Murmeltiere und Murmeltierfett

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Text: Hansjakob Baumgartner
Fotos: naturpix.ch
In Heilmittelbücher der vergangenen Jahrhunderte finden
sich unzählige Salben, Pillen und
Tinkturen, die aus Wildtieren gewonnen wurden. Manche Art galt
als wandelnde Apotheke, einigen
– zum Beispiel dem Steinbock –
ist dies zum Verhängnis geworden. Die allermeisten derarti-
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gen Präparate sind Quacksalberei
und im besten Fall wirkungslos.
Murmeltierfett ist hier eine Ausnahme. Bei diesem Naturstoff
ist etwas dran an der therapeutischen Wirkung, welche die traditionelle Medizin ihm zuschreibt.
Dies belegen Untersuchungen,
die Hildebert Wagner und Dieter
Nusser vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität
München Ende der 1980er-Jahre
durchführten. Die beiden analysierten Murmeltierfett chemisch
und fanden dabei verschiedene
Corticoide mit einem Gesamtgehalt von 30 bis 80 Milligramm
pro Kilogramm.
Vielfach verschriebener
Wirkstoff
Corticoide lindern Entzündungen, hemmen das Immunsystem
und wirken schmerzstillend. In
der modernen Medizin werden sie
deshalb vielfach gegen rheumatische Erkrankungen, Muskel- und
Gelenkschmerzen verschrieben.
Es sind dieselben Gebrechen,
gegen die auch Murmeltierfett
als Arznei empfohlen wird. Dabei unterstützen diverse Fettsäuren wie Ölsäure, Linolsäure und
Linolensäure, die im Murmeltierfett enthalten sind, die therapeutische Wirkung. Sie dringen leicht
in die Haut ein und transportieren
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Monatsthema
Monatsthema
Heilendes Fett
Das Fett der Murmeltiere enthält nachweislich pharmazeutisch wirksame Substanzen. Der natürliche
Rohstoff ist zu wertvoll, um im Abfallkübel zu landen.
Verarbeiter bezahlen dafür einen guten Preis.
Foto: Hansjakob Baumgartner
Monatsthema
Foto: Hansjakob Baumgartner
In der modernen Medizin wird
­Murmeltierfett
gegen rheumatische
Erkrankungen
sowie Muskel- und
Gelenkschmerzen
verschrieben.
Andreas Schmid,
selbst aktiver
­Jäger, gründete
1992 die F­ irma
puralpina in
­Frutigen (BE).
so die Corticoide an die entzündeten Stellen.
Das Öl, das aus Murmeltierfett
gewonnen wird, lässt sich zu verschiedenen Rezepturen verarbeiten – wärmende oder kühlende
Salben zum Einmassieren, aber
auch Mundspray zur Anwendung
gegen Husten und Erkältungen.
Natürliche Ressource nutzen
In der Schweiz werden jährlich
zwischen 5500 und 8300 Murmeltiere geschossen, 2012 waren
es 6555. Davon wurden 4834 –
74 Prozent – im Kanton Graubünden erlegt. In den anderen Bergkantonen hat die Murmeltierjagd
eher geringe Bedeutung, nennenswerte Jagdstrecken verzeichnen bloss das Wallis (531), das
Tessin (368), Uri (292) und Bern
(235).
Murmeltierragout schmeckt etwas deftig, aber vorzüglich. Zuvor muss allerdings das Fett entfernt werden, sonst ist das Fleisch
ungeniessbar. Vielfach wird das
Fett verworfen. Andreas Schmid
findet dies überaus schade. Der
Stoff, eine natürliche Ressource der Alpen, sei zu wertvoll, um
im Abfallkübel zu landen. Andreas Schmid, selbst aktiver Jä-
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ger, betreibt in Frutigen (BE) die
Firma puralpina, die unter anderem Salben und Massageöle aus
Murmeltierfett, vermischt mit diversen Kräutern und pflanzlichen
Ölen, herstellt. Der 1992 gegründete Familienbetrieb wurde 2012
von den beiden Söhnen Silvan
und Reto Schmid übernommen
und bietet derzeit vier Vollzeitstellen. Vater Andreas arbeitet immer noch mit.
Puralpina verarbeitet jährlich
300 bis 400 Liter Murmeltier­
öl. Pro Liter bezahlt die Firma
50 Franken, bei Lieferungen von
mehr als 10 Litern 55 Franken.
Jäger können das Öl an den Pelzmärkten und Jägerausstellungen
in Glarus, Altstätten, St. Antoni,
Sursee, Aarau, Bern, Thun, Mörel, Altdorf, Walenstadt und Thusis abliefern, wo Andreas Schmid
stets mit einem Stand präsent ist.
Auch Postversand ist möglich
oder eine Abgabe direkt beim Betrieb in Frutigen.
Für seine Lieferanten hat Andreas Schmid eine detaillierte
Anleitung zur Gewinnung von
Murmeltieröl verfasst (siehe Kasten). Aus einem fünf Kilogramm
schweren Tier lässt sich etwa ein
Liter Öl gewinnen.
Jäger können das Öl z.B. an den
­diversen Pelzmärkten, an denen
Andreas Schmid anwesend ist,
abliefern.
Der Stoff, der uns Menschen gut
tut, ist für die Murmeltiere überlebenswichtig. Wenn sich die Tiere Ende September oder Anfangs Oktober im Bau
verkriechen, um da zu überwintern,
macht das Fett 30 bis 50 Prozent ihres
Körpergewichts aus. Der Vorrat muss
für mindestens sieben Monate reichen,
denn im Frühling, wenn sie wieder
an der Oberfläche erscheinen, liegt in
ihrem Lebensraum meist noch Schnee.
Sie fasten dann noch eine Weile, bis
die ersten Gräser und Kräuter spriessen und es wieder etwas zu futtern gibt.
Auf die Zusammensetzung
kommt es an
Um gesund zu überwintern, ist nicht
allein ein ausreichendes Fettpolster nötig. Wichtig ist auch, wie sich das Fett
zusammensetzt. Dies ergaben langjährige Forschungsarbeiten des Schweizer Wildtierbiologen Fredy Frey-Roos,
der an der Universität für Bodenkultur
Wien tätig ist. Von Belang ist namentlich der Gehalt an Linolsäure.
Dies hat mit den Besonderheiten
des Winterschlafs zu tun. Es ist genau
genommen keiner, denn die Tiere bleiben wach, verharren aber in einer Kältestarre. Dabei sinkt die Körpertemperatur gegen 5° C, das Herz schlägt
bloss noch drei bis vier mal pro Minute, und der Stoffwechsel wird auf
drei bis fünf Prozent des Sommerniveaus reduziert. Würden die Tiere über den ganzen Winter in diesem
Zustand verharren, würde der Fettvorrat locker reichen. Doch das tun sie
nicht. Etwa alle zwei Wochen heizen
sie ihren Körper vorübergehend auf
34° C auf, das heisst auf eine Temperatur, die bloss rund 4° C unter der
sommerlichen liegt. Nur während dieser kurzen Zeit können die Murmeltiere richtig schlafen.
Man vermutet, dass dann Enzyme
für die nächstfolgende Kältephase bereitgestellt werden, wozu die Tiere
den Stoffwechsel kurzfristig hochfahren müssen. Möglicherweise wird
so auch verhindert, dass die inaktiven Nervenzellen absterben. Jedenfalls müssen die periodischen Temperaturerhöhungen lebenswichtig sein,
denn sie sind enorm energieaufwändig. Mehr als die Hälfte des gesamten
winterlichen Energieverbrauchs geht
auf Konto der Aufwärmphasen.
Fredy Frey-Roos hat herausgefunden, dass die Tiere ihre Körpertemperatur umso länger auf niedrigem
Niveau halten können und sich deshalb weniger häufig aufwärmen müssen, je mehr Linolsäure ihr Körperfett
enthält. Sie verbrauchen dann erheblich weniger Energie, überstehen den
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Schlafgemeinschaften
Der Fettvorrat ist nicht die einzige Überlebensversicherung im
Winter. Murmeltiere überwintern
gruppenweise. Im Schlafkessel
kuscheln sie sich eng zusammen.
Weil die Körperoberfläche einer
ganzen Gruppe im Verhältnis
zum Volumen kleiner ist als bei
einem einzelnen Tier, sind auch
die Wärmeverluste geringer. Zudem werden die Aufwärmphasen
synchronisiert. Auch dies hilft,
Energie zu sparen: Die Tiere heizen sich so gegenseitig auf.
Nicht bloss die Bildung von
Schlafgemeinschaften hilft, die
lange Zeit unter dem Schnee zu
überstehen. Das ganze Sozialleben dient nicht zuletzt diesem
Ziel. Fredy Frey-Roos hat es in
den 1980er-Jahren zusammen
mit seinem Kollegen Walter Arnold im deutschen Nationalpark
Berchtesgaden erforscht. Die beiden fingen und markierten während vierzehn Jahren zahlreiche
Murmeltiere und konnten sie über
längere Zeiträume verfolgen.
Murmeltiere leben in Grossfamilien in durchschnittlich rund 3
Hektaren grossen Territorien, die
sie rabiat gegen Eindringlinge
verteidigen. Den Kern bildet das
erwachsene Paar. Mindestens bis
zum Erlangen der Geschlechtsreife im Alter von 2 Jahren bleiben die Jungtiere bei den Eltern,
oft aber auch länger. Letzteres
gilt besonders für die Männchen,
die manchmal erst im fünften Lebensjahr abwandern.
Polygamie
Die Paarungszeit beginnt Mitte April, oft noch bevor die Tiere den Bau verlassen haben. Deshalb werden Kopulationen sehr
selten beobachtet: Sie erfolgen
meist unterirdisch. Sind mehrere geschlechtsreife Männchen in
der Gruppe, lässt sich das dominante Weibchen von allen decken.
­Murmeltiere
­leben in
­Grossfamilien.
Exklusive
Mutterschaft:
Mit Bissen drangsaliert ­dieses
dominante
­Weibchen ihre
Kontrahentin.
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Dies geht ohne Streitereien unter
den Männchen ab. Jeder, auch
der ranghöchste, lässt den anderen gewähren.
Genetische Untersuchungen
zeigten denn auch, dass die Jungen eines Wurfs von verschiedenen Vätern abstammen können,
vielfach auch von den Söhnen des
Muttertiers. Inzucht ist deshalb
bei den Murmeltieren verbreitet.
In grossen Populationen wirkt sie
sich indessen nicht negativ aus.
Auch unter den Weibchen ist
Eifersucht offenbar kein Problem. Nicht bloss das dominante Weibchen kommt sexuell zum
Zug, auch die bereits geschlechtsreifen Töchter, die noch nicht abgewandert sind, werden gedeckt.
Da die Familie aber in einem Jahr
nicht mehr als einen Wurf aufziehen kann, verteidigt das dominante Weibchen sein Recht auf
exklusive Mutterschaft aggressiv. Mit Bissen und Verfolgungsjagden drangsaliert es seine trächtigen Töchter so lange, bis diese
ihre Embryonen verlieren.
Abwanderung in den Tod
Warum lassen sich die Töchter das bieten und wandern nicht
so früh als möglich ab, um selbst
eine Familie zu gründen? Der
Weg in die Selbstständigkeit ist
ein Wagnis. Die Tiere müssen entweder ein geeignetes, noch nicht
oder nicht mehr besiedeltes Territorium und einen Partner finden
oder das dominante Tier einer anderen Murmeltierfamilie vertreiben. Ein risikoreiches Unterfangen: In der Berchtersgader Studie
überlebte nur ein Drittel der abgewanderten Tiere bis ins nächste Frühjahr.
Es kann sich somit lohnen,
möglichst lange in der elterlichen
Familie zu bleiben. Solange ihre
Mutter sich als dominantes Tier
behaupten kann, haben die weiblichen Tiere zwar keine Fortpflanzungschancen, doch vielleicht
können sie diese dereinst beerben
oder vertreiben. Und falls dies
nicht gelingt, ist ihr Bestreben,
das eigene Erbgut in die nächste
Generation zu bringen, dennoch
zumindest teilweise erfüllt: Die
Jungtiere des mütterlichen Wurfs,
Eine Bejagung
sollte nur
bei grösseren
Familien­
verbänden
erfolgen.
Kunststoffschaft, ohne Visierung,
und mit Direktabzug
die sie mitbetreuen, sind ja mit ihnen
eng verwandt.
Dies gilt mehr noch für die jungen
Männchen, zumal diese zuweilen auch
Nachkommen mit ihrer Mutter zeugen
können. Männchen wandern denn auch
in der Regel später ab als Weibchen.
Für das dominante Paar wiederum,
ist das Verbleiben der Nachkommen
aus den Vorjahren im Familienverband vorteilhaft, weil damit die Überlebenschancen der Jungtiere steigen.
Allein könnten diese den Winter niemals überstehen, die Fettreserven sind
hierzu zu gering und die Wärmeverluste ihrer kleinen Körper zu gross.
Sie brauchen ältere Tiere als Wärmespender. Die Eltern reichen dafür oft
nicht. Die Anwesenheit älterer Geschwister in der Schlafkammer ver-
mindert die winterliche Jungensterblichkeit um mehr als die Hälfte.
Nur grössere Gruppen bejagen
All dies gilt es bei der Bejagung
der Murmeltiere zu berücksichtigen.
Wird aus einer Gruppe, die bloss aus
einem Paar und den noch nicht einjährigen Jungen besteht, ein Elterntier geschossen, bedeutet dies in vielen Fällen den Tod für die ganze Familie,
sicher aber für die Jungen. Fredy FreyRoos empfiehlt deshalb, nur Gruppen
zu beschiessen, die mindestens fünf
erwachsene Tiere enthalten und dabei
jährlich nur ein Tier zu entnehmen.
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Anleitung zur Gewinnung von Murmeltieröl
Benötigte Hilfsmittel:
Herd, grosse Pfanne, Fleischwolf, Friteuse-Filter oder Sieb mit ­Passiertuch, sterilisierter Abfüllbehälter für
das Öl (­ Glasfasche mit gutem Verschluss)
Arbeitsschritte:
1. Murmeltierfett sehr sauber gewinnen, das heisst ohne Rückstände von Fleisch und Blut.
2. Fett nach Gewinnen sofort einfrieren, sonst entwickelt sich rasch ein unangenehmer Geruch (Gründe: Fleisch- und Blutreste; Keime durch Handarbeit. Im Fett wird Wärme gespeichert, diese wirkt sich
schlecht auf die Qualität aus).
3. Das immer noch leicht gefrorene Fett durch Fleischwolf drehen (zirka 2-mm-Scheibe). Es lässt sich in
diesem Z
­ ustand gut zer­stückeln. Die Zerstückelung macht es schön kernig und beschleunigt das «Auslassen».
4. In grosse, saubere Pfanne ein wenig Wasser geben (verhindert ein Anbrennen und beschleunigt den
Schmelzvorgang). Laufend Fett dazugeben und zum Schmelzen bringen. Öfters umrühren. ­Achtung:
Die Kochtemperatur knapp über dem Schmelzpunkt h­ alten – aber nicht höher. Sonst besteht die Gefahr, dass sich Blausäure bildet, die sehr u­ nangenehm riecht und das Fett verdirbt. Das Fett verflüssigt
sich langsam, zurück bleiben kleine Reste von Bindegewebe. Diese «Grüeben» (Grieben) laufend abschöpfen, d
­ amit Platz für mehr Fett frei wird.
5. Verfärben sich die Grüeben hellbraun und ist das Öl ölig-klar, nimmt man die Pfanne rasch vom Herd.
Achtung:­Verpasst man diesen Zeitpunkt, wird das Öl sehr schnell zu heiss. Es entwickelt sich dann rasch
Blausäure, die es u­ nbrauchbar macht.
6. Das heissflüssige Öl durch einen Friteuse-Filter oder mit nor­malem Sieb mit Passiertuch in den sterilisierten B
­ ehälter abgiessen. Sterilisation von Gläsern: Glas zirka10 Minuten lang in Wasser mit einem
Schuss Essig kochen (alle Keime werden so abgetötet, der Essig löst den Kalk). Etiketten gut abwaschen.
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Monatsthema
Winter fitter und haben im Frühling bessere Fortpflanzungschancen.
Entsprechend wählen die Tiere
ihre sommerliche Nahrung. Besonders reich an Linolsäure sind
zum Beispiel Alpenklee (Trifolium alpinum), Alpen-Liebstock
(Ligusticum mutellina) sowie
Disteln. Diese Pflanzen werden
gezielt beäst.
7. Behälter gut abkühlen lassen und dicht verschliessen.
8. Bitte zum Öl vermerken, wann es ausgelassen wurde.
9. Öl gut verschlossen, kühl und lichtgeschützt lagern (im Keller, F­ lasche allenfalls in Alufolie einwickeln).
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