Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentwicklung Regulation and function of TGF-ß signals during early embryogenesi Oelgeschläger, Michael Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Proteine der transformierenden Wachstumsfaktor-beta-Familie (TGF-ß) regulieren eine Vielzahl von zellulären Prozessen. TGF-ß-Moleküle steuern die Differenzierung von Zellen w ie auch deren Proliferation, und Mutationen in Komponenten des TGF-ß-Signalübertragungsw eges w urden in verschiedenen Tumoren bereits identifiziert. Zusätzlich sind diese Wachstumsfaktoren von zentraler Bedeutung für frühe embryonale Entw icklungsprozesse. W issenschaftler am Max-Planck-Institut für Immunbiologie haben mithilfe von Mikroarray-Analysen neue Gene identifiziert, durch die TGF-ß-Aktivitäten in der frühen Embryonalentw icklung vermittelt w erden. Summary Abstract Proteins of the transforming grow th factor-beta (TGF-ß) family regulate a plethora of cellular processes. TGF-ß proteins regulate cellular differentiation as w ell as proliferation and mutations in the TGF-ß signal transduction pathw ay have been identified in various tumours. In addition, TGF-ß activity is of central importance for early embryonic development. Scientists at the Max-Planck-Institute of Immunobiology have identified new TGF-ß regulated genes that mediate TGF-ß activities during early embryonic development. Einleitung In der Embryonalentw icklung w ird eine Vielzahl an Zellarten zeitlich und räumlich koordiniert gebildet. Dabei spielen Wachstumsfaktoren eine zentrale Rolle. Sie w erden in den extrazellulären Raum abgegeben und stimulieren durch die Bindung an membranständige Rezeptoren intrazelluläre Signalkaskaden, die Genexpression steuern. Diese signalabhängige Regulation der Genexpression erlaubt die Koordinierung von Zellproliferation, Zellw anderung und Zelldifferenzierung in komplexen Gew eben, insbesondere da Zellen unterschiedlich auf das Signal reagieren, je nachdem w elche Kombinationen an Rezeptoren und intrazellulären Mediatoren in der Zelle vorliegen. Der TGF-ß-Signalübertragungsw eg ist von zentraler Bedeutung für die Determinierung verschiedener Zelltypen in der Embryonalentw icklung von W irbeltieren. Aber auch im erw achsenen Organismus ist eine präzise Steuerung von TGF-ß-Signalen notw endig, besonders w eil Mutationen in Komponenten der TGF-ß-Signalkaskade zur Bildung von malignen Tumoren führen [1]. © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/6 Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung Der TGF-ß-Signalübertragungsweg Proteine der TGF-ß-Familie binden an Proteinkomplexe in der Zellmembran, die aus den so genannten Typ IIund Typ I-Rezeptoren bestehen. Die Bindung des TGF-ß-Liganden stimuliert die Aktivierung des Typ IRezeptors durch den Typ II-Rezeptor. Der aktivierte Typ I-Rezeptor phosphoryliert und aktiviert intrazelluläre Proteine der SMAD-Familie, die Rezeptor assoziierten Smads (R-Smads). Diese binden nun an Smad-4 und steuern im Zellkern zusammen mit einer Reihe zusätzlicher Transkriptionsfaktoren (TF) spezifische Gentranskription (Abb. 1A). Die TGF-ß-Familie kann dabei in zw ei Gruppen eingeteilt w erden, die Bone morphogenetic protein-Gruppe (BMP) und die Nodal-Gruppe. Die BMP-Gruppe aktiviert mithilfe spezifischer Typ I-Rezeptoren die R-Smads Smad-1, Smad-5 und Smad-8, w ährend die Nodal-Gruppe Smad-2 und Smad-3 aktiviert [2]. Durch die Aktivierung spezifischer Smad-Proteine stimulieren die beiden TGF-ß-Gruppen sehr unterschiedliche Prozesse. In der frühen Embryonalentw icklung sind Nodal-Proteine vor allem für die Bildung des Mesoderms notw endig, aus dem ein Großteil der inneren Organe entsteht. BMP-Signale hemmen die Bildung von Nervengew ebe und stimulieren die Bildung von Epidermis (Haut) und ventralem Mesoderm, aus dem z.B. Nieren und Blut hervorgehen (Abb. 1B) Die TGF-Signalkaskade (A) TGF-ß-P rote ine binde n a n Tra nsm e m bra nk om ple x e , die Sm a d-P rote ine inne rha lb de r Ze lle phosphorylie re n und da durch a k tivie re n. Sm a ds bilde n Kom ple x e m it Sm a d-4 und ste ue rn m it zusä tzliche n Tra nsk riptionsfa k tore n (TF) spe zifische Ge ne x pre ssion. (B) R e ze ptork om ple x e , a n die BMP s binde n, a k tivie re n Sm a d-1, Sm a d-5 und Sm a d -8 und stim ulie re n die Bildung von Ha ut, Blut und Nie re nge we be , wä hre nd die Bildung von Ne rve nge we be ge he m m t wird. Noda l-Signa le a k tivie re n Sm a d2 und -3, die für die Bildung de s Me sode rm s und de r Eta blie rung de r Link s-re chts-Asym m e trie notwe ndig sind. © Ma x -P la nck -Institut für Im m unbiologie Die Regulation der Genexpression durch TGF-ß-Signale ist sehr Dosis-abhängig. Bereits kleine Variationen in der BMP- oder Nodal-Konzentration stimulieren die Bildung verschiedener embryonaler Gew ebe. Daher gibt es eine Vielzahl an Mechanismen, durch die TGF-ß-Signale innerhalb und außerhalb der Zelle reguliert w erden. Von besonderem Interesse ist die Regulation von BMP-Signalen im extrazellulären Raum. Genetische Studien im Fischembryo und funktionelle w ie auch biochemische Analysen im Froschembryo haben ein sehr komplexes Netzw erk aus Protein-Protein-Wechselw irkungen identifiziert, durch die die Bindung von BMPs an BMPRezeptorkomplexe reguliert w ird, einschließlich des BMP-Antagonisten Chordin, Metalloproteinasen der TolloidFamilie, sow ie Twisted Gastrulation und Sizzled [2, 3]. Der BMP-Antagonist Chordin bindet BMPs und hemmt © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/6 Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung dadurch die Interaktion von BMPs mit Rezeptorkomplexen. Diese Hemmung ist reversibel, da Tolloid Chordin spalten und BMP w ieder freisetzen kann. Twisted gastrulation stimuliert die Bindung von Chordin an BMP w ie auch die Spaltung von Chordin durch Tolloid, w ährend Sizzled die proteolytische Spaltung von Chordin durch Tolloid hemmt. Verschiedene Komponenten dieses Netzw erks w urden in Mensch, Maus und Frosch, aber auch in Fliege und Seeanemone gefunden. Dabei stellte man fest, dass – trotz der Unterschiede in den sich bildenden Strukturen – zumindest einige Proteine dieses regulatorischen Netzw erkes vergleichbare Funktionen ausüben [4, 5, 6]. W ährend der frühen Embryogenese w ird Chordin im Frosch, w ie auch im Fisch oder der Maus, lokal sezerniert und generiert dadurch einen BMP-Signalgradienten. Dieser Gradient w ird im Embryo auf verschiedene Weise interpretiert. Zum einen w erden Zelltypen konzentrationsabhängig determiniert. Zum anderen steuert der Gradient gerichtete Zellbew egungen [7], durch die aus dem kugelförmigen Ei ein länglicher Embryo geformt w ird (Abb. 2). Der BMP-Signalgradient (A) Durch lok a le Se ze rnie rung von Anta goniste n wird im Em bryo e in BMP -Signa lgra die nt e ta blie rt, durch de n ve rschie de ne Ge we be im Ek tode rm (bla u) und Me sode rm (grün) de te rm inie rt we rde n. (B) Einige Stunde n spä te r wa nde rn Ze lle n e ntla ng de s BMP -Gra die nte n von de r Ba uch- zur R ück e nse ite und form e n a us e ine m k uge lförm ige n Ei e ine n lä ngliche n Em bryo. © Ma x -P la nck -Institut für Im m unbiologie Identifizierung von BMP-Zielgenen Der südafrikanische Krallenfrosch Xenopus laevis w ird häufig für die Analyse von Signalkaskaden und deren Wechselw irkung mit bekannten oder neuen Proteinen eingesetzt. Die Froscheier sind sehr groß (1.5 mm im Durchmesser) und ermöglichen eine Vielzahl embryologischer Manipulationen. Zusätzlich legt ein Weibchen über 2000 Eier am Tag, die eine fast unerschöpfliche Quelle für die Isolation von DNA, RNA oder Proteinen darstellen. Durch Mikroinjektion von frühen Froschembryonen mit synthetischer mRNA oder chemischer Behandlung, z.B. mit Lithiumchlorid, können Signale stimuliert oder gehemmt w erden und ausreichende Mengen an RNA aus verschiedenen embryonalen Stadien isoliert w erden, die eine vergleichende Analyse mithilfe von Mikroarray-Chips erlauben. Die Arbeitsgruppe um Michael Oelgeschläger hat eine Reihe von neuen Genen identifiziert, die durch BMP-Signale transkriptional reguliert w erden und verschiedene BMP-Aktivitäten im frühen Froschembryo vermitteln. Dafür w urde RNA aus frühen Froschembryonen isoliert, in denen BMPAktivität durch Mikroinjektion synthetischer mRNA oder chemischer Behandlung entw eder stimuliert oder gehemmt w orden w ar und mithilfe von Mikroarray-Analysen verglichen. Die Expression der isolierten Gene korrelierte dabei sehr gut mit BMP-Aktivität. Vor allem in frühen Embryonalstadien w ird der BMP-Signalgradient durch die Expression dieser Gene deutlich sichtbar. BMP-Signalgradienten determinieren w ährend der Gastrulation, in der Mesoderm in den Embryo einw andert, die dorsal-ventrale (Rücken-Bauch) Körperachse. In der dorsalen oder Rückenseite des Embryos w ird w ährend der Neurulation die Neuralplatte gebildet, aus der das zentrale Nervensystem hervorgeht. Da in der Neuralplatte kaum BMP-Aktivität nachzuw eisen ist, w erden in diesem Bereich vor allem Gene transkribiert, deren Expression durch BMP- Signale gehemmt w ird, w ährend Transkripte BMP-aktivierter Gene von der Neuralplatte ausgeschlossen sind. (Abb. 3). © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/6 Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung Expression BMP-regulierter Gene Die Ex pre ssion von Ge ne n, die durch BMP -Signa le stim ulie rt we rde n, ist von de r R ück se ite wä hre nd de r Ne urula tion a usge schlosse n (A, B), wo a usschlie ßlich Ge ne e x prim ie rt we rde n, die durch BMP -Signa le ge he m m t we rde n (C , D). Die Ex pre ssion von x Tspa n-1 wä hre nd de r Ga strula tion m a cht de n BMP -Signa lgra die nte n sichtba r (E). LiC l-Be ha ndlung he m m t BMP -Ak tivitä t, soda ss x Tspa n-1-m R NA nun gle ichm ä ßig im ga nze n Em bryo na chwe isba r ist (F). Die rote n Gra die nte n ste lle n die BMP Ak tivitä t für die je we ilige n e m bryona le n Sta die n sche m a tisch da r. © Ma x -P la nck -Institut für Im m unbiologie Eines der Gene, die durch BMP-Signale in ihrer Expression gehemmt w erden, kodiert für ein Transmembranprotein, xTspan-1. Durch Mikroinjektion synthetischer mRNA konnte gezeigt w erden, dass xTspan-1 Zelladhäsion und Zellmigration reguliert [8]. Dies w urde unter anderem durch sogenannte Reaggrations-Assays nachgew iesen. Dafür w urde ein Aggregat aus unbehandelten embryonalen Zellen und xTspan-1 injizierten Zellen, die zusätzlich einen fluoreszierenden Marker exprimierten, hergestellt. Die xTspan1-positiven Zellen mischten sich nicht mit den unbehandelten Zellen, sondern sammelten sich an der Oberfläche des Aggregats an. Dieser Effekt konnte durch Ko-Injektion von mRNAs, die für Zelladhäsionsproteine der Cadherin-Familie kodierten, aufgehoben w erden. Diese Ergebnisse w eisen auf eine Hemmung der Zelladhäsion durch xTspan-1 hin, die unter anderem durch reduzierte Cadherin-Aktivität in den xTspan-1 exprimierenden Zellen erklärt w erden kann. Zusätzlich w urde mithilfe von Morpholino-Oligomeren, die spezifisch die Proteinsynthese von endogenem xTspan-1 hemmen, nachgew iesen, dass xTspan-1 für die Differenzierung von neuronalen Vorläuferzellen notw endig ist (Abb. 4). © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/6 Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung xTspan-1 hemmt Zelladhäsion und stimuliert die Bildung von Nervenzellen. (A) Die x Tspa n-1 e x prim ie re nde n Ze lle n m ische n sich nicht m it norm a le n e k tode rm a le n Ze lle n. Sta ttde sse n a k k um ulie re n sie a uf de r O be rflä che de s Aggre ga ts, wa s a uf e ine re duzie rte Ze lla dhä sion hinwe ist. (B) Die se r Effe k t k a nn durch Ko-Ex pre ssion von C a dhe rine n a ufge hobe n we rde n. Zusä tzlich ve rhinde rt die He m m ung de r P rote insynthe se von e ndoge ne m x Tspa n-1 die Bildung von diffe re nzie rte n Ne rve nze lle n (C ; N-tubulin) a ls a uch ne urona le n Vorlä ufe rze lle n (D; x de lta -1). Die injizie rte n Ze lle n a uf de r re chte n Se ite sind grün ge fä rbt, da sie zusä tzlich ßGa la k tosida se e x prim ie re n. Tspa n-1 he m m t Ze lla dhä sion wie a uch Ze llm igra tion und stim ulie rt Ne ura linduk tion; zwe i BMP a bhä ngige P roze sse . © Ma x -P la nck -Institut für Im m unbiologie Dieses Protein ist also an den oben beschriebenen BMP-abhängigen Prozessen beteiligt und stellt eines der ersten BMP-regulierten Gene dar, das sow ohl Zellbew egungen als auch die Differenzierung von Nervenzellen regulieren kann. Ausblick Diese Arbeiten haben zur Identifizierung einer Vielzahl neuer BMP-regulierter Gene geführt, einschließlich Tspan-1, das an der Regulation von Zellbew egungen und der Differenzierung von Nervenzellen beteiligt ist. Die w eitere Analyse dieser Gene w ird unser Verständnis für die molekularen Mechanismen, durch die BMPSignale eine Vielzahl an biologischen Aktivitäten in der Embryogenese w ie auch im adulten Organismus steuern, w eiter vertiefen. Die überraschend ausgeprägte Ähnlichkeit von BMP-Aktivitäten in verschiedenen W irbeltierarten lässt erw arten, dass homologe Gene in Säugetieren, einschließlich des Menschen, vergleichbare Funktionen ausüben. Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser (Employee mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung © 2008 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/6 Jahrbuch 2007/2008 | Oelgeschläger, Michael | Regulation und Funktion von TGF-ß-Signalen in der frühen Embryonalentw icklung [1] P. M. Siegel, J. Massague: Cy tostatic and apoptotic actions of TGF- beta in hom eostasis and cancer. Nature Review s Cancer 3, 807-821 (2003). [2] Y . Y amamoto, M. Oelgeschläger: Regulation of bone m orphogenetic proteins in early em bry onic dev elopm ent. Naturw issenschaften 91, 519-534 (2004). [3] E. M. De Robertis: Spem ann's organizer and self- regulation in am phibian em bry os. Nature Review s Molecular Cell Biology 7, 296-302 (2006). 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