3. Streben nach Glückseligkeit Nichts ist komischer als das Unglück zuzugeben Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg Endspiel Fin de Partie von Samuel Beckett Besetzung Hamm Endspiel Ronald Funke Fin de Partie von Samuel Beckett Clov * 06.03.08 Klaus Cofalka-Adami Nagg übersetzt von Elmar Tophoven Paul Vogel/Philipp Zettl ca. 1 ½ Stunden, keine Pause Nell Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. Charlotte Berg/Helen Mohr 4 Inszenierungsteam Regie Regieassistenz Marc Becker Isabell Steidl Bühne Ausstattungsassistenz Klaus Teepe Bettina Ernst Kostüme Dramaturgieassistenz Justina Klimczyk Verena Vollertsen Dramaturgie Dramaturgiehospitanz Axel Preuß Fabian Geyer 5 Inspizienz Technische Einrichtung Silvia Edvesi Udo Weber Soufflage Leiter der Abteilung Beleuchtung Hanno Nehring Steff Flächsenhaar Lichtgestaltung Technik und Werkstätten Steff Flächsenhaar Technische Direktion Ton Ivica Fulir Magali Deschamps Wolfang Freymüller Technische Leitung Thomas Mandl Raphael Weber Andreas Legnar 6 Leitung Kostümabteilung Leiter Malsaal Viola Schütze Dietmar Lechner Maria Schneider (Stv.) Dekorationswerkstatt Markus Rothmund Gewandmeisterinnen Dagmar Gröver Leiter Schlosserei Alexandra Partzsch Karl-Heinz Weis Leiterin der Abteilung Maske Kerstin Geiger Leiter Schreinerei Anja Dehn (Stv.) Klaus Volpp Leiterin der Abteilung Requisite Esther Hilkert 7 Zum Stück C Endspiel 1957 wurde Endspiel (Fin de partie) im Londoner Royal Court Theatre uraufgeführt. Die Uraufführung in französischer Sprache erfolgte in England, weil der Regisseur Roger Blin mit seinen französischen Schauspielern kein Theater in Frankreich gefunden hatte, dass die Uraufführung gewagt hätte. Nur wenige Monate später, am 30. September 1957 folgte die Deutsche Erstaufführung. Beckett selbst inszenierte sein Stück 1967 am Westberliner Schiller-Theater. Die Inszenierung soll nüchtern und ohne Untergangspathos gewesen sein; sie erlebte über 150 Aufführungen. Endspiel (Fin de partie) spielt in einem tristen Raum ohne Möbel und in einer nicht näher bezeichneten Endzeit. Eine Katastrophe hat stattgefunden, 8 die Menschheit scheint ausgestorben. Nur der blinde Hamm, sein Diener Clov sowie seine Eltern Nagg und Nell haben überlebt. Während Hamm blind und gelähmt in einem Rollstuhl sitzt und von seinem steifen Diener Clov voller Widerwillen umsorgt wird, leben Hamms Eltern in zwei Mülltonnen. Beide haben nach einem Unfall nur mehr Beinstümpfe und können die Tonnen nicht verlassen. Die Zeit steht still, die Zuständigkeiten ihrer einförmigen Leben sind festgeschrieben. Clov versorgt die drei Krüppel mit Nahrung, Hamm ist der einzige, der über die Lebensmittel verfügt. Man vertreibt sich die Zeit mit Ritualen eines trostlosen Alltags, mit Unterhaltungen und Rollenspielen, Erzählungen und Bösartigkeiten. Die Welt ist aus den Fugen, Hamm und Clov haben es aufgegeben, auf etwas zu warten. Einzig Clovs wiederholte Drohung, Hamm zu verlassen, sorgt noch für Spannung, das Auftauchen eines Flohs und einer Ratte für Aufregung. Die größte Sorge der beiden: dass sich die Menschheit aus noch lebenden Säugetieren erneut entwickeln könnte ... 9 Zum Autor R Samuel Beckett Samuel Beckett wird am 13. April 1906 sundheitliche Beschwerden nehmen zu. In in Dublin geboren. Er besucht das Trinity London beginnt er eine Psychotherapie. College Dublin und arbeitet zwei Jahre 1935 kehrt er nach Dublin zurück, reist lang als Lektor an der Pariser Eliteschule 1936 für sechs Monate durch Deutschland École Normale Supérieure. Später lehrt er und beendet schließlich sein unstetes Französisch am Trinity College, kündigt Leben 1937 mit seinem Umzug nach Paris. jedoch 1932 während eines Deutschlandaufenthalts und reist erneut nach Paris. Während der Besetzung Frankreichs 1933 stirbt sein Vater und Becketts ge- durch die Deutsche Wehrmacht ist Be- 10 ckett Mitglied der Réstistance. Berühmtheit erlangt er mit seinem 1953 uraufgeführten Stück Warten auf Godot, das am Heidelberger Theater zuletzt in der Spielzeit 05_06 in der Regie von Marc Becker aufgeführt wurde. Am 22.12.1989 stirbt Beckett in seiner Pariser Wahlheimat. Neben Stücken schrieb Beckett auch Erzählungen und Romane. Er arbeitete als Regisseur sowie für Funk, Film und Fernsehen. 1969 wurde Samuel Beckett mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Zur Inszenierung L Wie ein altes Ehepaar Die Inszenierung von Marc Becker geht vom Text aus. Becketts Stück gibt dem Abend seinen Gedanken, seinen Rhythmus und seine Spielweise vor. Die Schauspieler Klaus Cofalka-Adami (Clov) und Ronald Funke (Hamm) folgen mit Becker dem Text durch seine komischen Höhen und absurden Tiefen und gewinnen trotzdem durch ihre individuelle Aneignung der Figuren einen eigenen und zeitgenössischen Zugang. Eine Besonderheit des Abends ist die Besetzung von Hamms Eltern, Nagg und Nell. Die beiden Alten, die bei Beckett ihr Leben beinamputiert in Tonnen 12 fristen müssen, sind mit Kindern besetzt. Dieser Gedanke scheint zunächst merkwürdig. Da aber Hamm seine Eltern wie Kinder behandelt und diese selbst sich mit ihrem Ruf nach Brei und Süßigkeiten wie sehr junge Menschen verhalten, ist diese Besetzungsidee durchaus plausibel. Die Kostüme von Justina Klimczyk betonen leicht den Standesunterschied, der zwischen den beiden Protagonisten herrscht, spielen aber auch damit, dass – wie Klaus Cofalka-Adami in einem Gespräch mit unserer Theaterzeitung Sehnsucht sagte – sich die Geschichte von Hamm und Clov in jedem zweiten Wohnzimmer zutragen könnte. Gemeint ist hiermit insbesondere das Verhältnis von Hamm und Clov, die wie ein altes Ehepaar zwischen bitterem Schweigen, Sarkasmus und Schadenfreude nicht von einander lassen können. Demgegenüber geht die Bühne von Klaus Teepe ganz vom universalen Aspekt des Stückes aus, indem er einen Raum geschaffen hat, der weder Zeit noch Verortung kennt. Die Grau in Grau gehaltene letzte Zufluchtsstätte von Hamm, 13 Clov, Nagg und Nell könnte überall liegen. Sie ist ein Nichtort, dessen Fenster (ganz wie Beckett es wollte) auf ein erstarrtes Meer sowie auf einen trostlosen Landstrich blicken. Hier gibt es nur die Enge ohne Ausweg, Fenster ohne Perspektive, eine Tür ohne die Hoffnung auf einen dahinter liegenden Weg. Becketts Stück und seine Dialoge entstehen aus den Pausen des Schweigens. Die Welt ist am Ende. Es gibt nichts mehr zu sagen. Aber die Stille und das Schweigen sind das Grauen, Momente des Denkens und Gedenkens, der Einsamkeit und Trauer. Darum wird das Schweigen gebrochen, gesprochen und fortgefahren im Leben, das selbst noch in seinen dunkelsten Augenblicke zum Rollenspiel einlädt – als wären Verwandlung und Spiel das Einzige, was die (letzten) Menschen am Leben erhielte. 14 „Jetzt spiele ich“ – Die Proben 15 Regie Marc Becker (*1969) Marc Becker studierte Theater- und Politikwissenschaft sowie Neuere Deutsche Literaturgeschichte. 1998 war er Regieassistent, dann freier Regisseur am Theater Erlangen. Dort erhielt er für seine Macbeth-Adaption den Preis der Bayerischen Theatertage 2004. Als Autor wurde er 2005 mit Wir im Finale zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen und erhielt den Förderpreis für Kunst und Wissenschaft von der Stadt Nürnberg. Seit 2006 ist er Hausautor und Hausregisseur am Staatstheater Oldenburg. Am Heidelberger Theater inszenierte er bisher Warten auf Godot, Der tollste Tag sowie Wir im Finale. 16 Bühne Klaus Teepe (*1943) Aufgewachsen in Oberhausen, hat er dort an den Städtischen Bühnen eine Theatermalerausbildung absolviert. Von dort führte der Weg an die Städtischen Bühnen Freiburg, wo er als Assistent der Ausstattungsleitung und ab 1969 als Bühnen- und Kostümbildner tätig war. Nach einem Engagement an den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel kehrte er als Ausstattungsleiter nach Freiburg zurück. 1976 holte ihn Peter Stolzenberg in gleicher Position an das Theater Bremen und später auch nach Heidelberg. Endspiel ist das letzte Bühnenbild von Klaus Teepe, der am Heidelberger Theater 135 Inszenierungen ausgestattet hat. 17 Kostüme Justina Klimczyk (*1973) Justina Klimczyk studierte von 1994 bis 1999 Bühnen- und Kostümbild an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Danach arbeitete sie als Ausstattungsassistentin am Staatstheater Stuttgart und am Thalia Theater Hamburg. Seit 2003 ist sie freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin. Sie arbeitete u. a. am Hamburger Thalia Theater in der Gaußstraße, Theater Freiburg, Theaterhaus Jena, Münchner Volkstheater und am Stadttheater Konstanz. Die Räuber war ihre erste Arbeit am Heidelberger Theater. 18 19 Hamm Ronald Funke (*1954) Ronald Funke studierte Schauspiel in Rostock. Engagements hatte er in Eisleben, Schwerin, Magdeburg, Mannheim, Biel Solothurn, Luzern, am Volkstheater Rostock, Hans-Otto-Theater Potsdam und am Theater Osnabrück. Seit der Spielzeit 05_06 ist er fest am Heidelberger Theater engagiert, wo er u. a. in Die Räuber, Der Sturm, Viel Lärm um Nichts, Amerika, Argo, Die Frau vom Meer und in Der tollste Tag spielte. In dieser Spielzeit ist Ronald Funke u. a. in Bunbury - Ernst ist das Leben, Die fetten Jahre sind vorbei und Die Räuber - Neue Fassung zu sehen. 20 Clov Klaus Cofalka-Adami (*1953) Nach einer Ausbildung zum Bankfachwirt wurde Klaus Cofalka-Adami vom Kinder- und Jugendtheater der Städtischen Bühnen Dortmund engagiert. Später war er Gastschauspieler an den Städtischen Bühnen Dortmund und hatte Festengagements am Mannheimer Schnawwl sowie am Landestheater Tübingen (LTT). Seit der Spielzeit 05_06 ist er fest in Heidelberg engagiert, wo er u. a. in König Ödipus, Die Räuber, Warten auf Godot, Amerika, Oedipus auf Kolonos, Frau Luna und Der kaukasische Kreidekreis zu sehen war. In dieser Spielzeit ist Cofalka-Adami u. a. als Kreon in Antigone zu sehen. 21 Nagg Paul Vogel (*1997) wurde in Heidelberg geboren und lebt seither dort. Die Grundschulzeit verbrachte Paul Vogel in der Landhausschule. Derzeit besucht er die fünfte Klasse des Kurfürst Friedrich Gymnasiums. Neben seinem Engagement am Theater spielt er Cello. Philipp Zettl (*1992) wurde in Heidelberg geboren und besucht momentan die neunte Klasse des Englischen Instituts. Philipp Zettl singt im Kinderchor des Heidelberger Theaters und war bereits in vier Produktionen als Chorsänger zu sehen. 22 Nell Charlotte Berg (*1996), geboren in Washington D.C., wohnte zunächst in Berlin und zog dann nach Heidelberg. Sie besucht das Kurfürst Friedrich Gymnasium und singt im Kinderchor des Heidelberger Theaters, mit dem sie mehrere Auftritte hatte. Helen Mohr (*1996), geboren und aufgewachsen in Heidelberg, besucht derzeit die sechste Klasse im Englischen Institut. Sie singt im Kinderchor des Heidelberger Theaters und war bereits in zahlreichen Aufführungen zu sehen. 23 D Also sprach Zarathustra Siehe, sprach ich weiter, diesen Augenblick! Von diesem Thorwege Augenblick läuft eine lange ewige Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine Ewigkeit. Muss nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muss nicht, was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal geschehn, gethan, vorübergelaufen sein? Und wenn Alles schon dagewesen ist: was hältst du Zwerg von diesem Augenblick? Muss auch dieser Thorweg nicht schon – dagewesen sein? Und sind nicht solchermaassen fest alle Dinge verknotet, dass dieser Augen- 24 blick alle kommenden Dinge nach sich zieht? Also – – sich selber noch? Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch in dieser langen Gasse hinaus – muss es einmal noch laufen! – Und diese langsame Spinne, die im Mondschein kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und du im Thorwege, zusammen flüsternd, von ewigen Dingen flüsternd – müssen wir nicht Alle schon dagewesen sein? – und wiederkommen und in jener anderen Gasse laufen, hinaus, vor uns, in dieser langen schaurigen Gasse – müssen wir nicht ewig wiederkommen? – Friedrich Nietzsche 25 J Das Untier Was sonst trüge das, was das Untier „Weltgeschichte“ nennt, wenn nicht die Hoffung auf die Katastrophe, den Untergang, das Auslöschen der Spuren. Wer könnte eine sich Jahrtausend und Jahrtausend fortsetzende Litanei des Hauens, Stechens, Spießens, Hackens, die Monotonie des Schlachtens und Schädelspaltens, das Om mani padmehum der Gräuel ertragen, ja seinerseits nach Kräften befördern, der nicht zugleich in der Heimlichkeit seiner Vernunft gewiss wäre, dass diese rastlosen Übungen ihn und seine Gattung Gemetzel um Gemetzel, Schlacht um Schlacht, Feldzug um Feldzug, Weltkrieg 26 um Weltkrieg unaufhaltsam jenem letzten Massaker, jenem globalen Harmageddon näherbringen, mit dem das Untier seinen Schlussstrich setzt unter die atemlose Aufrechnung sich fort- und fortzeugenden Leids. (...) So ist das Untier endlich der Ammenmärchen, der Utopien, paradiesischen Visionen und Heilsgeschichten überdrüssig geworden und hat sich ermannt, dem Unausweichlichen ins Gesicht zu sehen. Trost spendet jetzt die Nähe des Unheils, die Gewissheit, dass die Äonen des Ausharrens, der Vorbereitung, der rastlosen Vervollkommnung sich neigen und der Lohn ansteht: das Ausleiden, das Ausgelittenhaben. Der wahre Garten Eden – das ist die Öde. Das Ziel der Geschichte – das ist das verwitternde Ruinenfeld. Der Sinn – das ist der durch die Augenhöhlen unter das Schädeldach geblasene, rieselnde Sand. Ulrich Horstmann 27 u Der dieses Spiels nicht Zwei Fragen an Samuel Beckett 1. Als Endspiel vor zehn Jahren zum ersten Mal aufgeführt wurde, hinterließ das Stück bei einem großen Teil des Publikums das Gefühl der Ratlosigkeit. Man fand, daß den Zuschauern Rätsel aufgegeben würden, deren Lösung auch der Autor nicht wisse. Glauben Sie, daß Endspiel den Zuschauern Rätsel aufgibt? 2. Sind Sie der Meinung, daß der Autor eine Lösung der Rätsel parat haben muß? 28 Zwei Antworten von Samuel Beckett 1. Endspiel wird bloßes Spiel sein. Nichts weniger. Von Rätseln und Lösungen also kein Gedanke. Es gibt solches ernstes Zeug: Universitäten, Kirchen, Cafés du Comerce usw. 2. Der dieses Spieles nicht. 29 O Vorhänge im Schleierzug Sieben Fragen an Klaus Teepe Klaus Teepe, mit dem Bühnenbild von Becketts Endspiel beenden Sie ihre lange und leidenschaftliche Karriere. Allein am Heidelberger Theater haben Sie 32 Jahre gearbeitet, zunächst als freier Bühnenbildner, später viele Jahre als Ausstattungsleiter. Wie sind Sie zum Theater und insbesondere zum Bühnenbild gekommen? Durch meinen Vater, Musiker im 1947 neu gegründeten Städtischen Orchester Oberhausen, hatte ich sehr früh Kontakt zum Theater. Mein erstes nachhaltiges Theatererlebnis war mit neun Jahren Wagners Fliegender Holländer. 30 Ein Jahr später spielte ich in meiner ersten Statistenrolle den Elfen Senfsame im Sommernachtstraum. Mich faszinierte aber nicht die Schauspielerei. Ich wollte daraufhin nämlich unbedingt Bühnenbildner werden. Mein Vater ermöglichte durch Gespräche mit dem Malersaalvorstand und dem Intendanten, dass ich zum 1. Okotober 1957 einen Ausbildungsvertrag als Theatermaler bekam. Das war damals außergewöhnlich, denn es gab noch keine Lehrberufe am Theater. In meinem 1. Vertragsjahr als gelernter Theatermaler habe ich in meiner Freizeit dann schon dem Ausstattungsleiter Bert Kistner assistiert, was dazu führte, dass er mich als Bühnenbildassistent ans Freiburger Theater holte. Das angemeldete Studium ließ ich aufgrund dieser Chance erst einmal sausen. Im Endeffekt begann ich 1967 meine Laufbahn als Bühnenbildner, ohne noch einmal eine Universität besucht zu haben. 31 Hatten Sie Vorbilder? 50 Jahre Theater heißt auch 50 Jahre Theaterentwicklung mit den unterschiedlichsten Einflüssen zu erleben. Das betrifft auch meine Vorbilder: In der ersten Zeit war es natürlich mein Ziehvater Bert Kistner. Er kam aus Ostberlin vom Deutschen Theater und hatte dort auch als Assistent mit Brecht gearbeitet. Zwangsläufig hat mich diese Theaterarbeit anfänglich geprägt. Später war ich Assistent von Erwin W. Zimmer, ein Theo Otto Schüler, und bei J. P. Ponnelle . Diese beiden sehr unterschiedlichen Bühnenbildner haben mich sehr stark beeinflusst. Eine Neuorientierung brachten später die Arbeiten von Wilfried Minks in Bremen. 32 Welche Regisseure waren Ihnen besonders wichtig? Im Schauspiel war das ab 1972 in Freiburg Markwart Müller-Elmau. Von 1976 bis 1992 arbeitete ich mit zwei Ausnahmen nur für das Musiktheater und hier war mir Dr. Peter Brenner besonders wichtig, mit dem ich ab 1972 über 30 Jahre zusammengearbeitet habe. Eine besonders intensive Zusammenarbeit hatte ich mit Peter Osolnik, der leider sehr früh verstarb. Ebenso mit Michael Wedekind. Darüber hinaus war für mich Wolfgang Quetes sehr wichtig. Gibt es Inszenierungen, die Ihnen besonders viel bedeuten? Bei weit über 200 Produktionen, davon allein 135 in Heidelberg, gibt es natürlicherweise zahlreiche wichtige Inszenierungen. Besonders hervorheben möchte ich Händels Alcina mit Ernst A. Klusen (Heidelberg 1991) und Mozarts Don Giovanni mit Peter Stoltzenberg (Heidelberg 1994). 33 Was war Ihre größte künstlerische Herausforderung? Eine meiner größten Herausforderungen war die Eröffnung der Spielzeit 1974 in Freiburg nach einer größeren Umbaumaßnahme. Begonnen wurde mit Wagners Meistersinger und mit Büchners Dantons Tod. Bei beiden Produktionen war ich der Bühnenbildner. Aufgrund der verspäteten Baufertigstellung war es absehbar, dass zu wenig Bühnenproben zur Verfügung stehen würden. Eine Verschiebung war nicht möglich. Um diesem Problem zu begegnen, habe ich das Bühnenbild zu Dantons Tod nur für den fahrbaren Orchestergraben vor dem Eisernen Vorgang konzipiert. Bei den Meistersingern habe ich mich ausschließlich auf die Hauptbühne konzentriert. Was man anfänglich nicht für möglich hielt, gelang dann aber sehr gut. Durch Schallschutz mit Hilfe des Eisernen Vorhangs, des Deckvorhangs und zusätzlicher Vorhänge im Schleierzug konnte gleichzeitig parallel auf der Vorbühne und der Hauptbühne geprobt werden und dies trotz „Wagner“ (natürlich ausgenommen die Festwiese!). 34 Eine große Herausforderung in Heidelberg war die Oper Orlando Paladino von Haydn. Das Regiekonzept von Peter Osolnik sah vor, dass zwei fast lebensgroße Marionetten ständig mitwirkten. Dies bedeutete, dass bis zu 8 Marionettenspieler auf 2 Stegen hintereinander in einer Höhe von ca. 4,5 Metern und für den Zuschauer unsichtbar, die Marionetten führen mussten. Das Bühnenbild habe ich als Scheune gestaltet und der durch Balken und Bretter angedeutete „Heuboden“ verbarg die Stege für die Marionettenspieler. Sie haben manche Stücke mehrfach ausgestattet. Wie geht man als Künstler damit um? Das kam im Laufe der langen Zeit natürlich sehr häufig vor: dreimal Die Zauberflöte, viermal La Traviata, fünfmal Arabella, dreimal Butterfly, dreimal Ariadne. 35 Auf Mozarts Don Giovanni, den ich dreimal in Heidelberg ausgestattet habe, möchte ich näher eingehen: Da dies neben dem Figaro meine Lieblingsoper ist, habe ich mich mit dieser Oper sehr intensiv beschäftigt. Daher war ich mit dem Thema so vertraut, dass ich mich auch mit den unterschiedlichsten Ansätzen auseinander setzen konnte. Dies war bei den verschiedenen Regisseuren, Andreas Prohaska 1985, Prof. Peter Stoltzenberg 1994 und zuletzt Sandra Leupold 2005 der Fall und hat dann zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Wie sind Sie an die Ausstattung zu Becketts Endspiel herangegangen? Ich war mit Marc Becker von Anfang an auf einer Linie: Nur vom Text ausgehen, kein von „außen“ herangetragenes neues Konzept. Ich wollte einen Raum schaffen wie er von Beckett in der Regieanweisung beschrieben wird. 36 Die Interpretation des Stückes geht allein vom Text aus. Eine wichtige Vorbedingung des Bühnenbildes war die räumliche Aufteilung des Spielortes: Das Stück spielt ausschließlich auf der Vorbühne, was dann die Grundrisskonzeption bestimmte. Bei der Gestaltung des Raumes war es mir sehr wichtig, keine Festlegung hinsichtlich einer zeitlichen und sozialen Umgebung zu machen. Eine Idee des „Wann“ und „Wo“ soll jeder Zuschauer für sich persönlich haben können. Die Fragen stellte Axel Preuß. 37 Suchen Sie keine Symbole in meinen Stücken. Samuel Beckett DRAMA Die Toten warten auf der Gegenschräge Manchmal halten sie eine Hand ins Licht Als lebten sie. Bis sie sich ganz zurückziehn In ihr gewohntes Dunkel das uns blendet. Heiner Mülller Becketts Stücke haben die Eigenart von Panzerwagen und Idioten – man kann sie beschießen, man kann sie mit Cremetorten bewerfen: sie setzen ihren Weg gelassen fort. Peter Brook Nicht sagen wollen, nicht wissen, was man sagen möchte, nicht herausbringen, was man sagen zu wollen glaubt, und immerzu sprechen – oder doch beinahe –, das ist der Punkt, den man im Eifer der Formulierung keinesfalls aus dem Auge verlieren sollte. Samuel Beckett Nachweise Probenfotos: Axel Preuß, Fabian Geyer zu Becketts „Endspiel“, a.a.O. Textnachweise (in der Reihenfolge des Heftes): Samuel Beckett: Molloy, F. a. M. 2001. Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra, Nicht gekennzeichnete Texte sind Originalbei- München, Berlin/New York 1993. träge von Axel Preuß. Ulrich Horstmann: Das Untier, F. a. M. 1985. Zwei Fragen. In: Materialien zu Becketts Wenn wir trotz unserer Bemühungen Rechte- „Endspiel“, herausgegeben von Günther Busch, inhaber übersehen haben sollten, bitten wir um F. a. M. 1970. Nachricht. Samuel Beckett. In: Materialien zu Becketts „Endspiel“, a.a.O. Internet: www.theaterheidelberg.de Heiner Müller: Werke 1. Die Gedichte, herausge- Theater und Philharmonisches Orchester geben von Frank Hörnigk, F. a. M. 1998. der Stadt Heidelberg Peter Brook: Mit Beckett leben. In: Materialien 2007_08, Programmheft Nr. 18 48 Impressum Herausgeber: Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg Intendant: Peter Spuhler Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp Redaktion: Axel Preuß & Verena Vollertsen Gestaltung: Danica Schlosser Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg Anzeigen: Greilich / Neutard 49 Schalten Sie Service-Rufnummern (kostenlos) 0800-513-5132 oder 0800-FOXCALL 0800-3 6 9 2 2 5 5 Fr ied en • EU ROS OL AR • IP PN • de n Internet: www.foxstrom.de • ve e.V. Na tur wiss en s ch aftl er f erbraucheriniti eV ati ür Di Grüner Strom Label N • 54095/WMXDesign/62x90 Das Ökostromangebot der Stadtwerke Heidelberg Handel und Vertrieb W © Copyright des WWF International ® Warenzeichen des WWF International jetzt um! 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