktion im Kantonsparlament, hält sich bedeckt. «Ich möchte mich zu diesem Thema nicht äussern, bevor die Sitzung mit Dominik Riner stattgefunden hat.» SVP-Kantonalpräsident Thomas Burgherr hatte angekündigt, eine Delegation der Parteileitung wolle die umstrittenen Zahlungen mit Riner besprechen. Nicht zum Fall äussern möchte sich auch Regierungsrätin Franziska Roth, die vor ihrer Wahl Gerichtspräsidentin in Brugg war und immer noch im Vorstand der SVP-Bezirkspartei sitzt. ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Spital Zofingen blitzt vor Bundesverwaltungsgericht ab Fragen wirft nicht nur das Verhalten von Dominik Riner, sondern auch die Rolle von Tobias Kull auf: Der ehemalige Kassier der SVP Bezirk Brugg hat die heiklen Zahlungen offenbar nur auf Anweisung von Riner, aber ohne einen Vorstandsbeschluss getätigt. Sprecher Wernli sagt: «Grundsätzlich ist es so, dass für solche Zahlungen aus der Parteikasse einen Vorstandsbeschluss braucht.» Der Parteivorstand habe das Thema aber an einer Sitzung ausdisku- tiert und der Fall sei für die Bezirkspartei damit erledigt. Speziell ist indes die Konstellation zwischen dem ehemaligen Kassier Kull und seinem Nachfolger Mario Iten. Dieser hatte die umstrittenen Zahlungen in den letzten Jahresrechnungen entdeckt und den Vorstand informiert. Hat er dies nur aus Pflichtbewusstsein und als guter Kassier getan, der keine Altlasten in der Rechnungsführung wollte? Oder steckte politisches Kalkül dahinter? Tatsache ist: Bei einem allfälligen Rücktritt von Dominik Riner aus dem Grossen Rat würde Doris Iten, die Mutter des heutigen Kassiers, ins Kantonsparlament nachrutschen. Diese ist Präsidentin der SVP Birr und belegt den ersten Ersatzplatz auf der Grossratsliste. RINERS ZAHLUNGEN So lief die Diskussion im Vorstand A uf den 31. März hat Mario Iten bei der SVP Bezirk Brugg das Amt als Kassier übernommen. Rund einen Monat später teilte er seinen Vorstandskollegen mit, dass in Jahresrechnungen auf Zahlungen von 2000 Franken für den Club Bürgerliche 100 gestossen sei. Die Rechnungen lauteten auf die Privatadresse von SVP-Bezirkspräsident Dominik Riner. Kassier Iten hielt per Mail fest, er lege «sehr grossen Wert auf Korrektheit im Umgang mit allgemeinen Geldern, die von Ortsparteien und letztendlich Parteimitgliedern bezahlt werden». Riner antwortete per Mail: «Dass unser neuer Kassier sich einliest und prüft ist gut. Damit habe ich kein Problem und es ist in Ordnung.» Der ehemalige Grossrat Jürg Stüssi-Lauterburg hielt fest, der Club Bürgerliche 100 sei «eine reine Privatsache». Er sei überzeugt, dass Riner die Rechnungen «aus Irrtum über die Parteikasse beglichen hat» und den Betrag bald zurückzahlen werde. Grossrätin Maya Meier ist selber Revisorin beim Club Bürgerliche 100. Die Mitgliedschaft sei Privatsache, schrieb Meier. «Wen die 1000 Franken reuen, der sollte halt einfach nicht beitreten.» Sie hielt weiter fest, Riner müsse die Beiträge umgehend zurückzahlen. Auch die früheren Grossräte Richard Plüss und Jörg Hunn hielten per Mail fest, solche Zahlungen hätten mit der Parteikasse nichts zu tun und die Mitgliedschaft im Club Bürgerliche 100 sei eine private Angelegenheit. Kritischer fielen die Reaktionen im Vorstand aus, als Kassier Iten die Zahlung für den Jägerball fand und Kantonalpräsident Thomas Burgherr informierte. Jürg Stüssi schrieb, es handle sich um einen privaten Anlass und die Teilnehmer müssten den Betrag von je 150 Franken zurückzahlen. Grundsätzlich solle die SVP Bezirk Brugg ihre eigenen Angelegenheiten aber selbst in Ordnung bringen. Richard Plüss fand gar, es sei nicht sinnvoll, dass ein neuer Kassier in vergangene und abgeschlossene Bücher schaue. Er kritisierte das «Detektivspielen» von Kassier Mario Iten und schrieb, es störe ihn sehr, dass ohne Vorstandsbeschluss eine Meldung an den Kantonalpräsidenten erfolgt sei. (FH)