Die Partei der schlechten Laune von Olaf Scholz

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Die Partei der schlechten Laune
Zum Umgang mit der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD)
Von Olaf Scholz
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in Deutschland keine Partei mehr am rechten Rand des
Parteienspektrums auf Dauer etablieren können. Aus gutem Grund: Die Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland haben eine Aversion gegen Parteien, die an die braune Vergangenheit
Nazi-Deutschlands erinnern. Selbst neu entstandene rechte Parteien, die sich ursprünglich
nicht von rechtsextremen Unterstützern vereinnahmen lassen wollten, gerieten häufig doch
unter wachsenden Einfluss von Extremisten, eben weil sich dieses Milieu von solchen
Parteien angezogen fühlt – und verloren damit an Akzeptanz. Dies war und ist ein Ausweis
für die gut funktionierende Demokratie in unserem Land, und für einen erfolgreichen
Parteienwettbewerb im demokratischen Zentrum.
Mit dem Aufkommen der AfD stellt sich nun die Frage, ob es so bleibt, dass sich rechts von
den Unionsparteien keine Partei stabil in den Parlamenten etablieren kann. Immerhin sitzt
die AfD nun in einer ganzen Reihe von Landtagen.
Zur Bildung rechtspopulistischer Parteien braucht es in der Regel einen „populistischen
Moment“. Die AfD hat in ihrer kurzen Geschichte gleich zwei solcher Momente erlebt: Sie
entstand zunächst in Reaktion auf die Euro-Rettung und die Kritik an der hohen
Staatsverschuldung, an intransparenten europäischen Institutionen und am Euro. Im
vergangenen Sommer gesellte sich mit der europäischen Flüchtlingskrise ein zweites, klar
ausländerfeindliches „populistisches Moment“ hinzu.
Begünstigt wurde der Gründungsprozess zusätzlich dadurch, dass die CDU unter Angela
Merkel klassisch konservative Positionen in der Familienpolitik und beim Umgang mit
Homosexuellen aufgegeben hat. Nicht als Ergebnis einer bewussten Neuorientierung der
Union, sondern aus taktischem Kalkül und Reflex auf die Positionen der relevanten
politischen Wettbewerber von SPD, Grünen und FDP. Lebensweltlich ist so ein gewisses
Vakuum für konservative Positionen entstanden, in das die AfD als rechte politische
Alternative eingedrungen ist.
Rechtspopulismus ist wahrlich keine deutsche Eigenheit. Überall in unserer Nachbarschaft
sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten rechtspopulistische Parteien entstanden.
Für unsere Zwecke lohnt ein genauerer Blick in die Niederlande, nach Belgien, Österreich
und nach Skandinavien. All diese Länder zeichnen, wie Deutschland, eine leistungsfähige
Volkswirtschaft und ein funktionierender Sozialstaat aus. All diese Länder verfügen,
zumindest im Weltmaßstab, nicht über unlösbare Probleme.
Die Volkspartei in Dänemark und die Fortschrittspartei in Norwegen sind Gruppierungen, die
ursprünglich aus Protest gegen die Steuerpolitik entstanden, mittlerweile dort aber fester
Bestandteil der politischen Landschaft geworden sind, die Politik beeinflussen,
Ressentiments gegenüber Fremden pflegen und viel stärker als in ihrer Anfangszeit auch
sozialpolitische Forderungen aufstellen. Sowohl in Dänemark als auch in Norwegen tragen
die Rechtspopulisten inzwischen die Regierungen mit.
In Schweden und in Finnland haben sich mit den Schwedendemokraten und mit der Partei
„Die Finnen“ ähnliche Parteien etabliert. Die Partei „Die Finnen“ ist trotz ihres recht kurzen
Bestehens bereits an der Regierung beteiligt. In den Niederlanden war zunächst Pim Fortuyn
erfolgreich. Nach seiner Ermordung gelang Geert Wilders die Sammlung dieser Wähler für
seine neue rechtspopulistische Formation. Und in Österreich ist die rechte FPÖ mittlerweile
ein ernstzunehmender Faktor der Politik des Landes und könnte bei den nächsten Wahlen
stärkste Kraft in der Alpenrepublik werden.
All diese Gruppierungen zeichnet zwei Dinge aus: Das Ressentiment gegenüber Fremden –
und eine wahnsinnig schlechte Laune (Ganz ähnlich übrigens wie der USPräsidentschaftsbewerber Donald Trump; aber das ist eine eigene Geschichte). Es stellt sich
die Frage, wieso es in wirtschaftlich erfolgreichen und politisch vergleichsweise stabilen
Ländern einen Nährboden gibt für schlecht gelaunte, rechtspopulistische Politik.
Vielleicht ist eine der Ursachen dafür in der Umkehrung eines Mottos der Arbeiterbewegung
des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu finden: Die Bürgerinnen und Bürger haben
jetzt eben doch mehr zu verlieren als ihre Ketten. Das gilt nicht allein für ärmere
Bevölkerungsteile, sondern auch und ganz besonders für die Mittelschicht.
Sicher sollten wir nicht übersehen, dass das Wachstum der Einkommen der Mittelschicht
unter den Bedingungen der Globalisierung stagniert. Die Aufstiegsperspektive, dass es einem
selbst und seinen Kindern einmal besser gehen wird, ist längst nicht mehr selbstverständlich
gegeben. Vielmehr macht sich in Teilen der Bevölkerung die Angst breit, dass es in Zukunft
sogar schlechter gehen könnte. Einfach qualifizierte oder ungelernte Bevölkerungsgruppen
hat es noch härter getroffen, weil ihre Perspektiven auf den Arbeitsmärkten der hoch
entwickelten und spezialisierten Wirtschaftsnationen immer düsterer werden. All das
erzeugt bei einigen schlechte Laune und eine Sehnsucht nach der alten Übersichtlichkeit:
Zurück zur Nation! Obwohl, und das ist wichtig zu erkennen, nationale Lösungen in einer
globalisierten Welt von bald zehn Milliarden Menschen gerade keine Aussicht auf Erfolg
haben.
Die moderne Welt ist komplex, sie ist kompliziert und dicht miteinander verwoben. Das
bedeutet auch, dass die wechselseitigen Abhängigkeiten zunehmen. Kein Land der Erde ist
mehr in der Lage, seine Probleme alleine zu lösen; nicht einmal die USA. Fortschritt lässt sich
nur im Konzert mit anderen erreichen. Deshalb sind internationale Verhandlungen und
Absprachen so nötig: G7-/G8-Gipfel, G20-Treffen, EU-Ratstagungen oder die Plenarsitzungen
der Vereinten Nationen, all das sind die Foren für diese oft langwierige, häufig freudlose und
in der Regel mühevolle Suche nach Kompromissen und Verhandlungsfortschritten. Schon auf
europäischer Ebene sind solche Übereinkünfte häufig sehr schwierig. Selbst erfahrene
Unterhändler mag diese Suche nach dem gemeinsamen Nenner mitunter verdrießen. Wen
wundert es da, wenn andere aus dem Frust heraus, wesentliche Geschehnisse in der
modernen Welt nicht (allein) beeinflussen zu können, solche Verhandlungen per se
kritisieren: so wird die Europäische Union, zum Beispiel, zum Sündenbock für den eigenen
Frust, seinen Willen nicht einfach durchsetzen zu können. Dabei sind gerade dieses Ringen
miteinander, die Mühsal der Kompromissfindung, der einzig erfolgversprechende Weg, die
Kontrolle zu behalten in dieser komplizierten, globalisierten und eng vernetzten Welt, in der
alles mit allem irgendwie zusammenzuhängen scheint.
Ein weiterer Grund für die schlechte Laune liegt in der Moderne selbst begründet. Unser
Leben ist heutzutage weit weniger vorherbestimmt als in früheren Zeiten. Die Gleichstellung
von Männern und Frauen ist vorangekommen, Kinder können sich frei und ohne Gewalt
entwickeln. Die Gesellschaft ist liberaler gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen
geworden. Homosexualität ist akzeptiert, die religiöse Toleranz fortgeschritten, ultrakonservative religiöse Vorstellungen über das Zusammenleben, etwa bei einigen Muslimen,
aber auch christlichen Sekten, werden deutlich kritisiert. Auch wenn die überwiegende Zahl
der Bürgerinnen und Bürger diese Entwicklungen wie wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten als positiv bewerten, gibt es Menschen, die sich davon bedroht fühlen,
ihre eigene Position gefährdet sehen und sich die alte „Ordnung“ zurückwünschen.
Natürlich sollte man die Suche nach objektiven und sozialwissenschaftlichen
Erklärungsmustern für den Rechtspopulismus auch nicht übertreiben. Die wirtschaftliche
Lage und die Unsicherheiten, die die Moderne mit sich bringt, führen nicht zwangsläufig
dazu, für rechtspopulistische Parolen empfänglich zu werden. Viele Bürgerinnen und Bürger
wählen als Konsequenz andere Parteien, beispielsweise die SPD. Die Fremdenfeindlichkeit,
wie sie für alle rechtspopulistischen Parteien wesentlich ist, speist sich häufig genug auch
einfach aus schlechter Moral – und muss deshalb klar und offen kritisiert werden.
Populismus lebt davon, irrationale Sorgen zu formulieren und das „Gegnerische“ zu
übertreiben. „Aber man wird doch mal sagen dürfen“, lautet die gängige Formel dafür. Eine
weitere Konstante ist der Glaube an die allerorten sprießenden Verschwörungstheorien. Sie
bieten Halt und ein einfaches, kohärentes Weltbild in einer komplizierten und
unübersichtlichen Zeit – und steigern noch das Gefühl, in der modernen Welt jeder
Entwicklung ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
Ressentiments, Chauvinismus und eine Affinität für autoritäre Perspektiven vermitteln in der
unübersichtlichen Welt neuen Halt. (Das mag erklären, dass die AfD und andere
rechtspopulistische Parteien so viel Gefallen finden am Russland Wladimir Putins. Man
erkennt einander). All dies sind Gründe, die dazu führen könnten, dass sich mit der AfD auch
in Deutschland eine rechtspopulistische, autoritäre und von Ressentiments getriebene Partei
etabliert – auch wenn das längst noch nicht entschieden ist.
Stellt sich die Frage nach dem Umgang mit dieser neuen Partei. Ein paar Regeln.

Wir sollten die AfD nicht dämonisieren. So lange die AfD „nur“ rechtspopulistisch ist,
sollten wir sie nicht als Nazis bezeichnen. Das macht uns unglaubwürdig. Das sollte
uns nicht davon abhalten, offen rechtsextreme Positionen oder Personen in der AfD
klar anzuprangern. Rechtspopulistische Gruppierungen tendieren dazu, auch
Extremisten anzuziehen, was schon häufig genug dazu geführt hat, dass der Führung
am Ende die Kontrolle entglitt – und die Partei implodierte. Noch scheint dies aber
nicht der Fall, deshalb sollten wir auch nicht den Eindruck erwecken und sie auf diese
Weise zum Märtyrer machen.

Die Verschwörungstheorien der Neuen Rechten und ihr Frust über den Lauf der
Dinge lassen sich nicht leicht entkräften, weil sie ja kaum auf realistischen
Vorstellungen beruhen. Man sollte sie eher als geschlossene Glaubenssysteme
begreifen. Dagegen kommt man nur an mit Wahrheit und Klarheit. Deshalb sollten
wir uns der ur-sozialdemokratischen Tradition besinnen: Sagen, was ist. Die Welt ist
kompliziert und wir sollten laut aussprechen, was wir bislang häufig nur mitdenken.
Sonst leidet die eigene Glaubwürdigkeit.

Deshalb müssen wir klar sagen: Die Welt ist kompliziert und Deutschland kann nicht
(mehr) alleine handeln. Wir sind auf globale Verabredungen angewiesen. Solche
Verabredungen lassen sich nicht einfach erzwingen – und sie kommen oft zu einem
Preis, den wir bereit sein müssen zu zahlen. Wir brauchen die Europäische Union –
politisch, wirtschaftlich, als Wertegemeinschaft. Und deshalb müssen wir auch zu
Kompromissen bereit sein. Solche Kompromisse werden nicht immer ganz unseren
Vorstellungen entsprechen und können trotzdem sinnvoll sein.

Die wirtschaftliche Entwicklung fügt sich unter den Rahmenbedingungen der
Marktwirtschaft und angesichts einer immer globaleren Ökonomie nicht einfach
einem politischen Willen, und sei er auch noch so stark. Wir müssen deshalb die –
vorhandenen – Möglichkeiten beschreiben und nutzen, ohne politische
Allmachtsfantasien im Hinblick auf das Ökonomische zu beschwören. Markige
Forderungen werden früher oder später von der Wirklichkeit überführt und
gefährden dann das Vertrauen in jene, die sie aufgestellt haben.

Für das Vertrauen in die Sozialdemokratie kommt es auf Realismus und
Glaubwürdigkeit unserer Konzepte an. Wir müssen uns auf plausible
Handlungsvorschläge konzentrieren. Nicht im Sinne einer marktideologisch
motivierten Selbstbeschränkung, sondern im Sinne einer realistischen Einschätzung
unserer Handlungsmöglichkeiten. Deshalb geht es bei der nötigen kontinuierlichen
Weiterentwicklung des Sozialstaates auch immer darum, plausible Vorschläge zu
unterbreiten, an deren Umsetzung die Wählerinnen und Wähler glauben und auf die
sie deshalb berechtigt hoffen können.

Ohne ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union werden wir die
Auseinandersetzung mit dem rechten Populismus nicht gewinnen. Ein solches
Bekenntnis schließt mit ein, dass wir Schwierigkeiten und Probleme deutlich
benennen. Und natürlich müssen wir kluge Vorschläge entwickeln, diese Probleme zu
lösen. So muss die EU ihr Demokratiedefizit beheben, gerade weil das Gefühl der
Unbeeinflussbarkeit des europäischen Geschehens den Frust fördert. Wir sollten
dabei nie vergessen zu betonen, dass Deutschland angesichts seiner Größe, seiner
Bevölkerungszahl und seiner Wirtschaftskraft, für den Zusammenhalt Europas eine
besondere Verantwortung trägt. Und natürlich auch die damit verbundenen Lasten
tragen muss. Und keine falsche Furcht: Selbst wenn wir die gleichen Probleme
benennen wie die Neue Rechte, geschieht das aus einer völlig gegensätzlichen
Perspektive. Die Rechten wollen wegen aller Herausforderungen das Rad der
Geschichte zurückdrehen – wir wollen voranschreiten. Diesen Unterschied sollten wir
immer und immer wieder betonen.

Wir machen Politik für die, die sich anstrengen und an die Regeln halten. Dieser von
US-Präsident Bill Clinton hoch gehaltene Grundsatz muss sich immer mit einer
fortschrittlichen Partei wie der SPD verbinden. Das ist auch wichtig in der
Auseinandersetzung mit dem rechten Populismus. Denn der lebt davon, das Vorurteil
zu schüren, „die Politik“ vergesse die Bürgerinnen und Bürger. Das ist falsch und das
dürfen wir den Rechten nicht durchgehen lassen.

Die Sozialdemokratie steht für den Fortschritt und hadert, anders als die Neue
Rechte, nicht mit der modernen Lebensweise. Die Liberalität betrifft Familie,
Geschlechterverhältnisse, Religion, Sexualität, Bildung und den Sozialstaat. Man kann
sein Leben so gestalten, wie man es selbst möchte. Die meisten gestalten es übrigens
ganz traditionell. Die klassische Ehe ist unverändert die bevorzugte Form der
Partnerschaft. Das wird die AfD nicht davon abhalten, die Existenz von Kitas oder
Ganztagsschulen als Angriff auf eine „richtige“ Lebensweise zu geißeln. Übrigens
müssen wir gerade deshalb darauf beharren, dass es um Chancen geht, nicht um
Vorgaben. Wir haben nichts gegen traditionelle Lebenskonzepte. Sonst stoßen wir
jene vor den Kopf, die traditionell leben, aber nichts gegen Optionen für andere
haben. Andernfalls fühlen sie sich ebenfalls in Frage gestellt – und werden
empfänglich für die Propaganda rechter Populisten.

Wir sind liberal, aber nicht doof. Deshalb haben wir auch etwas einzuwenden gegen
den laxen Umgang mit Rechtsbrechern. Wir dürfen dieses von Rechten und
Konservativen sorgsam gepflegte Vorurteil nie bedienen.

Wir müssen der Fremdenfeindlichkeit klar entgegentreten. Es geht dabei nicht
darum, das wohlige Bild einer Multikulti-Idylle zu zeichnen. Abermals: Vorhandene
Probleme müssen wir klar ansprechen! Ein Einwanderungsgesetz darf, wird und muss
sich an den Interessen Deutschlands orientieren. Wir setzen uns grundsätzlich für die
Aufnahme von Flüchtlingen ein und entwickeln zugleich pragmatische wie
verantwortliche Konzepte dafür. Open Borders ist keine sozialdemokratische
Position. Eine vernünftige humane Haltung überzeugt die meisten Bürgerinnen und
Bürger.

Das Ressentiment ist ein unverzichtbarer Baustein für den Erfolg des rechten
Populismus. Die sozialdemokratische Partei hingegen ist eine politische Bewegung
frei jeden Ressentiments. Uns ist egal, wie jemand aussieht und woher er kommt, uns
interessiert nur, was er erreichen will. Wir vereinigen eine liberale Haltung in Bezug
auf das Zusammenleben mit einer klaren Solidaritätsperspektive. Das ist wichtig: Die
dänische Steuerverweigerer-Partei ist inzwischen zu einer fremdenfeindlichen,
Ressentiment-geladenen Volkspartei mutiert, die versucht, bei sozialen Themen die
dänische Sozialdemokratie zu überbieten. In einen solchen Wettbewerb darf man
weder mit dem linken noch mit dem rechten Populismus einsteigen. Das Vertrauen in
die Sozialdemokratie hängt an der Glaubwürdigkeit und am Realismus ihrer
Konzepte. Niemals dürfen wir ein Ressentiment bedienen. Wir sollten nie vergessen,
was für eine wertvolle historische Errungenschaft eine erfolgreiche Sozialdemokratie
ist. In manchen Ländern Europas kann man angesichts einer kaum mehr
vorhandenen Sozialdemokratie nur noch wählen zwischen einer sozialstaatlichen
Partei mit lebensweltlich antimodernen Vorstellungen und Ressentiments auf der
einen Seite, und einer streng wirtschaftsliberalen Partei mit modernen Vorstellungen
zum Zusammenleben auf der anderen. Das ist ein Drama für die Bürgerinnen und
Bürger dieser Länder.

Die SPD ist eine optimistische Partei. Mit uns zieht die neue Zeit, heißt es in unseren
Liedern. Wir glauben daran, dass die Zukunft besser werden kann. Das unterscheidet
uns vom rechten Populismus, der ja von der irrigen Vorstellung lebt, früher sei alles
besser gewesen, und der Illusion, die (idealisierten) alten Zeiten ließen sich wieder
herstellen.

Der gegenwärtige Erfolg der AfD beruht, wie bei allen rechtspopulistischen Parteien,
nicht auf ihrem Programm oder ihren konkreten Forderungen, sondern auf ihrer Art
und Weise, auf die Welt zu blicken. Deshalb tut man der AfD den größten Gefallen,
wenn man überwiegend über die Partei „an sich“ diskutiert. Lasst uns nicht über die
Existenzberechtigung der AfD streiten, sondern in solchen Runden mit ihnen über
ihre konkreten Vorschläge in einzelnen Politikfeldern diskutieren – also über ihre
Vorstellungen für eine solide Haushaltsführung, ihre Ideen für die
Ganztagsbetreuung, oder über ihre Position zu Krisen wie in Syrien oder dem Irak, die
Gefahr eines Brexits oder über Flüchtlingspolitik. Entscheidend ist es, die Partei in die
konkrete thematische Auseinandersetzung zu zwingen. Wenn sich in einer Talkshow
alle Teilnehmer auf den AfD-Vertreter stürzen, betreibt man nur das Spiel der
Populisten. Denn es geht dann um die AfD. Das ist nicht klug.
Gegen die rechte Vergiftung der politischen Atmosphäre unseres Landes gibt es meines
Erachtens nur ein Gegengift: konkret werden und konkret bleiben. Dann verlieren der rechte
Populismus und die AfD schnell ihren Reiz. Und schlechte Laune vergeht leichter, wenn man
weiß, was zu tun ist. Das ist unsere Aufgabe und unsere Chance als deutsche
Sozialdemokratie.
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