25 Wachheit und Schlaf: Rhythmen des Gehirns

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25.2 Das Elektroenzephalogramm
25 Wachheit und Schlaf: Rhythmen des Gehirns im
Muster des Elektroenzephalogramms
Hans-Christian Pape
„Bei der Arbeit werde ich oft hundemüde; wenn ich dann
für 10 Minuten auf die Toilette gehe, um zu schlafen, halten mich meine Kollegen für einen Drückeberger.“ „Beim
Einschlafen und Aufwachen erlebe ich furchtbare Zustände,
in denen ich mich überhaupt nicht bewegen kann; anfangs
hatte ich dabei eine Todesangst.“ Diese Schilderungen des
Patienten Max M. seiner eigenen Symptome sind Ausdruck
einer Funktionsstörung der Schlaf und Wachheit regulierenden Zentren im Gehirn, die als Narkolepsie bezeichnet
wird. Die Symptome schließen Tagesmüdigkeit mit Schlafattacken, abrupte kurze Phasen mit reduziertem Muskeltonus und Halluzinationen ein. Diese im Jahre 1880 durch
den französischen Neurologen und Psychiater Gélineau
erstmalig beschriebene Krankheit ist häufiger als man allgemein annimmt, mit einem Vorkommen in der Bevölkerung von etwa 1 : 1000. Die Narkolepsieforschung erhielt
wesentliche Impulse durch den Einsatz der Elektroenzephalografie, mit Hilfe derer die elektrische Hirnaktivität re-
25.2 Das Elektroenzephalogramm
Das lebende Gehirn erzeugt elektrische Potenzialschwankungen, die an der Schädeloberfläche als Elektroenzephalogramm (EEG) registriert werden können. Das
menschliche EEG wurde erstmalig Ende der zwanziger
Jahre des 20. Jahrhunderts von dem deutschen Psychiater
Hans Berger an der Universität Jena in Verbindung mit
Untersuchungen des Schlaf-Wach-Zyklus beschrieben.
Die Elektroenzephalografie hat sich seitdem als eine
wichtige, nicht invasive elektrophysiologische Methode
zur Charakterisierung von Hirnaktivitäten in Forschung
und neurologischer Diagnostik etabliert.
25.2.1 Grundlagen des Elektroenzephalogramms
▶ Ableitung des EEG. Einer der unbestrittenen Vorteile
des EEG liegt in der unkomplizierten technischen Handhabung. Eine Anzahl von Elektroden wird mit einem elektrisch leitenden Gel auf der Schädeloberfläche aufgebracht und mit einem EEG-Verstärkersystem verbunden. In der Regel werden die Elektroden an definierten
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gistriert wird, und der Molekularbiologie, mit Hilfe derer
wichtige genetische Grundlagen der Krankheit identifiziert
werden konnten. Die mit diesen Methoden erzielten Ergebnisse führten auch zur Korrektur eines jahrtausendelangen
Irrglaubens, demzufolge der Schlaf einen Zustand minimaler geistiger und körperlicher Aktivität darstellt, der nur einen Schritt von Koma und Tod entfernt ist (eine schreckliche Vorstellung für jeden, der sich schlafen legt!). Tatsächlich ist der Schlaf kein passiver Zustand, der infolge
fehlender sensorischer Reizung oder körperlicher Aktivität
eintritt, sondern das Gehirn führt den Zustand Schlaf aktiv
herbei. Darüber hinaus stellt der Schlaf keinen einheitlichen
Zustand dar, sondern im Verlaufe des Schlafes einer Nacht
werden unterschiedliche Aktivitätszustände in regelmäßiger Abfolge durchlaufen, die unter anderem für metabolische Funktionen und für Prozesse der Gedächtnisbildung
von Bedeutung sind.
Standardorten positioniert (▶ Abb. 25.1a), und die Potenzialunterschiede zwischen jeweils 2 Elektroden werden
aufgezeichnet (bipolare Ableitung). Die Aktivität unterschiedlicher Hirnregionen kann durch geeignete Wahl
von Elektrodenpaaren und deren Signalvergleich analysiert werden. Bei der unipolaren Ableitung wird lediglich eine Elektrode nahe am Entstehungsort der interessierenden Signale angebracht. Immer erforderlich ist eine
indifferente Elektrode („Erd“-, Referenz-, Bezugselektrode), die an Punkten des Kopfes entfernt der Hirnaktivität
angebracht wird, und die als Referenz dient. Allgemein
müssen mögliche Artefaktquellen, z. B. muskuläre Potenziale bei Augenbewegungen oder elektrische Störsignale
aus der Umgebung, erkannt und gegebenenfalls beseitigt
werden. Registrierungen direkt von der Hirnoberfläche,
z. B. bei einem neurochirurgischen Eingriff, ergeben das
Elektrokortikogramm (EKoG) mit einer im Vergleich
zum EEG verbesserten Signalauflösung.
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▶ Elektrophysiologische Grundlage des EEG. Die elektrophysiologische Grundlage des EEG sind synaptische
Aktivierungen in kortikalen Neuronen und die damit verbundenen Ionenströme im Intra- und Extrazellulärraum
(S. 87). Der extrazelluläre Strom produziert am Widerstand des Extrazellulärraumes einen Spannungsabfall
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25.1 Wenn Schlaf übermächtig wird
Abb. 25.1 Grundlagen des EEG.
a Registrierung des EEG mit Hilfe von Elektroden, die nach dem internationalen 10–20-System an definierten Standardorten an der
Schädeloberfläche angebracht werden. Schema einer bipolaren Messung zwischen zwei differenten Elektroden und einer unipolaren
Messung zwischen einer differenten und einer indifferenten Referenzelektrode.
b Zelluläre Mechanismen der Entstehung des EEG. Durch aktive Synapsen in kortikalen Neuronen werden elektrische Felder generiert,
deren Summe mit einer EEG-Elektrode an der Schädeloberfläche registriert wird (nach [2]).
25
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(Feldpotenzial). Die Summe der Feldpotenziale, die an
der Schädeloberfläche registriert wird, stellt das EEG dar
(▶ Abb. 25.1b). Dabei ist der Beitrag eines einzelnen Neurons zum EEG aufgrund der geringen Größe von synaptischem Strom und extrazellulärem Widerstand nur sehr
gering. Darüber hinaus hat das zwischen dem Ort der
Potenzialentstehung und dem Ort der Signalregistrierung
liegende, neurale und nicht-neurale Gewebe abschwächende Wirkung. Um Signale hinreichender Amplitude
(Mikrovoltbereich) an der Schädeloberfläche registrieren
zu können, ist demzufolge der summierte Beitrag einer
Vielzahl von Neuronen erforderlich. Hieraus resultiert
eine der bedeutsamsten Beschränkungen der Elektroenzephalografie: Die geringe räumliche Auflösung, die eine
Lokalisation aktiver Hirnregionen lediglich im Zentimeterbereich und keinesfalls auf der Ebene einzelner
Neurone ermöglicht. Andererseits hat diese Konstellation
eine für die Erfassung von globalen Aktivitätszuständen
des Gehirns interessante Konsequenz zur Folge. Bei zeitlich synchroner Aktivierung einer Population von Neuronen summieren sich die einzelnen Feldpotenziale zu
EEG-Signalen mit hoher Amplitude, während dieser Summationseffekt bei zeitlich unregelmäßiger (desynchronisierter) Aktivität derselben Neuronenpopulation ausbleibt (▶ Abb. 25.2a). Die Amplitude des EEG wird in diesem Fall von der zeitlichen Synchronizität der neuronalen
Aktivität bestimmt, bei unveränderter Zahl und unverän-
dertem Aktivierungsgrad der beteiligten Neurone. Bei periodischer Wiederholung solcher Synchronisationsprozesse treten wellenförmige EEG-Signale auf (EEG-Wellen
oder -Rhythmen; ▶ Abb. 25.2a).
25.2.2 Verhaltenszustände und ihre
Korrelate im EEG
▶ Frequenzbänder des EEG. Beim Menschen werden
vier grundlegende EEG-Zustände vor allem in Abhängigkeit von der Frequenz (in Hertz, Hz) der auftretenden
EEG-Wellen definiert (▶ Abb. 25.3a): Alpha (α)-Wellen (8
– 13 Hz) treten beim Erwachsenen im inaktiven Wachzustand bei geschlossenen Augen auf. Beta (β)-Wellen
mit 14 – 30 Hz zeigen Phasen mentaler Aktivität und Aufmerksamkeit an, und sie ersetzen häufig beim Öffnen der
Augen die α-Wellen. Die Theta (θ)- und Delta (δ)-Wellen
sind durch Frequenzen von 4 – 10 bzw. 0,5 – 3 Hz charakterisiert. Sie treten während Stadien der Schläfrigkeit
bzw. später Schlafphasen auf (S. 927). Eine Reihe von Hinweisen deutet darauf hin, dass unterschiedliche Regionen
des Gehirns jeweils charakteristische Rhythmen produzieren. Die θ-Wellen entstehen mit hoher Wahrscheinlichkeit in den temporolimbischen Arealen von entorhinalem Kortex und hippokampaler Formation (limbisches
System) (S. 890). Die Schlafrhythmen werden vor allem
mit Schrittmacherprozessen im Thalamus in Verbindung
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Wachheit und Schlaf
Abb. 25.2 Entstehung von EEG-Wellen durch synchronisierte zelluläre Aktivität.
a Eine EEG-Elektrode summiert die synaptische Aktivierung (angedeutet durch den afferenten Zustrom von Aktionspotenzialen) einer
Population kortikaler Neurone (1 – 5). Synaptische Aktivierung der einzelnen Neurone in unregelmäßigen Zeitabständen
(desynchronisierte Aktivität) führt zu einem EEG mit niedriger Amplitude. Synaptische Aktivierung der Neurone dieser Population in
identischen Zeitintervallen (synchronisierte Aktivität) bewirkt EEG-Wellen mit hoher Amplitude (nach [2]).
b Beispiele des EEG während epileptischer Anfälle im Menschen. Die epileptische Aktivität wird durch Spitzenpotenziale und spike-andwave-Komplexe angezeigt, die in lokalen Bereichen bei einem partiellen epileptischen Anfall oder in ausgedehnten Arealen bei
generalisierter Epilepsie auftreten (nach [17]).
gebracht. Während der Schlafstadien funktionieren thalamische Neurone als Schrittmacher für die Generierung
rhythmisch-elektrischer Aktivitätsmuster, die im synaptischen Netzwerk zwischen Thalamus und Kortex zeitlich
synchronisiert werden. Die elektroenzephalografische
Folge der synchronisierten Aktivität sind δ-Wellen oder
Schlafspindeln (S. 928). Innerhalb des α-Frequenzbandes
(8 – 13 Hz) werden unterschiedliche Anteile differenziert,
die mit visuellen (klassischer α-Rhythmus), auditorischen
(Kappa-[κ-]Rhythmus) und sensomotorischen (Mu-[µ-]
Rhythmus) Arealen des Kortex assoziiert werden. Die
Mehrzahl der Befunde zur funktionellen Bedeutung der
EEG-Wellen ist allerdings indirekter Natur, und die Gründe für die Existenz der hohen Zahl verschiedener EEGRhythmen bleiben unklar. Ein weiterer, schneller Rhyth-
25
mus des Kortex bei Wachheit und Aufmerksamkeit (30 –
80 Hz; Gamma-[γ-]Rhythmus) bewirkt die funktionelle
Verbindung von Neuronen zu ausgedehnten Verbänden.
Zum Beispiel sind die Neurone der verschiedenen Areale
des visuellen Kortex (S. 793) unterschiedlich spezialisiert,
indem sie bevorzugt entweder auf die Farbe, die Bewegungsrichtung oder die Orientierung der Kontur eines
Objektes antworten. Unterschiedlich spezialisierte und
räumlich voneinander entfernte Neurone können durch
zeitliche Synchronisation ihrer Aktivität im 30 – 80-HzBand zu einer funktionellen Gruppe verbunden werden
(einem Ensemble). Arbeiten vor allem von Wolf Singer
vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt
haben gezeigt, dass ein solches neuronales Ensemble ein
fokussiertes Sehobjekt als einheitliche Gestalt repräsen-
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25.2 Das Elektroenzephalogramm
tiert und in der Wahrnehmung von dem Hintergrund
einer visuellen Szenerie abhebt. Mittlerweile ist bekannt,
dass ähnliche Prozesse der funktionellen Verbindung von
Neuronengruppen durch γ-Synchronisation bei der Gedächtnisbildung (S. 903) eine wichtige Rolle spielen.
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▶ EEG-Potenziale bei Aktivierung sensorischer und motorischer Systeme. Unabhängig von den EEG-Wellen treten bei Aktivierung von Sinnessystemen sensorisch evozierte Potenziale im EEG auf. Deren Amplitude ist im Allgemeinen relativ klein (Bereich 10 µV) im Vergleich zum
Hintergrund-EEG, sodass zu deren Analyse eine reizbezogene Mittelung nach wiederholter Messung durchgeführt
werden muss. Sensorisch evozierte Potenziale bestehen
aus multiplen Komponenten, die in charakteristischer
Weise von der Modalität des aktivierten Systems, den
physikalischen Reizparametern und den involvierten Verarbeitungsstationen im Gehirn bestimmt werden. Obwohl die Registrierungen mit Hilfe oberflächlich am
Schädel angebrachter Elektroden vor allem kortikale Verarbeitungsprozesse in Elektrodennähe anzeigen, können
in den evozierten Potenzialen auch Komponenten identifiziert werden, die subkortikale Prozesse widerspiegeln.
Aus der Analyse der evozierten Potenziale kann demzufolge auf die Funktion und mögliche Dysfunktion sensorischer Systeme und involvierter Hirngebiete geschlossen werden (S. 797).
Von den sensorisch evozierten Potenzialen sind die
späten ereigniskorrelierten Potenziale im EEG zu unterscheiden, die nicht primär von den physikalischen Reizparametern sondern vom Kontext bestimmt werden, in
dem der Reiz präsentiert wird. Zum Beispiel sind Neuigkeit eines Reizes und Erwartung eines bekannten Reizes,
aber auch selektive Aufmerksamkeit, entscheidende Einflussgrößen. Ein gut untersuchtes ereigniskorreliertes Po-
tenzial tritt mit positiver Polarität und einer Latenz von
etwa 300 ms auf (P 300), sowohl bei Präsentation eines
Reizes als auch bei Ausbleiben des Reizes in einer bekannten Reizserie. Diese späten, ereigniskorrelierten
Potenziale repräsentieren offensichtlich kortikale Verarbeitungsmechanismen, die kognitiven Prozessen zuzuordnen sind (S. 884).
Auch die Aktivierung motorischer Systeme ist mit EEGSignalen korreliert. Im Sekundenbereich vor der Ausführung einer Willkürbewegung entwickelt sich eine zunehmende Negativierung in ausgedehnten Hirnregionen, die
als sog. Bereitschaftspotenzial im EEG registriert wird.
Obwohl eine genaue strukturelle und funktionelle Zuordnung aussteht, scheinen die frühe und die späte Komponente dieses Potenzials mit der Generierung von
Handlungsantrieb und Bewegungsentwurf assoziiert zu
sein. Unmittelbar vor Bewegungsausführung nimmt das
Bereitschaftspotenzial ab, und die motorischen Signale
zur Bewegungsausführung sind mit der Entstehung eines
Motorpotenzials (S. 842) über demjenigen Areal des
Motorkortex verbunden, das den zu bewegenden Muskel
topografisch repräsentiert.
Während der ontogenetischen Entwicklung des Gehirns durchlaufen die mit sensorischen und kognitiven Informationen assoziierten
Potenziale im EEG unterschiedliche Veränderungen. Allgemein verringert sich die Latenz sensorisch evozierter Potenziale nach der
Geburt deutlich. Dabei haben Analysen im auditorischen System
gezeigt, dass subkortikale Antworten bereits im 2. Lebensjahr eine
Latenz ähnlich der im adulten Stadium erreichen, während kortikale Potenziale erst mit 13 – 15 Jahren gereift sind. Späte ereigniskorrelierte Potenziale in Zusammenhang mit kognitiven Funktionen,
die Aufmerksamkeit oder Sprache beinhalten, zeigen eine noch
weiter verzögerte Reifung, indem erst im Alter von 15 – 20 Jahren
ein stabiles Muster erreicht wird.
25.2.3 Klinische Anwendungen des EEG
Die Aufzeichnung des EEG gibt im klinisch-diagnostischen
Bereich wichtige Auskünfte, unter anderem zu Narkosetiefe, Pharmakawirkungen, zerebraler Dysfunktionen nach
Durchblutungsstörungen, Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen. Zahlreiche Funktionsstörungen des Gehirns sind
mit charakteristischen Änderungen des EEG assoziiert, die
im Rahmen der neurologischen Diagnostik genutzt werden. Zum Beispiel sind bei der multiplen Sklerose die Latenzen sensorisch evozierter Potenziale deutlich verlängert.
Hauptgrund hierfür ist die umfangreiche Degeneration der
axonalen Myelinschicht und die damit verbundene Reduktion der Fortleitungsgeschwindigkeit elektrischer Signale
(S. 102).
Bei Anfallsleiden (Epilepsien)werden als typisches Merkmal eines epileptischen Anfalls EEG-Wellen mit hoher
Amplitude registriert, die als Spitzenpotenziale oder
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b
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Spitze-Welle-Komplexe (spike-and-wave) ausgebildet sind
(▶ Abb. 25.2b). Sie zeigen die hohe zeitliche Synchronisation der Aktivität von Neuronenpopulationen an, die entweder auf lokale Hirnbereiche beschränkt bleibt (partielle Epilepsie) oder in ausgedehnten Regionen des Gehirns mit
häufiger Synchronisation auch der Hemisphären auftritt
(generalisierte Epilepsie). Eine Verstellung der Balance zwischen inhibitorischen und exzitatorischen synaptischen Einflüssen in Verbindung mit calciumabhängigen elektrischen
Entladungen der Neurone gelten als wichtige Prozesse dieser pathologischen Formen synchronisierter Aktivität. Degenerative Veränderungen oder Mangeldurchblutung des
Gehirns bewirken im Allgemeinen eine Verlangsamung der
EEG-Wellen.
Das Erlöschen der Hirnfunktion (Hirntod) ist mit einem
EEG ohne Amplitude, dem sog. isoelektrischen oder Null-
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Wachheit und Schlaf
Linien-EEG, assoziiert. Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des
Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes. Mit dem
Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des
Menschen festgestellt. Dabei kann zum Beispiel durch
kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion
noch künstlich aufrechterhalten werden. Organe eines Patienten können diesen Zustand für einen begrenzten Zeitraum überleben, sodass zwischen Hirntod und biologischem Tod differenziert werden muss. In Deutschland sind
die Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer definiert worden ([3]).
Die Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes sind verpflichtende Entscheidungsgrundlagen für den Arzt, der die
unteilbare Verantwortung für die Feststellung des Hirn-
todes trägt. Die Diagnose des Hirntodes erfordert u. a. das
Vorliegen einer akuten schweren primären oder sekundären Hirnschädigung, die Feststellung von Bewusstlosigkeit
(Koma), fehlenden Hirnstamm-Reflexen (Hirnstamm-Areflexie) und Atemstillstand (Apnoe) sowie den Nachweis der
Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome unter Einhaltung von Beobachtungszeiten und Besonderheiten, zum
Beispiel bei Patienten im Kindesalter. Diese Richtlinien werden durch praktische Entscheidungsgrundlagen ergänzt,
so dass die Feststellung des Hirntodes anhand klinischer
Kriterien mit der notwendigen Sicherheit erfolgen kann.
Festgehalten werden muss, dass einer Organentnahme zu
Transplantationszwecken eine unabhängige Hirntoddiagnostik vorauszugehen hat. Für weitere Informationen und
klinische Details wird der Leser auf die Fachliteratur verwiesen ([1], [3], [12]).
M
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Zusammenfassung Kap. 25.2
Das Elektroenzephalogramm
Eine nicht invasive, elektrophysiologische Methode zur Darstellung der Hirnaktivität ist die Elektroenzephalografie, in
der die elektrische Aktivität von Neuronenpopulationen an
der Schädeloberfläche als Elektroenzephalogramm (EEG)
registriert wird. Funktionszustände und zahlreiche Funktionsstörungen des Gehirns sind mit charakteristischen
Mustern des Elektroenzephalogramms assoziiert. Elektrophysiologische Grundlage des EEG sind synaptische Aktivierungen in kortikalen Neuronen und die daraus resultierenden Feldpotenziale, deren Summe an der Schädeloberfläche registriert wird. Bei zeitlich synchroner, periodischer
Aktivierung einer Population von Neuronen treten wellenförmige EEG-Signale hoher Amplitude auf (EEG-Wellen
oder -Rhythmen). In Abhängigkeit von der Frequenz rhythmischer Wellen im EEG werden vier Grundzustände definiert, die mit Phasen mentaler Aktivität (β-Wellen, 14 –
30 Hz), inaktiven Wachzuständen (α-Wellen, 8 – 13 Hz), zunehmender Schläfrigkeit (θ-Wellen, 4 – 10 Hz) und tiefen
Schlafphasen (δ-Wellen, 0,5 – 3 Hz) assoziiert sind. Ein weiterer, schneller Rhythmus bei Wachheit und Aufmerksamkeit (γ –Wellen, 30 – 80 Hz) bewirkt die funktionelle Verbindung von Neuronen zu ausgedehnten Verbänden bei kognitiven Prozessen. Unabhängig von den EEG-Wellen treten
bei Stimulation von Sinnessystemen sensorisch evozierte
Potenziale im EEG auf, deren Latenz und Form von Reizparametern und involvierten Hirnregionen bestimmt wird.
Späte, ereigniskorrelierte Potenziale im EEG repräsentieren kortikale Verarbeitungsmechanismen, die kognitiven
Prozessen zugeordnet werden. Die Analyse von EEG-Wellen
und evozierten Potenzialen ist von wichtiger Bedeutung für
die Analyse komplexer Hirnfunktionen und die Diagnose ihrer Störungen.
25.3 Wachheit und Schlaf
25.3.1 Das Profil des Schlafs
Schlaf ist definiert als ein schnell reversibler Zustand reduzierter Antwortbereitschaft auf Umgebungsreize und
allgemein verminderter Interaktionen mit der Umwelt.
Schlaf existiert bei allen Säugetieren (und vermutlich allen Wirbeltieren) und füllt etwa 30 % der Lebenszeit des
Menschen (wovon im Mittel 25 % im Traumzustand verbracht werden). Der Schlaf ist ein Prozess, in dem neurale
Mechanismen in voraussagbaren Zyklen aktiviert werden, die mit charakteristischen neurovegetativen und
psychophysischen Phänomenen assoziiert sind, und die
den Schlaf grundlegend vom Zustand des Komas unterscheiden.
▶ Schlafstadien. Eine wichtige Methode zur Analyse des
menschlichen Schlafes ist die Elektroenzephalografie, deren Ergebnisse zur Einteilung verschiedener Schlafstadien
führten. Das typische EEG des wachen Zustandes mit
Wellen geringer Amplitude und hoher Frequenz verändert sich beim Einschlafen in charakteristischer Weise
(▶ Abb. 25.3a). In ruhiger Wachheit bei geschlossenen
Augen herrschen α-Wellen (8 – 13 Hz) vor. Nach Schlafbeginn treten zunehmend Wellen mit hoher Amplitude
auf, das heißt die dem EEG zugrunde liegende neuronale
Aktivität wird zunehmend zeitlich synchronisiert. Das
frühe Schlafstadium I ist nur kurz (Dauer wenige Minuten). Es ist gekennzeichnet durch weniger regelmäßige αWellen, das Auftreten von θ-Wellen (4 – 7 Hz), langsamrollende Augenbewegungen und eine sehr niedrige
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25.3 Wachheit und Schlaf
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